Blind Fold Test #9: Friedrich

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  • #8284657  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    FriedrichDas stimmt. Die Aufnahme ist von 1966 und der Piano Man und der Alt-Saxofonist waren zu diesem Zeitpunkt auch bereits in ihren eigenen 60ern. Sie haben aber beide genau diesen Stil mit geprägt und ihr Leben lang beibehalten. Es ist also nicht retro, sondern traditionell. Klingt vielleicht wie Haarspalterei, ist jedoch ein kleiner aber feiner Unterschied.

    Entschuldige die Einmischung, aber ich halte das keinesfalls für Haarspalterei oder einen kleinen aber feinen Unterschied, sondern für einen ganz wesentlichen Punkt. Retro kann Spass machen, kann witzig, unterhaltend, geistreich sein, und ich wirklich niemandem ans Bein pinkeln, der sich Raymond Scott annimmt – das allein ist schon grossartig. Dennoch, wenn ich Jazz höre (man könnte wohl auch „Musik“ statt „Jazz“ setzen), dann will ich Musik aus der Gegenwart der Künstler. Ich will nicht Wynton M., wie er mal nach Satchmo aus den späten 20ern und dann nach Miles Mitte 60er klingt und seine Band entsprechend arrangiert. Das ist Repertoire-Kunst, museales Zeug – egal wie raffiniert und technisch ausgeklügelt es daherkommt. Und nochmal: nichts gegen gut ausgedachte und umgesetzte Konzept-Alben – die haben spätestens seit der Enstehung der 12″-LP ihren festen Platz und werden ihn auch immer haben…
    Retro ist, wenn kein echter, spürbarer Bezug zur Musik mehr vorhanden ist, die gespielt wird. Wenn Bob Wilber Dixieland spielt, habe ich nicht das geringste Problem damit – er hat bei Bechet gelernt, ist schon in den 40ern mit ihm aufgetreten, hat diese Musik in sich aufgenommen. Wenn Nachgeborene sich an ein solches Unterfangen machen und Musik spielen, die sie selber nicht erlebt haben, höre ich da oft schnell Probleme. Es geht dabei nicht mal um Relevanz sondern oft schlicht darum, dass die Musik nicht organisch klingt, nicht echt wirkt (siehe hier den KC-Track mit dem „falschen“ Swing). Zeitlicher Abstand zum gespielten Stil ist wohl das Hauptproblem – aber das ist natürlich dann kein Problem, wenn die Leute – wie hier Johnny Hodges – selber aus der Zeit stammen, in denen dieser Stil gepflegt wurde. Das ist dann eben nicht Retro sondern das sind einfach ein paar Leute, die weiterhin ihre Musik machen… so haben’s die Condon-ites mindestens bis in die 50er hinein gemacht, so hat es Blakey Zeit seines Lebens gemacht, so haben’s viele Hardbopper gemacht… ob sie zwischenzeitlich mal auf neuere Trends aufsprangen (Hank Jones am Fender Rhodes… nunja… überflüssig) oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Die Musik soll ehrlich sein (nicht „authentisch“, das ist eins dieser Killer-Argumente und ein Scheisspostulat, mit dem man seit einigen Jahren voll im Trend ist, aber auch nur ins leere läuft), direkt, und das geht eben fast nie, wenn 20jährige einen Stil pflegen, der seit 60 Jahren Geschichte ist.

    Das kommt jetzt recht unausgegoren daher, sorry dafür. Und es gibt natürlich auch Bereiche, in denen diese klare Argumentation nicht aufgeht… man denke an die Smalls-Leute. Ich habe da grosse Mühe, die so leichtfertig abzutun wie den JALC-Hochglanz-Museumsjazz, denn bei denn Smalls-Leuten scheint mir echtes Engagement und echte Faszination für die Sache wirklich zu spüren zu sein, wohingegen andernorts die ollen Kamellen eher als abgespulte Pflichtübung daherkommen.
    Und wie gesagt: Konzept-Alben, Konzept-Tourneen, selbst Konzept-Bands, stören mich dabei überhaupt nicht. Es geht eher um den Punkt, an dem ein Konzept zum Selbstläufer wird und nicht mehr als solches reflektiert wird (werden kann). (@redbeans: vielleicht war das Teil des Problems von Sex Mob?)

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #8284659  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy tail windDennoch, wenn ich Jazz höre (man könnte wohl auch „Musik“ statt „Jazz“ setzen), dann will ich Musik aus der Gegenwart der Künstler.

    ich verstehe natürlich was du meinst, aber liegt im versuch, einen gegenwärtigen jazz festzuklopfen, nicht ein unüberwindliches problem? die gegenwart ist ja seit den 80ern nicht mehr das, was sie mal war…

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    #8284661  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ich sehe das nicht unbedingt als Problem. Eher so, dass ich bei gegenwärtigen Jazzern eine Art ehrliches Bemühen um ihren „Stoff“ hören will. Unter den jüngeren würde ich da mal die Pianisten Colin Vallon und Malcolm Braff in die Runde werfen. Gewiss, die erfinden nichts neues, aber sie setzen sich in eine Tradition und setzten sich mit dieser auf lebendige Weise auseinanern.

    Das ist etwas anderes, als wenn Dreissigjährige heute Standards (seien es Broadway-Songs oder altgediente Jazz-Originals) spielen… und auch etwas anderes, als Repertoire-Musik. Das geht weiter… wie gesagt, aus dem Criss Cross / Turner / Rosenwinkel / Redman / Blake / etc. Umfeld gibt’s vieles, was ich auch nicht wesentlich gnädiger betrachte – sondern einfach als Versuch, eigenen Jazz Originals zu schreiben, die zwar harmonisch denjenigen der Bebopper überlegen sein mögen, komplexer, anspruchvoller, dichter… aber letztlich doch nicht über den Rahmen herauskommen und irgendwie völlig irrelevant bleiben (da ist mir – ehrlich! – jeder Versuch eines Steve Colemans lieber… selbst wenn mir auch da am Ende oft nur das Gähnen bleibt).

    Ich glaube, was ich will und erwarte ist eine ehrliche Beschäftigung mit vorangegangenem, eine Auseinandersetzung, aus der sich neue Wege öffnen. Mark Turner (ich weiss…) hat zum Beispiel in seinen guten Momenten eine Art neue Variante der Musik von Warne Marsh zustande gebracht.

    Und um nochmal bei Turner zu bleiben, den ich als Saxophonisten sehr schätze, auch wenn ich mich keineswegs für sein ganzes Werk interessiere (ich kenne das meiste eh nur von Live-Mitschnitten): er hat auch ein Standards-Album gemacht („Ballads“), und auch das kann ich ganz gut hören – aber es reicht mir nicht, um ihn für einen „relevanten“ Musiker zu halten. Dazu braucht es eben mehr, diesen eigenen Zugriff auf die Tradition(en), die vorangegangen sind, was weiss ich.

    Edit: ich finde z.B. dass in Friedrichs BFT auch die Beschäftigung mit dem planetarischen schöne Beispiele liefert für diesen Zugriff auf verschiedene Facetten der Tradition und in der Folge deren Aneignung und Umwandlung in eigene Musik. Genau sowas passt mir zumindest von der Idee her bestens, wenngleich das Resultat natürlich nicht immer nach meinem Geschmack ist – aber das ist ja wohl klar!

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    #8284663  | PERMALINK

    ferry

    Registriert seit: 31.10.2010

    Beiträge: 2,379

    Friedrich
    Man könnte vielleicht eine gewisse Laszivität attestieren?

    Auf jeden Fall! Es handelt sich also um sexuelle Abgründe? :lol:

    Friedrich
    Mmmh, ja, vielleicht. Ansichtssache. Mich hat das nie gestört. Könnte man vielleicht im nächsten Take verbessern? Leider haben aber wohl schon sämtliche Musiker das zeitliche gesegnet und stehen nicht mehr zu Verfügung.

    Weiss nicht, ob man das verbessern könnte. Es ist halt nur so, dass ich eher treibende Beats mag.

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    life is a dream[/SIZE]
    #8284665  | PERMALINK

    alexischicke

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    ich verstehe gypsy schon.Er ist vielleicht etwas ungeduldig und strebt nach neuem in der Musik und langeweilt sich vielleicht auch schnell.Tu mich mit progessiven Jazz nach wie vor sehr schwer.

    Musik muss aufs Gemüt gehen und einfach eine gewisse Stimmung erzeugen. Ich höre mir z.b aucn nicht an wenn jemand Note für Note alte Stücke nachspielt. Aber wenn der Musiker das vergangene nutzt und seine eigene Note einfließen lässt, kann das sehr wohl recht interessant sein.

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    #8284667  | PERMALINK

    thelonica

    Registriert seit: 09.12.2007

    Beiträge: 4,180

    gypsy tail wind
    Und um nochmal bei Turner zu bleiben, den ich als Saxophonisten sehr schätze, auch wenn ich mich keineswegs für sein ganzes Werk interessiere (ich kenne das meiste eh nur von Live-Mitschnitten): er hat auch ein Standards-Album gemacht („Ballads“), und auch das kann ich ganz gut hören – aber es reicht mir nicht, um ihn für einen „relevanten“ Musiker zu halten. Dazu braucht es eben mehr, diesen eigenen Zugriff auf die Tradition(en), die vorangegangen sind, was weiss ich.

    Mark Turner muss ein Guter sein. Hier ist er zusammen mit Motian zu hören. Motian gefällt mir außerdem immer mehr, nachdem mir letztes Jahr eins seiner Alben geschenkt wurde. Motian’s eigener Kosmos muss es wohl sein, daran liegt es wohl, weil sich da viel um Swing und Monk dreht.

    Friedrich, vielleicht steige ich auch noch in den BFT ein, im Laufe des Abends wird das wohl entschieden werden.

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    #8284669  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ich merke gerade, dass der von THELONICA zitierte Abschnitt am Ende viel zu negativ klingt. Ich halte Mark Turner für durchaus interessant und hörenswert. Wenn ich sage, nicht „relevant“, dann meinte ich nur das Standards-Album – das sollte keineswegs als Fazit für Turners gesamtes Schaffen verstanden werden (was wohl auch nicht der Fall ist, wenn man den ganzen Post liest).

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #8284671  | PERMALINK

    thelonica

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    Ich hatte Dich schon richtig verstanden, war auch ein bißchen überrascht, dass Du mal was wirklich nettes zu einem jüngerem Musiker schreibst. Turner dürfte sicherlich auch was für Vorgarten sein, vielleicht auch für redbeans. Ich würde gerne mehr über jüngere Musiker lesen, aber auch über tolle Aufnahmen neueren Datums aus dem Village Vanguard.

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    #8284673  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    THELONICATurner dürfte sicherlich auch was für Vorgarten sein,

    tut mir leid, der ist gar nicht mein fall. die schönheit eines tons (die ihm oft zugute gehalten wird) kann man ja nicht objektiv messen, mir jedenfalls fehlt dafür (zur schönheit) eine eigene haltung. das ist wahrscheinlich ganz im gypsy’schen sinn argumentiert…

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    #8284675  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Hm, schwer zu sagen, dazu kenn ich Turner dann doch zu schlecht. Aber mir scheint in seiner Wahl des Ausgangspunktes (Warne Marsh) eigentlich schon mal verhältnismässig viel Haltung zu stecken… allerdings viel im Vergleich mit der peer group und das ist bei Turner nun mal die Marsalis-Gang und all die anderen young lions, eher noch die etwas jüngeren.

    Es gibt durchaus jüngere Leute, die mir gefallen, auch aus dem Mainstream – etwa Greg Osby oder Jason Moran. Es ist allerdings nicht so, dass ich deren Aktivitäten dauernd verfolge, sondern eher mal wieder auf eine neuere CD stosse und mich mal wieder überraschen lasse (bei Osby ist das allerdings schon länger her… die neuste, die ich habe, ist auch schon von 2001 („Symbols of Light“).
    Leute, deren Aktivitäten ich flächeneckend verfolge gibt es eh eher wenige… bei den jüngeren gibt’s welche, die ich bei Möglichkeit live hören gehe und hie und da auch gerne eine CD kaufe (Malcolm Braff etwa, von dem ich allerdings keine CD kenne, die das Live-Erlebnis auch nur halbwegs erreicht), dann der immer wieder genannte Colin Vallon… andere jüngere Musiker, die mir sehr gefallen sind Bassist Christian Weber, Drummer Samuel Rohrer (mit Braff und Vallon, aber auch anderswo)… da gibt’s schon Sachen, aber die höre ich nicht dauernd und erwähne sie hier auch eher selten.
    Eine weitere jüngere Entdeckung ist natürlich auch Matana Roberts, die ich erstmals auf einem Sticks & Stones Album (von 2003, ich nehme mal an, dass ich’s ein, zwei Jahre später gekauft habe) gehört hatte.
    Zudem hat man ja immer nur so viel Zeit und am Ende will ich noch so viel altes erkunden, dass zeitgenössisches zugegeben oft zu kurz kommt.
    Ich höre dabei vergleichsweise noch öfter Musik älterer Zeitenossen: Randy Weston, Henry Threadgill, Roscoe Mitchell etc. Die soll man ja auch nicht schon vor ihrem Ableben gänzlich vergessen.
    Die pauschale Aussage, THELONICA, die kann ich aber beim besten Willen nicht so stehen lassen – ich denke das erklärt sich aus der Häufigkeit, mit der ich jüngere Leute höre (oder eben nicht höre). Dass ich noch nie was nettes über jüngere geschrieben habe (ich erinnere gerne immer wieder an Braff und Vallon) stimmt nicht.

    Um den Bogen zu Friedrichs BFT (und dem ersten, glaub ich, von vorgarten) zu schliessen: der Herr des explodierenden Sternes gehört wohl zu den Leuten, denen ich mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Was ich aus der Ecke bisher kenne, klingt auf jeden Fall interessant!

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    #8284677  | PERMALINK

    thelonica

    Registriert seit: 09.12.2007

    Beiträge: 4,180

    Nächstes Mal zitiere ich einfach etwas weniger von Dir – brauchst Dich doch dafür nicht rechtfertigen. Ich dachte mir nur, das wäre eine Gelegenheit um auf den gelungenen Live-Mitschnitt aufmerksam zu machen (bitte anhören). Turner passte sehr gut zu Motian.

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    #8284679  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Nein nein, das ist völlig ok! Ich dachte auch nicht, dass Du mich falsch verstanden hast!

    Das einzige, was mich etwas gestört hat, ist dieser Satz:

    THELONICAIch (…) war auch ein bißchen überrascht, dass Du mal was wirklich nettes zu einem jüngerem Musiker schreibst.

    Den meinte ich gerade, könne ich nicht so einfach stehen lassen. Aber das ist auch schon alles – dass ich vergleichsweise wenig zeitgenössisches von jungen MusikerInnen höre, das trifft schon zu, hat aber wie gesagt auch den simplen Grund, dass ich nie genügend Zeit finde, all das zu hören, was ich gerne hören möchte!
    Und was ich selten höre, darüber schreibe ich entsprechend auch selten.

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    #8284681  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

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    gypsy tail windich finde z.B. dass in Friedrichs BFT auch die Beschäftigung mit dem planetarischen schöne Beispiele liefert für diesen Zugriff auf verschiedene Facetten der Tradition und in der Folge deren Aneignung und Umwandlung in eigene Musik. Genau sowas passt mir zumindest von der Idee her bestens, wenngleich das Resultat natürlich nicht immer nach meinem Geschmack ist – aber das ist ja wohl klar!

    Ich glaube mein Mix gibt reichlich Stoff, um über Retro und Tradition und den Umgang damit zu diskutieren. Bei der Auswahl der Stücke hatte ich ursprünglich keineswegs die Absicht, das zum Thema zu machen. Wie sich aber wohl für die meisten inzwischen herauskristallisiert hat, ziehen sich locker ein paar andere Themen durch meinen Mix, die es zwangläufig oder beiläufig mit sich bringen, dass die Aneignung von Musik der Vergangenheit dabei eine Rolle spielt. Es war mir dabei aber auch durchaus klar, dass Die Meinungen zu einigen Stücken sehr unterschiedlich ausfallen würden. Aber das ist ja der Reiz!

    THELONICAFriedrich, vielleicht steige ich auch noch in den BFT ein, im Laufe des Abends wird das wohl entschieden werden.

    Super! Mein BFT steht noch mindestens bis Ende der Woche zur Diskussion. Bin gespannt, was da noch an Meinungen kommt.

    --

    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #8284683  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

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    Beiträge: 0

    Ein bft, Friedrich, der mich sehr überrascht hat – ich wünschte, wie es üblich ist, zu jedem einzelnen Stück ausführlicher zu notieren, aber das gelingt gerade nicht, es sind nur knappe Assoziationen, drum packe ich sie in einen Absatz. Mein Haupteindruck: das ist oft Musik über Musik, Zitate, fröhliche Beerdigungs-Medleys, besonders die angebliche Suite zu Beginn, auch Nr. 2 und 3 (sehr schöne Fügungen), ist das Sam Hawkins, falls er so heißt? Ich ertappe mich dabei, dass ich – beinahe – all das kaum aus dem Regal ziehen würde und es jetzt die ganze Woche trotzdem tue … Nr. 4, ach, Party-Swing, ein Gigolo am Saxophon und so toll das ist, mit diesen Big-Band-Bläser-Communities werde ich noch lange Schwierigkeiten haben, obwohl ich mich natürlich auch manchmal gerne an den Strand von Florida setze. Nr. 5, da ist das Klavier sehr klavieriger als in Nr. 4, ist das der Leader oder hat er einen solchen famosen Leader vor sich, der ihm diese Freiheiten lässt? Nr. 6 ist wie ein Schatten von Nr. 5, der dann aber doch lauter wird. Und schon wieder der einheitliche Klamauk der Bläser, obwohl sie immerhin so tun, als ließen sie sich vom Schlagzeug animieren. Ich höre schon, was da geschieht, aber im Augenblick gefällt mir wohl das Herumtröten im Chor nicht. Und da, auf einmal bricht doch noch einer aus, nein zwei … (Ich rede zwar so, als gefalle mir das alles nicht, aber das stimmt nicht!) Nr. 7 … das ist der Nordpol-Strand, den ich liebe, die Dichte, die sich nicht aufgibt – und die Glocken, gespiegelt genommen zu den funeral tunes zu Beginn hat das großen Witz! Das ist Musik, bei der ich mich wunderbar konzentrieren kann. Und wie sich der zweite Teil herausschält … Ich bin sehr gespannt, wer sich diese Erlösung eines Palimpsests hat einfallen lassen … Trotzdem hoffe ich, dass das Geklimper am Ende lustig gemeint ist – und nicht als gutes oder sinnvolles Ende. Ebenso – die Fügung stimmt schon wieder – der Anfang von Nr. 8. Aber was ist das, die Dauerleier im Hintergrund? Das ist mir zu konstruiert, oh, viel zu konstruiert. Wie Pop-Musik. Madonna in den Höschen … inklusive Fading und Geklöppel. Die Nachtwaldgeräusche von Nr. 9, schon wieder eine Beerdigung – bin ich so drauf oder Du? Wieder eine Dauerleier, aber wenigstens nicht im Hintergrund – das hat viel Witz, mit dem auch die Leute in Nr. 1 manchen Spaß hätten. Nr. 10 … Hawkins entwickelt sich … Lincoln, in einer Krise, die sich nicht bändigen konnte, eine Privataufnahme von Dir? Der Beginn von Nr. 11 lässt Konfektion vermuten, die dann tatsächlich auf den Leib geschneidert wird. 12, tja, warum ist das für mich jetzt kein Bläserchor, wie zuvor? Das würde ich gerne wissen. Das ist ziselierter, feiner, spröder, auch Musik über Musik, Zitate, die aber oft gelesen wurden und nicht nur zum Spaß noch einmal in die Welt gesetzt werden. Mingus? Nr. 13 – mit so einem Anfang bin ich am Ende. In einer Kneipe oder unter einer Laterne mag das hingehen. Fernsehen in Nr. 14, obwohl kein Bild notwendig ist. Das trägt, weit nach oben in den Kitsch, aber zeigt rechtzeitig – wenn auch zaghaft –, dass auch Wolken bluten. Ich habe mich oft über diese Worte gewundert: Es könnte X sein, aber er ist es nicht. Und jetzt muss ich auch so sagen: Es könnte Art Pepper sein, aber er ist es nicht. Und Nr. 15 … Entschuldige, aber da stehen die Gäste einer Unterhaltungsshow auf der Bühne nach vollzogenen Taten, die James Last-Band spielt auf, alle umarmen sich, die Kamera kriegt sich nicht mehr ein und alle hüpfen im Glück. Eine interessante Weise der Beerdigung …

    Friedrich, ein wunderbarer bft, und ich werde staunen, wenn Du die Zusammenhänge nennst.

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    #8284685  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

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    clasjazEin bft, Friedrich, der mich sehr überrascht hat – ich wünschte, wie es üblich ist, zu jedem einzelnen Stück ausführlicher zu notieren, aber das gelingt gerade nicht, es sind nur knappe Assoziationen, drum packe ich sie in einen Absatz.

    Kein Problem.

    clasjazMein Haupteindruck: das ist oft Musik über Musik, Zitate, fröhliche Beerdigungs-Medleys, besonders die angebliche Suite zu Beginn, auch Nr. 2 und 3 (sehr schöne Fügungen), ist das Sam Hawkins, falls er so heißt?

    Der Eindruck, dass es sich in vielen Fällen um Musik über Musik handelt, kam hier schon des öfteren auf. Das war nicht ursprünglich meine Absicht, aber es ist nicht von der Hand zu weisen. Die Gründe dafür schimmern für manchen hier wohl schon durch, für andere wird es sich wohl später erklären. Ist Sam Hawkins nicht eine etwas kauzige Figur aus Winnetou? ;-)

    clasjaz Nr. 4, ach, Party-Swing, ein Gigolo am Saxophon und so toll das ist, mit diesen Big-Band-Bläser-Communities werde ich noch lange Schwierigkeiten haben, obwohl ich mich natürlich auch manchmal gerne an den Strand von Florida setze. Nr. 5, da ist das Klavier sehr klavieriger als in Nr. 4, ist das der Leader oder hat er einen solchen famosen Leader vor sich, der ihm diese Freiheiten lässt?

    Ja, man könnte #04 Party-Swing nennen. Muss man eigentlich sogar. Aber nicht in Florida. Bei #05 sind Saxofonist und Pianist zwei co-famose Co-Leader. Ein Zusammentreffen alter Hasen Mitte der 60er, die diese Art der Musik 30-40 Jahre zuvor mit-erfunden hatten und sie die darauf folgenden Jahrzehnte gepflegt haben. Ich behaupte, dass dieses Stück dennoch – oder deshalb – eines der frischesten in diesem Mix ist.

    clasjaz Nr. 6 ist wie ein Schatten von Nr. 5, der dann aber doch lauter wird. Und schon wieder der einheitliche Klamauk der Bläser, obwohl sie immerhin so tun, als ließen sie sich vom Schlagzeug animieren. Ich höre schon, was da geschieht, aber im Augenblick gefällt mir wohl das Herumtröten im Chor nicht. Und da, auf einmal bricht doch noch einer aus, nein zwei … (Ich rede zwar so, als gefalle mir das alles nicht, aber das stimmt nicht!)

    Klamauk wurde diesem Pianisten / Bandleader häufig vorgeworfen, und sicher hat auch Klamauk einen Platz in seiner Musik. Angesichts seines sehr global gefassten musikalischen Konzeptes hat das aber durchaus seine Berechtigung. Er hat inzwischen aber diesen Planeten verlassen und verfolgt die Ereignisse aus interplanetarer Perspektive. Ich glaube hier schlampt er einfach auch ein bisschen.

    clasjazNr. 7 … das ist der Nordpol-Strand, den ich liebe, die Dichte, die sich nicht aufgibt – und die Glocken, gespiegelt genommen zu den funeral tunes zu Beginn hat das großen Witz! Das ist Musik, bei der ich mich wunderbar konzentrieren kann. Und wie sich der zweite Teil herausschält … Ich bin sehr gespannt, wer sich diese Erlösung eines Palimpsests hat einfallen lassen …

    Besser hätte ich es auch nicht beschreiben können. Das Wort “Palimpsest“ musste ich aber erst mal nachschlagen. Ein schönes Bild eigentlich. Die Band überschreibt gewissermaßen die Musik des Leaders von #06.

    clasjazNr. 8. Aber was ist das, die Dauerleier im Hintergrund? Das ist mir zu konstruiert, oh, viel zu konstruiert. Wie Pop-Musik. Madonna in den Höschen … inklusive Fading und Geklöppel.

    Meinst Du mit Madonna jetzt die Mutter Gottes oder den Popstar aus dem vergangenen Jahrhundert? ;-) Sicher ist hier einiges konstruiert, und man hört ja auch verschiedene Einflüsse, die sich im Laufe des Stückes teilweise einander ablösen. Popmusik haben diese Leute sicher auch mal gehört, denn das stammt aus der Mitte der 90er, und wenn man zu dieser (oder anderer) Zeit einmal den Broadway in Manhattan entlang geschlendert ist, ist einem sicher so einiges zu Ohren gekommen. Aber hast Du wirklich jemals Madonna gehört?

    clasjazDie Nachtwaldgeräusche von Nr. 9, schon wieder eine Beerdigung – bin ich so drauf oder Du? Wieder eine Dauerleier, aber wenigstens nicht im Hintergrund – das hat viel Witz,…

    Keine Beerdigung sondern himmlische Liebe, aber vielleicht erfährt man die erst nach dem Tode? Wenn man will, auch wieder eine Art Palimpsest eines der bekanntesten Stücke des Leaders von #06, wobei der Ursprungstext hier eigentlich noch verstärkt wird. In welche Richtung er verstärkt wird, darüber kann am reden …

    clasjazNr. 10 … Hawkins entwickelt sich … Lincoln, in einer Krise, die sich nicht bändigen konnte, eine Privataufnahme von Dir?

    Nein! Wenn man genau hinhört, kann man das Originalthema erkennen, das in diesem Stück verarbeitet wird. Das ist bislang hier aber noch keinem gelungen, ohne dass ich vorher mit dem Zaunpfahl gewunken hätte.

    clasjazDer Beginn von Nr. 11 lässt Konfektion vermuten, die dann tatsächlich auf den Leib geschneidert wird.

    ???

    clasjazNr. 12, tja, warum ist das für mich jetzt kein Bläserchor, wie zuvor? Das würde ich gerne wissen. Das ist ziselierter, feiner, spröder, auch Musik über Musik, Zitate, die aber oft gelesen wurden und nicht nur zum Spaß noch einmal in die Welt gesetzt werden. Mingus? .

    Nein, nicht Mingus. Die Vermutung wurde hier schon mal geäußert. Zitat trifft es auch nicht ganz. Hier setzt aber jemand ganz bewusst gewisse verfügbare Stilmittel ein um einen bestimmten Effekt zu erzeugen. Und nicht zum Spaß.

    clasjazNr. 13 – mit so einem Anfang bin ich am Ende. In einer Kneipe oder unter einer Laterne mag das hingehen.

    Der Anfang ist hier das allerbeste! Was da für eine Spannung erzeugt wird! Das muss im Laufe des Stückes dann erst mal aufgelöst werden! Du tust sowohl dem Leader als auch den Solisten (wer spielt das Sopransax?) und dem Komponisten hier wirklich Unrecht!

    clasjazFernsehen in Nr. 14, obwohl kein Bild notwendig ist. Das trägt, weit nach oben in den Kitsch, aber zeigt rechtzeitig – wenn auch zaghaft –, dass auch Wolken bluten. Ich habe mich oft über diese Worte gewundert: Es könnte X sein, aber er ist es nicht. Und jetzt muss ich auch so sagen: Es könnte Art Pepper sein, aber er ist es nicht.

    Kitschvorwurf! Ich sag es mal so: Wenn schon, dann etwas altmodisches, großes Kino, kein Fernsehen. Man muss sich ein Stück weit darauf einlassen. Und dann funktioniert es für mich auch. Die Streicher verstärken die Wirkung noch. Es ist wirklich nicht Art Pepper (es ist ein Tenor-Sax), der hatte zum Zeitpunkt dieser Aufnahme schon mehr als ein Jahrzehnt zuvor das Zeitliche gesegnet. Wenn man so will, ist auch das Musik über Musik, denn dieses Stück – ein Standard, der hier auch auf Anhieb erkannt wurde – kann man wahrscheinlich auch nicht mehr unvoreingenommen spielen.

    clasjaz Und Nr. 15 … Entschuldige, aber da stehen die Gäste einer Unterhaltungsshow auf der Bühne nach vollzogenen Taten, die James Last-Band spielt auf, alle umarmen sich, die Kamera kriegt sich nicht mehr ein und alle hüpfen im Glück. Eine interessante Weise der Beerdigung …

    Ein hartes Urteil! Sicher ist das hier Mainstream und es wird außerdem demonstrativ eine gewisse Virtuosität und Professionalität ausgespielt, aber der James Last-Vergleich…? Ich bitte Dich! Da verengst Du das Spektrum doch ein wenig zu sehr.

    clasjazFriedrich, ein wunderbarer bft, und ich werde staunen, wenn Du die Zusammenhänge nennst.

    Über einige Deiner Kommentare musste ich übrigens laut lachen. Waren zwar manchmal etwas spitz aber eigentlich nicht völlig an der Sache vorbei.

    --

    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
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