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Dudu Pukwanas eigene Alben wirken weniger ambitioniert als die von Dyani oder Moholo – ich kenne allerdings einige nur in Behelfsversionen aus der goldenen Zeit der Musikblogs und müsste sie dringend wieder einmal anhören. Vielleicht sind sie auch einfach mehrheitlich keine Jazzalben und es gelten andere Massstäbe? Am Genuss der Musik ändert sich für mich da jedenfalls eh nichts. Sein Debüt nach „Kwela“ mit Gwigwi’s Band (1967, Gwigwi ist der Altsaxophonist Gwigwi Mwrebi – ein Marabi-Album, immerhin mit zwei Altsaxern auf dem Cover und auch ähnlich prominent in den kurz gehaltenen Stücken, Reissues bei Honest Jon’s, zuletzt 2024 auf Vinyl) war 1968 „Dudu Phukwana and the ‚Spears'“, in London aufgenommen aber damals nur in Südafrika erschienen. Matsuli hat 2020 eine erweiterte Fassung davon herausgebracht und die Line-Ups so gut es geht aufgedröselt.
Die Original-LP wurde 1968 eingespielt, es gibt zehn kurze Stücke, Tanzmusik, in der sich Cape Jazz mit Soul-Jazz mischt. Das Line-Up: Confirmed: Dudu Pukwana (alto sax), Bob Stuckey (organ and bass pedals), Louis Moholo (drums). Likely: Phil Lee (guitar), Chris McGregor (piano), Teddy Osei (tenor sax), Mongezi Feza (trumpet), Harry Miller (bass). Possible: Jonas Gwangwa (trombone), Dudu Pukwana (tenor sax and piano), Remi Kabaka (drums or percussion), Jimmy Scott (percussion), Tunji Oyelana (drums or percussion).
Als Bonus gibt es 9 Stücke von 1969 mit ein paar interessanten britischen Gästen im Line-Up: Confirmed: Dudu Pukwana (alto sax), Richard Thompson (guitar), Simon Nicol (guitar), Harry Miller (bass), Louis Moholo (drums), Mongezi Feza (trumpet), Joe Mogotsi (vocals), Bob Stuckey (organ and bass pedals). Likely: Mamsie (Mthombeni) Gwangwa (vocals), Chris McGregor (piano), Phil Lee (guitar), Teddy Osei (tenor sax). Possible: Dudu Pukwana (tenor sax), Jonas Gwangwa (trombone), Remi Kabaka (drums or percussion), Jimmy Scott (percussion), Tunji Oyelana (drums or percussion).
Quelle für die Infos: https://matsulimusic.bandcamp.com/album/dudu-phukwana-and-the-spears – und da kann man das auch alles streamen.
Louis Moholo war also auch dabei, wenn Pukwana mit dem jungen englischen Organisten Bob Stuckey zu den südafrikanischen Wurzeln zurückkehrte. Besonders in der zweiten Session gibt es auch einigen Gesang … unter den zusätzlichen Stimmen ist Jonas Gwangwa prominent (wenn er es denn ist), in der zweiten Session gibt es eine Gitarre, die durchaus als Südafrikanisch durchgehen könnte (Philip Tabane, Allen Kwela, Lucky Ranku…) – und vermutlich von Richard Thompson kommt (oder von Simon Nicol, den ich gar nicht kenne – sie wechseln sich vermutlich ab, ich höre durchaus zwei unterschiedliche Gitarren-Sounds). Das ist natürlich faszinierend, aber am Ende ist das alles Tanzmusik mit guten Grooves und wenig Raum für Persönlichem – ausser für den Leader, dessen Sax auch hier unverkennbar ist. Ansonsten ist das ziemlich dick mit Gitarren, mehreren Drums, manchmal Klavier und/oder Orgel dazu, Percussion, riffende Bläsersätze … aber immer als Leadstimme Pukwanas Sax, da und dort von Feza an der Trompete ergänzt.
Da dann auch nochmal was zu Ronnie Scott’s Old Place: 39 Gerrard Street war die Adresse. Und als Scott’s Club zu gross wurde und weiterzog, lief der Vertrag noch für ein paar Jahre. Da Scott und sein Geschäftspartner Pete King tatsächlich für die Musik und nicht für den Profit ins Business gingen, liessen sie den Laden – dann eben „Old Place“ laufen, als Ort, wo die „new kids on the block“ ihre Musik präsentieren konnten, während Scott und King sich abmühten, an der neuen Adresse an der Fifth Street ein neues Jazz-Mekka in London zu errichten. Sechseinhalb Nächte pro Woche war das Old Place geöffnet, ein Doug Rouse war fürs Booking zuständig, „a man of long and multifarious experience of Soho life, who evolved a pattern that gave open house to new groups in the early part of the week, with residencies for more established groups such as Frank Ricotti’s and Graham Collier’s in the later part leading up to the weekend stalwarts, Mike Westbrook, Chris McGregor, Terry Smith & Dave Quincy, and the new young Hammond organ wiz Bob Stuckey“, so John Jack in seinen Liner Notes zur obigen Cadillac-CD aus dem Jahr 2009. Weiter: „I inherited the gig, having arrived as usual one Friday night to assist Doug only to find musicians and waitresses milling around. ‚Where’s Dougie? What’s happening MAN!!!!‘ Pete King erupted from Frith Street, took one look at the situation and with his noted perspicaccity turned to me. ‚You sort it out John, it’s yours … you’ve already got a set of keys!‘ It was several months before dear old Doug reappeared.“
18 Monate habe die „Old Place saga“ gedauert und viele Spuren hinterlassen in der Entwicklung des englischen Jazz und von da aus auch in der internationalen Szene – „little bread but lots of sustenance“. Neben Westbrook profitierten davon besonders dessen Sidemen Mike Osborne und John Surman. Dass Chris McGregor viele Nächte (oder wohl eher: frühe Morgen) lang im leeren Club üben durfte, hatte ich oben schon erwähnt, ebenso, dass bei Cadillac vor ein paar Jahrren auch eine fabelhafte Live-CD mit Aufnahmen der Mike Westbrook Concert Band erschienen ist, „The Last Night at the Old Place“.
Ein Überraschungserfolg – auch monetärer Art, wie es scheint – feierte im Old Place auch Dudu Pukwana mit seiner Orgelband mit dem erwähnten Bob Stuckey. Er hatte direkt nach der Schule einen Gig mit dem Singer/Songwriter Labi Siffre (auf der CD-Hülle „Sifri“ – mir jedenfalls völlig unbekannt) gelandet, dabei war auch noch der Drummer Woody Martin. Das Trio spielte im Club von Annie Ross. Stuckey hörte die Blue Notes bei ihrem damals regulären Gig im „Duke of York“-Pub in Fitzrovia und fragte Dudu, ob er mit dem Trio spielen wolle – und dann anscheinend auch noch bei einer UK-Tour von Sonny Stitt. Als Martin sich zurückzog, schlug er John Marshall und den Gitarristen Phil Lee vor – und die Band spielte dann im Old Place (inzwischen wohl längst ohne den Sänger/Songwriterin) und wurde dort zum Erfolg, der dazu führte, dass Pukwana (gemäss Wiki) zum ersten Mal in Down Beat erwähnt wurde: „Tenorist Ronnie Scott’s ‚Old Place‘, having a hard time breaking even, scored a financial success with the Bob Stuckey Trio, featuring the leader’s organ and altoist Dudu Pukwana.“
Auf der Cadillac-CD „Night Time Is the Right Time – 60’s Soho Sounds“ sind diese Leute auf Aufnahmen aus dem Old Place zu hören, Es gibt neun Stücke mit Pukwana (as), Stuckey (org), Lee (g) und Marshall (d) sowie weitere fünf mit Stuckey, Terry Smith (g) und Martin Hart (d). „Recordings from the artists‘ archives.“ steht auf der Rückseite der Papphülle, an manchem Zwischenapplaus sind sie als Live-Aufnahmen erkennbar, der Sound ist allerdings sehr gut, alles ist klar zu hören, auch die Drums sind recht gut eingefangen. Stuckey ist jetzt nicht der aufregendste Organist der Welt, aber er klingt ansprechend, während Lee und Marshall erwartungsgemäss gut klingen. Das ist Nachtclub-Musik auf hohem Niveau, die Arrangements sind ganz gut, Es gibt auch mal einen Bossa („Like We Did Yesterday“ aus Pukwanas Feder) und ein einschälgiges Cover („Kippie“ von Ibrahim), das allermeiste Material stammt von Pukwana (sein „Be, My Dear“ ist auch wieder dabei, neben dem Brand-Cover gibt’s noch je ein Stück von Stuckey und von Lee), dessen Saxophon in diesem Rahmen naturgemäss viel mehr Raum kriegt und individueller klingen kann als auf seinem Debutalbum – auch wenn die Musik dort wiederum eigener ist als was wir hier zu hören kriegen. Das ist also keine grosse musikalische Entdeckung, aber eine schöne Gelegenheit – und davon ist mir jede höchst willkommen! – Pukwana in einem ansprechenden Rahmen zu hören.
Das tolle Band-Foto aus der Hülle, das wie in Promo-Foto aussieht (Marshall mit Sticks, strenger Brille und Schnauz, Pukwana mit seinem Altsax und Lee, der eine Fender Stratocaster (oder ein ähnliches Modell) nach vorn hält, stehen hinter Stuckey, der an seiner Orgel sitzt, alle vier in Anzug mit Krawatte) finde ich leider nicht im Netz, aber das Album kann man ebenfalls bei Bandcamp kaufen und auch komplett probehören:
https://dudupukwanabobstuckey.bandcamp.com/album/night-time-is-the-right-time-60s-soho-sounds
Die 25 Minuten ohne Pukwana lasse ich heute (und eh die meiste Zeit) aus … da gibt es Standards (wobei immerhin auch „I Feel Pretty“ (Bernstein/Sondheim) dabei ist, neben „Sweet Georgia Brown“, „All of You“ und „When I Grow Too Old to Dream“. Den Abschluss mach da das einzige Original, „Bob’s Hop“ von Stuckey.
Als nächstes folgt bei Pukwana das Album „In the Townships“, aufgenommen 1973 bei zwei Sessions im August und November (Overdubs?) 1973 im Manor Studio nördlich von Oxford – und hier funktioniert für mich der schon 1968 genutzte Ansatz perfekt. Die Band ist kleiner und jede Stimme zählt: Mongezi Feza (t) und Bizo Mngqikana (ts) sind die anderen Bläser, Pukwana spielt auch etwas Klavier, was ja sein erstes Instrument war, und alle drei Bläser auch Percussion und Stimme. Dazu kommen Harry Miller an der Bassgitarre und dem Kontrabass sowie Louis Moholo an Schlagzeug und Percussion. Die Stücke sind etwas länger, in zweimal 18 Minuten finden sieben von ihnen Platz – mit der Ausnahme von „Sonia“ (Feza) alle von Pukwana. Die Musik rollt und groovt, selbst im langsamen Tempo von „Zukude“, in dem der Beat wie zurückgehalten wirkt, Moholo scheint stets etwas zu verzögern, zu schleppen, und ist doch total auf den Punkt, selbst im einsetzend Fade-Out, wenn Feza nochmal voll nach vorn drängt. Was mir nicht klar ist, ob es da und dort Overdubs gibt, ob die fliessend zwischen – ziemlich prominenten, in diesen Grooves hervorragend eingesetzten – Congas und ihren Blasinstrumenten bzw. im Fall von Pukwana vom Klavier zum Altsax wechseln. Es gibt aber Momente, in denen Pukwana loslegt und darunter eine Klavierspur zu hören ist – ev. sogar noch eine Bläser-Spur, in der auch ein Altsax dabei ist, in „Sonia“ scheint Pukwana als Solist mit seinem aus dem Ensemble ausbrechenden Lead ein Zwiegespräch zu halten, während auch einfache aber sehr effektive Klavierspur zu hören ist. Das funktioniert alles hervorragend und kommt so aus einem Guss daher, dass es gar nicht auffallen würde, wenn man nicht auf solche Details achten würde. Pukwana wirkt in diesem Rahmen wie eine Mischung aus Griot und altem Bluesman, abgeklärt und weise und dennoch quicklebendig und blitzschnell, auch wo er sich zurücknimmt, ist immer klar, dass das seine Musik ist. In der Verbindung von Kwela und Bop ist das wirklich ein perfektes Album geworden, auch mit hervorragend austarierten Arrangements, die so spontan und dahingeworden klingen, dass man sich darüber erstmal gar keine Gedanken macht.
Ich habe dieses Album in der Earthworks/Virgin-CD-Ausgabe von 1988, wie Discogs mir sagt – auf der Rückseite steht (p) & (c) 1983 Virgin Records und 1983 ist das Album bei Discogs eingereiht, obwohl es 1974 erschien, bei Caroline Records, einem Sublabel von Virgin, das nicht allzu lange existierte. Earthworks wiederum gehört in die Weltmusik der Achtziger: gegründet 1983, 1987 von Virgin übernommen aber nach dessen Verkauf an EMI 1992 wurde Earthworks wiederum an Stern’s Africa vertickt. Da ist Pukwana jedenfalls in prominenter Gesellschaft gelandet: im Earthworks-Katalog stehen Namen wie Youssou N’Dour, Thomas Mapfumo, Pat Thomas und aus Südafrika auch die populären Mahlathini and the Mahotella Queens. Bei Caroline waren es eher Gong und Klaus Schulze, Steve Miller und Lox Loxhill, Homesick James und Fred Frith. Aber auch Jabula (mit Pukwana) und ein zweites Album von Pukwana & Spear, „Flute Music“.
Ich mache jetzt aber mal mit diesem Album von 1975 weiter, „Diamond Express“, später auf CD auch als „Ubagile“ (Jazz Colours) bekannt. Entstanden ist es im Island Studio in London im Herbst 1975 und Mongezi Feza gewidmet, der am 14. Dezember 1975 an der britischen Kälte im wörtlichen und übertragenen Sinn verstarb (medizinisch betrachtet an einer unbehandelt gebliebenen Lungenentzündung). Feza und Pukwana zelebrieren hier ein letztes Mal ihre gemeinsame Magie: Funk-Nummern mit Lucky Ranku (g), Frank Roberts (elp), Ernest Mothle (elb, b), Louis Moholo (d/perc) und James Mene (d) [Ranko bzw. Mothole geschrieben] sowie einem Stück („Tete and Barbs in My Mind“, gewidmete Tete Mbambisa und Barbara Pukwana) mit Elton Dean (saxello), Nick Evans (tb), Keith Tippett (p), Ranku (g), Victor Ntoni (b) und Moholo (d). Hier finden Kwela und Bop mit Spuren von James Brown, Sly Stone und electric Miles zusammen. Wenn in „Ubaquile (See Saw)“ der Funk-Anteil dominiert, übernimmt in „Diamond Express“ wieder der singende Cape Jazz mit einem jubilierenden Saxophon, das wie im alten Blues Freude und Schmerz im gleichen Augenblick verkörpert. In „Madodana (Teh Young Ones)“, dem einstigen Opener der B-Seite, klingt der Groove so, als hätten die alle auch offene Ohren für den Funk aus Westafrika gehabt, bis hin zum Afrobeat. Irgendwann riffen auch die Bläser mit, es gibt ein paar Chants, eine aufheulende Gitarre zwischendurch – das ganze ist eine hypnotische Gruppenperformance, die man sich live auch als eine halbe oder eine ganze Stunde dauernd vorstellen kann, hier bricht nach fünf Minuten alles ab und die beiden Drummer tanzen gemeinsam ohne den Groove je zu verlassen. „… Tete and Barbs“ ist das kürzeste Stück des Albums, es öffnet frei, bis die Bläser sich zum hymnischen Thema aufschwingen, das auch ins Repertoire der Brotherhood of Breath perfekt gepasst hätte – inklusive entgleisendes Klavier, das hier allerdings im Mix fast etwas zu sehr versinkt – produziert haben Alan Bates und Michael Cuscuna. Das wäre wohl der Moment für Pukwana gewesen, sowas wie einen Durchbruch zu erleben, aber so weit kam es leider nicht. Der Closer „Bird Lives“ stammt wieder von der ersten Session, ist aber eine waschechte Bebop-Nummer (mit verwaschenen Becken leider), keine Gitarre, ein konventionelles (Instrument und Spielweise, das ist also bestimmt nicht Tippett) Klavier, Kontrabass (bei Mothle ist tatsächlich beides angegeben, bei Roberts steht summarisch „keyboards“) – und wenn das etwas konventionell los geht, so sind spätestens die Soli von Pukwana und ganz besonders das von Feza eine reine Freude. Der Trompeter fängt relativ konventionell an, verbeisst sich dann in eine Phrase, spielte die flächigen Stotterphrasen mit dem unenglich breiten und doch so leicht wirkenden Ton … macht Pausen … und dann steigt Pukwana nochmal kurz ein, bevor Roberts ein ganz ansprechendes Solo liefert (das tat er davor auch schon am E-Piano), während die Time der Band aber etwas instabil zu werden scheint. Moholo scheppert und klöppelt allerdings stur durch – der gibt sich keine Blösse. Nach dem Klaviersolo gibt es einen kurzen Austausch der Bläser, aber die vermttlich geplanten Fours kommen nicht so richtig zu Gang. Ein etwas zefahrener Abschluss leider, für ein bis dahin sehr tolles Album.
Von der Session mit Tippett etc. 2012 bei 1201 Music noch sechs Stücke auf den üblichen digitalen Plattformen aufgetaucht, die es dann 2021 auch auf CD gab, als Bonus-CD eines japanisches Reissues von „Diamond Express“ – die oben abgebildete Ausgabe, die ich natürlich sofort gekauft habe. Eine Stunde Bonusmaterial von 1975 mit einer solchen Band, lieblos mit generischem Cover rausgehauen (Discogs) und kaum jemand kriegt es mit – ein Skandal eigentlich, aber das passt leider total gut zum Umgang mit der Hinterlassenschaft dieser Musiker. Ohne ein paar bekloppte wie Hazel Miller, Michael King, Riccardo Bergerone (von dem u.a. die Tapes von Elton Dean mit Tippett, Miller und Moholo stammen, die in den letzten Jahren bei British Progressive Jazz aufgetaucht sind, oder auch „The 100 Club Concert 1979“ von Elton Dean’s Ninesense, die fabelhafte 2012 Doppel-CD auf Reel Recordings) wäre das alles längst vergessen und verloren. Entsprechend traurig ist auch Moholos Tod – da endet wirklich eine Ära. Es bleibt nur noch Abdullah Ibrahim, der allerdings längst als Solitär unterwegs ist – völlig verdient und zu Recht natürlich. Das nur als Grund, warum ich die Ära trotzdem zu Ende sehe … und der langlebigste aus seinem Umfeld, Makya Ntshoko, ist ja leider letzten Sommer auch verstorben. Moholo war wirklich der letzte dieser Generation von beharrlichen Kriegern.
Die sechs Bonustracks haben es in sich, denn auch mit Piano und Kontrabass geht Funk. Das klingt dann nicht mehr nach landläufigem Soul Jazz, geschweige denn nach JB, Sly Stone oder Miles, aber die Grooves sind gerade so packend – aber nicht nur im ersten Track spielt Tippett auch tatsächlich ein E-Piano. Im zweiten legt er dann am Klavier los – und hat wohl so viel McGregor wie Taylor gehört. Der Groove hier klingt unregelmässig einfach nur durch das Bass-Riff von Victor Ntoni. Mit „Blessing Light“ und „Blue Nick“ tauchen gleich zwei alte Blue Note-Stücke wieder auf. Diese neue Session – bzw. der Rest der „Dedicated to Nick and Barbs“-Session halt – ist wirklich eine grosse Bereicherung. Unterm Strich ist das trotz gewisser Funk-Elemente einfach eine tolle Jazz-Session – vielleicht war das nicht genug, um damals ein Album zu machen und es wurde weiteres Material mit einer neuen Band eingespielt? Wobei die Reihenfolge der Sessions mangels Infos von DA Music oder wem immer das Zeug heute gehört, natürlich unbekannt ist. Auch dies ist jedenfalls eine bestens eingespielte Band: mit Tippett hat Moholo zu dem Zeitpunkt glaub ich schon recht oft gespielt, Dean und Evans fügen sich gut ein, sind aber nicht sehr präsent … der Saxophonist scheint sich stark an Pukwana anzulehnen (sein Solo in „Blessing Light“ klingt von der Phrasierung her ganz wie der Meister, aber das Saxello hat halt kaum Volumen und hier auch etwas wenig Biss – aber viel Charme dennoch), Evans hat wie inzwischen längst zu erwarten ein paar sehr gute Momente. Die anderen spielen jetzt schon sei über einem Jahrzehnt zusammen – sind ja drei der Blue Notes. Der Closer mit einer Pennywhistle (Pukwana, nehme ich an) klingt dann vom Groove her wie ein paar Jahre später Osibisa – das ist „Black Horse“, ein Monster von fast 14 Minuten mit Bass-Ostinato und äusserst funky Rhodes, zu dem sich mit der Zeit das Klavier gesellt.
Ranku höre ich hier übrigens nicht, das ist wohl einfach ein Fehler beim Discogs-Eintrag oder er taucht nur da und dort mal auf … kann sein, dass ich gerade nicht mehr aufmerksam genug bin, das ist auch die letzte Runde Südafrika für heute und vermutlich der letzte Post ist diesem Faden bis in einem Monat oder so. Ich habe natürlich die ganzen Live-Mitschnitte der Brotherhood of Breath übersprungen: Willisau (Ogun) und die drei Cuneiform-Veröffentlichungen aus den Nullerjahren – alles grossartige Musik, besonders vielleicht das Set aus Berlin („Eclipse at Dawn“) wo Feza fehlt und Harry Beckett seine ganzen Solo-Spots übernehmen darf (wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht … ich komme hier dazu, dauert einfach noch etwas). Ich habe gestern gemerkt, wie sehr mit die BoB – mehr noch als die Blues Notes vielleicht, auf jeden Fall anders – berührt und konnte mir nicht vorstellen, nach den zwei ersten Alben einfach weiter zu machen. Der Osborne-Faden geht natürlich auch noch weiter – mit den zwei Alben mit Miller/Moholo jedenfalls noch, der Rest wäre hier schon off topic, auch wenn ich versucht bin (aber das ist nicht mein Entscheid), Osborne zum Ehren-Südafrikaner zu erklären, einfach wegen seines musikalischen Temperaments, das es so in Europa nicht wirklich gab. (Der obskure Drummer Peter Nykyruj auf „Marcel’s Muse“ scheint übrigens Australier zu sein, hier gibt’s ein kurioses Video.)
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba