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Shelly Manne war neben Shorty Rogers wohl der bedeutendste Musiker und Organisator des frühen West Coast Jazz. Manne spielte auf den allermeisten frühen Sessions von Rogers mit und war auch massgeblich am musikalischen Erfolg beteiligt. Bevor er seine eigene Reihe von hervorragenden Sessions für Contemporary Records startete, nahm Manne zwei Sessions für Dee Gee auf, die später bei Savoy (unter dem Titel „Deep People“) gepaart mit einer Bill Russo Session auf 12″-LP und später CD wiederaufgelegt wurde.
In der ersten Session wurden Bill Russos „The Princess of Evil“, Rogers‘ „Slightly Brightly“ und Jimmy Giuffres „Deep People“ sowie eine Vokal-Version (Manne singt) von „It Don’t Mean a Thing“ eingespielt. Die andere Session fand ohne Beteiligung von Rogers statt (und Manne ist da auch auf „All of Me“ als Sänger zu hören). Die Band: Rogers & Conte Candoli (t), Art Pepper (as), Jimmy Giuffre (ts), Bob Gordon (bari), Frank Patchen (p), Joe Mondragon (b), und Manne (d,voc). Giuffre klingt auf der wunderschönen Ballade „The Princess of Evil“ fast, als spiele er Altsax, Patchen und Gordon sind die anderen Solisten, Candoli spielt die Melodie.
Rogers‘ „Slightly Brightly“ und Giuffres „Deep People“ sind zwei swingende, aufgestellte Stücke, bei Rogers hat die Rhythmusgruppe wie so oft ein bisschen was zu tun. Solistisch ist Giuffre wohl die überzeugendste Stimme, in „Deep People“ scheinen zuerst Rogers und dann Candoli zu solieren. Und nein, Manne ist kein grosser Sänger…Mannes erste Contemporary-Session fand am 6. April 1953 statt, beteiligt waren u.a. Art Pepper, Bob Cooper, Jimmy Giuffre und Marty Paich. Die Arrangements stammten von Russo und Rogers. Auf Mannes dritter und vierter Session (für sein zweites Contemporary 10″-Album) war Rogers nicht nur als Komponist sondern auch als Trompeter (neben Ollie Mitchell bzw. Don Fagerquist, die den Lead übernahmen) zu hören. Bob Enevoldsen (vtb), Paul Sarmento (tuba), Marty Paich bzw. Russ Freeman (p) und Joe Mondragon (b) waren die anderen Musiker.
Das Album vereinte sechs Kompositionen, die speziell für dieses blechlastige Ensemble geschrieben wurden, als Nachfolger für das erste, saxophonlastige Album Mannes. Marty Paich hat „Dimensions in Thirds“ beigesteuert und wie alle sechs Komponisten auch Kommentare für die Liner Notes beigesteuert. Das Stück entwickelt sich in voneinander ziemlich unabhängigen Linien und das Zusammenspiel von Fagerquist und Rogers macht Spass. Es folgt Rogers‘ „Shapes, Motion and Colors“, das erste der beiden längeren (ca. 6 statt ca. 3 Minuten). Rogers dazu:I believe all art and nature is composed either of shapes, motion, colors, or a combination of them. My composition includes these in the form of: (1) shapes: harmonic shapes (chords, perpendiculars). (2) motion: contrapuntal lines interweaving. (3) colors: achieved by means of orchestration devices.
I didn’t consciously try for any specific overall form, preferring free forms in my own thinking. I did however use many devices within this free form, but as ends in themselves and not as means to an end. I realized, after I finished this work, that it had taken the shape of a first rondo, but the form was really a result of an instinct for balance.
In my opinion, all good jazz musicians are composers. I have utilized them as composers by having parts in which I merely wrote instructions and left the rest to the men to compose spontaneously, mutual instinct being the connecting link between us.
This is a reflection of my likes in music. I tried only to write what I like, not concerning myself with such thoughts as Is it jazz? or Is it legitimate? or Will anyone like it? Shapes, Motion, Colors is dedicated to my teacher, Dr. Wesley La Violette.Die Form des Stückes ist in der Tat spannend. Es vereint die typischen Merkmale von Rogers‘ Arrangements, lässt Raum für Solisten und öffnet sich mehrmals für Manne, der über minimale Begleitung sein eindrückliches, melodisches Trommelspiel demonstriert.
„Alternation“ stammt von Giuffre und ist eine atonale Komposition, die völlig kontrapunktisch ist – Harmonien und Akkorde ergeben sich bloss aus den verschiedenen Linien, Giuffre hat damit quasi die jazz-übliche Gewohnheit, Melodie auf Harmonie basieren zu lassen, auf den Kopf gestellt. Auch sein Stück ist zumindest teils in Rondo-Form geschrieben. Zudem spielen auch Piano, Bass und Drums hier Melodien und keine eigentliche Begleitung. Auch Giuffre nennt übrigens Wesley La Violette in seinem Kommentar.
Die zweite Session (mit Ollie Mitchell und Marty Paich anstelle von Fagerquist und Freeman – die CD vertauscht hier die Angaben!) öffnet mit „Divertimento for Brass & Rhythm“ von Bob Cooper. Die Struktur ist hier die simpelste, das ganze hört sich jedenfalls für einmal viel weniger komponiert an.
Es folgt Bill Holmans „Lullaby“, das die direkte Einfachkeit eines Kinderliedes zu imitieren versucht. Zum Abschluss hören wir „Etude de Concert“ von Jack Montrose, das zweite lange Stück des Albums. Das Piano präsentiert zu Beginn den Kern des thematischen Materials, aus dem sich die Musik dann entwickelt.
Die ganzen Aufnahmen sind völlig überambitioniert und funktionieren nur teilweise, aber Rogers‘ Stück gehört zu den gelungeneren, weil es die Musik immer wieder aufbricht und Manne so viel Raum gibt. Die CD-Ausgabe (OJCCD-1910-2) enthält als Bonus die titelgebende, von Bill Smith komponierte und gespielte Suite des Albums „Concerto for Clarinet & Combo“ vom Juni 1957, an der Rogers nicht beteiligt war (ob der Rest des Albums irgendwo als CD-Bonustracks angehängt wurde, weiss ich nicht).Im September 1954 nahm Manne seine dritte und vierte 10″-LP für Contemporary auf. Zuerst erschien „Shelly Manne & Russ Freeman“, das am 14. im Duo entstand, gefolgt von „The Three“ vom 10. September. Die drei waren Shorty Rogers (t), Jimmy Giuffre (cl,ts,bari) und Manne (d). Die beiden Sessions wurden auf CD gemeinsam unter dem Titel „The Three“ & „The Two“ veröffentlicht.
Die Musik, die in dieser unorthodoxen Besetzung entstand, macht grossen Spass. Giuffre und Rogers haben viel Freiraum, begleiten einander auch, umschlängeln sich – und ob das nun in Rondo-Form geschieht oder in Free-Form, ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal, denn hier funktioniert die Musik ganz jenseits von Konzepten sehr gut und macht grossen Spass.
Dennoch ein paar Anmerkungen (eng nach Lester Koenigs Liner Notes): Rogers‘ „Three on a Row“ ist sein erster Versuch mit Zwölftonmusik, die ursprünglichen Ton-Reihe wird im Stück insgesamt in zwölf Variationen gespielt, manchmal schnell, manchmal langsam. „Pas de Trois“ ist das Rondo (von Giuffre, der eine Vorliebe für diese Form hatte), in dem Mannes Trommeln einmal mehr als Melodie-Instrument eingesetzt werden.
„Flip“, der Opener, ist Mannes erste aufgenommene Komposition, zweistimmig mit Kontrapunkt und kanon-artigen Passagen. Das Stück swingt und lässt den Bläsern Raum zum Solieren.
„Autumn in New York“ und „Steeplechase“ (mal wieder Charlie Parker) sind Stücke, die die drei auch mit den Giants live gespielt haben, die Improvisationen beruhen hier auf den herkömmlichen Strukturen der Stücke. Manne spielt in „Autumn…“ ein tolles Drum-Solo, das nie die Balladen-Stimmung verleugnet – anscheinend sein erster Versuch, in einer Ballade zu solieren.
„Abstract No. 1“, das sechste und letzte Stück des Albums, ist eine völlig freie Improvisation, ohne Melodie oder harmonische Struktur – Rogers dazu:It’s the product of extreme team work, keeping our ears open all the time, listening to each other, sequencing and complementing each other’s ideas. We’ve worked together so long we’ve developed the ability to improvise arrangements or abstracts.
Mit Jack Sheldon, Ralph Peña und Artie Anton nahm Giuffre 1955 sein zweites Capitol-Album („Tangents in Jazz“) auf, die Musik, die dort zu hören ist, entfaltet einen ähnlichen Zauber… dieselbe Gruppe war schon auf der dritten Session seines ersten Capitol-Albums („Four Brothers“) zu hören. Der Rest davon wurde mit Westküstenjazzern eingespielt: Sheldon, Freeman, Counce und Manne auf der ersten, Rogers, Sheldon, Enevoldsen, Shank, Peña und Manne auf der zweiten Session. Allerdings wurde da auch wieder zuviel versucht und das Ergebnis war weniger befriedigend – eben auch überambitionierter West Coast Jazz, der nie recht abhebt.
1962 spielte Rogers noch einmal mit Shelly Manne und zwar auf dessen Album „My Son the Jazz Drummer“ (das als CD später mit demselben Foto und ähnlichem Cover-Design als „Steps to the Desert – Modern Jazz Variations of Favorite Jewish and Israeli Songs“ aufgelegt wurde – das Original-Cover kann man z.B. hier sehen).
Manne war in der Zwischenzeit zum altgedienten Bandleader geworden, hatte für Contemporary eine lange Reihe toller Alben eingespielt mit Sidemen wie Richie Kamuca, Charlie Mariano oder Herb Geller (sax), Joe Gordon oder Conte Candoli (t), Victor Feldman (p,vib) und/oder Russ Freeman (p) und dem lange Jahre treuen Bassisten Monty Budwig (der 1961 vorübergehend von Chuck Berghoefer ersetzt wurde).
Im Jahr 1962 nahm Manne aber nicht mit den „Men“ auf sondern etwa im Duo mit Jack Marshall, fürs neue Renommierlabel Impulse mit Sidemen wie Coleman Hawkins, Eddie Costa oder Hank Jones (das tolle Album hiess „2, 3, 4“, weil Manne im Duo, Trio und Quartett zu hören war) und auch mit Bill Evans („Empathy“, ein Verve-Trio-Album mit Budwig am Bass). Ende Jahr folgte dann das allerletzte Contemporary-Album mit Shorty Rogers (t,flh), Teddy Edwards (ts), Victor Feldman (p,vib), Al Viola (g) und Monty Budwig (b). Die Band spielt Stücke wie „Hava Nagila“, „Bei mir bist du schoen“, das Thema des Filmes „Exodus“ oder „My Yiddishe Momme“. Das mag seltsam anmuten, macht aber grossen Spass, zumal Teddy Edwards und Victor Feldman hervorragend gelaunt sind und auch Shorty Rogers in diesem Umfeld etwas Abwechslung von seiner eigenen, mittlerweile fast ausschliesslich auf Konzept-Alben fixierten musikalischen Tätigkeit erhält.
Lester Koenig schreibt in seinen Liner Notes:There is great variety in Jewish music. Some of it is melancholy, with an Oriental cast; much of it is gay and lively, rich in rhythmic feeling, in the tradition of the rustic folk dance; it is also music of the cities, complex in harmony, and structure. In Israeli music vigorous songs celebrate the pioneer life, the irrigation and reclaiming of desert lands; and there are dances of celebration and songs of love as well. Jewish music has also indirectly enriched American popular music; many famous songwriters are Jewish – Gershwin, Berlin, Kern, Rodgers, Arlen – and the latter was the son of a cantor.
Die Arrangements stammen zum Teil von Rogers, aber auch Lennie Niehaus („Bei mir bist du schoen“, „Bokrei Lachish“ und „Orchah Bamidbar (Steps to the Desert)“), Victor Feldman („Tzena“) und Teddy Edwards („Die Greene Koseene“) haben mitgeholfen. Nach meinem Empfinden ist das Ergebnis hervorragend und markiert zu Mannes (vorübergehenden) Abgang bei Contemporary nochmal, wie toll seine Musik sein konnte, wenn er mit den richtigen Leuten spielte – was in den folgenden Jahren eher selten der Fall sein sollte (die Ausnahme war 1966/67 die Gruppe mit Conte Candoli, Frank Strozier, Freeman bzw. Mike Wofford und Budwig).
Irgendwann brauchen wir auch einen Shelly Manne Thread hier… der grosse Anspieltipp sind jedenfalls die fünf Volumes von „Live at the Blackhawk“, gefolgt von den beiden „Live at the Manne-Hole“ und dann wohl schon bald „Steps to the Desert“…
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #156 – Benny Golson (1929–2024) – 29.10.2024 – 22:00 / #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.de„The Last Waltz“: So viel Harmonie war nie wieder
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WerbungEin kleiner Nachtrag zu The Wild One…
Die Fresh Sound CD The Wild One + Private Hell 36 – Jazz Themes from Two Great Movies (2005 – Infos und Tracklist) enthält sowohl die Shorty Rogers-Version (#1-4) als auch die Leith Stevens-Version (#5-12) von „The Wild One“.
Rogers spielt auch in Leith Stevens‘ Orchester mit, neben Maynard Ferguson (t #5,7,11,12) bzw. Milt Bernhart (tb #6,8,9,10), Bud Shank (as,ts), Bob Cooper (ts), Jimmy Giuffre (ts,bari), Russ Freeman (p), Carson Smith (b) und Shelly Manne (d). Shank und auch Rogers glänzen mit einigen schönen Soli (die Tenorsolisten sind nicht so einfach zu identifizieren), die Musik kickt etwas weniger als die gross besetzten unter Rogers‘ Leitung.
Neben den beiden Sessions für „The Wild One“ (bzw. „Hot Blood“) von 1953 findet sich auch eine 1956er Session von Leith Stevens (#13-16), wieder mit Rogers (t), Bernhart (tb), Cooper (ts), Giuffre (bari), Shank (bass-sax) sowie Herb Geller (as) und anderen. Woher diese Session genau stammt, ist mir unklar. Das Cover-Foto stammt von dieser Session, Shanks Bass-Sax ist am rechten Bildrand zu sehen.
Weiter enthält die CD Musik von „Private Hell 36“, ebenfalls von Leith Stevens eingespielt, dieses Mal mit einer vollen Big Band mit viel Blech (inkl. John Graas am Horn und Paul Sarmento an der Tuba), u.a. mit Rogers, Bernhart, Enevoldsen, Lennie Niehaus, Giuffre, Bob Cooper, Bob Gordon, Bud Shank, Pianist Claude Williamson sowie Shelly Manne.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #156 – Benny Golson (1929–2024) – 29.10.2024 – 22:00 / #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaDie 4 Titel vom 2. April 1956 stammen aus einer Sitzung, um die 10′ des Original-Scores zur 12′-LP aufzufüllen.
Die 10′-LP hatte die DECCA-Nr. DL-5515, übrigens mit ROGER SHORT an der Trompete.
Auf meiner (japanischen) DECCA-Version der DL-8349 sind dann alle 12 Titel vereint. Bei der Einspielung vom 2. April 1956 ist dann auch SHORTY ROGERS an der Trompete.Manchmal konnte man sich durch den Kauf einer EP die zusätzlichen Titel zur 10′-LP kaufen. Leider klappte das nicht immer, die Plattenfirmen wußten schon, wie sie das zweite (oder, Thema Schellack, auch zum 3.) Mal abkassieren konnten.
Bei der COOL & CRAZY habe ich auch nur die THE BIG SHORTY ROGERS-EP zum „aufpeppen“ nachgekauft. Allerdings vor ca. 3 Jahren, bin ja doch nicht ganz so alt.--
Teddy Charles hat 1953 ein paar Sessions mit Exponenten des neuen West Coast Jazz aufgenommen. Im Februar spielte er mit Frank Morgan, Wardell Gray und Sonny Clark vier Stücke ein, die zuerst als „Teddy Charles West Coasters“ (Prestige EP 1307) und später als Teil von „Wardell Gray Memorial, Vol. 1“ (Prestige LP 7008) erschinen.
Im Mai finden wir ihn neben Stan Getz als Gast auf einem Mitschnitt von Howard Rumseys Lighthouse All-Stars (Bob Cooper, Jimmy Giuffre, Russ Freeman und Shelly Manne) und im August trat er mit Chet Baker, Shorty Rogers, Giuffre, Freeman, Howard Roberts, Curtis Counce und Manne im Carlton Theater in Los Angeles auf (eine Aufnahme davon scheint zu existieren, ich kenne sie leider nicht).Am 21. und 31. August 1953 stand Charles dann als Leader für Prestige in einem Studio in Los Angeles – mit ihm Shorty Rogers, Curtis Counce, Shelly Manne, sowie in der zweiten Session auch Jimmy Giuffre.
Die erste Session wurde auf der 10″-LP „New Directions Vol. 3“ (Prestige LP 164) veröffentlicht, die zweite erschien komplett auf „New Directions Vol. 4″ (Prestige LP 169). Für die 12“-LPs wurde die zweite aufgeteilt und zwei Stücke erschienen mit der ersten auf Collaboration: West (Prestige LP 7028), während die beiden anderen mit der Session vom 6. Januar 1955 mit J.R. Monterose und Charles Mingus (die zuerst als 10″-LP „Teddy Charles New Directions Quartet“ als Prestige LP 206 und New Jazz LP 1106 erschien) auf dem 12″-Album „Evolution“ landete.
Was für ein Durcheinander! Die frühen Prestige-Sessions von Charles sind auf der CD „New Directions“ zu finden („Teddy Charles and His Trio“, PRLP 132; „New Directions (Vol. 1): Teddy Charles Quartet“, PRLP 143; „New Directions (Vol. 2): Charles/Overton/Shaughnessy“, PRLP 150). Die mittlere der beiden wurde als Bonus aber auch auf die CD „Collaboration: West“ angehängt. Die zweite August-Session blieb auch im CD-Zeitalter gespalten.
Und wenn ich schon dabei bin: Vol. 5 der „New Directions“-Reihe ist später als die eine Hälfte von Bob Brookmeyers „The Dual Role Of Bob Brookmeyer“ wiederveröffentlicht worden,Also, auf jeden Fall stand Shorty Rogers am 21. August mit Charles, Counce und Manne zum ersten Mal im Studio. Rogers ist in Fahrt, Manne treibt schon im ersten Stück, „Variations on a Motive by Bud“ gehörig. Die Stücke stammen abgesehen von Rogers‘ „Wailing Dervish“ alle von Charles. Die Musik klingt transparent, Charles‘ Vibes nehmen viel weniger Raum als ein Piano, klingen leichter, was hervorragend passt. Die Besetzung dieses Quartetts gefällt mir jedenfalls mit diesen vier Leuten hervorragend!
Rogers‘ Dervisch hat in der Tat etwas von einem Tanz, wie sich die Linien von Vibes und Trompete verzahnen und zudem mit den immer dichteren Rhythmen von Manne zusammenkommen, das bereitet grosses Vergnügen! Derweil legt Counce einen flexiblen aber erdigen Boden am Bass, bricht aber auch immer wieder aus, lässt seine walking bass Linien in die Höhe schnellen und spielt auch ein schönes Solo.
Die Musik ist zudem auch hier wieder in vielfacher Hinsicht unkonventionell, spielt mir Formen und vor allem mit melodischen Möglichkeiten und der Tonalität. So wechselt das erste Stück (es beruht auf einer Figur, die Bud Powell mit der linken Hand spielte) kontinuierlich zwischen F und Gb über C als tonalem Zentrum. Das erzeugt Spannungen und erweitert die Musik harmonisch in Bereiche, die manche wohl als dissonant empfinden. Im „Wailing Dervish“ werden Ganztonleitern verwendet, in „Further Out“ sind das erste Trompetensolo und die kurzen Vibraphon-Einwürfe polytonal, der Hauptteil wird dann aber über einen einzigen Akkord gespielt mit einer polytonalen bridge. Auch das letzte Stück, „Etudiez le cahier“, erlaubt den Solisten grosse Freheit beim Improvisieren.Am 31. August fand die zweite Session statt, mit Jimmy Giuffres Tenor und Barisax als Ergänzung. Die ersten beiden Stücke landeten später auf „Evolution“ während die zwei letzten auf „Collaboration: West“ zu hören sind.
„Free“ stammt von Shorty Rogers und klingt stark nach Cartoon-Soundtrack mit Mannes Marsch-Trommel und der Linie, die auch von Raymond Scott stammen könnte. Die Gruppe klingt hier leicht und hell, nur Giuffres Tenorsolo und natürlich Counce‘ erdiger Bass bieten einen Gegenpol. „Evolution“ ist ein Stück von Jimmy Giuffre mit einer thematischen Konstruktion, die auf dem Thema aus drei Tönen beruht, die zum Auftakt zu hören ist.
Die beiden Stücke auf „Collaboration: West“ sind beides Charles-Originals. „Margo“ ist eine Art langsame Ballade, Charles spielt das Thema am Piano und wird von Giuffre einfühlsam begleitet. Das Stück ist sehr lyrisch, klingt aber dennoch harmonisch frisch.
„Bobalob“ ist aus zwei Takes zusammengesetzt, ein Stück, das spontan im Studio entstanden ist – mit Giuffre am Barisax.Hall Overton beschrieb die Musik von Charles (vermutlich in den Liner Notes zu „New Directions Vol. 4“, PRLP 169, teilweise wiedergegeben im CD-Booklet von „Collaboration: West“) wie folgt:
The elements that distinguish this music from standard jazz idioms are —
1. longer forms than the usual 32 bar song form
2. a much more varied type harmony (polytonality, 4th chords)
3. spontaneous counterpoint, whenever performers feel an extra melodic line fits
4. fluctuating tonal centersIt is important to note that the improvised portions on these sides match the written portions to the extent that it is often difficult to tell them apart. This is clear proof that the group understands in an intuitive, improvisational way, what it is doing and it marks an outstanding achievement in jazz of this type.
Hall Overton hatte übrigens schon 1953 auf der Session für „New Directions (Vol. 2)“ mitgewirkt und spielte später auch mit Teddy Charles‘ wohl tollster Band überhaupt, dem Tentett, das u.a. für Atlantic Aufnahmen machte.
Auch ein Teddy Charles-Thread wäre nicht falsch…
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Die 10′-LP hatte die DECCA-Nr. DL-5515, übrigens mit ROGER SHORT an der Trompete.
Auf meiner (japanischen) DECCA-Version der DL-8349 sind dann alle 12 Titel vereint. Bei der Einspielung vom 2. April 1956 ist dann auch SHORTY ROGERS an der Trompete.Manchmal konnte man sich durch den Kauf einer EP die zusätzlichen Titel zur 10′-LP kaufen. Leider klappte das nicht immer, die Plattenfirmen wußten schon, wie sie das zweite (oder, Thema Schellack, auch zum 3.) Mal abkassieren konnten.
Bei der COOL & CRAZY habe ich auch nur die THE BIG SHORTY ROGERS-EP zum „aufpeppen“ nachgekauft. Allerdings vor ca. 3 Jahren, bin ja doch nicht ganz so alt.Danke für die zusätzlichen Infos!
Waren diese Aufnahmen denn in den Filmen zu hören, oder sind das Studio-Sessions derselben Charts, die nur für die LPs aufgenommen wurden?
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #156 – Benny Golson (1929–2024) – 29.10.2024 – 22:00 / #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaDa war der Film kam Ende ’53, Anfang ’54 in die US-Kinos, die letztlich dritte session für die Platte war ja 2. April 1956. Vielleicht hatte Leith Stevens die Kompositionen auf Halde und hat sie höchstens noch mal umbenannt.
Vor ein paar Jahren hätte ich über einen Freund mal Herb Geller fragen lassen können. Der kennt da viele Geschichten, ich hatte mir mal die ungefähre Besetzung zu den jazzigeren Stücken der JAMES DEAN-STORY (Capitol) geben lassen, da war er ja auch beteiligt. Fantastisches Gedächtnis für Anekdoten usw. Stimmte dann auch, mit dem booklet der späteren CD-Version konnte man die Besetzung vergleichen. Perfekt. Aber die Verbindung gibt es leider nicht mehr.--
Shorty Rogers hat auch am Soundtrack von „A man and his golden arm“ mitgearbeitet.Einen Film von Otto Preminger mit Sinatra!
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tejazzDa war der Film kam Ende ’53, Anfang ’54 in die US-Kinos, die letztlich dritte session für die Platte war ja 2. April 1956. Vielleicht hatte Leith Stevens die Kompositionen auf Halde und hat sie höchstens noch mal umbenannt.
Dass die 1956er Session nicht vom Film ist, ist natürlich klar.
Was ich fragen wollte war, ob die 1953er Sessions (Rogers und/oder Stevens) wirklich die Soundtrack-Sessions sind, oder ob es sich dabei um Platten-Sessions handelt, in denen die Musik vom Soundtrack für Platten-Veröffentlichungen handelt.--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #156 – Benny Golson (1929–2024) – 29.10.2024 – 22:00 / #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaEntschuldigung! Hätte ich drauf kommen können.
Ich hatte vor 7, 8 Jahren auch mit einem Freund darüber gesprochen. Das Thema ist auf jeden Fall mit Streichern unterlegt und das Tempo etwas anders. Aber im Film sind dann Musikschnipsel, die durchaus von der Jazzsession stammen können. Wir hatten seine DVD auf schnellen Vorlauf ein wenig geguckt, es ging uns nur um die Musik. Wir verblieben, daß man sicher ein paar Ausschnitte verwendet hatte. Vielleicht steht im booklet der CD etwas dazu?
Den Film habe ich nicht bei der Hand, sonst würde ich ihn glatt einlegen.Die PRIVATE HELL-Platte erschien übrigens mit den 4 später eingespielten Titeln als JAZZ THEMES FROM COPS AND ROBBERS. Das cover der LP kommt für mich nicht an die 10′-Version heran, die auch die Fresh Sound-LP ziert.
Ja, bei MAN WITH THE GOLDEN ARM war Rogers auch dabei. Und Sinatra war auch als Schauspieler überzeugend! Film, Soundtrack und Preminger allgemein stehen bei mir außerhalb der Diskussion. Einfach KLASSE!
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tejazzEntschuldigung! Hätte ich drauf kommen können.
Ich hatte vor 7, 8 Jahren auch mit einem Freund darüber gesprochen. Das Thema ist auf jeden Fall mit Streichern unterlegt und das Tempo etwas anders. Aber im Film sind dann Musikschnipsel, die durchaus von der Jazzsession stammen können. Wir hatten seine DVD auf schnellen Vorlauf ein wenig geguckt, es ging uns nur um die Musik. Wir verblieben, daß man sicher ein paar Ausschnitte verwendet hatte. Vielleicht steht im booklet der CD etwas dazu?
Den Film habe ich nicht bei der Hand, sonst würde ich ihn glatt einlegen.Die PRIVATE HELL-Platte erschien übrigens mit den 4 später eingespielten Titeln als JAZZ THEMES FROM COPS AND ROBBERS. Das cover der LP kommt für mich nicht an die 10′-Version heran, die auch die Fresh Sound-LP ziert.
Ja, bei MAN WITH THE GOLDEN ARM war Rogers auch dabei. Und Sinatra war auch als Schauspieler überzeugend! Film, Soundtrack und Preminger allgemein stehen bei mir außerhalb der Diskussion. Einfach KLASSE!
Hab grad eine lange Antwort verloren, weiss nicht, was derzeit läuft, aber das Forum und meine Internet-Verbindung sind keine Freunde.
1) kein Grund zur Entschuldigung, ich hab mich auch nicht besonders klar ausgedrückt.
2) die zusätzlichen Stücke zu „Jazz Themes…“ waren aber andere (also nicht jene vom April 1956, die als Erweiterung zu Stevens‘ „The Wild One“ eingespielt wurden.
3) Die Cover:
(Coral CRL56122 und CRL57283)
4) Leider gibt’s in den Liners der Fresh Sound CD (von Jordi Pujol, ausführlich und gut, aber mehr zu Stevens allgemein als zur Musik auf der CD) keine Details… es heisst aber da zur Rogers-Session „Four of the jukebox tunes from ‚The Wild One‘ were first recorded by Shorty’s own 19-piece band and issued on a 7-inch single by RCA Victor, still with the original title ‚Hot Blood‘. These large orchestra tracks were the first recordings of its genre appearing in a movie, and the beginning of a jazz tendency in dramatic films.“
Das ist aber auch schon alles… wenn ich das lese, stelle ich mir Szenen vor, in denen Brando oder sonstwer zur Jukebox läuft und dann diese Musik erklingt? Kannst Du Dich an sowas erinnern? Kann auch sein, dass Pujols mittelprächtiges Englisch da auf den Holzweg führt, wer weiss…5) Ja, „The Man with the Golden Arm“ ist ein toller Film! Shelly Manne ist ja der Drummer und einmal mehr sehr toll, was er da zusammengespielt hat!
6) Off-Topic: mir kam noch „Sweet Smell of Success“ in den Sinn – toller Soundtrack von Elmer Bernstein, Mitwirkung von Chico Hamiltons Quintett. (Mehr dazu hier.)
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Nebenbei hatte ich entdeckt, daß von 8 der 12 Stücke des STACCATO-Soundtracks die Besetzungsangaben in meiner letzten Bruyninckx-Version enthalten sind und diese kopiert und ausgedruckt.
Man sollte nicht so viel auf einmal machen.
Der Soundtrack ist übrigens auch nicht schlecht. Und ist nun auch seit einiger Zeit auf CD erhältlich.Noch ’ne interssante Sache: Franz Waxman’s CRIME IN THE STREET. Zum Teil eher nach klassischer Waxman-Art gestaltet, aber eben auch starker Jazzeinfluß. Wirkt etwas mehr konstruiert, ist aber durchaus packend.
Da ich Waxman sowieso mag, paßt die Platte sowohl als auch in meine Sammlung.--
Ich glaub wir brauchen einen „Crime Jazz / Jazz in the Movies“-Thread
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Shorty Rogers wurde übrigens als Milton Michael Rajonski in Lee, Mass. geboren. Sein Vater Abraham stammte aus Bessarabien (dem Landstrich zwischen Pruth und Dnjestr, der heute zur Ukraine, Moldavien und dem Verbrecherstaat*) Transnistrien gehört. Rogers‘ Mutter Anna Sevitsky kam aus Pinsk (im Süden des heutigen Weissrussland gelegen). Der junge Milton Rajonsky sass oft im Schneiderladen seines Vaters herum. Als er fünf Jahre alt war, brachte ein Angestellter seines Vaters ihm ein Kornett mit. Milton spielte in den folgenden Jahren in verschiedenen drum and bugle corps.
Zum Jazz fand er über Benny Goodman-Platten, die seine Schwester Eve hörte. Er hörte sich Soli von Bunny Bergian und Harry Edison an und kopierte diese, phonetisch gewissermassen, als Autodidakt. Später besuchte er eine die High School of Music and Art, die er 1942 abschloss und sofort mit Will Bradleys Band loszog. Schon damals lernte er Shelly Manne kennen – eine Freundschaft, die 42 Jahre dauern sollte.Nach Bradley folgte ein Engagement bei Red Norvo. Rogers‘ Schwester Eve wurde in den 40ern übrigens zu Norvos Ehefrau (nachdem dieser sich endgültig von Mildred Bailey befreit hatte). Bis Mai 1943 spielte Rogers mit Norvo, dann folgte die Armee bis 1945 und während eines Urlaubs seine ersten Platten-Sessions mit Cozy Coles Septett für Keynote (2. Februar) und am 9. Juni dann die Aufnahme eines Konzerts in der Town Hall mit Norvo (Commodore).
Nach der Entlassung aus der Armee im September 1945 fand Rogers einen Platz in Woody Hermans first herd, als Ersatz für Conte Candoli, der in die Armee musste. Neben ihm bestand das Trompetenregister aus Sonny Berman, Neal Hefti, Irv Lewis und Pete Candoli. Auch Red Norvo war in der Band, und Shorty steuerte bald erste Arrangements und Kompositionen bei, darunger „Igor“ und „Nero’s Conception“ (erstgenanntes öffnet die JSP-Box). Daneben nahm er im Januar 1946 mit Kai Winding für Savoy und mit Benny Carters Big Band für Deluxe auf und arrangierte vier Stücke für Bill Harris‘ Dial-Session vom 21. September 1946.
Im Dezember löste Herman seine herd auf, Rogers ging für sieben Monate zu Charlie Barnet, es existieren aber keine Solos oder Arrangements von ihm aus dieser Zeit. Im Sommer wechselte er zu Butch Stone, einem Novelty-Sänger. In dessen Band traf er Herbie Steward und Stan Getz – die paar Aufnahmen der Gruppe kenne ich nicht, aber es gibt auf „Hey Sister Lucy“ ein Rogers-Solo zu hören.
1947 hatten sich Rogers und seine Frau Marge in Los Angeles niedergelassen und beschlossen, ihren Namen zu amerikanisieren. Sie hiessen jetzt offiziell Rogers. Im Herbst gründete Woody Herman wieder eine Band – die erstaunliche, vom Bebop geprägte second herd – und Rogers war einer der fünf Musikern, die aus der alten Band übernommen wurden. Er blieb die ganze Zeit, in der diese Gruppe existierte, dabei, vom Oktober 1947 bis zum Dezember 1949. Er schrieb viele Kompositionen und Arrangements, teilweise gemeinsam mit Ralph Burns und Terry Gibbs, darunter „Keen and Peachy“, „Lemon Drop“, „Keeper of the Flame“, „More Moon“,“Lollipop“ und andere (die genannten sind alle auf Rogers‘ JSP-Set nachzuhören). In dieser Zeit arrangierte Rogers auch weiterhin für andere Musiker, etwa Benny Goodman (die Combo mit Wardell Gray und Stan Hasselgard), Serge Chaloff und Terry Gibbs (auf der New Jazz Session von Gibbs spielte er auch mit).
Im Dezember, nachdem Herman seine Band auflöste, ging Rogers zu Stan Kenton, der grad im Begriff war, sein Innovations in Modern Music Orchestra zu gründen, das 1950-51 für Capitol eine Reihe bahnbrechender Aufnahmen machte. Rogers traf da nicht nur wieder auf Shelly Manne sondern auch auf Musiker wie Bud Shank, Art Pepper, Bob Cooper, Bill Russo und Milt Bernhart. Auch hier steuerte er einige Arrangements und Kompositionen bei, darunter „Jolly Rogers“, „Round Robin“, „Viva Prado“, „Art Pepper“, „Coop’s Solo“, „Jambo“, „Sambo“, „Nice Work If You Can Get It“ und andere (die ersten vier genannten sind in der JSP-Box zu hören). Er arrangierte ebenfalls eine Session für June Christy (darüber hab ich oben schon kurz geschrieben) und war an einer Maynard Ferguson-Session beteiligt („Short Wave“ ist daraus auf der JSP-Box zu hören).
Soweit zur Vorgeschichte… aber jetzt rasch vorwärts ins Frühjahr 1955.
Am 1. und 3. März 1955 stand Shorty Rogers zum ersten Mal im Studio für sein neues Label Atlantic, mit dem er einen Jahresvertrag abgeschlossen hat. Wie schon erwähnt fanden die ersten Aufnahmen mit der working group statt: Shorty Rogers (t), Jimmy Giuffre (ts,bari,cl), Pete Jolly (p), Curtis Counce (b), Shelly Manne (d).
Todd Selbert beschreibt die Musik des Quintetts sehr kurz und treffend in seinen Liner Notes zu „The Complete Atlantic and EMI Jazz Recordings of Shorty Rogers“:Those with ears should come away with the realization that this was one cooking little quintet, with Shorty’s originals, reworking of standards […], and playing, the interplay of Rogers and Giuffre, Giuffre’s gritty tenor and lusty baritone solos and his unique chalumeau register playing on clarinet, Jolly’s romping solos and solid comping, Counce’s strong backbone, and Manne’s excquisite all-around drumming.
Manne ist schon in „Isn’t It Romantic“ sehr präsent, wie immer, und begleitet Rogers‘ spannendes Solo engagiert und enorm musikalisch. Rogers selbst glänzt mit Ideen und Linien, wie üblich zumeist im mittleren Register, aber mittlerweile mit mehr smears und squeezed notes, was seinem Spiel in Sachen Expressivität zusätzlichen Schub gibt. Giuffre spielt hier Barisax. Auf „Not Really the Blues“ von Johnny Mandel ist Giuffre dann am Tenor zu hören. Das Stück ist überschwänglich, schnell, zupackend – Giuffre spielt etwas verhalten (er war ja ein ganz guter honker, was hier nicht so sehr zum Tragen kommt, wie das beim Thema zu erwarten gewesen wäre) aber konzentriert. „Martians Come Back“ ist ein ruhiges Stück mit viel stop and go. Manne glänzt mit seinem feinen Getrommel (teils von Hand gespielt?) und Giuffres Klarinette ist der Star – sein Sound hat so viel Soul, sein Ton ist luftig und doch rund, sehr weich und hier wirklich immer im tiefen (chalumeau) Register der Klarinette. Rogers und Jolly begleiten hie und da mit ein paar kurzen Einwürfen, später folgt dann ein Trompetensolo mit Dämpfer und auch wieder mit stop time – allerdings begleitet Jolly jetzt durchgängig, für seine Verhältnisse aber äusserst sparsam. Es folgt dann eine Art Rhythmusgruppen-Solo mit Einwürfen von Jolly, starkem walking bass von Counce und Mannes melodischem Getrommel. Ein wunderbares Stück!
In derselben Session entstanden swingende Einspielungen von Rodgers-Harts „My Heat Stood Still“ und Bernie Millers „Loaded“ (beide mit guten Rogers-Soli), den beiden Rogers-Originals „Oh Play That Thing“ (mit Basie-Anklängen, auch im Spiel von Jolly und einem weiteren tollen Klarinettensolo von Giuffre und mehr Rogers mit Dämpfer) und „Bill“ sowie dem „Twelth Street Rag“ (Bowman-Razaf) und „Lady in Red“ (Wrubel-Dixon).
In der zweiten Session vom 3. März entstanden vier weitere Stücke, alle von Rogers: „Trickleydidlier“, „Solarization“, „That’s What I’m Talkin‘ ‚Bout“ und „Michele’s Meditations“.
Einige dieser Stücke fanden nicht auf Rogers‘ erstem Atlantic-Album The Swinging Mr. Rogers Platz und erschienen später auf Way Up There (Solarization) und Martians Stay Home (Loaded, Bill, Twelth Street Rag, The Lady in Red).Pete Jolly war der Neuzugang, ein junger Pianist, der erst kürzlich nach Los Angeles gekommen war und Russ Freeman ablöste, der mit Chet Baker loszog (das Quartett war Bakers erste richtige working band soweit ich weiss, sie machten für Pacific Jazz eine lange Reihe schöner Aufnahmen). Marty Paich war zwischenzeitlich mal Pianist der Rogers-Gruppe, aber auch er war drauf und dran, seine Karriere richtig zu starten, und daher bald wieder weg. Jolly hiess eigentlich Peter Ceragioli, Rogers hatte 1952 mal im Lighthouse mit ihm gespielt, als Gitarrist Howard Roberts ihn dorthin mitgenommen hatte. Jollys spielt Bebop, mit guter Technik und exzellentem Rhythmusgefühl – das besondere an seinem Pianospiel ist allerdings der klare und grosse Sound, den er produziert. Die oben erwähnte Session für’s „East Coast – West Coast Scene“ Album war Jollys erste mit Rogers und führte zu einem RCA-Vertrag. Am 4. März, also am Tag nach der zweiten Atlantic-Session mit Rogers, nahm Jolly seine erste RCA-Session auf, wie auch jene vom 5. März im Trio mit Counce und Manne, für die dritte Session vom 6. März stiessen auch Rogers, Giuffre sowie Howard Roberts hinzu und Jolly spielte Akkordeon. Das resultierende Album hiess „Jolly Jumps In“ (RCA LPM-1105). An den drei folgenden Tagen stand Jolly erneut im Studio, dieses Mal aber im Duo mit Buddy Clark, im Trio mit Clark und Art Mardigan sowie im Quartett mit Clark, Mel Lewis und Bill Perkins. Das zweite Album hiess entsprechend „Duo, Trio, Quartet“ (LPM-1125).
In diesen Tagen entstand auch das Album „The Five“ (RCA LPM-1121), auf dem Perkins (ts), Jolly (p), Clark (b) und Lewis (d) mit Conte Candoli (t) in einem Dutzend Arrangements von Shorty Rogers zu hören sind, darunter Rogers-Originals (Perkin‘, I Dig Ed, Just for Judie, Forlock, I’ll Be in Scotland After You), eins von Jolly (Red Eyes) sowie ein paar Standards (Whistle While You Work, Beyond the Sea, Lullaby of the Leaves, Soft as Spring, If I Love Again, Pushin‘ Sand). Die Stücke sind allesamt kurz (das längste dauert gerade mal 3:14, das kürzeste 2:28) und lassen der tollen Band nicht sehr viel Raum – aber Candoli spielt mit Feuer, Perkins bietet den perfekten Gegenpol, Jolly explodiert in alle Richtungen… unklar ist, von wann die Aufnahmen stammen. Bruyninckx schreibt „c. March 9, 1955“, während Jordi Pujol in den Liner Notes zur Jolly-CD „Quartet, Quintet & Sextet“ eine andere Geschichte erzählt (sie versammelt die Quartett-Session von LPM-1125, das ganze „The Five“, die EP „Pete Jolly Sextet“, EPA-629, von deren vier Stücken drei auch auf LPM-1105 landeten, sowie ein einzelnes Stück von Jollys Auftritt an der „Stars of Jazz“ TV-Show im Juni 1956 [Bruyninckx sagt allerdings Juni 1957]).
Gemäss Pujol hätte Rogers mit zwölf Arrangements auftauchen sollen, hatte aber nur eins dabei und schrieb das zweite, während die Band das erste aufnahm, dann das dritte, als die Band beim zweiten war – und so ging es gemäss Pujol über drei Tage weiter, bis am Ende die zwölf Arrangements fertig und eingespielt waren. Als Daten gibt Pujol dann aber den 10. und 11. März an… kombiniert mit Bruyninckx‘ 9. März wären wir so bei drei Tagen, hätten also am 1. und 3. März die Atlantic-Sessions von Rogers, am 4., 5. und 6. März die Sessions für „Jolly Jumps In“, am 7., 8. und 9. die Sessions für „Duo, Trio, Quartet“ und am 9., 10. und 11. jene für „The Five“. Ist ja nicht so wichtig, aber auf jeden Fall ist Jolly förmlich explodiert an diesen ersten Tagen im Studio!_________________
*) Andrzej Stasiuk: „Ein alter Apparatschik verkleidet sich als amerikanischer Sheriff und kassiert den ganzen Einsatz.“ (aus: „Auf dem Weg nach Babadag“, Frankfurt am Main 2005, S. 152f.)
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #156 – Benny Golson (1929–2024) – 29.10.2024 – 22:00 / #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaIn den folgenden Monaten hat Rogers mit den Giants gespielt und zwischendurch auch mit Milt Bernhart aufgenommen und Arrangements für Dave Pell geschrieben. Es kam überdies zu einer weiteren Zusammenarbeit mit Andre Previn, auf einem Album von Previns Frau Betty Bennett. Erst im Herbst waren die Giants wieder für Atlantic im Studio.
In der Zwischenzeit hatte es personelle Veränderungen gegeben: Lou Levy (p) und Ralph Peña (b) waren an die Stelle von Jolly und Counce getreten (beide hatten Rogers verlassen, um ihre eigenen Bands zu gründen). Lou Levy war ein alter Gefährte aus der Herman-Band und hatte seine Wurzeln wie Jolly bei Bud Powell. Das Ergebnis der Sessions war zunächst das zweite Atlantic-Album Martians Come Back! (LP 1232), eines wurde fürs folgende Atlantic-Album Way Up There (LP 1270) aufgespart, die anderen Stücke vervollständigten die LP Martians Stay Home (K 50714), 1978 in England veröffentlicht wurde.
Rogers selbst wechselt in den Sessions zwischen der Trompete und dem Flügelhorn und spielt oft mit Dämpfern. „Papouche“ (von dem zwei Takes existieren, der Alternate Take erschien erstmals im Mosaic-Set) war der Übername von Robaire, dem Besitzer der gleichnamigen Restaurants. Er hatte Rogers – nachdem er zwei Jahre auf einem geliehenen Instrument gespielt hatte – sein erstes Flügelhorn aus Paris mitgebracht.
In der ersten Session am 21. Oktober wurden „Barbaro“ und „Martians Come Back“ versucht, von beiden wurden keine akzeptablen Masters erreicht. Am 26. Oktober fand die zweite Session statt, „Barbaro“ (es landete auf „Martians Stay Home“), „Planetarium“, „Martians Come Back“ undd „March of the Martians“ (es wurde auf „Way Up Home“, dem nächsten Atlantic-Album veröffentlicht) wurden eingespielt – alles Rogers-Originals. „Martians Come Back“ ist ein weiterer sparsamer Blues mit grossartigem Klarinettenspiel von Giuffre und Rogers mit Dämpfer und „slurs“ und diversen anderen Techniken, die den Ton verfremden. Levys Ton ist weniger voll als Jollys, sein Spiel etwas knackiger – mir persönlich gefällt er etwas besser. Counce mag der etwas bekanntere Bassist sein als Peña (er nahm schöne Alben für Contemporary auf, die auch unter Hardbop-Fans beliebt sein dürften), aber Peña war ein toller Bassist, der u.a. auch mit Jolly spielte und mit Giuffre bald nach diesen Sessions in dessen Jimmy Giuffre Three (mit Jim Hall) spielen sollte. Er hat einen schönen Ton, gutes Time und ist auch ein guter Solist (zu hören etwa auf „Martians Come Back“).
Am 29. Oktober wurde der Alternate Take von „Papouche“ eingespielt (wie gesagt erst 1989 von Mosaic veröffentlicht), die produktivste Session war dann jene vom 3. November, an der der Master von „Papouche“ sowie eine Reihe weiterer Rogers-Originals eingespielt wurden: „Martians Stay Home“, „Peals“ (beide auf „Martians Stay Home“), „Lotus Bud“ (auf „Martians Come Back!“), „Easy“ und „Amber Leaves“ (beide auf „Martians Stay Home“).
Die beiden Versionen von „Papouche“ sind grossartig, Giuffre ist am Barisax zu hören, Levy steuert grossartige Soli bei und Manne ist omnipräsent und umwerfend von Anfang bis Ende.
„Martians Stay Home“ ist ein weiterer toller Blues mit Giuffre an der Klarinette und starkem Bass von Peña. „Peals“ swingt im mittleren Tempo, Rogers und Levy spielen sehr schöne Soli, Manne begleitet fein mit Besen aber die Musik swingt enorm.
„Lotus Bud“ ist eine Neueinspielung der Ballade, die Rogers schon für Bud Shanks Nocturne-Album arrangiert hatte. Giuffre lässt seine Klarinette singen, Rogers stösst dann mit breitem, vibratolosen Ton dazu, während Giuffres Linien leiser werden – grossartige Idee, eine Art Kollektiv-Improvisatino über eine Ballade zu spielen! Levy folgt mit einem Solo, in dem sein Piano wärmer klingt, er gibt blumige Momente, aber auch leichte Dissonanzen – jedenfalls viele spannende Ideen. Mit „Amber Leaves“ endet die Session nachdenklich – und mit einem tollen Solo von Ralph Peña.Im Dezember war Rogers erneut dreimal in einem Studio in Los Angeles, um das dritte Atlantic-Album einzuspielen, Way Up There (LP 1270). Die Giants waren mit dabei, aber dieses Mal waren einige illustre Gäste dabei.
Die erste Session fand am 6. Dezember statt, ohne Giuffre aber mit Levy, Peña und Manne. Die Gäste waren allesamt Trompeter: Conte & Pete Candoli, Rogers‘ altes Vorbild Harry „Sweets“ Edison und Don Fagerquist. Es wurden drei Stücke eingespielt: „Serenade in Sweets“, „Astral Alley“ (beide auf LP 1232 und SD 1232) und „Pixieland“ (LP 1270).SD 1232 hiess Shorty in Stereo und trug zwar dieselbe Katalog-Nummer mit Stereo-Präfix (SD 1232) wie „Martians Come Back!“ (LP 1232), aber es enthielt keins der acht Stücke, die von den Oktober-Sessions auf LP 1232 landeten (und auch keins von „Martians Stay Home“). Stattdessen wurden die vier Stücke vom Dezember, die auf LP 1232 landeten, verwendet, und überdies zwei weitere Stücke von LP 1207). Das alles ist ziemlich verwirrend… ich kann keine verlässlichen Infos zur Tracklist von SD 1232 finden, die Mosaic-Diskographie und auch Bruyninckx geben nur sechs Stücke an: Serenade in Sweets, Astral Alley (1955-12-06), Baklava Bridge, Chant of the Cosmos (1955-12-09), Dickie’s Dream, Moten Swing (1955-12-16). Das ist etwa eine halbe Stunde Musik und auch für ein Atlantic-Album eher kurz. Am Stereo liegt das auch nicht, denn SD 1232 erschien soweit ich sehen kann erst 1956, da lagen 40 Minuten wohl auch schon drin?
Hm, doch… gemäss Cuscunas „Producer’s Note“ am Ende des Mosaic-Booklets fanden sich in der Tat nur sechs Stücke auf der Stereo-LP – und das sind auch die einzigen in Stereo veröffentlichten Aufnahmen aus Rogers‘ Atlantic-Zeit (obschon die Dezember 1955 und März 1956 Sessions alle in Stereo aufgenommen wurden).Aber zurück zur Musik: „Serenade Sweets“ kommt aus der Basie-Tradition, Sweets spielt unverkennbar das Intro, dann spielt die section ein Blues-Riff. Die Soli: Shorty (flh), Conte, Sweets, Fagerquist. Nach Levy ist auch Peña wieder zu hören.
„Astral Alley“ ist ein grossartiges Stück, klassisch Shorty Rogers. Die Soli: Rogers (t), Conte, Fagerquist, Sweets (mute). Auf „Pixieland“ glänzen die Trompeter mit tollem Ensemble-Spiel, Rogers soliert erneut auf dem Flügelhorn, gefolgt von Conte Candoli, Sweets, Fagerquist und dem einzigen Solo von Pete Candoli (der eher ein Section- und Lead-Trompeter als ein Solist war). Die Stücke sind weder muskelprotzige Battle noch eintöniger Trompetenbrei, und das ist Rogers‘ geschickter Hand beim Arrangieren zu verdanken.
Die zweite Session fand am 9. Dezember statt, dieses Mal mit den kompletten Giants und den Gästen Bob Enevoldsen (vtb), John Graas (frh), Paul Sarmento (tuba) und Bud Shank (as) – es ergibt sich wieder einmal ein Nonett, die Formation, mit der Rogers schon 1951 und 1953 klassische Aufnahmen gemacht hat. Rogers‘ Künste als Arrangeur haben sich seiter gesteigert, es gibt mehr Texturen und Farben, tiefere Erkundungen des Klanges. Die Session profitiert zudem enorm von den hervorragenden Soli der beteiligten Musiker. Rogers spielt hier übrigens nur Flügelhorn.
Die Stücke: „Wail of Two Cities“ (LP 1270), „Baklava Bridge“ (LP 1270 und SD 1232) und „Chant of the Cosmos“ (LP 1232, SD 1232) – erneut alles Rogers-Originals.
Auf „Wail of Two Cities“ ist Levy anfangs mit Basie-artigen Einwürfen zu hören. Giuffre spielt hier Tenor, expressiver als sonst, mit einem angedeuteten Vibrato. Rogers, Enevoldsen und Shank sind in der ganzen Session in Höchstform. Im ersten Stück sind auch Levy und Peña solistisch zu hören. „Baklava Bridge“ swingt und stottert vor sich hin. Giuffre öffnet den Solo-Reigen mit einem grossartigen Barisax-Solo. Es folgen Shank, Rogers, dann beginnt Enevoldsen mit einem kurzen Break. Es folgen Graas, Levy und nach einem Ensemble-Interlude noch kurz Peña, der das Stück auch ausklingen lässt.
Das Highlight von „Chant of the Cosmos“ ist Giuffres soul-volles Klarinettensolo. Schon im Ensemble ist er zu hören und gibt dem verspielten Thema einen etwas anderen Klang. Sein Solo ist grossartig und kulminiert gegen Ende mit „Luft-Breaks“, in denen er keine richtigen Töne mehr bläst sondern nur Luft, während er verschiedene Töne greift – vom Solo zum Verschwinden… Rogers folgt und bald setzt auch das Blech mit Begleit-Riffs ein. Dann folgt Levy und das Stück klingt langsam und luftig aus. Grossartig!
Am 15. Dezember brachte Rogers die Giants ins Studio, um Musik für den Film „The Man with a Golden Arm“ einzuspielen – in der Szene, in der Sinatra sich als Drummer für die Band bewirbt und mit ihnen zur Probe spielt, sind sie auch im Film zu sehen.
Am Tag darauf folgte die dritte Session für Atlantic. Das Resultat waren vier Stücke, in wieder neuer Besetzung: Giuffre war erneut abwesend, Pete Jolly und Leroy Vinnegar erstetzten Levy und Peña, die weiteren Gäste waren Edison und Shank sowie Barney Kessel an der Gitarre. „Dickie’s Dream“ (LP 1232, SD 1232) und „Moten Swing“ (LP 1270, SD 1232) betonten erneut die Basie-Connection (die hier ja mit Edison sowieso schon gegeben ist). Es folgten zwei Blues von Rogers, „Blues Way Up There“ und „Blues Way Down There“ (beide LP 1270). Die beiden Trompeter sind einfach genug auseinanderzuhalten. Shank spielt in allen vier Stücken tolle Soli, Kessel glänzt in „Moten Swing“ (von Basie und Lester Young) und „Blues Way Up There“ und Jolly ist all over the place, wie man es von ihm kennt. Vinnegars Bass bildet ein erdiges Fundament, sein Solo in „Dickie’s Dream“ (von Basie und Bennie Moten) besteht – wie bei ihm meistens – nur aus walking bass-Linien.Im März 1956, etwas über ein Jahr nach Beginn der Atlantic Sessions, wawren Rogers und seine Mannen noch zweimal im Studio, um ihr letztes Atlantic-Album einzuspielen, Clickin‘ with Clax. Auch dieses Album erschien erst 1978 und nur in England. Atlantic war 1976, als die Aufnahmen (auch jene von „Martians Stay Home“) entdeckt wurden, nicht daran interessiert, diese Sessions zu veröffentlichen, auch die japanischen, englsichen, schwedischen und deutschen Ableger von Atlantic waren nicht willens, die Veröffentlichung zu übernehmen. Schliesslich konnte Atlantic UK 1977 überredet werden. Während der Vorbereitungen brannte das Lagerhaus nieder, in dem die Bänder der englischen Atlantic lagerten – glücklicherweise waren die Rogers-Bänder zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr dort.
Neben Giuffre, Levy, Peña und Manne ist auf den acht Stücken eine Sax-Section zu hören, die aus Herb Geller (as), Bud Shank (as,bari,bsx) und Bill Holman (ts) besteht. Ein paar Stücke wurden für diese Besetzung neu arrangiert, aber „Toyland“, „Adam in New York“, „Put the Goodies On“ und „Our Song“ sind neue Kompositionen, die extra für diese Aufnahmen geschrieben wurden.
Vier Stücke wurden am 27. März 1956 eingespielt. „Toyland“, der Opener, ist fröhlich und swingt. Kurze Statements von Rogers, Geller, Levy, Holman, Giuffre und nochmal Levy bereiten das Thema vor, das Rogers über viel tiefem Holz präsentiert. Dann folgen längere Soli von Geller, Rogers, Holman (sehr Pres-like), Shank (as), Giuffre (mit luftiger Klarinette) und Levy sind die Solisten.
„I Dig Ed“ ist ebenfalls ein swingendes Stück, aber leichteren Charakters. Die Soli hier sind von Giuffre (wieder Klarinette, wieder toll) und Shank (ganz exquisit, am Altsax), dann folgen kurze Statements von Holman, Rogers, Geller und Levy. Das Stück war übrigens schon auf den Sessions von „The Five“ zu hören.
Herb Geller steht im Mittelpunkt von „Adam in New York“, Giuffre spielt dann ein erdiges Barisax-Solo, bevor Band kurz rifft, bevor Holman, Rogers und Levy mit ihren Soli folgen.
Das Titelstück ist dem Photographen William Claxton gewidmet. Pete Jolly hatte es im Vorjahr bereits für sein zweites Album „Duo, Trio, Quartet“ aufgenommen. Rogers, Geller, Holman, Giuffre (ts), Shank (as), Levy und Manne künden mit kurzen Statements das Thema an. Dann folgt ein tolles Solo von Geller (mit „You Make Me Feel So Young“-Zitat) und Soli von Holman, Rogers und Giuffre (am Tenorsax). Es folgt Shank mit einem weiteren grossartigen Solo, in dem Levy sich schon bereit macht für sein eigenes gutes Solo. Zum Ende soliert der Leader und mit etwas über sieben Minuten endet das längste Stück der Sessions.
Drei Tage später, am 30. März, folgte die letzte Atlantic-Session von Rogers in derselben Besetzung und mit vier weiteren Originals. „Put the Goodies On“
ist ein einfaches Blues-Riff – die Solisten sind: Geller, Holman, Rogers, Giuffre (bari), Shank (as) und Levy.
„Our Song“ ist gelassenes Mid-Tempo Stück. Geller spielt ein bittersüsses erstes Solo, dann folgen Rogers, Holman (sehr lyrisch), Shank (as), Giuffre (cl) und Levy.
„Pete’s Meat“ ist Pete Jolly gewidmet und wurde schon auf seinem Debut-Album „Jolly Jumps In“ (mit Rogers) veröffentlicht. Es startet mit einem kleinen Piano-Intro, die Solisten sind dann: Giuffre am Tenor, nach einem kurzen Interlude Geller, dann Rogers, Holman, Shank (bari) und Levy.
„Mike’s Peak“ wurde zuvor von Dave Pells Ensemble eingespielt. Die Soli stammen von Holman, Shank (bari), Rogers, Giuffre (ts), Geller und Levy.Mit diesen schönen Aufnahmen endet das Jahr, das Rogers bei Atlantic verbrachte auch bereits. Das Highlight für mich ist wohl die Nonett-Session von „Way Up There“, aber auch die langen Giants-Sessions vom März und Oktober/November 1955 sind voller grossartiger Momente. Überhaupt fällt auf, dass Rogers‘ Musik in jener Zeit konstant auf hohem Niveau war und die Ergebnisse seiner Sessions sehr konstant waren.
Rogers kehrte nach einer kurzen Pause im Sommer zu RCA zurück, wo er als bis 1961 elf Alben aufnehmen sollte. Das erste war „Wherever the Five Winds Blow“ und als er es am 2. Juli aufnahm, war noch keine der Atlantic-LPs erschienen.
Im April 1961 verliess er Victor und nahm ein paar weitere Sessions auf bis er 1963 das Horn an den Nagel hing und sich aufs Komponieren für Film und Fernsehen konzentrierte. Zwischendurch schrieb er hie und da auch ein Jazz-Arrangement.In den 80ern folgte dann ein Revival, bis er im Dezember 1985 fast gestorben wäre. Als Todd Selbert (der übrigens die „verschwundenen“ Sessions in den 70ern auffand) im Juli 1988 seine Liner Notes fürs Mosaic-Set schrieb, war Rogers 63 Jahre als wieder bei bester Gesundheit und plante seinen Umzug (nach 34 Jahren) von Van Nuys nach Marina del Rey. Er verstarb im November 1994 im Alter von 70 Jahren, aber nicht, bevor er auch in den 90ern nochmal ein paar Aufnahmen gemacht hatte, zwei davon für Candid mit Bud Shank, seinem langjährigen musikalischen Weggefährten, sowie den Lighthouse All Stars, auch sie alles alte Gefährten: Bob Cooper, Conte Candoli, Bill Perkins, Pete Jolly, Monte Budwig und Lawrence Marable.
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Schlagwörter: Jimmy Giuffre, Shelly Manne, Shorty Rogers, Teddy Charles, West Coast Jazz
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