Jazz aus Südafrika: Jazz Epistles, Moeketsi, McGregor, Dyani, Pukwana, Feza, Masekela etc.

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  • #12499253  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    redbeansandrice

    gypsy-tail-windIch vermute, wo ich nochmal drüber nachdenke, die Antwort zu Granz steht oben schon: er hat die Touren halt wirklich selbst organisiert (und reiste meines Wissens in der Regel ja auch mit). Das scheint ja ausgenommen gewesen zu sein, weil damit quasi den Engländern nichts weggenommen wurde. Zu Hayes/Terry finde ich hier was, aber das meinst Du nicht, da geht’s nur um die rechtliche Seite der LP/CD-Veröffentlichung … jedenfalls ist das Album ohne die Bonustracks der US-CD (da ist die Begründung dann, dass die Rechte nicht Universal gehörten, es bleibt also rätselhaft) in der grossen Universal-Box von Hayes dabei. Die Liner Notes sind von Stanley Dance, aber lesbar finde ich sie gerade nicht – dass der uns was zu den britischen Gewerkschaften bzw. irgendeinem Tausch erzählt, glaube ich nicht.

    https://www.jazzwise.com/features/article/tubby-hayes-how-the-little-giant-conquered-the-big-apple
    Hier steht ein bisschen mehr, der Tausch war Zoot Sims im Ronnie Scott, ein Artikel von Simon Spillett, wenig überraschend… (Wahrscheinlich weiss ich es aus seinen Liner notes zur Fontana Box)

    Ah ja, genau – das ist die Session, von der ich bloss einen Teil auf dem seltsamen Album (Compilation?) „Cookin'“ habe, über die wir uns neulich im Hörfaden unterhalten hatten (noch zu jung für die Suche, scheint’s) – ich hatte davor gar nicht bemerkt, dass ich da einen eher unvernünftigen Kauf getätigt hatte, aber die Details habe ich schon wieder vergessen.

    Das mit diesen Gegengeschäften ist ja fast wie bei Waffenexporten … (passend dazu verwendet auch Spillett zweifelhafte Sprache, wenn er über die Session schreibt, „this was a propaganda exercise par excellence“).

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #12499263  | PERMALINK

    lotterlotta
    Schaffnerlos

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    ….ein album das ich schmerzlich vermisse! hat jemand die die klimt-ausgabe auf vinyl? die originalscheibe ist ja nicht bezahlbar….hinweise zu pressqualität und klang wären sehr hilfreich….

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    Hat Zappa und Bob Marley noch live erlebt!  
    #12499313  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Da wär ich vorsichtig … Klimt scheint ja ganz allgemein Bootlegs herauszubringen. Aber klar, wenn es sonst gar keine Alternative gibt …

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    #12499335  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Dudu Pukwanas eigene Alben wirken weniger ambitioniert als die von Dyani oder Moholo – ich kenne allerdings einige nur in Behelfsversionen aus der goldenen Zeit der Musikblogs und müsste sie dringend wieder einmal anhören. Vielleicht sind sie auch einfach mehrheitlich keine Jazzalben und es gelten andere Massstäbe? Am Genuss der Musik ändert sich für mich da jedenfalls eh nichts. Sein Debüt nach „Kwela“ mit Gwigwi’s Band (1967, Gwigwi ist der Altsaxophonist Gwigwi Mwrebi – ein Marabi-Album, immerhin mit zwei Altsaxern auf dem Cover und auch ähnlich prominent in den kurz gehaltenen Stücken, Reissues bei Honest Jon’s, zuletzt 2024 auf Vinyl) war 1968 „Dudu Phukwana and the ‚Spears'“, in London aufgenommen aber damals nur in Südafrika erschienen. Matsuli hat 2020 eine erweiterte Fassung davon herausgebracht und die Line-Ups so gut es geht aufgedröselt.

    Die Original-LP wurde 1968 eingespielt, es gibt zehn kurze Stücke, Tanzmusik, in der sich Cape Jazz mit Soul-Jazz mischt. Das Line-Up: Confirmed: Dudu Pukwana (alto sax), Bob Stuckey (organ and bass pedals), Louis Moholo (drums). Likely: Phil Lee (guitar), Chris McGregor (piano), Teddy Osei (tenor sax), Mongezi Feza (trumpet), Harry Miller (bass). Possible: Jonas Gwangwa (trombone), Dudu Pukwana (tenor sax and piano), Remi Kabaka (drums or percussion), Jimmy Scott (percussion), Tunji Oyelana (drums or percussion).

    Als Bonus gibt es 9 Stücke von 1969 mit ein paar interessanten britischen Gästen im Line-Up: Confirmed: Dudu Pukwana (alto sax), Richard Thompson (guitar), Simon Nicol (guitar), Harry Miller (bass), Louis Moholo (drums), Mongezi Feza (trumpet), Joe Mogotsi (vocals), Bob Stuckey (organ and bass pedals). Likely: Mamsie (Mthombeni) Gwangwa (vocals), Chris McGregor (piano), Phil Lee (guitar), Teddy Osei (tenor sax). Possible: Dudu Pukwana (tenor sax), Jonas Gwangwa (trombone), Remi Kabaka (drums or percussion), Jimmy Scott (percussion), Tunji Oyelana (drums or percussion).

    Quelle für die Infos: https://matsulimusic.bandcamp.com/album/dudu-phukwana-and-the-spears – und da kann man das auch alles streamen.

    Louis Moholo war also auch dabei, wenn Pukwana mit dem jungen englischen Organisten Bob Stuckey zu den südafrikanischen Wurzeln zurückkehrte. Besonders in der zweiten Session gibt es auch einigen Gesang … unter den zusätzlichen Stimmen ist Jonas Gwangwa prominent (wenn er es denn ist), in der zweiten Session gibt es eine Gitarre, die durchaus als Südafrikanisch durchgehen könnte (Philip Tabane, Allen Kwela, Lucky Ranku…) – und vermutlich von Richard Thompson kommt (oder von Simon Nicol, den ich gar nicht kenne – sie wechseln sich vermutlich ab, ich höre durchaus zwei unterschiedliche Gitarren-Sounds). Das ist natürlich faszinierend, aber am Ende ist das alles Tanzmusik mit guten Grooves und wenig Raum für Persönlichem – ausser für den Leader, dessen Sax auch hier unverkennbar ist. Ansonsten ist das ziemlich dick mit Gitarren, mehreren Drums, manchmal Klavier und/oder Orgel dazu, Percussion, riffende Bläsersätze … aber immer als Leadstimme Pukwanas Sax, da und dort von Feza an der Trompete ergänzt.

    Da dann auch nochmal was zu Ronnie Scott’s Old Place: 39 Gerrard Street war die Adresse. Und als Scott’s Club zu gross wurde und weiterzog, lief der Vertrag noch für ein paar Jahre. Da Scott und sein Geschäftspartner Pete King tatsächlich für die Musik und nicht für den Profit ins Business gingen, liessen sie den Laden – dann eben „Old Place“ laufen, als Ort, wo die „new kids on the block“ ihre Musik präsentieren konnten, während Scott und King sich abmühten, an der neuen Adresse an der Fifth Street ein neues Jazz-Mekka in London zu errichten. Sechseinhalb Nächte pro Woche war das Old Place geöffnet, ein Doug Rouse war fürs Booking zuständig, „a man of long and multifarious experience of Soho life, who evolved a pattern that gave open house to new groups in the early part of the week, with residencies for more established groups such as Frank Ricotti’s and Graham Collier’s in the later part leading up to the weekend stalwarts, Mike Westbrook, Chris McGregor, Terry Smith & Dave Quincy, and the new young Hammond organ wiz Bob Stuckey“, so John Jack in seinen Liner Notes zur obigen Cadillac-CD aus dem Jahr 2009. Weiter: „I inherited the gig, having arrived as usual one Friday night to assist Doug only to find musicians and waitresses milling around. ‚Where’s Dougie? What’s happening MAN!!!!‘ Pete King erupted from Frith Street, took one look at the situation and with his noted perspicaccity turned to me. ‚You sort it out John, it’s yours … you’ve already got a set of keys!‘ It was several months before dear old Doug reappeared.“

    18 Monate habe die „Old Place saga“ gedauert und viele Spuren hinterlassen in der Entwicklung des englischen Jazz und von da aus auch in der internationalen Szene – „little bread but lots of sustenance“. Neben Westbrook profitierten davon besonders dessen Sidemen Mike Osborne und John Surman. Dass Chris McGregor viele Nächte (oder wohl eher: frühe Morgen) lang im leeren Club üben durfte, hatte ich oben schon erwähnt, ebenso, dass bei Cadillac vor ein paar Jahrren auch eine fabelhafte Live-CD mit Aufnahmen der Mike Westbrook Concert Band erschienen ist, „The Last Night at the Old Place“.

    Ein Überraschungserfolg – auch monetärer Art, wie es scheint – feierte im Old Place auch Dudu Pukwana mit seiner Orgelband mit dem erwähnten Bob Stuckey. Er hatte direkt nach der Schule einen Gig mit dem Singer/Songwriter Labi Siffre (auf der CD-Hülle „Sifri“ – mir jedenfalls völlig unbekannt) gelandet, dabei war auch noch der Drummer Woody Martin. Das Trio spielte im Club von Annie Ross. Stuckey hörte die Blue Notes bei ihrem damals regulären Gig im „Duke of York“-Pub in Fitzrovia und fragte Dudu, ob er mit dem Trio spielen wolle – und dann anscheinend auch noch bei einer UK-Tour von Sonny Stitt. Als Martin sich zurückzog, schlug er John Marshall und den Gitarristen Phil Lee vor – und die Band spielte dann im Old Place (inzwischen wohl längst ohne den Sänger/Songwriterin) und wurde dort zum Erfolg, der dazu führte, dass Pukwana (gemäss Wiki) zum ersten Mal in Down Beat erwähnt wurde: „Tenorist Ronnie Scott’s ‚Old Place‘, having a hard time breaking even, scored a financial success with the Bob Stuckey Trio, featuring the leader’s organ and altoist Dudu Pukwana.“

    Auf der Cadillac-CD „Night Time Is the Right Time – 60’s Soho Sounds“ sind diese Leute auf Aufnahmen aus dem Old Place zu hören, Es gibt neun Stücke mit Pukwana (as), Stuckey (org), Lee (g) und Marshall (d) sowie weitere fünf mit Stuckey, Terry Smith (g) und Martin Hart (d). „Recordings from the artists‘ archives.“ steht auf der Rückseite der Papphülle, an manchem Zwischenapplaus sind sie als Live-Aufnahmen erkennbar, der Sound ist allerdings sehr gut, alles ist klar zu hören, auch die Drums sind recht gut eingefangen. Stuckey ist jetzt nicht der aufregendste Organist der Welt, aber er klingt ansprechend, während Lee und Marshall erwartungsgemäss gut klingen. Das ist Nachtclub-Musik auf hohem Niveau, die Arrangements sind ganz gut, Es gibt auch mal einen Bossa („Like We Did Yesterday“ aus Pukwanas Feder) und ein einschälgiges Cover („Kippie“ von Ibrahim), das allermeiste Material stammt von Pukwana (sein „Be, My Dear“ ist auch wieder dabei, neben dem Brand-Cover gibt’s noch je ein Stück von Stuckey und von Lee), dessen Saxophon in diesem Rahmen naturgemäss viel mehr Raum kriegt und individueller klingen kann als auf seinem Debutalbum – auch wenn die Musik dort wiederum eigener ist als was wir hier zu hören kriegen. Das ist also keine grosse musikalische Entdeckung, aber eine schöne Gelegenheit – und davon ist mir jede höchst willkommen! – Pukwana in einem ansprechenden Rahmen zu hören.

    Das tolle Band-Foto aus der Hülle, das wie in Promo-Foto aussieht (Marshall mit Sticks, strenger Brille und Schnauz, Pukwana mit seinem Altsax und Lee, der eine Fender Stratocaster (oder ein ähnliches Modell) nach vorn hält, stehen hinter Stuckey, der an seiner Orgel sitzt, alle vier in Anzug mit Krawatte) finde ich leider nicht im Netz, aber das Album kann man ebenfalls bei Bandcamp kaufen und auch komplett probehören:
    https://dudupukwanabobstuckey.bandcamp.com/album/night-time-is-the-right-time-60s-soho-sounds

    Die 25 Minuten ohne Pukwana lasse ich heute (und eh die meiste Zeit) aus … da gibt es Standards (wobei immerhin auch „I Feel Pretty“ (Bernstein/Sondheim) dabei ist, neben „Sweet Georgia Brown“, „All of You“ und „When I Grow Too Old to Dream“. Den Abschluss mach da das einzige Original, „Bob’s Hop“ von Stuckey.


    Als nächstes folgt bei Pukwana das Album „In the Townships“, aufgenommen 1973 bei zwei Sessions im August und November (Overdubs?) 1973 im Manor Studio nördlich von Oxford – und hier funktioniert für mich der schon 1968 genutzte Ansatz perfekt. Die Band ist kleiner und jede Stimme zählt: Mongezi Feza (t) und Bizo Mngqikana (ts) sind die anderen Bläser, Pukwana spielt auch etwas Klavier, was ja sein erstes Instrument war, und alle drei Bläser auch Percussion und Stimme. Dazu kommen Harry Miller an der Bassgitarre und dem Kontrabass sowie Louis Moholo an Schlagzeug und Percussion. Die Stücke sind etwas länger, in zweimal 18 Minuten finden sieben von ihnen Platz – mit der Ausnahme von „Sonia“ (Feza) alle von Pukwana. Die Musik rollt und groovt, selbst im langsamen Tempo von „Zukude“, in dem der Beat wie zurückgehalten wirkt, Moholo scheint stets etwas zu verzögern, zu schleppen, und ist doch total auf den Punkt, selbst im einsetzend Fade-Out, wenn Feza nochmal voll nach vorn drängt. Was mir nicht klar ist, ob es da und dort Overdubs gibt, ob die fliessend zwischen – ziemlich prominenten, in diesen Grooves hervorragend eingesetzten – Congas und ihren Blasinstrumenten bzw. im Fall von Pukwana vom Klavier zum Altsax wechseln. Es gibt aber Momente, in denen Pukwana loslegt und darunter eine Klavierspur zu hören ist – ev. sogar noch eine Bläser-Spur, in der auch ein Altsax dabei ist, in „Sonia“ scheint Pukwana als Solist mit seinem aus dem Ensemble ausbrechenden Lead ein Zwiegespräch zu halten, während auch einfache aber sehr effektive Klavierspur zu hören ist. Das funktioniert alles hervorragend und kommt so aus einem Guss daher, dass es gar nicht auffallen würde, wenn man nicht auf solche Details achten würde. Pukwana wirkt in diesem Rahmen wie eine Mischung aus Griot und altem Bluesman, abgeklärt und weise und dennoch quicklebendig und blitzschnell, auch wo er sich zurücknimmt, ist immer klar, dass das seine Musik ist. In der Verbindung von Kwela und Bop ist das wirklich ein perfektes Album geworden, auch mit hervorragend austarierten Arrangements, die so spontan und dahingeworden klingen, dass man sich darüber erstmal gar keine Gedanken macht.

    Ich habe dieses Album in der Earthworks/Virgin-CD-Ausgabe von 1988, wie Discogs mir sagt – auf der Rückseite steht (p) & (c) 1983 Virgin Records und 1983 ist das Album bei Discogs eingereiht, obwohl es 1974 erschien, bei Caroline Records, einem Sublabel von Virgin, das nicht allzu lange existierte. Earthworks wiederum gehört in die Weltmusik der Achtziger: gegründet 1983, 1987 von Virgin übernommen aber nach dessen Verkauf an EMI 1992 wurde Earthworks wiederum an Stern’s Africa vertickt. Da ist Pukwana jedenfalls in prominenter Gesellschaft gelandet: im Earthworks-Katalog stehen Namen wie Youssou N’Dour, Thomas Mapfumo, Pat Thomas und aus Südafrika auch die populären Mahlathini and the Mahotella Queens. Bei Caroline waren es eher Gong und Klaus Schulze, Steve Miller und Lox Loxhill, Homesick James und Fred Frith. Aber auch Jabula (mit Pukwana) und ein zweites Album von Pukwana & Spear, „Flute Music“.

    Ich mache jetzt aber mal mit diesem Album von 1975 weiter, „Diamond Express“, später auf CD auch als „Ubagile“ (Jazz Colours) bekannt. Entstanden ist es im Island Studio in London im Herbst 1975 und Mongezi Feza gewidmet, der am 14. Dezember 1975 an der britischen Kälte im wörtlichen und übertragenen Sinn verstarb (medizinisch betrachtet an einer unbehandelt gebliebenen Lungenentzündung). Feza und Pukwana zelebrieren hier ein letztes Mal ihre gemeinsame Magie: Funk-Nummern mit Lucky Ranku (g), Frank Roberts (elp), Ernest Mothle (elb, b), Louis Moholo (d/perc) und James Mene (d) [Ranko bzw. Mothole geschrieben] sowie einem Stück („Tete and Barbs in My Mind“, gewidmete Tete Mbambisa und Barbara Pukwana) mit Elton Dean (saxello), Nick Evans (tb), Keith Tippett (p), Ranku (g), Victor Ntoni (b) und Moholo (d). Hier finden Kwela und Bop mit Spuren von James Brown, Sly Stone und electric Miles zusammen. Wenn in „Ubaquile (See Saw)“ der Funk-Anteil dominiert, übernimmt in „Diamond Express“ wieder der singende Cape Jazz mit einem jubilierenden Saxophon, das wie im alten Blues Freude und Schmerz im gleichen Augenblick verkörpert. In „Madodana (Teh Young Ones)“, dem einstigen Opener der B-Seite, klingt der Groove so, als hätten die alle auch offene Ohren für den Funk aus Westafrika gehabt, bis hin zum Afrobeat. Irgendwann riffen auch die Bläser mit, es gibt ein paar Chants, eine aufheulende Gitarre zwischendurch – das ganze ist eine hypnotische Gruppenperformance, die man sich live auch als eine halbe oder eine ganze Stunde dauernd vorstellen kann, hier bricht nach fünf Minuten alles ab und die beiden Drummer tanzen gemeinsam ohne den Groove je zu verlassen. „… Tete and Barbs“ ist das kürzeste Stück des Albums, es öffnet frei, bis die Bläser sich zum hymnischen Thema aufschwingen, das auch ins Repertoire der Brotherhood of Breath perfekt gepasst hätte – inklusive entgleisendes Klavier, das hier allerdings im Mix fast etwas zu sehr versinkt – produziert haben Alan Bates und Michael Cuscuna. Das wäre wohl der Moment für Pukwana gewesen, sowas wie einen Durchbruch zu erleben, aber so weit kam es leider nicht. Der Closer „Bird Lives“ stammt wieder von der ersten Session, ist aber eine waschechte Bebop-Nummer (mit verwaschenen Becken leider), keine Gitarre, ein konventionelles (Instrument und Spielweise, das ist also bestimmt nicht Tippett) Klavier, Kontrabass (bei Mothle ist tatsächlich beides angegeben, bei Roberts steht summarisch „keyboards“) – und wenn das etwas konventionell los geht, so sind spätestens die Soli von Pukwana und ganz besonders das von Feza eine reine Freude. Der Trompeter fängt relativ konventionell an, verbeisst sich dann in eine Phrase, spielte die flächigen Stotterphrasen mit dem unenglich breiten und doch so leicht wirkenden Ton … macht Pausen … und dann steigt Pukwana nochmal kurz ein, bevor Roberts ein ganz ansprechendes Solo liefert (das tat er davor auch schon am E-Piano), während die Time der Band aber etwas instabil zu werden scheint. Moholo scheppert und klöppelt allerdings stur durch – der gibt sich keine Blösse. Nach dem Klaviersolo gibt es einen kurzen Austausch der Bläser, aber die vermttlich geplanten Fours kommen nicht so richtig zu Gang. Ein etwas zefahrener Abschluss leider, für ein bis dahin sehr tolles Album.

    Von der Session mit Tippett etc. 2012 bei 1201 Music noch sechs Stücke auf den üblichen digitalen Plattformen aufgetaucht, die es dann 2021 auch auf CD gab, als Bonus-CD eines japanisches Reissues von „Diamond Express“ – die oben abgebildete Ausgabe, die ich natürlich sofort gekauft habe. Eine Stunde Bonusmaterial von 1975 mit einer solchen Band, lieblos mit generischem Cover rausgehauen (Discogs) und kaum jemand kriegt es mit – ein Skandal eigentlich, aber das passt leider total gut zum Umgang mit der Hinterlassenschaft dieser Musiker. Ohne ein paar bekloppte wie Hazel Miller, Michael King, Riccardo Bergerone (von dem u.a. die Tapes von Elton Dean mit Tippett, Miller und Moholo stammen, die in den letzten Jahren bei British Progressive Jazz aufgetaucht sind, oder auch „The 100 Club Concert 1979“ von Elton Dean’s Ninesense, die fabelhafte 2012 Doppel-CD auf Reel Recordings) wäre das alles längst vergessen und verloren. Entsprechend traurig ist auch Moholos Tod – da endet wirklich eine Ära. Es bleibt nur noch Abdullah Ibrahim, der allerdings längst als Solitär unterwegs ist – völlig verdient und zu Recht natürlich. Das nur als Grund, warum ich die Ära trotzdem zu Ende sehe … und der langlebigste aus seinem Umfeld, Makya Ntshoko, ist ja leider letzten Sommer auch verstorben. Moholo war wirklich der letzte dieser Generation von beharrlichen Kriegern.

    Die sechs Bonustracks haben es in sich, denn auch mit Piano und Kontrabass geht Funk. Das klingt dann nicht mehr nach landläufigem Soul Jazz, geschweige denn nach JB, Sly Stone oder Miles, aber die Grooves sind gerade so packend – aber nicht nur im ersten Track spielt Tippett auch tatsächlich ein E-Piano. Im zweiten legt er dann am Klavier los – und hat wohl so viel McGregor wie Taylor gehört. Der Groove hier klingt unregelmässig einfach nur durch das Bass-Riff von Victor Ntoni. Mit „Blessing Light“ und „Blue Nick“ tauchen gleich zwei alte Blue Note-Stücke wieder auf. Diese neue Session – bzw. der Rest der „Dedicated to Nick and Barbs“-Session halt – ist wirklich eine grosse Bereicherung. Unterm Strich ist das trotz gewisser Funk-Elemente einfach eine tolle Jazz-Session – vielleicht war das nicht genug, um damals ein Album zu machen und es wurde weiteres Material mit einer neuen Band eingespielt? Wobei die Reihenfolge der Sessions mangels Infos von DA Music oder wem immer das Zeug heute gehört, natürlich unbekannt ist. Auch dies ist jedenfalls eine bestens eingespielte Band: mit Tippett hat Moholo zu dem Zeitpunkt glaub ich schon recht oft gespielt, Dean und Evans fügen sich gut ein, sind aber nicht sehr präsent … der Saxophonist scheint sich stark an Pukwana anzulehnen (sein Solo in „Blessing Light“ klingt von der Phrasierung her ganz wie der Meister, aber das Saxello hat halt kaum Volumen und hier auch etwas wenig Biss – aber viel Charme dennoch), Evans hat wie inzwischen längst zu erwarten ein paar sehr gute Momente. Die anderen spielen jetzt schon sei über einem Jahrzehnt zusammen – sind ja drei der Blue Notes. Der Closer mit einer Pennywhistle (Pukwana, nehme ich an) klingt dann vom Groove her wie ein paar Jahre später Osibisa – das ist „Black Horse“, ein Monster von fast 14 Minuten mit Bass-Ostinato und äusserst funky Rhodes, zu dem sich mit der Zeit das Klavier gesellt.

    Ranku höre ich hier übrigens nicht, das ist wohl einfach ein Fehler beim Discogs-Eintrag oder er taucht nur da und dort mal auf … kann sein, dass ich gerade nicht mehr aufmerksam genug bin, das ist auch die letzte Runde Südafrika für heute und vermutlich der letzte Post ist diesem Faden bis in einem Monat oder so. Ich habe natürlich die ganzen Live-Mitschnitte der Brotherhood of Breath übersprungen: Willisau (Ogun) und die drei Cuneiform-Veröffentlichungen aus den Nullerjahren – alles grossartige Musik, besonders vielleicht das Set aus Berlin („Eclipse at Dawn“) wo Feza fehlt und Harry Beckett seine ganzen Solo-Spots übernehmen darf (wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht … ich komme hier dazu, dauert einfach noch etwas). Ich habe gestern gemerkt, wie sehr mit die BoB – mehr noch als die Blues Notes vielleicht, auf jeden Fall anders – berührt und konnte mir nicht vorstellen, nach den zwei ersten Alben einfach weiter zu machen. Der Osborne-Faden geht natürlich auch noch weiter – mit den zwei Alben mit Miller/Moholo jedenfalls noch, der Rest wäre hier schon off topic, auch wenn ich versucht bin (aber das ist nicht mein Entscheid), Osborne zum Ehren-Südafrikaner zu erklären, einfach wegen seines musikalischen Temperaments, das es so in Europa nicht wirklich gab. (Der obskure Drummer Peter Nykyruj auf „Marcel’s Muse“ scheint übrigens Australier zu sein, hier gibt’s ein kurioses Video.)

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    lotterlotta
    Schaffnerlos

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    @gypsy-tail-wind

    hab die diamond express als originalausgabe auf vinyl und finde sie ausnehmend gut, pukwana hat für mich einen unverkennbaren sound, hat fast was magisches für mich. es ist eigenlich unglaublich , dass der mann mit diesem potenzial nicht so richtig einschlug….die bonus stücke würden mich schon arg interessieren….danke für deine ausführungen hier….

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    Hat Zappa und Bob Marley noch live erlebt!  
    #12499653  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Die zweite der bis zur Bob vier Big Bands von Chris McGregor nahm unter dem Namen Chris McGregor & The Castle Lager Big Band im September 1963 einen der ganz grossen Jazzklassiker Südafrikas auf. Sechs Stücke für die Ewigkeit, die McGregors stimmungsvolle Arrangements zwischen Ellington und Monk, Strayhorn, Benny Carter und Tadd Dameron (die Sax-Arrangements lassen mich an die zwei denken) präsentiert. Sechs Stücke, von denen das eine toller als das andere ist. Im ersten, „Switch“ von Kippie Moeketsi, gibt es Moeketsi in Bestform am Altsax, spannende Changes und Riffs, alles ohne richtiges tonales Zentrum, aber mit einem phantastischen Cape-Groove. „Kippie“ heisst dann das zweite Stück und hier wird deutlich, dass die selben Quellen (Ellington und Monk) bei McGregor und seinem Kollegen Abdullah Ibrahim manchmal auch recht ähnliche Ergebnisse zeitigten – komponiert hat das Stück Dollar Brand, wie Ibrahim damals noch hiess, neu arrangiert hat es McGregor. Und klar, das Solo stammt auch wieder von Moeketsi, aber dieses Mal an der Klarinette – und mit was für einem schönen Ton! Der Ton passt zum Arrangement, das wirklich überirdisch schön ist. „Eclipse at Dawn“ ist dann die zickige Nummer zur Abwechslung. Wieder von Brand komponiert und von McGregor arrangiert bewegt sich das Stück irgendwo zwischen Monk und – wer weiss, ob es dessen Platten bis ans Kap geschafft hatten? – vielleicht auch Herbie Nichols, an den mich auch das Klavierspiel des Leaders ein wenig erinnert, der sich hier ein Solo gönnt. Er hat eine ähnlich nonchalante Art, mal eine kleine Figur zu setzen, synkopisch und mit vielen Pausen, und die Phrase dann mit einem schnellen Lauf abzuschliessen. Doch zuerst trägt Dudu Pukwana am Lead-Alt das Thema. Nach dem Klaviersolo gibt es Moeketsi gleich nochmal an der Klarinette, fliessender, kantiger – dahinter Mongezi Feza an der gestopften Trompete. Dann Nick Moyake (der dritte der Blue Notes hier), mit fast grobem Gestus am Tenorsax: er nimmt sich Raum, aber lässt auch welchen mit vielen Pausen – ein tolles Solo, das in wenigen Takten eine ganze Welt öffnet. „Early Bird“ (McGrgor) ist dann eine schnelle Power-Nummer mit Blech-Fanfaren im Wechsel mit Saxophon-Läufen, bis das Blech dann auch einen eigenen Lauf kriegt. Und da sind die Drums in den Lücken und ein kleines Fill von Early Mabuza, bevor Barney Rachabane ein kurzes Solo spielt. Von dem die Trompete stammt, die aus der Band aussteigt, ist mir nicht klar (Feza oder doch auch mal der Lead-Trompeter Dennis Mpale?), McGregor nennt leider nur „Bob [Tizzard] and Nick [Moyake]“, die neben einem kurzen Klaviersolo im Austausch mit der Band und Mabuza zu hören seien. Tizzard ist der Lead-Posaunist, ich tippe daher mal auf Mpale hier. Und Moeketsis Klarinette erhebt sich am Ende auch noch kurz über der Band. „I Remember Billy“ ist dann wieder eine Ballade, komponiert von Moeketsi und wieder mit seiner exzellenten Klarinette im Mittelpunkt, bevor die ganze Band übernimmt. Hier kriegt man wieder die Ellington oder eher Strayhorn-Verarbeitung von McGregor zu hören. Ein Sax hören wir am Ende auch noch – vielleicht Ronnie Beer, der am zweiten Tenorsax dabei ist? Von Mcgregor stammt dann wieder der Closer, „Now“, das wie „Eclipse at Dawn“ Eingang ins Repertoire der Brotherhood of Breath fand. Nicht nur in diesem Stück ist Sammy Maritz (der Bassist auf den allerersten Blue Note-Sessions, siehe „Township Bop“ weiter oben) am Kontrabass ganz hervorragend. Hier kriegt Moyake, an den McGregor beim Komponieren gedacht habe, wie er in den Liner Notes schreibt, ein grosses Solo – wieder in total unaufgeregter Weise dargeboten aber mit Phrasen wie in Stein gemeisselt. Perfekt passt das ins Stück mit seinem trägen Swing und leicht dissonanten Riff. Nachdem die Band dieses Riff-Thema wiederholt, kriegt die verspielte Trompete von Mongezi Feza noch einen Spot – der Bass unter ihm ein wenig an Mingus erinnernd, die Bläser mit bittersüssen Begleitungen, angeleitet von den Posaunen. Am Ende trommelt Mabuza nochmal gegen die massiven Riffs an, die übrigens von Christopher „Columbus“ Nccukana am Barisax geerdet werden. Was für ein grossartiges Album – eine halbe Stunde Musik, in der das ganze Universum von Chris McGregor schon drin steckt. Der Titel „Jazz – The African Sound“ ist ein Statement, das ernstgenommen werden sollte – keinesfalls eine Anmassung!

    Das Album hat natürlich eine Vorgeschichte, so ein „defining South African jazz recording of it time“ (Francis Gooding in den Liner Notes fürs Jazzman-Reissue von 2015) kommt schliesslich nicht aus dem Nichts. Die Vorgeschichte hängt mit der Aufhebung des Verbots von „European liquor“ (Bier, Wein, Schnaps) für Schwarze zusammen, im Jahr 1962. Jazz und die „social drinking culture“ in den „shebeens“ der Townships wurde von der Alkoholindustrie rasch als passendes Thema erkannt, Bilder von Musikern wurden genutzt für Werbung, es wurde promotet und gesponsert, um neue Kundschaft zu gewinnen. 1961 bis 1964 fand das Cold Castle Jazz Festival statt, der bekannteste von diesen Events, gesponsert von der Brauerei Castle Lager, stellte das Festival die besten Jazzmusiker des Landes in einer Art Wettbewerb vor. Bei der ersten Durchführung in Johannesburg gewannen die Jazz Epistles (die Band von Dollar Brand mit Kippie Moeketsi, Hugh Masekela und Jonas Gwangwa) den ersten Preis in der Kategorie „Beste Band“. 1960 hatte die Band mit „Verse 1“ das erste südafrikanische Jazzalbum aufgenommen – auch das ein Klassiker, der aber längst nicht so reif klingt wie McGregors Album drei Jahre später. McGregor war 1961 mit den Cape Town Five im Rennen, zu denen auch Dudu Pukwana gehörte.

    Das 1962er Festival fand im Moroka-Jabavu Stadio in Soweto statt, McGregor war mit einem Septet dabei, zu dem Sammy Maritz, Christopher „Columbus“ Ngcukana und Ronnie Beer gehörten. Dudu Pukwana und Nick Moyake waren mit den Jazz Giants dabei, Mongezi Feza mit einer Band von Eric Nomvete, Louis Moholo mit den Jazz Ambassadors – doch den Preis für die beste Band gewannen die Jazz Dazzlers von Mackay Davashe, während Pukwana den Preis als bester Musiker erhielt. Auf Gallo erschien das Album „Cold Castle National Jazz Festival 1962“ mitt drei Stücken von McGregors Septett. 1963 fand das Festival wieder in Soweto statt, aber im Orlando Orlando Stadion. McGregor brachte wieder sein reguläres Septett mit Pukwana, Moyake, Ngcuakan, MPale, dem Bassisten Martin Mgjima und Mabuza mit. Die Band war da in wechselnden Besetzungen schon ein Jahr zusammen und trat auch als die Blue Notes auf. Wie Maxine McGregor später in ihrem Buch (das ich leider nicht kenne) schrieb, diente der Name dazu, davon abzulenken, dass es sich um eine „mixed-race“ Gruppe handelte und auf die Musik zu fokussieren. Dieses Mal gewannen die Blue Notes den Bandwettbewerb, während Ronnie Beer mit seinem Septett auf Platz zwei landete. 20’000 Leute hörten im Stadion zu – und die Verstärkung war schlecht, die Leute im Lauf des Tages zunehmend betrunken und frustriert darüber, dass sie in der einbrechenden Dämmerung nichts sehen und hören konnten. Sie hatten Eintritt bezahlt und kriegten dafür nicht, was sie erwartet hatten. Doch zum Glück scheint alles gut geendet zu haben.

    Nach diesem Erfolg scheint McGregor die Idee für eine neue Big Band gehabt zu haben (die zweite nach derjenigen, die er während des Studiums 1960 auf die Beine gestellt hatte – schon das eine Band mit Musikern von unterschiedlichen Hautfarben – und Tizzard und Ngcukana waren schon damals mit dabei). Er ging also zur Union of South African Artists, die den musikalischen Teil der Festivals organisierte, um anzufragen, ob eine der Brauereien interessiert sei, eine Big Band zu sponsern. McGregor kriegte genügend Geld zusammen, um eine Band zusammenzustellen und eine Woche mit ihr zu proben. Danach folgten ein paar Gigs in Townships und kleineren Städten. Doch die Brauerei war nicht bereit, Konzerte in weissen Gegenden von Johannesburg zu sponsern – und das war eine mittlere Katastrophe, denn McGregors Absicht war es, landesweit Anerkennung für den lokalen Jazz zu generieren, und das ging eben nur so. Man fand dennoch ein Theater im Braamfontein, das die Band auftreten liess, und nun bemühten sich alle darum, für das Konzert Werbung zu machen.

    Am 16. und 17. September war die Band in den Gallo-Studios und spielte ihr Album ein, am 20. folgte das Konzert in Braamfontein – und es tauchten so viele Leute auf, dass umgehend ein zweites Konzert am folgenden Abend angesetzt wurde. Allerdings tauchte da Drummer Early Mabuza nicht auf. Zum Glück war Louis Moholo da und sprang in letzter Minute ein. Die Presse berichtete enthusiastisch über die Konzerte, in denen McGregor solo, mit den Blue Notes und mit der Big Band spielte. Doch ohne Geld und mit den unterdrückerischen Rassengesetzen des Apartheid-Regimes gegen sich, löste sich die Band nach den Konzerten umgehend wieder auf. Maxine zitiert Chris: „All the musicians wanted to continue, but it would not have been possible for a band of fifteen or sixteen musicians to survive in the circumstance, even though I was very tempted. It was hard enough with the Blue Notes, who were only six.“

    Als die Konzerte im September 1963 stattfanden, waren die Blue Notes bereits nach Antibes eingeladen worden – ihr Ticket raus aus dem Land. Sie gingen im Juli 1964 und blieben im Exil – bis zu ihrem Tod oder für viele Jahrzehnte, bis nach dem Ende des unterdrückerischen Regimes.

    Die Castle Lager Big Band bleibt trotz ihres glorreichen Albums eine tragische Episode. In dem Moment, als klar wurde, dass sie kein Sponsoring für Auftritte in weissen Gegenden erhalten würde, löste sich nämlich auch der grosse Traum dahinter auf: über Berichte in international wahrgenommenen Zeitungen über das Land hinaus bekannt zu werden und so in einen internationalen Dialog zu treten. Niemand half McGregor und seiner Band dabei, in Übersee wahrgenommen zu werden. All das, worauf sie völlig zu recht so stolz waren, verpuffte in der Ignoranz und Abgeschnittenheit, die ihr Schicksal in Südafrika besiegelten. Die Band war natürlich auch an sich schon eine Message, eine Botschaft gegen das System – und wider alle Wahrscheinlichkeit hatte McGregor gehofft, durch den lähmenden Vorhang der Apartheid zu dringen, sich Gehör zu verschaffen, ein Lebenszeichen abzusetzen. Dabei hat diese Band die Prinzipien des Regimes widerlegt, hat gezeigt, dass ein Zusammenleben und Zusammenarbeiten möglich ist, dass es Harmonie und Freundschaft über die Hauptfarbe hinweg geben konnte. Das Ergebnis von all dem, „Jazz – The African Sound“, wurde allerdings ausserhalb Südafrikas damals kaum wahrgenommen. Die Kommunikationsmöglichkeiten blieben auch in den Jahrzehnten des Exils sehr beschränkt, die Musiker fristeten ein hartes Dasein an den Rändern in den USA oder in Europa. Das Reissue von 2015, aus dessen Liner Notes (Francis Gooding, wie gesagt) ich mich schamlos bedient habe, um die Geschichte nachzuerzählen, war eine Art verspätete Berichtigung davon, das erste internationale Reissue eines der wichtigen Alben des (süd-)afrikanischen Jazz, über fünfzig Jahre später und nach dem Tod seiner wichtigsten Protagonisten – aber die Botschaft der Musik ist bis heute klar, und sie ist heute leider schon fast wieder so wichtig und so aktuell wie damals, als das Album aufgenommen wurde. Ein Meilenstein und ein Mahnmal zugleich.

    (Das Foto mit Columbus, Moyake, Mpale und Pukwana stammt aus dem Buch von Maxine McGregor, ich habe es von hier geliehen, wo ich auch die Musik zum ersten Mal gehört hatte, ein paar Jahre vor dem Reissue von Jazzman.)

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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