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das quartett in madrid, februar 1988. abschied von dannie richmond, einen monat vor seinem tod, er hat hier – in weißem satin – das erste und das letzte wort. das publikum kein vergleich zu dem in köln, selbst die tresenkräfte tanzen mit. und in pullens solo sieht man, dass der punch aus der präzision kommt. aber was ist das mit den roten nelken?
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Werbungphalanx, in touch (1988)
ende februar aufgenommen, da ist pullen gerade in kanada im studio mit jane bunnett. letztes album der phalanx-band, wieder toll, noch abwechslungsreicher und ein bisschen heißer. eher vier potentielle flammenwerfer also. adams spielt auch sopran und ist wieder sehr weit weg von seiner griffigen trickkiste. seine komposition „spanish endeavors“ hätte aber gut zu pullen/brown/richmond gepasst, ein audience pleaser, der hier rashied ali zu einem etwas störrischen latin-groove verstimmt.
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jane bunnett, in dew time (1988)
völliges neuland für mich. debütalbum der kanadischen flötistin und sopran-saxofonistin bunnett, die danach viel in cuba war und mit dortigen musiker:innen gearbeitet hat, lese ich. sie taucht aber auch in don pullens diskografie viermal auf, u.a. mit einem duo-album. hier spielen sie auch schon ein duett, pullens gassenhauer „big alice“. insgesamt ist das ziemlich hübsch, recht treibender postbop, der zum free hinüberschaut, und sich dazu illustre gäste nach toronto einlädt, neben pullen (auf seite 1) auch dewey redman und vincent chancey, der auch auf dem aktuellen arkestra-album zu hören ist. die musik ist offen für individuelle stimmen und dafür toll arrangiert, bunnett selbst sucht etwas schnell die intensität des ausbruchs, ihre kompositionen finde ich aber ziemlich gut.
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george adams don pullen quartet, jazzbühne berlin ’88 (1991)
dannie richmond stirbt am 16. märz 1988 überraschend an einem herzinfarkt (weder er noch adams noch pullen erreichen die 60-jahre-schwelle, es wirkt wie ein fluch). keine drei monate später tritt das quartett mit lewis nash im ostberliner friedrichsstadtpalast auf. nash am beginn seiner karriere, nach der betty-carter-schule und ein paar jahren als erster drummer des branford-marsalis-quartetts. er ist super hier, auch wenn er den verschrobenen r&b-backbeat in „mr. smoothie“ nicht hinbekommt, aber das 40-minuten-energy-playing über „thank you mr. monk“ (mit einem langen solo-teil von pullen, zugegeben – ein kabinettstück für sich) in rasender geschwindigkeit kriegt er mit jugendlicher fitness gut hin. was aber wirklich erstaunt, ist, wie inspiriert pullen, adams und brown hier spielen – das erscheint wie ein trotziges jetzt-erst-recht, und völlig egal, ob der drummer sich einfügt. ein atemberaubendes dokument, und man kann nur spekulieren, wie dieser feuerball auf ein ddr-publikum im juni 1988 traf. adams läuft off-mic im palast herum, pullen clustert lange passagen lang, als wollte er spuren auf dem klavier hinterlassen, und brown legt einen druck auf alles, was hier unbedingt gesagt werden muss – das ist kein gewöhnliches konzert. gepresst für die schnelle selbstbereicherung, aber wie gut, dass es dieses dokument gibt (ich hab es mal in einem berliner ramsch gefunden – und später nochmal in einer bibliothek, wo es hingehört.)
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soulpopeIch kenne diese Aufnahmen leider nicht, schätze jedoch Lewis Nash aus seiner „Lehrzeit“ bei Betty Carter und kann ihn mir hier – wie von Dir beschrieben – ganz gut vorstellen ….
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soulpopeIch kenne diese Aufnahmen leider nicht, schätze jedoch Lewis Nash aus seiner „Lehrzeit“ bei Betty Carter und kann ihn mir hier – wie von Dir beschrieben – ganz gut vorstellen ….
er war ja mit carter am gleichen ort drei jahre früher, auch davon gibt es eine illegale cd. es scheint inspirierend gewesen zu sein, mit ihm zu spielen, oder es war trauerarbeit, oder beides. diese spezielle grandezza von richmond konnte man wohl kaum kopieren, aber die energie aufzugreifen, ist nash gelungen.
so oder so: das ist das letzte dokument des quartetts, es gibt keine gemeinsame aufnahme von adams und pullen mehr, wenn ich das richtig sehe. ich finde es schade, dass cuscuna das ’neue‘ quartett nicht mehr produziert hat.
in tokio traf pullen dann auf tony williams, der wiederum wollte mit gary peacock aufnehmen, daraus entstand ein neues trio. und das quartett war geschichte.
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george adams, nightingale (1988)
das ist so eins dieser unperfekten alben, die ganz eigene regionen meines herzens erreichen. adams auf eigenen wegen, für somethin‘ else (aber cuscuna schreibt noch liner notes), geplant war ein gospelalbum, das material aber änderte sich immer mehr (zu cuscunas erstaunen) in richtung „popsongs auf gospelbasis“, heißt: „bridge over troubled water“, „moon river“, „what a wonderful world“, „ol‘ man river“ usw. im prinzip die größten denkbaren us-amerikanischen schnulzen, die adams einfach als schwarze traditionals re-appropriiert. er nimmt das sehr ernst, alles ist sentimental gespielt, aber nicht kitschig, dazu verpflichtet er eine rythm section, die eckig und kantig versucht, funktional zu sein: wer würde bei einem solchen programm an sirone denken? oder an hugh lawson, pullens nachfolger bei mingus? selbst victor lewis macht es sich hier nicht leicht. das ist alles wunderbar un-klassisch, aber auch nicht mit erzwungenem modernistischen twist. jazz als freigeistige kommunikation von individualisten, die erhaben über die simple größe von popkultur nachdenken.
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don pullen, new beginnings (1989)
die andere häfte fängt neu an. aus tony williams‘ wunsch, wieder mit gary peacock aufzunehmen, wird ein trio, und der hinzugekommene der leader, und sein material sagt: neuanfang! das ergebnis ist fantastisch und überraschend. williams‘ post-lifetime-schießbude klang nie besser und subtiler, und genau wie pullen findet er immer wieder figuren, die ihre eigene eskalation schon miteinrechnen. peacock geht nicht unter, im gegenteil, er hält einer untergründige funkyness aufrecht, es entstehen eigenartige grooves, die ich im jazz ansonsten gar nicht kenne (auch sonst nirgendwoher, natürlich). und im freien letzten stück (der lp) spielt er ein solo, das die kollegen von der bühne fegt. ich weiß nicht, ob ich eine energetischere piano-trio-aufnahme kenne. aber am ende (nicht auf der lp) kommt noch pullen solo, „silence = death“, das war der slogan einer frühen hiv-consciousness-raising-group, noch vor act up. pullen spielt die rage und verzweiflung und zärtlichkeit, die in diesem kontext möglich sind. warum landete das stück nicht auf der lp, obwohl platz genug dafür war? scheiß drauf.
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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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don pullen, new beginnings (1989) die andere häfte fängt neu an. aus tony williams‘ wunsch, wieder mit gary peacock aufzunehmen, wird ein trio, und der hinzugekommene der leader, und sein material sagt: neuanfang! das ergebnis ist fantastisch und überraschend. williams‘ post-lifetime-schießbude klang nie besser und subtiler, und genau wie pullen findet er immer wieder figuren, die ihre eigene eskalation schon miteinrechnen. peacock geht nicht unter, im gegenteil, er hält einer untergründige funkyness aufrecht, es entstehen eigenartige grooves, die ich im jazz ansonsten gar nicht kenne (auch sonst nirgendwoher, natürlich). und im freien letzten stück (der lp) spielt er ein solo, das die kollegen von der bühne fegt. ich weiß nicht, ob ich eine energetischere piano-trio-aufnahme kenne. aber am ende (nicht auf der lp) kommt noch pullen solo, „silence = death“, das war der slogan einer frühen hiv-consciousness-raising-group, noch vor act up. pullen spielt die rage und verzweiflung und zärtlichkeit, die in diesem kontext möglich sind. warum landete das stück nicht auf der lp, obwohl platz genug dafür war? scheiß drauf.
Schwer zu sagen ob es energetischere Piano Trios gab …. ich denke schon, aber die zwei bereits genossenen Bordeaux Gläser machen es mir schwer meinen Speicher im Detail abzurufen …. oft ist die Cover Art Programm und Pullen strotzt vor Selbstbewusstsein auf dieser Photographie …. und ja, Peacock hat hier wirklich zu kämpfen und es tut ihm verdammt guad …. das ist hier fast durchgängig „power play“ und doch bietet Nachhören einige Stille im Detail …. herausragend ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)soulpopeSchwer zu sagen ob es energetischere Piano Trios gab …. ich denke schon, aber die zwei bereits genossenen Bordeaux Gläser machen es mir schwer meinen Speicher im Detail abzurufen …. oft ist die Cover Art Programm und Pullen strotzt vor Selbstbewusstsein auf dieser Photographie …. und ja, Peacock hat hier wirklich zu kämpfen und es tut ihm verdammt guad …. das ist hier fast durchgängig „power play“ und doch bietet Nachhören einige Stille im Detail …. herausragend ….
ja, nach zwei bordeaux fühlte ich mich anschließend auch. was vergleichsweise energetische klaviertrios angeht, fiel mir natürlich noch jason morans bandwaggon-trio ein, überhaupt ist der vergleich moran/pullen sehr interessant: der mingus-bezug (bei moran durch den lehrer byard), die free-entwicklungen aus stride-techniken heraus, die duo-auftritte von beiden mit milford graves… im netz finden sich hinweise auf ein liveprogramm von 2012, „the life and music of don pullen“, da saß moran am klavier (die anderen beteiligten waren bluiett, carter, mcbride und waits).
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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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soulpope Schwer zu sagen ob es energetischere Piano Trios gab …. ich denke schon, aber die zwei bereits genossenen Bordeaux Gläser machen es mir schwer meinen Speicher im Detail abzurufen …. oft ist die Cover Art Programm und Pullen strotzt vor Selbstbewusstsein auf dieser Photographie …. und ja, Peacock hat hier wirklich zu kämpfen und es tut ihm verdammt guad …. das ist hier fast durchgängig „power play“ und doch bietet Nachhören einige Stille im Detail …. herausragend ….
ja, nach zwei bordeaux fühlte ich mich anschließend auch. was vergleichsweise energetische klaviertrios angeht, fiel mir natürlich noch jason morans bandwaggon-trio ein, überhaupt ist der vergleich moran/pullen sehr interessant: der mingus-bezug (bei moran durch den lehrer byard), die free-entwicklungen aus stride-techniken heraus, die duo-auftritte von beiden mit milford graves… im netz finden sich hinweise auf ein liveprogramm von 2012, „the life and music of don pullen“, da saß moran am klavier (die anderen beteiligten waren bluiett, carter, mcbride und waits).
Ich kenne Jason Moran zu wenig, sollte da mal „nacharbeiten“ … zum Thema energetisch fiel mir dann Milcho Leviev ein, welcher als Pianist von Art Pepper (aber nur dort !) mit Bob Magnusson (b) und Carl Burnett (dr) eine dementsprechenden Funkenflug erzeugen konnte …. aber da muss ich länger nachbetrachten, jedenfalls ein interessantes Thema ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)jane bunnett & don pullen, new york duets (1989)
gegenbesuch von bunnett in new york, sie hat eine pan-, eine querflöte und ein sopransax dabei, außerdem ein paar ganz schöne kompositionen. der leichte latin-einschlag, der sich manchmal bei beiden einstellt, deutet schon pullens african-brazillian connection an, bei bunnett ging das später sehr viel weiter. ich finde sie als solistin nicht sehr charismatisch, aber die beiden agieren freundlich und unangeberisch miteinnder, das ist schön und stimmungsvoll zu hören. pullens old-schol-hollywood-nummer „gratitude“ passt auch auf flöte ganz gut, monk dagegen versuchen sie auf die harte tour und mit sopransax, da ist das vorbild leider überdeutlich.
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george adams, america (1990)
george adams flirtet mit der nation (die er konsequent mit „she“ anspricht) und dem originären schnulzenmaterial, diesmal noch enthusiastischer: tennessee waltz, swanee river, georgia on my mind, take me out to the ball game, selbstkomponierte und -gedichtete ständchen, zum schluss die nationalhymne. ich lese das durchaus politisch, hier besteht jemand darauf, bürger zu sein und einen bezug zu haben. hugh lawson ist wieder der partner, begleitet (mehr nicht) werden sie diesmal von cecil mcbee und mark johnson (steve coleman, abbey lincoln, cassandra wilson…). die funkversion von „you are my sunshine“ gefällt mir ziemlich gut, ansonsten wirkt das alles etwas befreiter und spaßiger, aber auch seichter als der vorgänger. „from the tlantic to the pacific, she’s quite terrific“.
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don pullen & marian mcpartland, piano jazz (herbst 1989),
https://www.npr.org/2017/12/15/570834686/don-pullen-on-piano-jazz„ich brauche oft wochen, um die sachen spielen zu können, die ich komponiere.“ überraschende aussage von pullen. auch, dass ihm die sachen immer zwischen aufwachen und aufstehen einfallen. twilight music. mcpartland ist jedenfalls nach dem ersten stück komplett aus dem häuschen, „exciting!“, sie wünscht sich eine fernsehkamera, weil pullen ellbogen, handrücken und füße im kontrapunkt einsetzt. pullen dagegen scheint schüchtern, drückt seine bewunderung über mcpartlands harmoniekonzept aus, beide haben erinnerungen an mingus und beide fanden ihn nett und wenig furchterregend. die duette sind toll, „all the things you are“ und „on green dolphin street“, mcpartland versucht sich sogar ein wenig im cluster-spiel („that’s as far as I can go“). als widmung für ihren gast spielt sie „mad about the boy“, das ist fast schon flirty. und im gemeinsamen blues am ende spielt sie so riskant, wie ich es nie von ihr gehört habe. ganz schön aufgekratzte sendung.
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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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don pullen & marian mcpartland, piano jazz (herbst 1989), https://www.npr.org/2017/12/15/570834686/don-pullen-on-piano-jazz „ich brauche oft wochen, um die sachen spielen zu können, die ich komponiere.“ überraschende aussage von pullen. auch, dass ihm die sachen immer zwischen aufwachen und aufstehen einfallen. twilight music. mcpartland ist jedenfalls nach dem ersten stück komplett aus dem häuschen, „exciting!“, sie wünscht sich eine fernsehkamera, weil pullen ellbogen, handrücken und füße im kontrapunkt einsetzt. pullen dagegen scheint schüchtern, drückt seine bewunderung über mcpartlands harmoniekonzept aus, beide haben erinnerungen an mingus und beide fanden ihn nett und wenig furchterregend. die duette sind toll, „all the things you are“ und „on green dolphin street“, mcpartland versucht sich sogar ein wenig im cluster-spiel („that’s as far as I can go“). als widmung für ihren gast spielt sie „mad about the boy“, das ist fast schon flirty. und im gemeinsamen blues am ende spielt sie so riskant, wie ich es nie von ihr gehört habe. ganz schön aufgekratzte sendung.
Danke, werde das (später) nachhören ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin) -
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