Re: Blind Fold Test #9: Friedrich

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gypsy-tail-wind
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FriedrichDas stimmt. Die Aufnahme ist von 1966 und der Piano Man und der Alt-Saxofonist waren zu diesem Zeitpunkt auch bereits in ihren eigenen 60ern. Sie haben aber beide genau diesen Stil mit geprägt und ihr Leben lang beibehalten. Es ist also nicht retro, sondern traditionell. Klingt vielleicht wie Haarspalterei, ist jedoch ein kleiner aber feiner Unterschied.

Entschuldige die Einmischung, aber ich halte das keinesfalls für Haarspalterei oder einen kleinen aber feinen Unterschied, sondern für einen ganz wesentlichen Punkt. Retro kann Spass machen, kann witzig, unterhaltend, geistreich sein, und ich wirklich niemandem ans Bein pinkeln, der sich Raymond Scott annimmt – das allein ist schon grossartig. Dennoch, wenn ich Jazz höre (man könnte wohl auch „Musik“ statt „Jazz“ setzen), dann will ich Musik aus der Gegenwart der Künstler. Ich will nicht Wynton M., wie er mal nach Satchmo aus den späten 20ern und dann nach Miles Mitte 60er klingt und seine Band entsprechend arrangiert. Das ist Repertoire-Kunst, museales Zeug – egal wie raffiniert und technisch ausgeklügelt es daherkommt. Und nochmal: nichts gegen gut ausgedachte und umgesetzte Konzept-Alben – die haben spätestens seit der Enstehung der 12″-LP ihren festen Platz und werden ihn auch immer haben…
Retro ist, wenn kein echter, spürbarer Bezug zur Musik mehr vorhanden ist, die gespielt wird. Wenn Bob Wilber Dixieland spielt, habe ich nicht das geringste Problem damit – er hat bei Bechet gelernt, ist schon in den 40ern mit ihm aufgetreten, hat diese Musik in sich aufgenommen. Wenn Nachgeborene sich an ein solches Unterfangen machen und Musik spielen, die sie selber nicht erlebt haben, höre ich da oft schnell Probleme. Es geht dabei nicht mal um Relevanz sondern oft schlicht darum, dass die Musik nicht organisch klingt, nicht echt wirkt (siehe hier den KC-Track mit dem „falschen“ Swing). Zeitlicher Abstand zum gespielten Stil ist wohl das Hauptproblem – aber das ist natürlich dann kein Problem, wenn die Leute – wie hier Johnny Hodges – selber aus der Zeit stammen, in denen dieser Stil gepflegt wurde. Das ist dann eben nicht Retro sondern das sind einfach ein paar Leute, die weiterhin ihre Musik machen… so haben’s die Condon-ites mindestens bis in die 50er hinein gemacht, so hat es Blakey Zeit seines Lebens gemacht, so haben’s viele Hardbopper gemacht… ob sie zwischenzeitlich mal auf neuere Trends aufsprangen (Hank Jones am Fender Rhodes… nunja… überflüssig) oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Die Musik soll ehrlich sein (nicht „authentisch“, das ist eins dieser Killer-Argumente und ein Scheisspostulat, mit dem man seit einigen Jahren voll im Trend ist, aber auch nur ins leere läuft), direkt, und das geht eben fast nie, wenn 20jährige einen Stil pflegen, der seit 60 Jahren Geschichte ist.

Das kommt jetzt recht unausgegoren daher, sorry dafür. Und es gibt natürlich auch Bereiche, in denen diese klare Argumentation nicht aufgeht… man denke an die Smalls-Leute. Ich habe da grosse Mühe, die so leichtfertig abzutun wie den JALC-Hochglanz-Museumsjazz, denn bei denn Smalls-Leuten scheint mir echtes Engagement und echte Faszination für die Sache wirklich zu spüren zu sein, wohingegen andernorts die ollen Kamellen eher als abgespulte Pflichtübung daherkommen.
Und wie gesagt: Konzept-Alben, Konzept-Tourneen, selbst Konzept-Bands, stören mich dabei überhaupt nicht. Es geht eher um den Punkt, an dem ein Konzept zum Selbstläufer wird und nicht mehr als solches reflektiert wird (werden kann). (@redbeans: vielleicht war das Teil des Problems von Sex Mob?)

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