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TheMagneticFieldUnd natürlich sind Songs wie „Wette unter Models“, „Das Beste von Osten“ „Busfahrt“ etcpp grandios.
Das möchte ich mal eben bestätigen und vor allem für das Delfin-Album werben. Auch „Trost im Stich“, „Lachen in Moll“ oder „Tätowiert von innen“ sind echte Perlen, und sprachlich einzigartig.
Leider sind Erdmöbel auch wie kaum eine andere Band die ich mag, in der Lage, absolut nervige Songs aufzunehmen.--
Highlights von Rolling-Stone.deWerbungClose to the edgeIch hab das aber etwas zurückhaltender formuliert.:-)
Wir Hörer deutscher Songs lesen halt auch zwischen den Zeilen.;-)
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kramerUnsinn.
Ist klar. Die beste und erfolgreichste Popmusik müsste dann also aus Indien oder China kommen. Hast Du ein paar Tipps für mich?
Das halte ich ebenfalls für kaum haltbaren Schwachsinn. Meine Eltern haben in den 50er und 60er Jahren fast ausschließlich deutschsprachige Popmusik und Schlager gehört und in ihrem Freundeskreis sah es ähnlich aus. Dabei von Nischen o.ä. zu sprechen ist Humbug.
Ein paar Gegenargumente dürften es dann aber schon sein.
Es kommt auf die Generation an. Die große Zäsur waren natürlich die späten 1960er, was man häufig als 1968 bezeichnet. Natürlich gab es unterschiedliche Entwicklungen in verschiedenen Orten. Dennoch bricht mit den späten 1960ern eine neue Zeit in Deutschland an, die im Wesentlichen von den nach 1945 geborenen Menschen getragen wird. Und die haben mit deutschsprachiger Musik wenig am Hut, sondern hören die Beatles, die Stones und dann in der Folge eben die typische Popmusik der 1970er. Die Grenze ist natürlich nicht absolut, aber eine Tendenz. Es handelt sich aber natürlich auch nicht um alle Jugendliche, sondern im Wesentlichen um Studenten.
MikkoNail, in Deinem letzten Beitrag sind einige durchaus richtige Überlegungen angesprochen. Manches ist vielleicht wirklich typisch deutsch. Und die deutsche Geschichte hat natürlich auch Auswirkungen auf die Rezeption und den Umgang mit Popmusik hierzulande.
Aber einen weiteren wichtigen Punkt hast Du vergessen. Popmusik hat in Deutchland noch immer nicht den gleichen Stellenwert in der gesellschaftlichen und kulturellen Wahrnehmung wie in Großbritannien, USA oder sogar in Frankreich. Das hat viele direkte aber auch indirekte Auswirkungen.
M.E. ist auch die vergleichsweise geringe Zahl international konkurrenzfähiger Bands (nicht in technischer, sondern vor allem auch in künstlerischer Hinsicht) eine indirekte Folge davon. Wenn es als Jugendsünde gilt oder als nicht ernst zu nehmende jugendliche Schwärmerei, in einer Band zu spielen, dann wendet sich die Mehrzahl der jungen Musiker natürlich bald einem ernsten Beruf zu. Und die, die aus Überzeugung dabei bleiben, haben es dennoch ungleich schwerer als in Finnland, Schweden oder eben Großbritannien, anerkannt zu werden und gesellschaftlich akzeptiert zu sein. Das ist nur nicht so, wenn ein Musiker schnell kommerziellen Erfolg hat (wie etwa Tokyo Hotel). Dann gilt er als clever und geschäftstüchtig, aber seine künstlerische Leistung interessiert schon wieder kaum noch.
Es gibt hier einfach nicht genug Leute, wie die hier im Forum aktiven Musikliebhaber, die sich ernsthaft mit Pop- und Rockmusik beschäftigen und sie auch in der Weise, wie wir das gerade tun, diskutieren. Und ohne eine solches Publikum, ohne entsprechende Anerkennung, aber auch Kritik, kann sich eine lebendige hochwertige Szene gar nicht entwickeln.
Die verschiedenen deutschsprachigen Szenen, die es gibt, schmoren m.E. meist immer noch zu sehr im eigenen Saft. Wen interessiert denn, was in der Spex steht oder in der Visions? Mal abgesehen davon, dass da oft auch noch großer Unsinn steht.Ich dachte, ich hätte darauf hingewiesen, dass die Popmusik in Deutschland schon immer unter einer sehr kritischen Haltung des Bildungsbürgertums gelitten hat. Egal, natürlich ist der Stellenwert in FR, GB, USA ein anderer, zumal es dort keine vergleichbare Tradition klassischer Musik gibt, jedenfalls nicht in dieser Breite. Das gilt übrigens auch für Comics, die in Deutschland als Kinderkram gelten, während sie in Frankreich bis in die höchsten Bildungsschichten gerne gelesen werden.
Die Charakterisierung des Problems, das viele deutsche Bands betrifft, empfinde ich als sehr treffend. Die Anzahl derjenigen, die sich ernsthaft mit Musik beschäftigen ist gar nicht so klein, aber es fehlt dann doch an einer allgemeinen Popkultur, der wie gesagt mit Misstrauen begegnet wird. Und in der Tat die Abtrennung zwischen einzelnen Szenen, die Zersplitterung in Klein- und Kleinstgruppen schadet natürlich. Ich denke aber doch, dass sich in Deutschland langsam wirklich eigenständige Popmusik ausbildet, aber natürlich ist die Breite noch nicht besonders groß.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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MikkoAndererseits weiß ich nicht, wie ich die Texte von Thees Uhlmann anders bezeichnen soll. Der Mann ist ja nicht mal in der Lage, schlichte Liebeslieder zu verfassen.
Stimmt schon, Mikko, aber, um neben all der sachlich-trockenen Wertanalyse auch mal wieder ein hübsches popkulturelles Beispiel anzuführen: „Die Bastarde die dich jetzt nach Hause bringen“ von TOMTE mal anhören, da hat das gut geklappt. Da ist nix von Schwurbel, Schwurbel oder verdrehtem Komplexgekasper zu finden. Uhlmanns Text bringts auf den Punkt, ist einerseits natürlich schon eine einzige kitschige Suppe, der die deutsche Sprache freilich nicht virtuos bis ins hintere letzte Glied ausreizt, wirkt indes aber auch erfreulich unpathetisch und wohl so unmittelbar auf den Punkt gebracht, wie man in emotionalen Momenten Liebesbekundungen eben nur auf den Punkt bringen kann (und die wirken auf Außenstehende dann gemeinhin ja auch gerne mal etwas peinlich oder ungelenk). Ansonsten ist Uhlmann (und seine Kunst) echt nicht so toll. Voll die unfähige Klischeewurst gar (Typ: „verspießter Indiemacker“, ähnl. J. Friebe), dessen vermeintliche Kaputnikattitüde die Indiemädchen halt oft total super & sexy & süss finden (ähnl. J. Friebe), warum auch immer. 35 Jahre zuvor hätten die in der Hitparade vermutlich Blumenbukets geworfen, womit wir evtl. wieder beim Generationskonflikt, bei unmittelbarer und authentischer Sprachbeschaffenheit, sowie daraus entstehender unterschiedlicher Rezeptorenreizung wären etc. naja… Geschichten wiederholen sich eben, klingen aufgewärmt jedoch nicht gleich aufregender.
… und letztens im deutschen Journaillenblätterwald außerdem noch folgendes Zitat entdeckt:
Warum textet Gustav mal englisch, mal deutsch?
Für mich geht es darum, zu schauen, ob ich Problematiken verarbeiten kann, die nicht nur regional verstanden werden, sondern international. Und es gibt Themen, die lassen sich in englischer Sprache auch einfach am besten ausdrücken. […] Und natürlich verwende ich die englische Sprache, wenn ich mehr Leute erreichen möchte. […] Ich würde fast von einer Notwendigkeit des Ausbrechens sprechen wollen – des gelegentlichen Ausbrechens aus der deutschen Sprache.
(Eva Jantschitsch a.k.a. Gustav in SPEX #315, Juli/August 2008)
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nail75Nein das ist keine deutschsprachige Musik, auch wenn sie auf deutsch gesungen ist. Das mag sich für manche vielleicht absurd anhören, aber es ist eigentlich ganz logisch, denn schließlich ist von Deutschen auf englisch gesungene Musik auch keine angloamerikanische Popmusik.
Das hört sich überhaupt nicht absurd an. Man muss es nur verstehen wollen.
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Gewinnen ist nicht alles, gewinnen ist das einzige.MikkoIch kann Herrn Rossi da nur zustimmen. Einen guten witzigen, spritzigen Popsong zu verfassen, ist auch nicht so leicht.
Aber sicher ist es andererseits wirklich eine Kunst, einen guten Song mit einem ernsten Anliegen so zu präsentieren, dass er weder peinlich noch aufgesetzt oder konstruiert wirkt. Ganz vielen deutschsprachigen ernsthaften Rock- und Popsongs merkt man einfach dieses Bemühen zu sehr an.Zustimmung. Im deutschsprachigen Pop wirkt Leichtigkeit oft gezwungen.
nail75[…]Denn wie gesagt: Nur weil Willie Nelson eine deutschsprachige Single veröffentlich hat, macht er eben trotzdem keine deutschsprachige Musik. Das mag auf den ersten Blick absurd klingen, ist es aber nicht, denn die Gesangssprache ist eben dann unerheblich, wenn das nur ein marketingtechnisches Vorgehen ist, das im Gesamtwerk des Künstlern keinerlei Signifikanz aufweist. […]
Tut es in der Tat. „Deutsch-Pop“, meinetwegen „Deutsch-Rock“, über die Definition kann man sicherlich streiten (mehr noch über: „Schlager“). Aber „deutschsprachige Musik“? Sie singen auf deutsch, aber es ist nicht „deutschsprachig“?
nail75[…]
Ich dachte, ich hätte darauf hingewiesen, dass die Popmusik in Deutschland schon immer unter einer sehr kritischen Haltung des Bildungsbürgertums gelitten hat. Egal, natürlich ist der Stellenwert in FR, GB, USA ein anderer, zumal es dort keine vergleichbare Tradition klassischer Musik gibt, jedenfalls nicht in dieser Breite. Das gilt übrigens auch für Comics, die in Deutschland als Kinderkram gelten, während sie in Frankreich bis in die höchsten Bildungsschichten gerne gelesen werden.
[…]Schon richtig, wobei die Franzosen/Belgier einfach ein paar herausragende Künstler in ihren Reihen hatten, die auch sehr populär waren. Deren Künstler auch explizit Comics für Erwachsene schreiben. Es gab Anfänge (Beginn des 19. Jhds), eine Tradition, eine Szene, sich entwickelnde Qualitätskriterien, damit ein aufgeschlossenes Publikum und Verleger – alles das, was im deutschsprachigen Pop in meinen Augen noch unterentwickelt ist. Vielleicht wird’s ja noch ‚was.
Aber ich wundere mich schon über Deine Verdammung des Bildungsbürgertums, wo Du doch im „Kultursubventionsthread“ mich und andere am Untergang des Abendlandes hast arbeiten sehen, weil wir das Gießkannenprinzip ablehnten.--
If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.latho
Tut es in der Tat. „Deutsch-Pop“, meinetwegen „Deutsch-Rock“, über die Definition kann man sicherlich streiten (mehr noch über: „Schlager“). Aber „deutschsprachige Musik“? Sie singen auf deutsch, aber es ist nicht „deutschsprachig“?Genau. Weil die Sänger keinen Bezug zur Sprache haben und sie auch nicht beherrschen. Die könnten auch klingonisch oder elfisch singen und wären deshalb auch keine Klingonen oder Elfen. Da fehlt eben jede Voraussetzung.
Schon richtig, wobei die Franzosen/Belgier einfach ein paar herausragende Künstler in ihren Reihen hatten, die auch sehr populär waren. Deren Künstler auch explizit Comics für Erwachsene schreiben. Es gab Anfänge (Beginn des 19. Jhds), eine Tradition, eine Szene, sich entwickelnde Qualitätskriterien, damit ein aufgeschlossenes Publikum und Verleger – alles das, was im deutschsprachigen Pop in meinen Augen noch unterentwickelt ist. Vielleicht wird’s ja noch ‚was.
Aber ich wundere mich schon über Deine Verdammung des Bildungsbürgertums, wo Du doch im „Kultursubventionsthread“ mich und andere am Untergang des Abendlandes hast arbeiten sehen, weil wir das Gießkannenprinzip ablehnten.Du meinst in der deutschsprachigen Comic-Szene, vermute ich? Ich habe mal den ersten Band eines deutschen Comics gelesen, das für Erwachsene gedacht war (Titel habe ich vergessen) und es war entsetzlich. Ich glaube, die deutsche Comic-Kultur lässt (mit Ausnahmen) noch auf sich warten. Glückwunsch zum Erwerb von Transmetropolitan – so etwas auf deutsch wäre ein Traum.
Ich verdamme das Bildungsbürgertum nicht, ich kritisiere nur gewisse Erscheinungsformen. Als Jungendlicher war ich mit jemandem gut befreundet, der eines Tages alle seine Pop-CDs aus dem Haus warf und beschloss, fortan nur noch Klassik zu hören. Ich war baff, aber als ich eines Tages mit seiner herrischen Mutter sprach, begriff ich den Hintergrund: Die betrachtete Popmusik als wertlosen Dreck und fand, dass man das allenfalls als unmündiges Kind hören durfte, aber nicht als Erwachsener. (Mein Freund war nicht fremdgesteuert, ließ sich in dieser Sache aber beeinflussen.) Jedenfalls hat der entsprechende Freund sich Jahre später glücklicherweise wieder den Pop erschlossen, über Dylan.
Das Bildungsbürgertum hat auch seine guten Seiten, die ich jetzt nicht alle aufzählen will. Es hat aber Grenzen und blinde Flecken, die einfach für außerhalb der Zuständigkeit erklärt werden, eben Comics, Popmusik. Und das gilt auch heute noch, nimmt aber ab.
Was mich an der Kultursubventionsargumentation vor allem gestört hat, war eben gerade, dass manche die gänzliche Abschaffung von allen Subventionen für Kultur gefordert haben, mit der Begründung dass der Staat dafür nicht zuständig sei. Das war bei Dir in Nuancen anders, aber der Vorwurf ist eigentlich ein umgekehrter: Ich war durchaus bereit über gewisse Formen der Subvention zu diskutieren, nicht aber über deren Sinnhaftigkeit als Ganzes. Mit anderen Worten: Ich will kein Gieskannenprinzip, aber andere wollen ein Anti-Gieskannenprinzip, also die komplette Abschaffung und das lehne ich ab, halte es eigentlich nicht einmal für diskutabel.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75Nein, ist es nicht. Und das ist der grundlegende Unterschied zwischen unseren Auffassungen. Ich würde zwar auch Nicht-Muttersprachlern mit langjähriger Bindung an Deutschland zugestehen ggf. deutschsprachige Musik zu machen, aber ganz sicher nicht Willie Nelson oder Marvin Gaye. Das ist keine deutschsprachige Musik, auch wenn sie auf deutsch gesungen ist. Das mag sich für manche vielleicht absurd anhören, aber es ist eigentlich ganz logisch, denn schließlich ist von Deutschen auf englisch gesungene Musik auch keine angloamerikanische Popmusik.
Auch ich muss mich wiederholen:
Da es ja hier offenbar um genaue Definitionen geht, finde ich schon, dass dann auch Genauigkeit im Ausdruck erforderlich ist. Und es ist eben in der Terimnologie der entscheidende Unterschied, ob man etwas als „angloamerikanisch“ (also angloamerikanischer Herkunft) oder „englischsprachig“ bezeichnet. Ersteres deutet auf die Provenienz bzw. eine Art Verwurzelung, letzteres bezieht sich einfach auf die verwendete Sprache, darunter können, nein: müssen dann genauso gut die Scorpions und Tokyo Hotel fallen.
Gleiches gilt für den Unterschied zwischen deutschsprachig (Orbison, Marvin Gaye etc.) und deutsch (Tomte, Blumfeld, Kunze…) … bzw. teutonisch.;-)
latho
„Deutsch-Pop“, meinetwegen „Deutsch-Rock“, über die Definition kann man sicherlich streiten (mehr noch über: „Schlager“). Aber „deutschsprachige Musik“? Sie singen auf deutsch, aber es ist nicht „deutschsprachig“?
Genau.
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I like to move it, move it Ya like to (move it)Sonic JuiceAuch ich muss mich wiederholen:
Da es ja hier offenbar um genaue Definitionen geht, finde ich schon, dass dann auch Genauigkeit im Ausdruck erforderlich ist. Und es ist eben in der Terimnologie der entscheidende Unterschied, ob man etwas als „angloamerikanisch“ (also angloamerikanischer Herkunft) oder „englischsprachig“ bezeichnet. Ersteres deutet auf die Provenienz bzw. eine Art Verwurzelung, letzteres bezieht sich einfach auf die verwendete Sprache, darunter können, nein: müssen dann genauso gut die Scorpions und Tokyo Hotel fallen.
Gleiches gilt für den Unterschied zwischen deutschsprachig (Orbison, Marvin Gaye etc.) und deutsch (Tomte, Blumfeld, Kunze…) … bzw. teutonisch.;-)
So falsch ist das nicht, aber hier geht es um mehr. Hier singen ja nicht die Scorpions auf englisch, was sie einigermaßen verstehen oder eben Peter Gabriel, der deutsch unvollkommen spricht, aber versteht, was er singt, sondern Willie Nelson und Marvin Gaye (um bei diesen Beispielen zu bleiben), die keine Ahnung haben, was sie tun. Das kann ich beim besten Willen nicht als deutschsprachig bezeichnen, denn mit der deutschen Sprache hat das überhaupt nichts zu tun. Das ist keine deutschsprachige Musik, denn die singen eben nicht deutsch, sondern sie singen phonetische Aufzeichnungen nach. Das ist nichts weiter als Mimikry, Kuriosität, Kasperletheater oder Marketinggag.
Es ist aus meiner Sicht völlig vertretbar, die Frage der Bezeichnung „deutschsprachig“ an der bloßen Verwendung der Sprache festzumachen, nur erwarte ich im Unterschied dazu bei der Verwendung einer Sprache mehr als bloßes Nachäffen von Lauten.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75
Es ist aus meiner Sicht völlig vertretbar, die Frage der Bezeichnung „deutschsprachig“ an der bloßen Verwendung der Sprache festzumachen, nur erwarte ich im Unterschied dazu bei der Verwendung einer Sprache mehr als bloßes Nachäffen von Lauten.
Ich glaube, Du merkst selbst, dass man mit dieser – letztlich wieder wertenden – Unterscheidung nicht weiterkommt, weil sie eben nicht exakt ist und damit als Diskussionsgrundlage nicht taugt. Du müsstest ja vorher prüfen, ob der Sänger nun einfach nur einen harten Akzent hat oder tatsächlich nicht versteht, was er da singt. Gegenbeispiel: Sandra, falls die noch jemand kennt, hat ihre Hits wie „Maria Magdalena“ auch nur per Lautschrift vom Blatt gesungen, weil sie kein Englisch verstand. Ist das deswegen nicht englischsprachig? Was weiß ich, wie gut Roger Whittaker deutsch kann, jedenfalls ist „Abschied ist ein scharfes Schwert“ eindeutig deutschsprachig.
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I like to move it, move it Ya like to (move it)nail75Genau. Weil die Sänger keinen Bezug zur Sprache haben und sie auch nicht beherrschen. Die könnten auch klingonisch oder elfisch singen und wären deshalb auch keine Klingonen oder Elfen. Da fehlt eben jede Voraussetzung.
Nein, das wäre es nicht. Wenn James T. Kirk einen Schmusesong auf klingonisch aufnimmt, dass ist das klingonischsprachiger Pop. „Deutschsprachig“ heißt der Text ist auf deutsch, fertig, aus, nichts mehr. Was „Deutsch-Pop“ oder „Schlager“ ist, kann man sicherlich diskutieren. Ich verstehe nicht ganz, was Du von der Abgrenzung hast.
nail75
Du meinst in der deutschsprachigen Comic-Szene, vermute ich? Ich habe mal den ersten Band eines deutschen Comics gelesen, das für Erwachsene gedacht war (Titel habe ich vergessen) und es war entsetzlich. Ich glaube, die deutsche Comic-Kultur lässt (mit Ausnahmen) noch auf sich warten. Glückwunsch zum Erwerb von Transmetropolitan – so etwas auf deutsch wäre ein Traum.Ich meinte eigentlich die Musik, aber auf die Comics kann man das genausso beziehen.
nail75
[…]
Was mich an der Kultursubventionsargumentation vor allem gestört hat, war eben gerade, dass manche die gänzliche Abschaffung von allen Subventionen für Kultur gefordert haben, mit der Begründung dass der Staat dafür nicht zuständig sei. Das war bei Dir in Nuancen anders, aber der Vorwurf ist eigentlich ein umgekehrter: Ich war durchaus bereit über gewisse Formen der Subvention zu diskutieren, nicht aber über deren Sinnhaftigkeit als Ganzes. Mit anderen Worten: Ich will kein Gieskannenprinzip, aber andere wollen ein Anti-Gieskannenprinzip, also die komplette Abschaffung und das lehne ich ab, halte es eigentlich nicht einmal für diskutabel.Hier ist es off topic, aber kurz: komplette Abschaffung hatte meines Wissens auch keiner gefordert, bzw. unterschieden zwischen Kultur, Bildung etc. Aber das am geeigneten Ort.
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.Mikko
Dick, ich habe in meiner Antwort an Mista bezüglich der Entwicklungen der ndW in den 80ern den Begriff Schlager verwandt, weil er auf einen Teil der sogenannten ndW ganz gut passt. Mit Schlager meine ich deutschsprachige Popmusik, wie sie vor allem in den 50er und 60er Jahren bis in die 70er hinein in Deutschland sehr erfolgreich war und die deutschen Single Charts bis weit in die 60er dominierte. Die Grenzen zum internationalen Mainstream Pop waren da fließend. Aber der deutsche Schlager stellte aufgrund seiner Traditionen, die bis in die 30er und 40er Jahre zurück reichen, schon ein eigenes Genre dar. Typische Vertreter dieser „Schlager ndW“ waren etwa Frl. Menke, Hubert Kah, UKW, Marcus u.a. Natürlich wurden da auch zeitgemäßes Instrumentarium und Sound adaptiert (Synthis, Computer Drums), aber die musikalische und textliche Anmutung war im Prinzip schlagerhaft.So sehe ich das auch. Anmerken möchte ich aber noch, dass der deutsche Schlager sehr viel älter ist und man sicher schon um 1900 treffende Beispiele findet. Ganz sicher war das „Puppchen“ von 1912 einer.
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When I hear music, I fear no danger. I am invulnerable. I see no foe. I am related to the earliest time, and to the latest. Henry David Thoreau, Journals (1857)lathoNein, das wäre es nicht. Wenn James T. Kirk einen Schmusesong auf klingonisch aufnimmt, dass ist das klingonischsprachiger Pop. „Deutschsprachig“ heißt der Text ist auf deutsch, fertig, aus, nichts mehr. Was „Deutsch-Pop“ oder „Schlager“ ist, kann man sicherlich diskutieren. Ich verstehe nicht ganz, was Du von der Abgrenzung hast.
Hier ist es off topic, aber kurz: komplette Abschaffung hatte meines Wissens auch keiner gefordert, bzw. unterschieden zwischen Kultur, Bildung etc. Aber das am geeigneten Ort.
Ich habe davon nichts, denke aber auch, dass wir dann eben die Differenzen einfach bestehen lassen. Grundsätzlich geht es mir darum, dass Sprache immer an Bedeutung gekoppelt ist und dort ihren Sinn verliert, wo die Bedeutung nicht vorhanden ist, wenn der Sänger die Sprache nicht beherrscht. Da Sprache ohne Bedeutung nur inhaltlose Laute sind, sind auch phonetisch nachgesungene Texte keine Sprache im eigentlichen Sinn, sondern Mimikry. Klingt wie Sprache, ist es aber nicht.
Ok, dann lass mich dennoch darauf noch antworten, dass das nicht stimmt, dass sehr wohl mehrere Leute die völlige Abschaffung von Kultursubventionen gefordert haben und dass das mit den Ausgaben für Bildung nichts zu tun hat, da das in den öffentlichen Haushalten unterschiedliche Positionen sind. Bildung ist eben keine Kultur.
Aber das war es dann dazu.
Sonic JuiceIch glaube, Du merkst selbst, dass man mit dieser – letztlich wieder wertenden – Unterscheidung nicht weiterkommt, weil sie eben nicht exakt ist und damit als Diskussionsgrundlage nicht taugt. Du müsstest ja vorher prüfen, ob der Sänger nun einfach nur einen harten Akzent hat oder tatsächlich nicht versteht, was er da singt. Gegenbeispiel: Sandra, falls die noch jemand kennt, hat ihre Hits wie „Maria Magdalena“ auch nur per Lautschrift vom Blatt gesungen, weil sie kein Englisch verstand. Ist das deswegen nicht englischsprachig? Was weiß ich, wie gut Roger Whittaker deutsch kann, jedenfalls ist „Abschied ist ein scharfes Schwert“ eindeutig deutschsprachig.
In der Diskussion um solche Inhalte ist man nie exakt, Definitionen sind auch nie abschließend und vollkommen. Ich schlage vor, wir belassen wir es dabei. Festzuhalten bleibt, dass das trotz aller Sympathie für die beteiligten Künstler doch eher Aufnahmen von marginaler Bedeutung sind, die schlecht als Beispiel für deutschsprachige Musik gelten können. Darin sind wir uns einig, oder?
Ansonsten würde mich interessieren, worin ihr die Gründe für das schwächere Niveau der originär deutschsprachigen Popmusik seht.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75Ansonsten würde mich interessieren,worin ihr die Gründe für das schwächere Niveau der originär deutschsprachigen Popmusik seht.
Tja.
Zunächst mal ist mir jenseits anglophoner Popmusik aus den USA und dem UK ohnehin kein Land bekannt, das da annähernd mithalten kann. Johnny Halliday z.B., der vermeintlich große Rocker der Franzosen, gilt ja auf der Insel als eine absolute Lachnummer. Es wäre wohl sogar verwunderlich, wenn ein Land, das die entsprechende Rock/Pop-Stilistik nur adaptiert hat, da konkurrenzfähig wäre. Da aber die Attraktivität und damit verbundene Deutungshoheit über die Popularkultur ganz bei den Engländern und US-Amerikanern liegt, gibt es natürlich in fast jedem Land dieser Erde mehr oder weniger geglückte Versuche, da mitzuspielen.
Insoweit spielt die besondere Problematik der deutschen Geschichte noch keine große Rolle, schließlich sind die Schweizer, Belgier, Niederländer und Portugiesen auch nicht besser, wenn sie rocken oder rappen. (Ok, die Finnen kenne ich nicht hinreichend). Wenn sich die ganze Welt dem Tango, und nicht den Beatles unterworfen hätte, sähen wahrscheinlich die Engländer ganz schön alt aus, da mitzuhalten. So ist es aber nicht gekommen.In Bezug auf ein etwaiges spezifisch deutsches Dilemma bzw. Defizit stellt sich mir die Frage eher, warum wir keine eigene originäre Popularkultur in der Breite haben, auf die sich alle einigen können. Das unterscheidet uns ja offenbar von vielen anderen Ländern. Hier gerate ich aber natürlich ins Spekulieren, weil ich keine wirklich fundierten Länder-Kenntnisse habe. Aber die Franzosen, die Italiener, die Spanier, Portugiesen, Argentinier und Brasilianer verfügen doch statt oder neben der typischen anglophonen Rockmusik auch über eine in der breiten Bevölkerung verankerte und durch die Generationen akzeptierte, identitätsstiftende Volksmusik, sei es nun Flamenco, Chanson, Fado, Tango, Samba oder Bossa Nova, die man nicht mögen muss, die aber in der Breite gewisse Geschmacksgrenzen nicht unterschreitet und oft von ungemeinem Charme ist. Die Qualität dieser Musik scheint mir nicht selten darin zu liegen, dass sie – vereinfacht gesprochen – authentische Gefühle vermittelt und ihr zugleich eine gewisse Eleganz anhaftet, die gerade in den von Traurigkeit und Melancholie geprägten Momenten eine große Kraft entfaltet (sozusagen den „Blues“ des Landes verkörpert).
In Deutschland gibt es aber – jenseits der Klassik – in der Breite diese Volkskultur nicht, auf die sich alle einigen können. Niemand singt uns allen auf originär deutsche Weise den „Blues“ vom Leibe. Als Massenkultur haben wir allenfalls seit Jahrzehnten den Schlager und die volkstümliche Musik, die Fototapeten ausrollt und in der Regel klobige Stumpfheit und falsche Idyllen transportiert, meist reiner Eskapismus. Mir ist jetzt auf Anhieb kein Land bewusst, dass in solch erschütterndem Maße auf vergleichbar ordinäre Klänge baut. Und als Gegenbewegung (jenseits der wirklich authentischen Volksmusik, die ja auch eher ein Nischenpublikum bedient) gibt es dann halt die deutsche Pop/Rockmusik, die ja nun im Schnitt auch nicht so richtig dolle ist.
Warum das so ist? Vielleicht hängt es wirklich damit zusammen, dass Deutschland in der Entwicklung der Populärmusik nach den Comedian Harmonists, Kurt Weill etc. nicht auf eine kontinuierliche Geschichte bauen konnte, dass viele Talente auswanderten und in der Rock’n’Roll-Gründungszeit der 50er hier die große biedere heile Welt der Verdrängung herrschte, niemand den Blues hören wollte, sondern lieber auf musikalische Fototapeten ohne jegliche Aussage schaute. Es wurde in den entscheidenden Jahren eben einfach kein richtiges Fundament gelegt, auf das man bauen konnte. Und nach wie vor ist – verständlicherweise – die Tendenz bei deutschen Popmusikern, sich auf eine deutsche Vergangenheit oder originäre Identität zu berufen und diese fortzuentwickeln, nicht sehr verbreitet. In den USA kann der Indierocker, der das System hasst, trotzdem eine Country-Platte aufnehmen. In Deutschland lebt man als Künstler hingegen – auch musikalisch – oft in einem ständigen Distanzierungsdenken von der eigenen Herkunft – wenn man sich nicht als unreflektiert oder deutschtümelnd oder jedenfalls als unglaublich uncool bezeichnen lassen will. Verständlicherweise.--
I like to move it, move it Ya like to (move it)Sonic JuiceTja.
Tja.
Sonic Juice
[…] Und als Gegenbewegung (jenseits der wirklich authentischen Volksmusik, die ja auch eher ein Nischenpublikum bedient) […]Sozusagen die Bayern-Nische. Aber die Kultur ist ja – in ihren jeweiligen Regionen – durchaus lebendig, wie das generell für „Volksmusiken“ gilt.
Ich denke, es hat ganz einfach damit zu tun, dass es so etwas wie eine „Eliten-Kultur“ nicht geben kann, in dem Sinne, dass aus dem Nichts ein Mega-Genie entspringt sich rudimentär vorhandene Traditionen aneignet und das ganze im Alleingang Richtung Pop-Himmel (oder sonstwas – gilt ja generell) fährt.
Es benötigt für das Pflänzchen Ausnahmeerscheinung ein ordentlich fruchtbarer Boden, Licht etc. (Stop bevor ich hier zu sehr auf Blut und Boden komme).
Aber: weder die Country- noch die Blues-Größen kamen doch aus dem Nichts, es gab Kulturen, in denen sie verwurzelt waren, die sie kannten und Mitstreiter. Elvis fiel doch nicht – egal, was seine Jünger glauben – vom Himmel und legte seine Singles hin. Er entstammt doch – wie jeder andere begabte Musiker auch – einem Milieu, einer Tradition, die er sich aneignet und dann, im Glücksfall, fortführt. Und die für angloamerikanische Musik gibt es in Deutschland nicht im ausreichenden Masse. Viel Epigonentum, ja, aber nichts, was sich über die Vorbilder erhebt. Ich würde das niemals ausschließen, aber noch ist es in meinen Augen nicht soweit.--
If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words. -
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