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redbeansandriceNaura ist auf dem einen Stück wo ich ihn bisher erkannt hab auch völlig ok und besser und klar, Hipp hab ich wegen #3 nochmal kurz angespielt, die war schon gut! in Sachen Saxophonist: kann man sich schon anhören, aber so richtig geklappt hat das alle mE nicht, wer das mit dem modernen Ding nicht packt, braucht halt einen tollen sound… alles in allem find ich die Trompeter und Saxophonisten (und letztlich auch die Bassisten) aber einfach sehr sehr stark, im Vergleich zu dem was hier am Klavier geboten wird…
Ja, das stimmt gesamthaft gesehen zumindest für CD1 schon. Auf CD2 sind ja diverse starke Pianisten zu hören! Aber manches geht Dir stilistisch da vielleicht etwas zu weit… bin jedenfalls gespannt, was Du zu sagen hast!
redbeansandricerip gordon beck
Oh, hatte ich noch nicht mitgekriegt. r.i.p.
Da leg ich gleich noch das Duo-Album mit Helen Merrill auf…--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.deSo klingen die größten Schlagzeuger ohne ihre Band
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Werbunggypsy tail windWeil’s da sehr viel zu entdecken gibt, jenseits von Schiessbuden-Drummern wie Buddy Rich oder so… aber ich kann mit der Ablehnung von Drum-Soli besser leben als mit der Ablehnung von Posaunen
redbeansandrice@nail: das album von Kühn/Doldinger ist nicht schlechter als dieser track würd ich sagen – nicht das vergessene deutsche kind of blue oder so, aber ein nettes album, das man sich immer mal wieder anhören kann…
Ich höre es mir auf jeden Fall mal an!
FriedrichSonntagabend, zwei Flaschen JEVER und 14 Jazztracks eines Blind Fold Tests zu kommentieren. Es gibt schlimmeres.
Als Jever? Da bin ich unsicher!
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75
Als Jever? Da bin ich unsicher!jever geht völlig in ordnung. ich habe mich nur gewundert, dass man sich nach 2 flaschen schon in eine betrunkene brass band einreihen möchte…;-)
ist der fremdkörper-trompeter auf #2.7 vielleicht benny bailey?
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vorgartenjever geht völlig in ordnung. ich habe mich nur gewundert, dass man sich nach 2 flaschen schon in eine betrunkene brass band einreihen möchte…;-)
ist der fremdkörper-trompeter auf #2.7 vielleicht benny bailey?
:bier:
(von mir aus auch mit Jever, mag ich manchmal ganz gern!)Er ist nicht der Leader, aber das Stück wurde ihm natürlich auf den Leib geschneidert.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba@ gypsy: Zu einigen Punkten hätte ich auch noch was anzumerken, deshalb habe ich noch mal einige Kommentare von Dir rausgesucht:
gypsy tail wind
Was #14 betrifft: den Herrn gibt’s auch sonstwo noch zu hören (was überdies kein Einzelfall ist – ich weiss, das ist nicht unbedingt Usus bei BFTs, aber es wird sich alles erklären). Und der Track stand auch bei mir länger auf der Kippe. Wohl genau, weil die Spannungsbögen irgendwie nicht sauber konstruiert werden, weil das ganze einfach ein wenig dahinplätschert. Gerade das machte für mich aber nach wiederholtem Hören den grossen Reiz aus. Vermutlich entstand das Stück im Rahmen einer spontanen Jam-Session, was einiges erklären mag. Der Drummer zählt zu den ganz, ganz grossen, den Saxophonisten hab ich eher zufällig vor ein paar Jahren entdeckt und mag ihn seither sehr!Dahinplätschern würde ich hier nicht sagen, es wird ja schon Spannung erzeugt. Aber die Spannung läuft im Endeffekt auf nicht viel hinaus.
gypsy tail wind
#1.4 Ja, Hardbop passt schon! Ist sicher das wichtigste Element im Stilmix dieser Band. Aber mir gefällt die Kollektiv-Impro ausserordentlich (ferry hat sie ja auch erwähnt!). Das kollektive Improvisieren ging im modernen Jazz, erst recht Hardbop, ja leider fast gänzlich verloren, wurde erst in der Avantgarde wieder häufig angewendet. (Na ja, das ist auch nur die halbe Wahrheit, nebenher gab’s randständigere Dinge… zuerst Tristano, dann Mulligans Bopsieland, dann Dinge von Mingus, Teddy Charles, Giuffre, Rogers, was in Richtung Third Stream geht, aber im grossen ganzen gibt’s nach dem Chicago Jazz und vor der Avantgarde ja doch wenig Kollektiv-Impros… Mingus ist hie und da auch eine Ausnahme, aber der ist ja wiederum auch eine Ausnahme-Erscheinung in jeder Hinsicht!)Wirklich eine sehr interessante Sache, diese Kollektivimprovisationen. Die Musiker müssen dann ja sehr genau auf die anderen achten, damit das ganze nicht ausartet. Im New Orleans- Jazz war das ja wahrscheinlich noch einfacher, weil jedes Instrument eine fest zugewiesene Rolle hatte (Posaune/ Kornett/ Klarinette) ?
gypsy tail wind
#1.17 Das hier ist natürlich die zweite Maximatur… Albert, Lenz und Hübner passt natürlich, andere Hinweise hab ich schon gegeben. Ich bin ein riesiger Fan dieser Band (ja, es ist DIE Band, damit ist wohl auch alles geklärt), die offenen Grooves, der erdige Bass, die tollen Drums, Mangelsdorffs unglaubliche Solo-Flüge, die immer etwas vokales haben, lange bevor er auch in die Posaune sang und das Vokabular erweiterte… dann die Saxer, der etwas saure (ich sagte ja bereits:nomen est omen) Tenorist, oft ein wenig verbissen, deutlich von Coltrane geprägt, manchmal auch am Sopran zu hören, und dann eben der unbekannte, verkannte, grossartige Altsaxer (manchmal am Bari), der für mich oft die tollsten solistischen Glanzlichter setzt… ein Band aus einem Guss, die gemeinsam atmet, gemeinsam in jegliche Richtungen ausscheren kann, die ungeheuer lyrischen Jazz machte, und nicht zuletzt eine der ersten Bands, die modernen Jazz machte, der genuin europäisch war… und sich zudem an der Grenze vom Hardbop/Modal-Jazz zur Avantgarde befand, genau dort, wo auch in den USA – man denke an Andrew Hill, Jackie McLean, Grachan Moncur III, Bobby Hutcherson, Larry Young, Eric Dolphy… – so viele grossartige Musik entstand!
Das Stück hier ist sicher nicht das beste der Band, aber es zeigt sie in einem ausgedehnten Groove und es passt alles. Und es gibt natürlich einen Grund, warum ich’s gewählt habe…
#1.17 Das ist ein Quintett, denn es gibt ja kein Piano in der Rhythmusgruppe. Zudem hören wir einen Coltrane-geprägten Tenoristen und einen grossartigen Altsaxer, neben dem Leader Albert Mangelsdorff. Ihn hier zu erkennen war wohl der leichteste erkennungsdienstliche Teil von CD1, aber das Stück dürfte schwer zu identifizieren sein… hier lösen sich Gewissheiten auf, Metrum, Harmonie, manchmal auch die Tonalität – das ist für mich genau der Punkt, an dem Jazz mich am meisten fasziniert, wenn Tabus gebrochen, Fundamenten zu wackeln beginnen, die man zuvor für unvergänglich gehalten haben mag… dass das manchen zu weit gehen mag, kann ich gut nachvollziehen (insofern warne ich Dich auch bereits mal vor einigen Stücken auf CD2, denn die letzten beiden Tracks von CD1 geben da quasi mal die Richtung vor, in der’s dort weitergehen wird).Das ist ja schon beeindruckend, wenn Mangelsdorff damals so auf Augenhöhe mit den US- Jazzern war. Aber das war dann doch im bereich Free Jazz/Avantgarde?
Hier hast Du ja auch schon geschrieben, was Dich am Free Jazz fasziniert. Rein theoretisch kann ich dem ja schon folgen/ zustimmen, aber vom musikalischen Verständnis bisher nicht. Das Stück werde ich mir noch ein paar Mal anhören.
Wobei, die härteren Brocken sind ja eigentlich eher auf CD2 zu finden.
Die Schwierigkeiten habe ich auch eher damit, wie freie Musik sich anfühlt. Eben von der Rezeption erst mal evtl. schräg, unharmonisch oder unzusammenhängend.
Das mit der Faszination an Grenzbereichen/ Grenzüberschreitungen hängt ja wahrscheinlich auch mit dem eigenen musikalischen Verständnis zusammen, wenn man eben auch versteht (oder zumindest ansatzweise) was die Musiker da gerade machen. Nur unter ästhetischen Gesichtspunkten kann man sich jedenfalls bestimmt nicht dieser Musik annähern ?gypsy tail wind
Was ist daran schlimm? Der frühe Doldinger war ein Klasse-Musiker. Was danach mit Passport folgte, brauch ich nicht zu hören (ein paar Minuten haben mir da gereicht). Aber das Doldinger Quartett (es ist übrigens auch vertreten hier, 1,5 mal sogar) war eine tolle Band! Ich hab mir Mühe gegeben, von ihm nicht die offensichtlichsten Tracks auszuwählen, hab aber anscheinend besonders mit einem (dem „ganzen“) Track nicht ganz den Nerv getroffen hier.Von Doldinger kann auch letztens was aktuelles im Fernsehen, das hat mir auch gefallen (schön das ich mich jetzt traue das mal zu schreiben). Er hatte zwei Percussionisten dabei, das ist bei mir sowieso schon die halbe Miete. Und er hatte einen wirklich sehr guten Pianisten/ Keyboarder, dessen Name aber nicht genannt wurde. Er selbst hat eigentlich auch schön melodiös gespielt. Die Atmosphäre des Konzerts war allerdings etwas bieder (siehe auch vorgarten’s Kritik, damit habe ich auch so meine Probleme!).
gypsy tail wind
#2.7 Melancholisch ist das bestimmt, ja. Hierzu (auch zu #2.3) kann ich nur anfügen, dass die Vielseitigkeit der ausgedrückten Emotionen und die oft grosse Offenheit, Direktheit, mich am Jazz so fasziniert. Und dazu kann ich dann noch sagen, dass es viele Alben oder Musiker gibt, die ich keinesfalls jeden Tag hören möchte… das hier gehört wohl auch dazu. Aber die Trompete gefällt mir ausserordentlich gut!
#2.7 Okay, bestens! Das kann ich verstehen… ferry gefällt’s ja auch nicht so sehr. Der Trompeter ist übrigens – um doch mal eine Fährte zu legen – einer der (allerdings einverleibten) Fremdkörper hier im BFT (das sollten zumindest jene verstehen, die dem Thema des BFT schon auf die Spur gekommen sind, anderen könnte es auch helfen, dieses zu verstehen…)Das Stück gefällt mir schon, aber es ist für mich doch etwas zu melancholisch. Nur mal allgemein zum Thema melancholische Musik: Die scheint ja auch hier im Forum unheimlich hoch im Kurs zu stehen. Ich kann das nicht ganz nachvollziehen, denn Melancholie ist nicht unbedingt ein Gefühl, das ich durch das Hören von entspr. Musik erzeugen bzw. verstärken möchte. Auf jeden Fall aber lege ich keinen besonderen Wert darauf.
gypsy tail wind
#2.4 ferry hatte damit (auch mit #2.3) ja auch seine Mühe… mir gefällt, wie die dichten Rhythmen im Thema anfangs aufgebrochen werden durch die langsameren Teile. Dann wie die Bläser im Piano-Solo begleitend eingreifen, während der Pianist (übrigens der einzige mir völlig unbekannte der Gruppe) zeigt, dass er wohl auch schon Cecil Taylor gehört hat. Der Altsaxer ruft die Truppe dann zusammen, soliert mit sattem, schönen Ton – sein Solo ist für mich hier der grosse Höhepunkt! Wie er die Linien aneinanderfügt, sich unterbricht, schreit… dann wird das Tempo verdoppelt, Trompetensolo (von einem Herrn übrigens, der anderswo ein – wie ich finde, vorgarten übrigens auch – Glanzlicht setzt… auch die anderen beiden Bläser hört man anderswo noch, ebenso Bassist und Drummer) ist hier wirklich nicht sooo toll, aber gefällt mir doch ganz ordentlich.Das werde ich mir auch noch mal anhören. So ganz überzeugt von dem Stück bist Du aber wohl auch nicht, anscheinend aber doch von einigen Teilen. Dann hört man sich im Endeffekt wohl doch besser was richtiges an (die Vorbilder ;-)).
gypsy tail wind
#2.5 Ich versteh die Abneigung gegen Bass- und Drum-Soli nicht… insofern kann ich hier eigentlich gar nichts sagen. Wem das nicht passt, dem wird der Track auch nicht besonders passen, logisch. Und schade.Auf Bass- und Drum- Soli bin ich auch nicht besonders scharf. Aber es kommt natürlich auch darauf an- kurze und knackige Soli sind meistens sehr schön. Wenn das ganze aber länger wird und ausartet, dann meistens nicht.
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life is a dream[/SIZE]ferry
Das mit der Faszination an Grenzbereichen/ Grenzüberschreitungen hängt ja wahrscheinlich auch mit dem eigenen musikalischen Verständnis zusammen, wenn man eben auch versteht (oder zumindest ansatzweise) was die Musiker da gerade machen. Nur unter ästhetischen Gesichtspunkten kann man sich jedenfalls bestimmt nicht dieser Musik annähern ?ich finde: doch. jedenfalls war es bei mir so, dass ich quasi über freien jazz überhaupt erst zum jazz gekommen bin. gut, ich war in der pubertät, andere haben hardrock für ihre krawallsehnsucht gebraucht, ich eben free jazz (;-)), aber ausschlaggebend war tatsächlich ein mangesldorff-konzert mit peter brötzmann und ronald shannon jackson im trio, das hat mich in der ersten reihe, kurz vor meinen abiklausuren, wirklich umgehauen und freigepustet. seitdem hatte ich nie wieder angst vor freier musik, auch wenn natürlich einiges auch an mir vorbeiplätschert oder -schreit, ich keine strukturen entdecke oder mich einfach nichts anmacht. aber ich glaube fest daran, dass man an musik immer auch emotional, sinnlich, quasi naiv andocken kann – ohne unbedingt die grenzen zu kennen, die da eingerissen oder überwunden werden.
ferry
Nur mal allgemein zum Thema melancholische Musik: Die scheint ja auch hier im Forum unheimlich hoch im Kurs zu stehen. Ich kann das nicht ganz nachvollziehen, denn Melancholie ist nicht unbedingt ein Gefühl, das ich durch das Hören von entspr. Musik erzeugen bzw. verstärken möchte. Auf jeden Fall aber lege ich keinen besonderen Wert darauf.naja, es geht da ja um schönheit und menschlichkeit. und wenn menschen sich öffnen, traurigkeit zulassen, emotional brüchig werden, ereignet sich – wenn das wirklich musikalisch einen ausdruck findet – etwas sehr schönes, berührendes. technische perfektion, spaß, tanzbarkeit sind auch wichtig und auch toll, aber da tritt der musiker ja oft eher hinter die musik zurück. ich mag am jazz eben das menschliche, dass da jemand steht und aus dem moment schöpft, aus sich selbst, im kommunikation mit den mitmusikern, ohne sich hinter sehr viel mehr gerüst verstecken zu können. und er hat eben nur seine – im besten fall – einzigartige, unverwechselbare stimme.
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ferryWirklich eine sehr interessante Sache, diese Kollektivimprovisationen. Die Musiker müssen dann ja sehr genau auf die anderen achten, damit das ganze nicht ausartet. Im New Orleans- Jazz war das ja wahrscheinlich noch einfacher, weil jedes Instrument eine fest zugewiesene Rolle hatte (Posaune/ Kornett/ Klarinette) ?
Ja, im New Orleans Jazz waren die Rollen klar verteilt: Posaune bleibt unten, schleppt etwas rum, mach lustige Nilpferd-Effekte… tailgate… ob das hier stimmt weiss ich nicht:
The band–usually a trombonist, cornetist, clarinetist, bass instrument (either a tuba or double bass), chordal instrument (either a banjo or piano), and a drummer–would advertise their dance by marching in parades or playing in a wagon pulled around the street of New Orleans. The trombonist, in order to have enough room to maneuver his slide, would sit at the back of the wagon, giving the name „tailgate trombone“ to this style.
Kid Ory war da wohl der grosse Meister – kein Virtuose, auch kein wirklich guter Posaunist, aber einer, der genau wusste, wie er zu spielen hatte, damit es gut klang und er perfekt rüberkam (auch das ist Hohe Kunst… ich erinnere an unsere Mucke-Diskussion!)
Die Trompete spielt darüber die Melodie, hat den Lead, während die Klarinette sie umgarnt. Mit dieser Rollenverteilung waren Konflikte mehr oder weniger auszuschliessen, vorausgesetzt die Musiker waren mit den Stücken vertraut und in der Lage, nicht ausserhalb der harmonischen Regeln zu spielen, wenn das sich nicht anbot… letzteres gilt be einer Kollektiv-Impro im modernen Jazz genauso – und sollte auch einigermassen sicherstellen, dass keine ungewollten Clashs entstehen. Ein gewisses Mass an Dissonanz ist ja stets spannend und im Hardbop konnten sich die Musiker diesbezüglich einiges mehr erlauben als im New Orleans Jazz.ferryDas ist ja schon beeindruckend, wenn Mangelsdorff damals so auf Augenhöhe mit den US- Jazzern war. Aber das war dann doch im bereich Free Jazz/Avantgarde?
Nun, den Mangelsdorff-Track hier würd ich nicht wirklich „Free Jazz“ nennen, aber ich hab auch kein wirklich passendes Etikett dafür. Was wir hier hören ist wohl eine Weiterentwicklung des Naura-Tracks und des Freund-Tracks (etwa in der Reihenfolge, dann folgt Albert… und etwas später gab’s dann auch noch den Brötzmann, mit dem Mangelsdorff natürlich auch gespielt hat). Es herrscht eine Aufbruchsstimmung, eine Atmosphäre, in der plötzlich vieles möglich ist, was zuvor undenkbar gewesen ist.
Mangelsdorff ist meines Ermessens gross ganz unabhängig von der Geographie. Natürlich gibt’s immer das „Problem“, dass Jazz eben herkunftsmässig nicht seine (ebensowenig unsere) Musik war und ist, aber um 1960 (siehe auch meinen Post zum Album Jazz Is Universal von der Kenny Clarke-Francy Boland Big Band) hatte sich das soweit geändert, dass es in Europa Dutzende Musiker gab, die auf Augenhöhe mit den Amerikanern Jazz spielten – um einige zu nennen: in Frankreich Barney Wilen und Martial Solal, René Urtreger und Pierre Michelot, in der Schweiz George Gruntz, Flavio und Sohn Franco Ambrosetti, Daniel Humair (letzterer ging allerdings mit 20 nach Paris und gehört bis heute zur französischen Szene), in Italien Giorgio Gaslini, Eraldo Volonte, Giorgio Azzolini, in Österreich Hans Koller, der zwar schon länger da war, aber geraume Zeit gebraucht hatte, um sich zu emanzipieren, siehe #1.3, wo er noch nicht so weit war, in Osteuropa gab’s ebenfalls diverse tolle Musiker wie Krzysztof Komeda, Jan „Ptaszyn“ Wróblewski oder Jerzy Milian, in Spanien Tete Montoliu, in Skandinavien Musiker wie Bernt Rosengren oder die etwas älteren Arne Domnerus und Lars Gullin, in England Leute wie Tubby Hayes, Ronnie Scott, Joe Harriott, Stan Tracey… und viele andere mehr. Diese Zahl grossartiger Musiker gab’s in Europa in den 40ern und 50ern noch nicht, da hatte sich in der Tat einiges geändert!ferryHier hast Du ja auch schon geschrieben, was Dich am Free Jazz fasziniert. Rein theoretisch kann ich dem ja schon folgen/ zustimmen, aber vom musikalischen Verständnis bisher nicht. Das Stück werde ich mir noch ein paar Mal anhören.
Wobei, die härteren Brocken sind ja eigentlich eher auf CD2 zu finden.
Die Schwierigkeiten habe ich auch eher damit, wie freie Musik sich anfühlt. Eben von der Rezeption erst mal evtl. schräg, unharmonisch oder unzusammenhängend.
Das mit der Faszination an Grenzbereichen/ Grenzüberschreitungen hängt ja wahrscheinlich auch mit dem eigenen musikalischen Verständnis zusammen, wenn man eben auch versteht (oder zumindest ansatzweise) was die Musiker da gerade machen. Nur unter ästhetischen Gesichtspunkten kann man sich jedenfalls bestimmt nicht dieser Musik annähern ?Oh, doch, das ist bestimmt möglich! Coltranes „A Love Supreme“ gehörte bei mir früh schon zu den allerliebsten Alben (wenn man 13 ist, keine Ahnung hat und ca. 10 Jazz-Alben kennt, denke ich, darf man „A Love Supreme“ als Avantgarde durchgehen lassen, ja? Heute ist sie Pop, aber auch bloss wegen der Wirkungsgeschichte, die Musik bleibt grossartig, provokativ, anregend, berauschend… zumindest für mich).
ferryVon Doldinger kann auch letztens was aktuelles im Fernsehen, das hat mir auch gefallen (schön das ich mich jetzt traue das mal zu schreiben). Er hatte zwei Percussionisten dabei, das ist bei mir sowieso schon die halbe Miete. Und er hatte einen wirklich sehr guten Pianisten/ Keyboarder, dessen Name aber nicht genannt wurde. Er selbst hat eigentlich auch schön melodiös gespielt. Die Atmosphäre des Konzerts war allerdings etwas bieder (siehe auch vorgarten’s Kritik, damit habe ich auch so meine Probleme!).
Ich will Doldinger nicht schlechtreden – auch heute nicht. Er trat vor kurzem hier auf, mal sehen, ob das am Radio laufen wird und ich’s rechtzeitig mitkriege… mir sagt einfach die Passport-Musik überhaupt nicht zu, die ist zu glatt, für mich das perfekte Beispiel für todlangweilige (ja tote) Fusion-Musik – da fehlt das pulsierende, das lebende, das ehrliche, direkte, offene, das ich in der Musik suche. Allerdings hab ich vor ein paar Jahren mal eine Doku über ihn gesehen (muss im WDR gewesen sein) und fand, das sei ein super Typ, auch wenn ich mit seiner Musik nicht mehr viel anfangen kann… das, was er in den ersten zehn Jahren gemacht hat (im BFT ist übrigens mehr als nur das Stück mit Rolf Kühn zu hören ), gefällt mir noch immer und ich höre immer mal wieder was davon!
ferryDas Stück gefällt mir schon, aber es ist für mich doch etwas zu melancholisch. Nur mal allgemein zum Thema melancholische Musik: Die scheint ja auch hier im Forum unheimlich hoch im Kurs zu stehen. Ich kann das nicht ganz nachvollziehen, denn Melancholie ist nicht unbedingt ein Gefühl, das ich durch das Hören von entspr. Musik erzeugen bzw. verstärken möchte. Auf jeden Fall aber lege ich keinen besonderen Wert darauf.
Hm… es gibt viel Musik, die ich nicht immer hören kann, die ich aber manchmal – in der passenden Stimmungslage – sehr, sehr gerne höre. Das betrifft in manchen Fällen auch düstere, melancholische, „schwierige“ Musik (etwa Andrew Hill). Es kann aber schonmal sein, dass ich Lester Young höre und vom einem Stück zum nächsten von Euphorie zu Melancholie wechsle… ich kann das alles nicht so genau greifen, es gehört seit über 15 Jahren zu meinem Leben, finde es schwierig, aus mir herauszutreten und darüber nachzudenken. Das Stück hier kann ich allerdings in jeder Gemütslage hören – es hat etwas von Film-Musik, es ist produziert… auch wenn das Trompetensolo mich berührt ist das keine Musik, die tief ins Innere geht bei mir.
ferryDas werde ich mir auch noch mal anhören. So ganz überzeugt von dem Stück bist Du aber wohl auch nicht, anscheinend aber doch von einigen Teilen. Dann hört man sich im Endeffekt wohl doch besser was richtiges an (die Vorbilder ;-)).
Doch doch, ich bin schon überzeugt davon! Ich würd ihm wohl ****1/2 geben, mit etwas Abzug fürs letzte Drittel und das nicht wirklich inspirierte Trompetensolo. Und Vorbilder… das ist eben so eine Sache. Das hier fällt auch in die 60er, die Zeit, in der eben vieles möglich schien… es ist später als das Mangelsdorff-Stück entstanden. Vorbilder hören kann man hier höchstens für die einzelnen Instrumentalisten, ähnliche Musik als ganzes kenne ich nicht, jedenfalls keine, die ich als Vorbild für die Gruppe hier identifizieren könnte (aber hey, auch ich kenn noch längst nicht alles!).
ferryAuf Bass- und Drum- Soli bin ich auch nicht besonders scharf. Aber es kommt natürlich auch darauf an- kurze und knackige Soli sind meistens sehr schön. Wenn das ganze aber länger wird und ausartet, dann meistens nicht.
Ich mag den Bass als Solo-Instrument sehr, hab auch schon Bassisten in diversen Formationen live erlebt, bisher zwar noch nie solo, aber Joëlle Léandre im Duo mit Roy Campbell war grosse Klasse, etwas weniger toll fand ich das Duo mit Lauren Newton (was aber eher an letzterer lag, so eindrücklich ihre Gesangskünste sind, sie übertreibt mir doch immer wieder). Dann hab ich mal Barry Guy im Duo mit der griechischen Sängerin Savina Yannatou gehört… und doch, auch ein Solo-Set, ca. 30 oder 35 Minuten, von Reggie Workman – auch das war sehr schön!
Aber klar, auf sowas muss man erst mal neugierig (oder zufällig draufstossen und sofort begeistert) sein, sonst sucht man sich sowas nicht…
Irgendwann brauchen wir hier eh noch einen Thread zu Solo-Alben.--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbavorgartenich finde: doch. jedenfalls war es bei mir so, dass ich quasi über freien jazz überhaupt erst zum jazz gekommen bin. gut, ich war in der pubertät, andere haben hardrock für ihre krawallsehnsucht gebraucht, ich eben free jazz (;-)), aber ausschlaggebend war tatsächlich ein mangesldorff-konzert mit peter brötzmann und ronald shannon jackson im trio, das hat mich in der ersten reihe, kurz vor meinen abiklausuren, wirklich umgehauen und freigepustet. seitdem hatte ich nie wieder angst vor freier musik, auch wenn natürlich einiges auch an mir vorbeiplätschert oder -schreit, ich keine strukturen entdecke oder mich einfach nichts anmacht. aber ich glaube fest daran, dass man an musik immer auch emotional, sinnlich, quasi naiv andocken kann – ohne unbedingt die grenzen zu kennen, die da eingerissen oder überwunden werden.
naja, es geht da ja um schönheit und menschlichkeit. und wenn menschen sich öffnen, traurigkeit zulassen, emotional brüchig werden, ereignet sich – wenn das wirklich musikalisch einen ausdruck findet – etwas sehr schönes, berührendes. technische perfektion, spaß, tanzbarkeit sind auch wichtig und auch toll, aber da tritt der musiker ja oft eher hinter die musik zurück. ich mag am jazz eben das menschliche, dass da jemand steht und aus dem moment schöpft, aus sich selbst, im kommunikation mit den mitmusikern, ohne sich hinter sehr viel mehr gerüst verstecken zu können. und er hat eben nur seine – im besten fall – einzigartige, unverwechselbare stimme.
Über den Free Jazz zum Jazz finden
Vielleicht hängt das ja auch alles irgendwie zusammen. Ich bin z.B. auch ein sehr ordnungsliebender Mensch, und habe die Dinge gerne unter Kontrolle. Alles muss halt seinen geregelten Gang gehen (ausser im Suff ).
Das freie gibt einem aber irgendwie keinen richtigen Halt. Mit dem melancholischen könnte das auch ähnlich sein, sich einfach fallen zu lassen, das widerstrebt mir. Ich habe aber das Gefühl, da könnte ich mal dran arbeiten.--
life is a dream[/SIZE]vorgartennaja, es geht da ja um schönheit und menschlichkeit. und wenn menschen sich öffnen, traurigkeit zulassen, emotional brüchig werden, ereignet sich – wenn das wirklich musikalisch einen ausdruck findet – etwas sehr schönes, berührendes. technische perfektion, spaß, tanzbarkeit sind auch wichtig und auch toll, aber da tritt der musiker ja oft eher hinter die musik zurück. ich mag am jazz eben das menschliche, dass da jemand steht und aus dem moment schöpft, aus sich selbst, im kommunikation mit den mitmusikern, ohne sich hinter sehr viel mehr gerüst verstecken zu können. und er hat eben nur seine – im besten fall – einzigartige, unverwechselbare stimme.
Schön gesagt! Dem schliess ich mich an! Die Reichhaltigkeit, die grosse Vielfalt an individuellen Stimmen, finde ich ja gerade das grosse Faszinosum im Jazz. Oder zumindest eins der grössten, für mich wichtigsten – andere gehen natürlich in konzeptionellere Bereiche… eigene Musikwelten erschöpfen (wie bei Mingus, Ellington, Sun Ra), komplexe eigene Konzepte entwerfen und umsetzen (wie bei Henry Threadgill oder Roscoe Mitchell oder Anthony Braxton). Aber letztlich bleibt das alles graue Theorie, wenn in der Umsetzung nicht der eigene, persönliche Touch hinzukommt.
Ein perfektes Beispiel dafür aus jüngster Zeit ist Matana Roberts erstes Album aus ihrem zwölfteiligen Zyklus „Coin Coin“ (hier – gibt auch nur die CD, aber für den Preis würd ich zur tollen 2×10″+CD-Ausgabe greifen, ich hab sie und sie gehört bei mir wie bei vielen Fori und Forae zu den besten Alben des Jahres!). Bei Roberts fliessen Konzepte und persönlicher Ausdruck zusammen, bzw. noch vielmehr ist das Konzept schon persönlich (es geht um eine – wie sehr historische und wie sehr fiktionalisierte weiss ich nicht – musikalische Aufarbeitung der eigenen Geschichte, der Geschichte der schwarzen in den USA, ganz besonders der Geschichte der schwarzen Frauen in den USA). Wenn ich jetzt noch anfüge, dass rituelles in die Konzerte einfliesst und der „score“ eine Art Bilderbuch ist, klingt das vielleicht nach etwas gar viel… aber am Ende steht da eben Musik von enormer Intensität und Emotionalität, die in jeder Hinsicht beeindruckend ist!--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy tail windS
Ein perfektes Beispiel dafür aus jüngster Zeit ist Matana Roberts erstes Album aus ihrem zwölfteiligen Zyklus „Coin Coin“ (hier – gibt auch nur die CD, aber für den Preis würd ich zur tollen 2×10″+CD-Ausgabe greifen, ich hab sie und sie gehört bei mir wie bei vielen Fori und Forae zu den besten Alben des Jahres!).off topic, aber ich habe die jetzt mal bestellt, obwohl mich THE CHICAGO PROJECT furchtbar enttäuscht hat. ich dachte: bei den beteiligten, bei allem, was ich über mantana gehört habe, bei diesem label kann nichts schief gehen – aber mich packt das album bis heute nicht. man muss aber ja nicht immer sofort aufgeben! spielt denn bei COIN COIN auch wieder jeff parker mit?
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vorgartenoff topic, aber ich habe die jetzt mal bestellt, obwohl mich THE CHICAGO PROJECT furchtbar enttäuscht hat. ich dachte: bei den beteiligten, bei allem, was ich über mantana gehört habe, bei diesem label kann nichts schief gehen – aber mich packt das album bis heute nicht. man muss aber ja nicht immer sofort aufgeben! spielt denn bei COIN COIN auch wieder jeff parker mit?
Nein – aber eine viel grössere Band, als jene, mit der sie auf Tour war:
Matana Roberts (as/cl/voice), Gitanjali Jain (voice), David Ryshpan (p/org), Nicolas Caloia (cello), Ellwood Epps (tp), Brian Lipson (btp), Fred Bazil (ts), Jason Sharp (bari), Hrair Hratchian (doudouk), Xarah Dion (prep-g), Josh Zubot (v), Marie Davidson (v), Lisa Gamble (saw), Thierry Amar (b), Jonah Fortune (b), David Payant (d/vib)
„The Chicago Project“ und „Live in London“ kenne ich bisher nicht. Kennst Du letztere?
Und was hat Central Control denn sonst grosses gemacht? Mir ist das Label komplett unvertraut.--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy tail windJa, im New Orleans Jazz waren die Rollen klar verteilt: Posaune bleibt unten, schleppt etwas rum, mach lustige Nilpferd-Effekte… tailgate… ob das hier stimmt weiss ich nicht:
Kid Ory war da wohl der grosse Meister – kein Virtuose, auch kein wirklich guter Posaunist, aber einer, der genau wusste, wie er zu spielen hatte, damit es gut klang und er perfekt rüberkam (auch das ist Hohe Kunst… ich erinnere an unsere Mucke-Diskussion!)
Die Trompete spielt darüber die Melodie, hat den Lead, während die Klarinette sie umgarnt. Mit dieser Rollenverteilung waren Konflikte mehr oder weniger auszuschliessen, vorausgesetzt die Musiker waren mit den Stücken vertraut und in der Lage, nicht ausserhalb der harmonischen Regeln zu spielen, wenn das sich nicht anbot… letzteres gilt be einer Kollektiv-Impro im modernen Jazz genauso – und sollte auch einigermassen sicherstellen, dass keine ungewollten Clashs entstehen. Ein gewisses Mass an Dissonanz ist ja stets spannend und im Hardbop konnten sich die Musiker diesbezüglich einiges mehr erlauben als im New Orleans Jazz..Leider ist ja die Aufnahmequalität aus dieser Zeit ja eher schlecht.
@all: Aus diesem Bereich wäre ich an Empfehlungen interessiert, wegen der besseren Aufnahmequalität gerne auch aus späterer Zeit.gypsy tail wind
Nun, den Mangelsdorff-Track hier würd ich nicht wirklich „Free Jazz“ nennen, aber ich hab auch kein wirklich passendes Etikett dafür. Was wir hier hören ist wohl eine Weiterentwicklung des Naura-Tracks und des Freund-Tracks (etwa in der Reihenfolge, dann folgt Albert… und etwas später gab’s dann auch noch den Brötzmann, mit dem Mangelsdorff natürlich auch gespielt hat). Es herrscht eine Aufbruchsstimmung, eine Atmosphäre, in der plötzlich vieles möglich ist, was zuvor undenkbar gewesen ist.
Mangelsdorff ist meines Ermessens gross ganz unabhängig von der Geographie. Natürlich gibt’s immer das „Problem“, dass Jazz eben herkunftsmässig nicht seine (ebensowenig unsere) Musik war und ist, aber um 1960 (siehe auch meinen Post zum Album Jazz Is Universal von der Kenny Clarke-Francy Boland Big Band) hatte sich das soweit geändert, dass es in Europa Dutzende Musiker gab, die auf Augenhöhe mit den Amerikanern Jazz spielten – um einige zu nennen: in Frankreich Barney Wilen und Martial Solal, René Urtreger und Pierre Michelot, in der Schweiz George Gruntz, Flavio und Sohn Franco Ambrosetti, Daniel Humair (letzterer ging allerdings mit 20 nach Paris und gehört bis heute zur französischen Szene), in Italien Giorgio Gaslini, Eraldo Volonte, Giorgio Azzolini, in Österreich Hans Koller, der zwar schon länger da war, aber geraume Zeit gebraucht hatte, um sich zu emanzipieren, siehe #1.3, wo er noch nicht so weit war, in Osteuropa gab’s ebenfalls diverse tolle Musiker wie Krzysztof Komeda, Jan „Ptaszyn“ Wróblewski oder Jerzy Milian, in Spanien Tete Montoliu, in Skandinavien Musiker wie Bernt Rosengren oder die etwas älteren Arne Domnerus und Lars Gullin, in England Leute wie Tubby Hayes, Ronnie Scott, Joe Harriott, Stan Tracey… und viele andere mehr. Diese Zahl grossartiger Musiker gab’s in Europa in den 40ern und 50ern noch nicht, da hatte sich in der Tat einiges geändert!.Ich bin doch erstaunt, wieviele europäische Musiker Du hier nennst!
gypsy tail wind
Oh, doch, das ist bestimmt möglich! Coltranes „A Love Supreme“ gehörte bei mir früh schon zu den allerliebsten Alben (wenn man 13 ist, keine Ahnung hat und ca. 10 Jazz-Alben kennt, denke ich, darf man „A Love Supreme“ als Avantgarde durchgehen lassen, ja? Heute ist sie Pop, aber auch bloss wegen der Wirkungsgeschichte, die Musik bleibt grossartig, provokativ, anregend, berauschend… zumindest für mich)..Wenn Du schon mit 13 einen Zugang zur Avantgarde hattest, dann sind das aber ganz andere Voraussetzungen. Aber eigentlich hatte ich ja auch eher den freieren Jazz gemeint. Wenn man da schon einen emotionalen Zugang hat, das finde ich eben erstaunlich!
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life is a dream[/SIZE]gypsy tail windNein – aber eine viel grössere Band, als jene, mit der sie auf Tour war:
Matana Roberts (as/cl/voice), Gitanjali Jain (voice), David Ryshpan (p/org), Nicolas Caloia (cello), Ellwood Epps (tp), Brian Lipson (btp), Fred Bazil (ts), Jason Sharp (bari), Hrair Hratchian (doudouk), Xarah Dion (prep-g), Josh Zubot (v), Marie Davidson (v), Lisa Gamble (saw), Thierry Amar (b), Jonah Fortune (b), David Payant (d/vib)
„The Chicago Project“ und „Live in London“ kenne ich bisher nicht. Kennst Du letztere?
Und was hat Central Control denn sonst grosses gemacht? Mir ist das Label komplett unvertraut.wenn jeff parker nicht dabei ist, könnte es mir gefallen… LIVE IN LONDON kenne ich nicht, da ich, wie gesagt, erst mal die finger von roberts gelassen habe. und mit dem label habe ich mich vertan, ich dachte, das sei auch THRILL JOCKEY gewesen, sorry. bin gespannt auf COIN COIN…
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ferryLeider ist ja die Aufnahmequalität aus dieser Zeit ja eher schlecht.
@all: Aus diesem Bereich wäre ich an Empfehlungen interessiert, wegen der besseren Aufnahmequalität gerne auch aus späterer Zeit.Das hier sollte eigentlich ganz gut klingen – und ist abgesehen davon sowas wie der erste zentrale Werk-Korpus des Jazz überhaupt:
http://www.amazon.de/Hot-Fives-Sevens-Louis-Armstrong/dp/B00001ZWLP/Die JSP-Box von Jelly Roll Morton wär dann eine nächste Empfehlung
http://www.amazon.de/As-Artist-5cd-Box-Set/dp/B00004WK09/In beiden Fällen viel tolle Musik in guten Transfers und zu einem guten Preis (vergleichen mit amazon.co.uk – ich weiss halt nicht, wie das mit dem Versand und Zoll nach DE ist).
ferryWenn Du schon mit 13 einen Zugang zur Avantgarde hattest, dann sind das aber ganz andere Voraussetzungen. Aber eigentlich hatte ich ja auch eher den freieren Jazz gemeint. Wenn man da schon einen emotionalen Zugang hat, das finde ich eben erstaunlich!
„Ascension“ und den restlichen Inhalt der Doppel-CD „The Major Works of John Coltrane“ hab ich damals auch bald gehört, aber bis sich mir das einigermassen erschloss vergingen schon ein paar Jahre. Und bis ich die Musik nicht nur toll fand sondern sie auch hören konnte, ohne sie anstrengend zu finden, verging nochmal einige Zeit. Mein eigentlicher Einstieg in den Freejazz waren die beiden Enja Live-Alben von Mingus (1964) mit Eric Dolphy und Jaki Byard. Da ist auch nicht alles wirklich „free“, aber einiges schon. Mingus war jedenfalls neben Miles, Coltrane und Monk mein erster Säulenheiliger. Coleman und Dolphy folgten bald, daneben Blue Note-Klassiker und auch bald CDs aus der schönen Impulse Master Editions-Reihe, die in der zweiten Hälfte der 90er diverses tolles zutage brachte (neben Coltrane auch Archie Shepp, Pharoah Sanders, Marion Brown, Cecil Taylor/Roswell Rudd…).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaLeider muss ich mich zumindest für jetzt und für Teil 1 kurz halten. Irgendwie ist mein Zeitmanagement in der letzten Zeit nicht das beste.
#1 Hier muss ich sofort an Mexiko denken, was den Fanfaren-artigen Charakter des Stückes angeht. Auch mir drängt sich fast ein bißchen Kenny Dorham auf, der ja immer wieder mexikanisch-anmutende Themen in seine Soli einflocht. Das Walzerthema ist recht interessant, insgesamt tönt das Stück aber recht lieblich und aufgrund der Kürze ist wenig Spannungsaufbau für mich dabei. Das Klaviersolo ist recht locker und hört sich sehr nach Westküste an.
#2 „All the things you are“. Hört sich von Beginn nach Mitte 50er Jahre an und mir kommen die Manierismen des Pianisten irgendwie bekannt vor. Die Lockerheit des vorhergehenden Stückes wird hier schön aufgefangen und ein bißchen weiter vorangetragen. Hier steht offenbar der Pianist im Vordergrund, der eine sehr leichtfüßige Spielweise hat, sehr perlend. Klingt ein wenig nach Carl Perkins und ein wenig nach ’showmanship‘. Den Bass empfinde ich im Hintergrund als den eigentlichen Star des Stücks und trotz der höheren Tonlage hat er einen satten Klang.
#3 Auch hier hört es sich wieder sehr nach Westküste an, der Tenorist ist irgendwo bei Tristano oder Richie Kamuca. Schön ist diese Verstrickung mit dem Baritonsax, die sich dann im Klaviersolo auflöst. Hier sind die Rhythmen ein bißchen komplexer und verschobener, der Pianist spielt auch wesentlich verschrobener, aber auf eine elegante, leichte Art. Bari mag ich sehr, aber da habe ich zu wenig gefestigtes Wissen, als dass ich mich festlegen könnte. Pepper Adams liegt natürlich immer nahe. Gefällt mir, ist fluffig, hat schöne Improvisationen und gute Ensemblearbeit.
#4 Das ist ein sehr typisches Thema, wenn ich nur wüsste für was. Auch hier führt der Weg sofort weg von New Yorker Jazz und allem, was in Mittelamerika so fabriziert wurde. Möglich wäre britischer Jazz, in der Form von Dizzy Reece, Tubby Hayes, Joe Harriott und Vic Feldman, auch wenn das hier wahrscheinlich später eingespielt wurde. Auf jeden Fall erreichen die Musiker eine gewisse Schräglage in der Mitte des Stücks, bei der ich mir noch nicht ganz sicher bin, ob ich mich gebissen fühlen soll. Insgesamt ein sehr schnelles Stück, dass trotz des Themas schnell wieder aus den Ohren draußen ist.
#5 Die aufgenommene Fahrt wird beibehalten, aber es wird äußerst obskur. Klarinette in Kombination mit Orgel haben m.E. noch nicht einmal Prestige zustande gebracht. Mit Orgeljazz hab‘ ich eh riesige Bildungslücken, so dass ich da rein gar nichts weiß. Der Saxophonist passt aber wunderbar zum recht dunklen Orgelklang, nur schade, dass er dadurch der Klarinette einigen Spielraum abnimmt. So eine Kombination hab‘ ich noch nie gehört und sie funktioniert ausgesprochen gut. Bassist und Organist sind auch immer so komische Partner, aber die beiden machen das ganz gut, vor allem, weil der Bassist sich ganz dem Rhythmus verschreibt.
#6 Das muss in jedem Fall Deutsch sein. Ich denke sofort an Peter Thomas, der zumindest diese Art zu schreiben hatte und in manchen Soundtracks durchaus etwas Dolphy-eskes an sich hatte. Mit der Posaune und der Jazz-Metrik kann es dann aber auf keinen Fall Thomas sein, aber ich bleib‘ dabei, dass das was deutsches ist. Der Posaunist macht seine Sache musikalisch sehr gut, den Ton finde ich aber etwas schwachbrüstig. Etwas auf den Keks geht mir der Oompah-Oompah-Walzer-Rhythmus. Insgesamt aber spaßige Miniatur.
#7 Hmm, der Pianist zeigt durch sein Oktavspiel, dass er gerne ein paar dunklere Molltöne setzen mag, während das Stück wohlgelaunt vor sich hin rumpelt. Im Mittelteil gibt es dann auch etwas dunklere Schattierungen, die sich durchaus orientalisch ausnehmen. Das gefällt mir sehr gut, auch die knackige Interaktion mit dem Drummer. Das Thema und das Trio-spiel ist mir aber zu spaßig und oberflächlich.
#8 Auch hier würde ich auf etwas deutsches tippen, da die Musik irgendwie in keine Schublade zu passen vermag und ich meine, eine besondere Art der Aufnahmetechnik zu hören, die ich fast ausschließlich von deutschen/europäischen Produktionen der 60er her kenne. Ich hab‘ so meine Probleme mit dem Stück, da es technisch perfekt ist und die Improvisationen sehr schön gespielt werden. Trotzdem erscheint mir das etwas glatt und routiniert. Besonders der Trompeter hört sich so an, als würde er das tun, wofür er bezahlt wird. Die Gitarre gefällt mir insgesamt am besten, da ein paar Griffe wohl an Grant Green und Joe Pass angelehnt sind, er aber doch eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt. Ich wollte schon Elek Bacsik in den Ring werfen, aber dessen Akustik ist eine ganz andere.
#9 Da wird von Anfang an klar gemacht, dass hier geschuftet wird und Ernst bei der Sache ist. Das anfängliche Intermezzo zwischen Bass und Drums gefällt mir sehr, auf das sich dann die Trompete drauf legt und sich weiterhin mit dem Saxverschränkt. Die Rhythmusgruppe rumpelt während des ganzen Stückes wunderbar durch und der Bassist zieht alle Register. Der Saxophonist ist schon irgendwie von Wayne Shorter geprägt, kann das sein? Vor allem gefällt mir, dass die Musik irgendwie weiter draußen ist, als man beim Hören vermuten mag. Tolle Stück, hier liegt ganz schön viel Gewicht drin!
#10 Ein Stück mit einer Präambel, sehr schön. Es fasziniert mich, dass im Vergleich zu #9 sofort die Fahrt rausgenommen wird, aber beide funktionieren wunderbar hintereinander. Der Ton ist mir vollkommen unvertraut und die Musik hängt zwischen den Zeiten, da ist alles drin. Toll ist, wie der Baritonist sich in die Melodien hineindreht und klarstellt, dass keine andere harmonisch Lösung möglich gewesen wäre. Schlicht, aber doch volltönend, großartig melancholisch, aber auf der hoffnungsvollen Seite. Ich hoffe inständig, dass es da mehr davon gibt.
#11 Boom. Eine wuchtige, irgendwie europäisch anmutende Absporption von Soul Jazz. Das Thema und die Diktion des Stückes könnte Blue Note-typisch sein, aber die Ausführung ist es nicht. Der Pianist spielt locker, aber doch irgendwie schwer. Les McCann oder Gene Harris hätten da gnadenlos versagt. Den Bassisten finde ich super, genau an den richtigen Punkten fretless, ansonsten viel gehalten. Sein Solo ist sehr schön und wird gekonnt unterstrichen und kontrastiert. Leider kommt der Pianist in der Mitte ins Arpeggieren, was der Musik ein bißchen schadet, da sie dadurch seichter wird.
#12 Endlich Vibes, ich hatte mich schon gewundert. Die bisher vermeintliche Konzentration auf Westcoast- und/oder europäischen Jazz lässt zu Beginn Feldman vermuten, aber der Hall der Schlegel, das samtige Glitzern schmeisst sofort ein Veto in den Ring. Roy Ayers hat ja durchaus Jazz-Credentials, aber sein Anschlag war meist perkussiver, mit weniger Hall. Trotzdem werf‘ ich seinen Namen in den Ring. Ansonsten könnte das natürlich auch wieder Vic Feldman sein. Aber irgendwie auch wieder nicht. Die Musik ist jedenfalls nicht zu der Zeit entstanden, in der Vic in UK aufgenommen hat.
Irgendwie habe ich auch hier das Gefühl, dass die Konzeption des Stückes den Hörer erst einmal veräppelt und hinterrücks zu aufmerksamem Nachhören auffruft.#13 Das würde ich jetzt als unaufgeregt und wenig spannenden Hardbop beschreiben. Der Tenorist ist am suchendsten unterwegs und zieht die Spannung auf sich, während mir der Rest etwas zu ‚eintönig‘ ist.
#14 Auch hier bin ich überfragt. Houston Person? Sonny Stitt? Vielleicht auch Turrentine? Harold Vick? Alles möglich, irgendwie ein bluesgetränkter Texas-Tenor-Ton. Tut mir nicht weh und ich sehe, dass da Ambitionen dahinter stehen, aber mich berührt das nicht.
#15 Mittlerweile kann ich die Stringenz der Stücke nicht mehr erkennen, da bin ich aber sehr gespannt drauf. Das Stück hier trifft am ehesten den New Yorker Jazz der ausgehenden 50er Jahre für mich. Klassische Rhythmusarbeit und ordentliche Soli. Würde ich so ohne Probleme abnicken, für gut befinden und auf einer Platte hören. Für einen bft ist es mir aber ein bißchen zu oberflächlich, also dahingehend, dass ich etwas suche, was darin versteckt sein könnte.
#16 Schön und wieder schwerer zu datieren. Mitte bis Ende der 60er, oder doch schon 70er? Spannend finde ich diese Verschiebungen, die etwas karibisches vermuten lassen. Dann diese Kreuzung mit avantgardistischem Gedankengut? Besonders die beiden Bassisten machen den Track aus und der Schlagzeuger, der quasi die Nahtstelle ist. Ich kenn‘ wenig mit zwei Bassisten, vor allem wenn keiner stattdessen zum Cello greift, aber warum nicht Richard Davis oder Cecil McBee. Ich weiß auch nicht, ob das zum späteren Graham Collier passen könnte?
#17 Von der Anlage her wieder etwas deutsches, erstaunlich allerdings, dass sich das sehr nach kollektiver, aber geordneter Modern Jazz-Improvisation anhört. Da hab‘ ich keine Ahnung, aber mir ist das ein bißchen zu eingepfercht und trotz allem Drängen zu eingekastelt.
Vielen Dank erstmal für den ersten Teil. Da ich bin ich schon gespannt auf die Auflösung und es war auch etliches dabei, was ich für mich entdecken werde!
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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III -
Schlagwörter: Blindfold Test, gypsy's jazz, Jazz in Deutschland
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