blindfoldtest zum jahresende

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  • #12416719  | PERMALINK

    thelonica

    Registriert seit: 09.12.2007

    Beiträge: 4,180

    Alec Wilder gefällt mir optisch (wegen wenig Ausstrahlung) gar nicht, ich assoziiere irgendwas unangenehmes mit Thomas Mann und Film noir. Ist aber nur ein persönlicher Eindruck und es gibt die guten Songs und reichlich Kompositionen, keine Frage. Getty hat ein paar interessante Fotos mit Ellis Larkins und Alec Wilder. Die Reihenfolge habe ich jetzt richtig beim Abspielen. „I‘ ll Be Around“ von Jimmy Scott ist toll gesungen, nur die Streicher klingen dermaßen künstlich, dass man ausdrücklich mal die irgendwie sehr lebendige Version von Marvin Gaye loben muss. Das klingt zumindestens überhaupt nicht so, als wären die Streicher nachträglich eingespielt worden. Die Vocals kamen wohl nachträglich hinzu (aufgenommen im Graystone Ballroom, Detroit!?). Mich würde interessieren, wie die die Vocals aufgenommen hatten, ob dafür auch der Saal mit Musik beschallt wurde. Ob die backing tracks erneut aufgenommen wurden zusammen mit dem Gesang. Arrangiert wurde für die LP von Melba Liston, Ernie Wilkins und Jerome Richardson! Melba Liston konnte ja auch Streicher arrangieren, das ist teilweise gut dokumentiert.

    Under Gordy’s direction, Motown installed a spiffy new sound system at the venue. An associate suggested that Gordy rename the Graystone, which by then had lost much of the fame and glamour of its glory days. Gordy refused, saying that the memories of the good old days would lure new audiences.

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    #12416721  | PERMALINK

    brandstand3000

    Registriert seit: 29.12.2016

    Beiträge: 244

    2.1 arrangiert von Al Cohn und/oder Nat Pierce

    2.2 @redbeansandrice Deine Einlassung zum Sax klingt super, aber ich vestehe sie leider nicht. Hast du Lust weiter auszuführen? Mit der gequetschten Trompete fremdle ich auch.

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    #12416731  | PERMALINK

    brandstand3000

    Registriert seit: 29.12.2016

    Beiträge: 244

    @thelonica Mann und Noir sind doch angenehme Assoziationen! Aber ich weiß, was du meinst.

    alles fängt natürlich an mit Wilders großartigem Buch „American Popular Song“. Muss vorgarten dann erklären.

    Tatsächlich gefällt mir Gayes Version auch besser. Scotts klingt halt modern glatt, bis auf den großartigen Gesang. dachte wie immer, es sei eine Frau.

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    #12416745  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,715

    brandstand3000Also ein Alec Wilder Mix. Toll, wollte schon länger einen haben!

    das freut mich! mir war aufgefallen, dass ich mich in diesem jahr ziemlich viel mit ihm beschäftigt habe, aber weil es da nur um kompositionen und einzelne tracks ging, habe ich hier nur selten darüber geschrieben.

    brandstand3000
    Mir fällt auf: Wilder ist gut, aber ein Hit-Schreiber ist er nicht. Die Songs klingen alle ziemlich gleich, vielleicht weil alles Balladen. Der Instrumental-Teil hört sich da abwechslungsreicher, aber weil keine Hits, erkenne ich da keine Melodien wieder.

    interessant. ich habe wilder immer als allesschreiber wahrgenommen, aber jetzt, wo du es schreibst, gibt es wirklich fast nur balladen. „i’ll be around“ und „while we’re young“ sind auf jeden fall jazzstandards mit unzähligen versionen, vokal und instrumental. bei mir haben sich aber auch mittlerweile so 5-6 andere kompositionen festgesetzt. wird dir bestimmt auch noch passieren ;-)

    ich hatte immer gedacht, dass das hier hitpotenzial hatte, war aber auch nicht so.

    „wilder spent his life looking for cracks to fall through“, hat terry teachout mal gesagt, das bezog sich wahrscheinlich auf den merkwürdigen spagat zwischen u- und e-musik bei ihm, ohne in beiden irgendwie besonders erfolgreich zu sein, aber man kann das auch auf die songs beziehen, die einerseits altmodisch sind, andererseits unter den altmodischen zu eigenartig und auch wirklich schwer zu singen (nicht, weil sie kompliziert wären, sondern dafür den richtigen ton zu treffen)

    brandstand3000
    Bei den Instrumental 10 weiß ich deshalb erst recht nix, außer dass es zum Ende zeitgenössischer wird.

    ich glaube, beide teile sind in chronologischer ordnung.

    brandstand3000
    #1 und #2 sind die tollsten Sängerinnen. Beim ersten Mal „trouble is a man“ kriege ich Gänsehaut. Bei #2 bei 1:22 klingt’s für mich schief.

    ja, das sind interessante und eher unwahrscheinliche wilder-interpretinnen, die meiner ansicht nach alles richtig machen. die interpretationen aus den 40ern finde ich insgesamt sehr viel toller als spätere, weniger kitschig, näher am blues. mildred bailey taucht hier gar nicht auf, dabei hat sie von mehreren wilder-songs in den 40ern referenzversionen aufgenommen (wilder selbst mochte aber andere sängerinnen lieber). das klavier auf #1.1 spielt die sängerin übrigens mutmaßlich selbst.und #1.2 ist zum beispiel ein song, von dem es vielleicht 3 aufgenommene versionen gibt…

    brandstand3000
    #3 schön rock’n’rollig. Die 50er sind für mich null zeitlos. Total anschlussunfähige Zeitkapsel. Aber hübsch.

    sehr frühe 50er, eigentlich noch proto-r&r. große entdeckung für mich, neues männerbild, andere art der popularität, aber auch ein total unwahrscheinlicher wilder-interpret (der r&r ja gehasst hat).von ihm gibt es auch eine ganz tolle version von #1.7 (dem film noir song).

    brandstand3000
    #8 der Sänger teilt viele Stylings mit Marvin Gaye.

    ;-)

    brandstand3000#9 Mimosa, der Drink? Hammer-Gitarre.

    das ist absurderweise ein filmsong. hieraus, mutmaßlich sehr obskur, wilder spielt auch mit – soweit ich das verstanden habe, geht es um zwei ältere zwillingsdamen, eine heißt mimosa.

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    #12416747  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,715

    brandstand3000
    #2.8 oh uptempo. wie erfrischend. dufte kapelle. Nuancen müssen leider andere liefern. Ein Gitarrensolo wäre noch schön gewesen :)) Bin gespannt, von wann das ist.
    #2.9 Ankunft in der Neuzeit. Beseeltes Mitgesinge. Schönschön.

    zwischen den beiden aufnahmen liegen nur 5 jahre. (beides recht neu oder beides recht alt, ist die frage…)

    brandstand3000
    Nochmal zu Wilder: Er legt so Wert auf Innovation, aber er selbst schreibt recht klassisch, oder? Viele Melodiebögen kommen mir bekannt vor, als hätte ich sie in den Hits anderer schon gehört. Und hat er echt nur langsame Nummern geschrieben?

    mir fällt nichts schneller ein, nur sagen (für benny goodman z.b.), bei denen der text von ihm ist, aber die musik von anderen. „while we’re young“ kann man schnell spielen, das ist ein walzer, aber die originalversion ist auch eher getragen…

    dass wilder die anderen songschreiber*innen studiert hat, weiß man ja spätestens seit seinem buch. er sah sich in einer tradition, hat viele dinge übernommen, wollte nicht unbedingt innovativ sein, sondern interessante variationen entwickeln von etwas, das ihm heilig war.

    --

    #12416751  | PERMALINK

    brandstand3000

    Registriert seit: 29.12.2016

    Beiträge: 244

    danke für die top kommentare. dachte danach auch: #2.8 ist natürlich auch schon neuer.

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    #12416757  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,715

    schön, dass du auch dabei bist!

    redbeansandrice2-1
    das ist natürlich genau mein Ding, kann von der Westküste sein, aber ich rate eher Ostküste, vielleicht sogar Claude Thornhill Big Band mit Konitz (as), Galbraith (g) und Mucci (tp)… da kommt es jedenfalls teilweise her… aber der hatte nicht so einen tollen Tenoristen… eigentlich muss es eher was späteres sein… Dick Collins… und dann ist der Track schnell gefunden, The Winter of my Discontent.

    ja, das ist ein tolles album, dass ich ohne meine wilder-recherche nicht entdeckt hätte, glaube ich. unglaublich, wer da alles mitspielt. ich finde das aber auch wilders tollsten song. und wenn mich nicht alles täuscht, war das hier die ersteinspielung, noch vor einer vokalversion.

    redbeansandrice
    2-2
    es gab Jahre, da hab ich es John Coltrane sehr übel genommen, dass er dafür gesorgt hat, dass nicht mehr alle Saxophonisten klingen wie der Altist und vor allem der Tenorist … das Blechblasinstrument irritiert mich ein wenig, ist das echt eine Trompete? das Klaviersolo ist schlicht aber grossartig… das hier muss eigentlich New York ca 1954 sein.

    die zeit stimmt (ca.). du kennst die alle. kein altist dabei, übrigens. und angeblich eine trompete, ja.

    redbeansandrice2-3
    das kenn ich zB fast sicher, ähnliche Ecke, aber der Altist kommt viel mehr von Parker her als die beiden davor, er hat einen leichten Cry in seiner Cool Jazz Konzeption und ist rhythmisch viel raffinierter als die beiden auf den Tracks davor…

    passt. ist der früheste track in diesem teil, also stimmt das auch nicht mit der chronologischen ordnung… der pianist war für mich eine überraschung.

    --

    #12416761  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,715

    thelonicaAlec Wilder gefällt mir optisch (wegen wenig Ausstrahlung) gar nicht, ich assoziiere irgendwas unangenehmes mit Thomas Mann und Film noir.

    darüber musste ich heute morgen sehr lachen. von zeitgenossen wird er als sehr charismatisch, großzügig, aber auch cholerisch (im betrunkenen zustand) geschildert. aber die thomas-mann-assoziation kann ich nachvollziehen, es liegt etwas verklemmtes in diesem gediegenen bourgeois-stil, auf eigenartige weise queer. es gibt die geschichte, dass er mal james dean (für den er auch einen song geschrieben hat) einen moralischen vortrag darüber gehalten haben soll, dass dieser sich erkenntlicher zeigen solle gegenüber den älteren herren, die ihm zu seinem durchbruch verholfen haben. schräg. ein spröder charme zwischen hotel und landhaus, cabaret und campus, und dann mit james dean und frank sinatra befreundet sein…

    thelonica „I‘ ll Be Around“ von Jimmy Scott ist toll gesungen, nur die Streicher klingen dermaßen künstlich, dass man ausdrücklich mal die irgendwie sehr lebendige Version von Marvin Gaye loben muss. Das klingt zumindestens überhaupt nicht so, als wären die Streicher nachträglich eingespielt worden. Die Vocals kamen wohl nachträglich hinzu (aufgenommen im Graystone Ballroom, Detroit!?). Mich würde interessieren, wie die die Vocals aufgenommen hatten, ob dafür auch der Saal mit Musik beschallt wurde. Ob die backing tracks erneut aufgenommen wurden zusammen mit dem Gesang. Arrangiert wurde für die LP von Melba Liston, Ernie Wilkins und Jerome Richardson! Melba Liston konnte ja auch Streicher arrangieren, das ist teilweise gut dokumentiert.

    interessant. für scott hat johnny mandel arrangiert. aber die beiden produktionen wollten was anderes, in gayes fall das unerwartete jazzalbum, in scotts fall das möglichst fett produzierte comeback.

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    #12416785  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    kein Altist auf 2-2 find ich ja schon zunächst überraschend, dieser glockenhelle Klang in der ersten Phrase zu Beginn, eigentlich auch in der zweiten (wobei man da schon ein bisschen hören kann, dass es ein Tenor sein könnte…), in der dritten Phrase dann ein komplett anderer Ton… beim Hören vorhin hatte ich in der Tat überlegt, dass das vielleicht Instrumentenwechsel im Track sind, weil immer nur ein Tenor zu hören ist… aber sind es nicht, bei 1:12 wo das Solo beginnt, hört man ihn dann in der Tat zwischen den Registern wechseln … @brandstand: was ich einfach nur meinte, ist dass das Saxophon von seinem leichten Ton her in die Schule von Lester Young und Stan Getz gehört, die die vorherrschende Tenor-Schule im Jazz war, zum Beispiel all die Polls gewann, bis Rollins und Coltrane gross wurden… und vom Ton her würd ich behaupten war vor allem Coltrane sehr prägend für spätere Generationen von Tenoristen

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    #12416791  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,715

    redbeansandricekein Altist auf 2-2 find ich ja schon zunächst überraschend, dieser glockenhelle Klang in der ersten Phrase zu Beginn, eigentlich auch in der zweiten (wobei man da schon ein bisschen hören kann, dass es ein Tenor sein könnte…), in der dritten Phrase dann ein komplett anderer Ton…

    ja, das finde ich auch ziemlich verwirrend – hätte blind auf jeden fall auch auf alt getippt am anfang.

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    #12416795  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    Thomas Mann trifft mE perfekt.

    2-4 ganz klassischer Orgeljazz, ist toll wie viel Räume sie lassen… böse Zungen sagen ja manchmal, Organisten würden alles zukleistern, aber nichts ist weniger wahr…

    2-5 ist A3 von hier, ich find das immer schön, wenn Posaunisten es nicht an die grosse Glocke hängen, dass sie Posaunisten sind, sondern den Anstand haben, einfach ein anderes, dezenteres und schöneres Instrument zu verwenden, wie zum Beispiel das Klavier… das kannte ich nicht, bis ich irgendwann vor ein paar Monaten auch ein bisschen Wilder vertieft hab… so wie das Klavier hier gespielt wird, braucht man sich auch echt keine Sorgen machen, es könne der Gitarre ins Gehege kommen… hoffe die Platte begegnet mir irgendwann

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    #12416811  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    2-6 so stell ich mir ja McPartland plays Wilder vor… aber das können auch ein dutzend andere Pianisten sein, ich find es jedenfalls grossartig.

    2-7 da hatte ich jetzt oben die Auflösung mitbekommen, das ist natürlich grossartig, und ich habs auch noch viel zu selten gehört…

    2-8 will jetzt gar nicht beschwören, dass das nicht Musiker sind, die ich in anderen Kontexten mag, aber. Der Bass-Sound ist fies und scheint es auf 1980 +- 5 Jahre einzugrenzen… in der Rhythmusgruppe ist auch sonst recht viel los… Sind das zwei Keyboards oder Keyboard und Gitarre? ein einziger Drummer? Die beiden Solisten an Trompete und Saxophon (diesmal schon Alt und nicht Sopran, oder?) sind vergleichsweise altmodisch in Ton und Vokabular… irgendwie sympathisch find ich es ja, aber es ist mir ein bisschen anstrengend.

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    #12416813  | PERMALINK

    wahr

    Registriert seit: 18.04.2004

    Beiträge: 15,224

    bft 34 1 track _1

    Ärger ist ein Mann, Schuld ist immer eine Frau. Ich kenne mich mit Jazz-Stimmen nicht so gut aus. Das hier ist älter, 1950er irgendwann. Piano spielt keine Note zuviel, nimmt sich zurück, wie auch die übrigen Instrumente (man könnte beim ersten Hören fast denken, es gibt nur das Piano). Aus diesen und ähnlichen leisen Settings ist dann irgendwann auch Bossa Nova entstanden, auch wenn dort der Schmerz anders verhandelt wird, nicht so direkt (damit lernten die Brasilianer während der Diktatur die Zensur zu umgehen: Stücke über die Liebe zu schreiben, bei denen es nicht um die Liebe ging, sondern darum, wie die Umstände sie verhinderten). Der Gesang ist schon sensationell gut, sehr klar in der Aussage und in der Erkenntnis, aber er holt auch das eigene Verlangen nach oben, dass am Ende die letzte Konsequenz der Trennung doch so schwer macht. Ich muss an eine Art Gegenentwurf zu Hank Williams denken, der ebenfalls in seinen Songs seiner Frau eigentlich an allem die Schuld gibt, gemein und unfair sein kann, wegen seines eigenen Verlangens aber immer wieder die Beziehungskämpfe verliert. Ich glaube aber, seine Frau konnte auch ganz gut austeilen.

    bft 34 1 track _2

    Noch älter als _1, wieder eine Beziehungsszene, es geht auch hier darum, dass der Sängerin das Problem ihrer Beziehung bewusst ist, sie die Spiele ihres Partners durchschaut, aber in gewisser Weise trotzdem auf ihn wartet.

    bft 34 1 track _3

    Hier wird der Ausbruch aus der Liebesbeziehung angekündigt, oder vielleucht der letzte Versuch ihrer Rettung. Lösungsvorschlage werden versucht, weitere Versuche vorgeschlagen, es wird ein Zeitrahmen gesteckt – give me time, (than) I give you love – die Sängerin ist aber hier diejenige, die die Schuld bei sich sucht. Sie bittet um Aufschub, um Zeit, ein paar Dinge zu ändern, mehr Leidenschaft einzubringen. Am Ende klingt es fast flehentlich, als wäre ihr bewusst, dass die Chancen nicht gut stehen. Die Musik ist auch eher getragen, wieder ein sehr reduziertes Setting.

    bft 34 1 track _4

    Wieder verhaltenes Pianospiel, aber es klingt optimistischer als vorher. Eher das Ende einer Beziehung wird hier verhandelt – „Der Winter meiner Unzufriedenheit“. Eine Beziehung hat sich abgeschliffen, Routinen haben sie zerstört, es gibt eigentlich kaum noch Hoffnung, nur der schmerzhafte Blick zurück, die helleren Töne am Anfang des Stücks waren vielleicht nur ein paar fragmentarische Erinnerungen an etwas, das mal war.

    bft 34 1 track _5

    „Love is not an easy thing to lose.“ Nun ist es also geschehen, die Liebe ist verloren gegangen. Die Lady ist allein und erstarrt. Und allein. Noch ist keine Zuversicht in Reichweite. Das Vibrafon, das ziemlich zum Ende kommt, vielleicht sowas wie eine aufkeimende Helligkeit symbolisierend, ist jetzt interessant, die ersten Töne hat tatsächlich mal Beefheart zitiert (auf dem „Smithsonian Institute Blues“, dort hat Roy Estrada das Vibrafon beigesteuert), vielleicht war es auch Zufall, aber bei Beefheart ist sowas meist keiner. Blues zu Blues gesellt sich gern.

    bft 34 1 track _6

    Aufhellende Klaviertöne jetzt. „It’s so peaceful in the country“. Ein Rücksichtsort wird besungen. Ein Loblied auf die Ruhe auf dem Land. Dabei weiß eigentlich jeder, der mal auf dem Land gelebt hat, dass es hart sein kann, wenn man anders ist als diejenigen, die gerne auf dem Land leben. It’s hard to live in the country, sang schon Mark E. Smith. Deswegen kann ich mit diesem Song, obwohl schön und sanft, doch eher wenig anfangen. Kann ihn aber verstehen, weil er in den Kontext passt: Hat man sich auf Trk_5 endgültig getrennt, ist allein und spürt sich kaum noch, so benommen macht einen die Trennung, dann wählt man vielleicht auch eine passende Umgebung aus, von der man sich eine Heilung der Narben verspricht, eben das Klischee vom „stillen, einfachen Leben auf dem Land“. Eine Übergangslösung? Ich hoffe, ab trk_7 wird sich wieder konsolidiert und langsam teilgenommen am urbanen Leben.

    bft 34 1 track _7

    Ein samtiges Saxofon, taucht das erste Mal auf, glaube ich. Doch wieder ein Lied kurz vor der endgültigen Krise. Eine Beschwörung, es nochmal zu versuchen. „Ask me or command me, I will obey you.“ Ein Lied von der Abhängigkeit. Es ist eben nicht alles so rational entscheidbar, wir wir es oft gerne hätten. Trotzdem schmeckt mir der devote Ton nicht.

    bft 34 1 track _8

    Größerer Orchesterbahnhof. Wieder getragen. Ich werde da sein, egal, wie du mich behandelt hast. Dann aber plötzlich mit einer großen Geste: Auf Wiedersehen, mach deine Erfahrungen, versuche eine Liebe zu finden, wie die, die ich dir geben kann. Ich werde aber da sein, wenn dir dann klar wird, was unsere Liebe bedeutet. Ich finde, das könnte auch gut von Marvin Gaye gesungen werden (der hier aber nicht sing). Aber die Tonalität ist ähnlich. Jedenfalls ein Stück, dass auch in der Trennung doch wieder die Zukunft im Blick hat. Gewonnenes Selbstbewusstsein zeigt.

    bft 34 1 track _9

    Ein Song des allmählichen und süßen Näherkommens. Männliche Stimme, Akustikgitarrenorientiert. Eine neue Möglichkeit bietet sich, die jahreszeiten sind hier symbolträchtig. Da geht was, es wird immer besser, immer enger, immer schöner.

    bft 34 1 track _10

    „I’ll be around no matter how you treat me now“, das Stück von 8 in einer anderen Version. Und ich habe das Gefühl, hier kommen sich die beiden Trennenden doch wieder näher, die Musik klingt so versöhnlich, sie ist zwar behalten, aber sie schwappt auch über den Rand, mit dem Orchester, ohne kitschig zu sein. Ich tippe auf Claus Ogerman, mein liebster Orchesterarrangeur.

    10 Beziehungsverhandlungen und Zusandsbeschreibungen. Bis hierhin hat’s mir super gefallen. Sonst hätte ich auch nicht so viel geschrieben. Die Instrumentals muss ich verschieben. Muss bis zum Wochenende noch eine Reggae-Sendung zusammenstellen.

    #12416821  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    2-9 Piano und Bass Duette sind auch so ein Genre, für das ich sehr lange gebraucht hab… wer singt denn mit so einer hohen Stimme mit… der knarrende Stuhl ist auch witzig, den hätte man mit Drummer niemals wahrgenommen… sowas kann man sich eigentlich stundenlang anhören… ich sag mal: wenn ein Track hier aus Europa kommt, dann ist es dieser hier.
    2-10 nein, das hier ist der McPartland Track, Live at Maybeck Recital Hall, hatte eben neben dem Hören von Track 6 ein bisschen in diese Sachen reingehört, und wenn man’s mal im Ohr hat… das ist schön, aber mir jetzt wiederum ein bisschen zu aufgeräumt, ich find 6 von den drei Pianotracks klar den besten, auch wenn alle drei schön sind… dann änder ich den Tipp für 6 auf Jimmy Rowles… aber es können wieterhin viele sein…

    edit: 2-9 ist Blackberry Winter… und es gibt nur einen Pianisten, der so mitsingt… Take 4.

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    #12416829  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
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    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,342

    Das Thema hab ich beim Thread öffnen schon gesehen, schade … aber sonst noch nichts gelesen.

    1-1 | Trouble Is a Man – Gänsehaut! Das Cole-Trio (p/g/b) hinter der Sängerin passt super, besonders die Gitarre schafft eigentlich allein die ganze Atmosphäre … aber klar, das Solo kriegt jemand am Klavier, eine Spur zu flashy und perlend, aber nicht grad so, dass es stört. Ein Highlight zum Einstieg, bin ich mal so frei zu vermuten ;-)

    1-2 | Die Stimme geht weniger an mich bzw. ich brauche etwas, um über die mädchenhafte Intonation zu kommen. Die Gitarre hier macht mehr und heult schon im Intro charakteristisch auf – Barney Kessel? „I’ll Wait“ heisst der Song, den ich noch nicht bewusst gehört habe. Spätestens im Teil, wo die Sängerin erst summt und dann scattet, bin ich vollkommen am Haken. Toll! Auch das Arrangement, das eine allmähliche Verdichtung bringt, aber doch immer karg bleibt.

    1-3 | Toller Song! „Give Me Time“ heisst er wohl und ist auch neu für mich. Wieder brauche ich einen Moment, um über die Theatralik des Sängers hinwegzukommen, aber nach einer Minute bin ich drin – wenn er dann einzelne Phrasen förmlich bellt (darf man „to belt“ so übersetzten? ;-) ), die Gitarre eine kurze Girlande einstreut – toll! Sehr eigenwilliger Gesang – toll! Repeat.

    1-4 | Auch wieder nicht direkt meine Art Gesang – aber da bin ich erstaunlich schnell drin … wie toll die Linie, fast ohne Bewegung wirkt das – und das ist dann wiederum perfekt umgesetzt und die Sängerin präsentiert das wirklich ganz hervorragend, jede Silbe gestaltet, Farben und Schattierungen … repeat. Ach ja, den Song kenne ich immerhin mal wieder, wenngleich nicht gut. „Winter of My Discontent“ – muss ja schon allein des Titels wegen gut sein.

    1-5 | Sehr schöne Stimme hier – das Vibrato auf den gehaltenen Tönen gefällt mir allerdings nicht so … und da sich der Song so sehr in Billie Holidays Version eingebrannt hat (die ihn doch mit Herbie Nichols geschrieben hat, oder ist das ein Fall von falschen Credits?), tue ich mich hier etwas schwer – das klingt irgendwie wahnsinnig aufgeräumt hier, die Streicher das Vibraphon – das ist die Hochglanz-Fassung. Aber das Timbre der Sängerin gefällt mir sehr gut und hintenraus, wenn sie die langen Töne mit Schlenkern versetzt, finde ich auch das Vibrato super eingesetzt. (Lustigerweise dauert die Version hier exakt gleich lang wie die von Holiday, 3:44 Minuten.) (Zwei, drei Klicks weiter auf dieses Holiday-Tribute von Diana Ross gestossen – den Film kenne ich leider nicht.)

    1-6 | Okay, den erkenn ich in der ersten Phrase – klar doch! Klick – toller Song, gesungen von einem Sänger, den ich manchmal extrem gerne höre, dann wieder jahrelang vergesse … auch eine Stimme mit einem besonderen Timbre … und im Jazzgesang sicher eine der schönsten Männerstimmen.
    (Den Song gibt’s auch von Mildred Bailey, die hier glaub ich nicht dabei ist?)

    1-7 | Tolles Arrangement mit den sphärischen Vibes, dem Tenorsax und der streckenweise walkenden Gitarre – den Song kenne ich nicht, die Sängerin vermutlich auch nicht … das ist für meine Ohren wieder ein Highlight!

    Und hier eine Zwischenbemerkung: faszinierend, wie die Zeit sich dehnen und zusammenziehen kann. Dieser kurze Song, der kürzeste der 20, wirkt lang, lässt Raum … längere im Mix wirken viel kürzer.

    1-8 | Nicht mein Arrangement – aber bei der Qualität der Sängerin fällt es mir leicht, darüber hinwegzuhören … „I’ll Be Around“ natürlich. Ist das eine Soul-Sängerin? Die zweite Hälfte lässt mich das denken, die kleinen Manierismen im Gesang.

    1-9 | Da hab ich jetzt gegoogelt, weil ich diesen tollen Song seit kurzem kenne (Jackie & Roy, „Lovesick“ – klick) – und da war’s nicht weit zur Auflösung – kenne den Sänger/Gitarristen nicht – gefällt mir sehr gut!

    1-10 | „I’ll Be Around“ nochmal – und das ist wieder bekannt, auch wenn ich einen Moment brauchte – Highlight natürlich, auch wenn mir das Arrangement auch wieder etwas zu geschleckt daher kommt. Als würde jeder Produzent (gibt es in dem Beruf auch Frauen? krass, mir ist keine einzige Jazzproduzentin bekannt, so off the top of my head – Konzertveranstalterinnen und so ja, aber im Plattenbusiness?) denken: „Ein Song von Alec Wilder? Dann gib mir Vibraphon und Streicher!“

    Jetzt mache ich mal Pause … geht dann wohl morgen oder am Sonntag weiter. Bis hierhin feine Zusammenstellung und ein paar schöne Entdeckungen dabei, danke!

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records, 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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