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pinchSehr schön, Hal. Spielst du mit dem Gedanken die Gesamtausgabe der Fackel hier einzustellen?
Lass dich überraschen.
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Highlights von Rolling-Stone.deZum 60. Geburtstag von Eddie Vedder: Sänger für die Verlorenen
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WerbungIch lege Euch allen mal Fernando Pessoa ans Herz:
Wir alle, die wir träumen und denken, sind Hilfsbuchhalter in einem Stoffgeschäft oder in irgendeinem anderen Geschäft in irgendeiner Unterstadt. Wir führen Buch und erleiden Verluste; wir zählen zusammen und gehen weiter; wir ziehen Bilanz, und der unsichtbare Saldo spricht immer gegen uns.
(Fernando Pessoa, „Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares“)
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l'enfer c'est les autres...NatsumeAbsurde Konfrontation zwischen dem aufgebrachten „Pöbel“ und Mitgliedern der
Bürgerschaft in Lübeck während der 48er Revolution:[INDENT]
„Corl Smolt!“ fing der Konsul [Buddenbrook] wieder an,
indem er seine kleinen, tiefliegenden Augen auf einen etwa
22jährigen Lagerarbeiter mit krummen Beinen richtete, der,
die Mütze in der Hand und den Mund voll Brot, unmittelbar
vor den Stufen stand. „Nu red‘ mal, Corl Smolt! Nu is‘ Tiet!
Ji heww hier den leewen langen Nachmiddag bröllt…“[INDENT]“Je, Herr Kunsel…“, brachte Corl Smolt kauend hervor.
„Dat’s nu so’n Saak … öäwer … Dat is nu so wied… Wi maaken
nu Revolutschon.“[INDENT]“Wat’s dat för Undög, Smolt!“
[INDENT]“Je, Herr Kunsel, dat seggen Sei woll, öäwer dat is nu so
wied… wi sünd nu nich mihr taufreeden mit de Saak. … Wie
verlangen nu ne anner Ordnung, un dat is ja ook gor nich mihr,
daß dat wat is…“[INDENT]“Hür mal, Smolt, un ihr annern Lüd! Wer nu’n verstännigen
Kierl is, der geht naa Hus un scheert sich nich mihr um Revolution
und stört hier nich de Ordnung…“[INDENT]“Die heilige Ordnung!“ unterbrach Herr Gosch ihn zischend…
„De Ordnung, seg ick!“ berschloß Konsul Buddenbrook. „Nicht
mal die Lampen sind angezündet… Dat geiht denn doch tau wied
mit de Revolution!“[INDENT]Corl Smolt aber hatte nun seinen Bissen verschluckt und, die
Menge im Rücken, stand er breitbeinig da und hatte seine Einwände…[INDENT]“Je, Herr Kunsel, dat seggen Sei woll! Öäwer dat is man bloß
wegen das allgemeine Prinzip von dat Wahlrecht…“[INDENT]“Großer Gott, du Tropf!“ rief der Konsul und vergaß, platt zu
sprechen vor Indignation… „Du redest ja lauter Unsinn…“[INDENT]“Je, Herr Kunsel“, sagte Corl Smolt ein bißchen eingeschüchtert;
„dat is nu alles so as dat is. Öäwer Revolutschon mütt sien, dat is tau
gewiß. Revolutschon is öwerall, in Berlin und in Poris…“[INDENT]“Smolt, wat wull Ji nu eentlich! Nu seggen Sei dat mal!“
„Je, Herr Kunsel, ick seg man bloß: wi wull nu ’ne Republik, segick man bloß…“[INDENT]“Öwer du Döskopp… Ji heww ja schon een!“
[INDENT]“Je, Herr Kunsel, denn wull wi noch een.“
(Thomas Mann, Buddenbrooks: Verfall einer Familie, 1901)
Sehr schön! Werde die „Buddenbrooks“ demnächst endlich mal lesen.
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"Don't reach out for me," she said "Can't you see I'm drownin' too?"Die Fackel
NR. 80 WIEN, MITTE JUNI 1901 III. JAHR
Der Streit, der lange genug zwischen »Hier« und »Zde« gewüthet hat, ist neulich zum Bürgerkriege zwischen »Heil« und »Slava« emporgelodert. Die Officiösen des Herrn v. Koerber wollen in ihm freilich nur den harmlosen Wetteifer der geeinigten Nationen erkennen. Aber die Frage bleibt offen, auf welches Programm sie sich denn mit einemmale »geeinigt« haben sollten. Auf den schönen Bibelspruch: »Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobet«? Der tröstet nur einen Theil. Ja, wenn sich die Freude der Tschechen über die gegebenen Sprachenverordnungen und der Jubel der Deutschen über die genommenen zeitlich vereinen ließen! Aber so haben Heil und Slava immer ihres besondern Anlasses bedurft. Nur der Respect vor der Person eines greisen Monarchen ließ sie neulich einmal zusammentönen. Beide Nationen lauschten in dynastischer Ergebenheit der Rede des Kaisers und zählten fiebernd das Mehr an Worten, das er der andern gab. Abgeordnete und Journalisten, die ewigen Schürer des Zwistes, standen dabei und controlierten, in welcher Sprache die Einladungen zur Soirée des Fürsten Lobkowitz abgefasst waren, in welchen Farben die Fahnen auf einem studentischen Vereinshause prangten und in welcher Kleidung der Bürgermeister von Prag bei Hofe erschien. Als Friedensengel schritt Herr Sectionsrath Sieghart einher …
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Wie immer man das politische Resultat der Kaiserreise werten mag: die Repräsentanten beider Volksstämme haben in jenen Tagen an Tactlosigkeit und Vordringlichkeit ihr Möglichstes geleistet. Um des lieben nationalen Friedens willen hat Herr Koerber dem Monarchen, der für jeden Vereinsmeier und Speichellecker deutscher und tschechischer Zunge ein freundliches Wort haben sollte, denn doch zuviel zugemuthet. Es ist keine kleine Leistung, all den loyal verbrämten Gereiztheiten nationaler Bezirkspolitiker standzuhalten, und die Herrschaften haben mit der Versicherung unverbrüchlicher Treue jedesmal auch noch den ergebenen Wunsch nach einer neuen Brücke oder nach einem neuen Kreisgerichtsgebäude zu verbinden gewusst. Herr Funke versprach als Gegenleistung, dass das deutsche Volk den kaiserlichen Wunsch nach der nationalen Verständigung »unter strenger Festhaltung seiner Stellung und seiner nationalen Rechte« erfüllen werde, und überraschte den Kaiser mit der Meldung, dass heute der Namenstag seiner Frau sei. Diese wieder glaubte dem Monarchen eine besondere Freude mit der Enthüllung zu machen, dass ihr Vater bei Custozza gekämpft habe. »Umso besser«, versetzte der Kaiser, der den Eifer der Leute mit wohlwollender Ironie zu betrachten schien. Auch in der Antwort an einen Prager Advocaten kam sie zum Ausdruck. Als dieser, wie die ‚Neue Freie Presse‘ meldet, »erwähnte, dass die schwierigen Verhältnisse des Advocatenstandes insbesondere in der großen Anzahl von Advocaten ihre Ursache haben, erwiderte der Monarch mit den tröstenden Worten, es werde schon besser werden«. Bedauerlich ist, dass man gewisse abgetakelte Leute nicht vom Kaiser fernzuhalten gewusst hat. Wer die Schilderung der Elbefahrt las, musste rein glauben, der Kaiser sei zum Besuche des Herrn Russ nach Böhmen gereist. Dass man Herrn Petschek vorführte, hatte dagegen seinen guten Grund. Es sollte ja die Einigkeit der beiden Nationen demonstriert werden; und worin wären Deutsche und Tschechen heute schon so einig wie in der Missachtung der Kohlenwucherer?*
Herr Bacher ist auf Ferien gegangen und hat sein ganzes Nationalbewusstsein Herrn Benedikt zurückgelassen. Aber der Börsenwöchner findet sich rasch in das Fach, das er als ein noch ungeübter Deutschböhme übernommen hat. Am 18. Juni schrieb die ‚Neue Freie Presse‘: »In dem Spalier hatten sich auch drei tschechische Vereine aufgestellt, die sich sehr vordrängten, als der Kaiser vorüberschritt. Statthaltereirath Czerny nannte dem Monarchen die Namen der versammelten Vereine. Der Kaiser schritt an den Slava rufenden tschechischen Vereinen vorbei, ohne sie anzusprechen. Der Besuch galt heute den Deutschen allein.« So spricht nationales Kraftbewusstsein, das auf nationale Verständigung keine Rücksicht nimmt. Nur im Leitartikel vom 16. hat sich der Börsenwöchner einmal vergaloppiert. Dort schrieb er, der tschechische Bürgermeister sei von dem Gedanken gequält, dass »dieses hässliche Ungethüm mit den zwei Schweifen den Frieden in Prag bedrohe«. Aber Herr Srb hat sich natürlich nicht vor dem tschechischen Löwen, sondern nur vor dem deutschen Frack gefürchtet, in dem er zur Hoftafel erscheinen sollte.*
An den Kaiserworten, die in Böhmen gesprochen wurden, war wenig zu verdienen. Die Zeitungsleute, die schon darauf gelauert hatten, welcher Firma Erzeugnisse der Kaiser diesmal loben würde, erlebten herbe Enttäuschungen. Endlich sagte der Kaiser: »Die Virginier ist die vernünftigste Cigarre.« Aber wir haben ja das Tabakmonopol …--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Der Liberalismus hat seit Jahren namentlich auf dem Wiener Markt eine starke Hausse in Märtyrern zu verzeichnen …. Wer gedenkt nicht der stimmungsvollen Art, in der die ‚Neue Freie Presse‘ das letzte Weihnachtsfest begangen hat? In der »literarischen Beilage« gab’s oben ein Poëm des Paprika-Schlesinger, unter dem Strich eine Novelle von Arthur Schnitzler. Jener war schon einmal, da er in der ‚Neuen Freien Presse‘ eigens für die Zwecke seines Schuhwarenlagers eine moderne und »staunend billige« Religionsauffassung versucht hatte, zum Märtyrer des Liberalismus geworden. Nun musste ein ähnliches Schicksal auch Herrn Arthur Schnitzler treffen. Ich würde die beiden Autoren, deren Begabungen ja in wesentlich verschiedene Richtung weisen – Schnitzler scheint der sensiblere –, nicht ernstlich nebeneinanderstellen, wenn nicht die Mitarbeit an demselben Blatt und eine gewisse Gemeinsamkeit der Leiden ihre Namen für den Augenblick verkettet hätten. Ja, würde sich Herr Schnitzler nicht zuweilen freiwillig in ein verrufenes Milieu begeben, so könnte es dem objectiven Urtheiler sogar erwünscht sein, ihn gegen die Flegeleien eines bornierten Rassenschriftthums, dessen Talente das seine zehnmal aufwiegt, ebenso in Schutz zu nehmen wie gegen die beleidigenden Verhimmelungen der Wiener Clique.
Und hätte Herr Schnitzler als ein still schaffender Künstler, als der er doch bis zum Beatrice-Scandal und bis zum »Lieutenant Gustl« gelten wollte, diese Novelle in einem literarischen Organ oder sogleich in Buchform veröffentlicht, kein Officiersehrenrath hätte sich bewogen gefühlt, ihn um einer militärfeindlichen Tendenz willen seiner militärischen Würde zu entkleiden. Aber die Officiere, die durch die Zeichnung eines bestimmten Typus von österreichischem Lieutenant den Stand beleidigt glaubten, durften hinter der Benützung eines Blattes, dessen Armeehass trotz gelegentlicher Anbiederung notorisch und dessen Friedensbedürfnis nichts als die rituelle Scheu vor einem Stahlbad ist, eine agitatorische Tendenz wittern. Ueber diesen Eindruck hilft die Versicherung, dass Herr Schnitzler eine »psychologische Studie« schreiben, einen »interessanten Einzelfall« behandeln wollte, nicht hinweg, und gegen den feigen Reinwaschungsversuch, den seine publicistischen Helfer unternehmen, wird sich nur der Autor selbst verwahren müssen. Die ‚Neue Freie Presse‘ hat – und das ist die höchste Ehre, die einem Irdischen widerfahren kann – der Angelegenheit des Herrn Schnitzler einen Leitartikel gewidmet. Liberale Entrüstung und Devotion hat sie darin anmuthig zu mischen verstanden. Aber der Ehrenmann, der ihn geschrieben und der den Lieutenant Gustl den zürnenden Herren Officieren als »sympathische Figur« wiederempfehlen möchte, hat entweder den Inhalt der Schnitzler’schen Novelle plump gefälscht, oder er hat sie bloß in jener Fassung gelesen, die ihr im größten Theile der Weihnachtsauflage der ‚Neuen Freien Presse‘ gegeben war. Durch mindere Sorgfalt beim Druck – es hat sich ja bloß um den Literaturtheil gehandelt – war nämlich der Schluss der Novelle abhanden gekommen. Dass Gustl »im Unglück wächst«, das konnten eben noch wohlwollende Leser des Fragments wahrnehmen, und mit dieser Versicherung endet auch die Inhaltsangabe des Leitartiklers. Dass aber Gustl, nachdem er erfahren, den Urheber und einzigen Zeugen seiner Schmach habe der Schlag getroffen, wohlgemuth weiterzuleben beschließt, ist die Pointe der Schnitzler’schen Auffassung eines Officierscharakters, der der ‚Neuen Freien Presse‘ jetzt vollends »sympathisch« erscheinen müßte, da er ja auf der ethischen Forderung, so da lautet: Der Schlag soll dich treffen! basiert …
Der Officiersehrenrath hat Arthur Schnitzler, den Landwehroberarzt in der Evidenz, wiederholt eingeladen, sich zu rechtfertigen und darüber auszusagen, ob ihm eine psychologische Absicht oder eine Tendenz gegen den Stand, dem er angehört, näher lag. Herr Schnitzler hat mit dem berechtigten Stolze des Künstlers und mit der unberechtigten Renitenz des Landwehr-Oberarztes die wiederholte Ladung ignoriert. Betrachten die freisinnigen Herren, denen die »Vorurtheile einer Kaste« altbewährter Leitartikelstoff sind, den einzelnen Conflict ihrer und der militärischen Anschauungen von der Höhe eines Wolkenkuckucksheim? Welcher von beiden Theilen hat denn das angestammtere Recht, enttäuscht zu sein? Die »voller Vorurtheile stecken« oder die Aufgeklärten? Und ist wirklich, wo eine Tactfrage zur Entscheidung kam, die »Freiheit künstlerischen Schaffens«, die aus Heinze-Stürmen glücklich Gerettete, bedroht? Herr Schnitzler hatte, als seine Landwehrpflicht abgelaufen war, die schönste Gelegenheit, einem Stande Valet zu sagen, dessen Anschauungen den seinen offenbar zuwider laufen, dessen Empfindlichkeit mindestens den schrankenlos Schaffenden beengen musste. Aber er scheint darauf Wert gelegt zu haben – ein ausdrückliches Gesuch nur konnte solchen Ehrgeiz verwirklichen –, dem Armeeverbande auch weiterhin, als Oberarzt in der Evidenz der Landwehr, anzugehören. Nun hat ihn ein grausames Geschick auf jene Stufe zurückgeschleudert, auf der er ohne Ueberreichung eines Gesuches nach Beendigung seiner Dienstpflicht fürs ganze Leben stehen geblieben wäre. Verdient solches Martyrium nicht das Mitleid aller human Denkenden, nicht die Leitartikel aller human Schreibenden? Ist es nicht schrecklich, so einfach abgeurtheilt zu werden, nachdem man die einzige Gelegenheit, sich zu vertheidigen, – von sich gewiesen hat? Ja, der Officiosus des Herrn Schnitzler in der ‚Wiener Allgemeinen‘ hat recht, wenn er treuherzig das Dichten, das »heutzutage bei der großen Concurrenz ohnehin kein Vergnügen ist«, nunmehr für ein »zu riskantes Geschäft« erklärt, wenn er das Ende alles künstlerischen Schaffens prophezeit, weil »es sich nun aufhören muss«, literarische Stoffe aus dem Milieu des eigenen Berufes zu behandeln … Aber die liberale Presse übertreibt. Und zwar nicht nur in der principiellen Auffassung der Affaire, sondern auch in der Bemessung des Martyriums, das Herrn Schnitzler auferlegt ward. Sie hat ihn ja sogar zum Regimentsarzt erhöht, um seinen Fall in die Tiefen des Civils umso schmerzlicher erscheinen zu lassen. Und wenn man ihr nun eröffnet, dass Herr Schnitzler bloß als Landwehr-Oberarzt degradiert wurde, so wird er ihr noch immer nicht als ein degradierter Landwehr-Oberarzt, sondern, doppelt bemitleidenswert, als ein degradierter Märtyrer erscheinen ….
Es fällt mir nicht ein, das Urtheil des Ehrenrathes, das mir einer Erklärung würdig schien, in seiner Gänze zu billigen. Recht bedenklich finde ich den zweiten Theil der Motivierung: Schnitzler habe auf eine aggressive Kritik seiner Novelle, die in einem Tagesjournale erschien, »nicht reagiert«. Ich weiß nicht, welches Tagesjournal gemeint ist. Aber wenn in diesem Vorwurf der unsympathische Hinweis auf das Duellgebot vermuthet werden dürfte, so müsste man bekennen, dass gerade vom Standpunkt eines Officiersehrenraths ein »Reagieren« auf die Meinungen der meisten Wiener Zeitungsschreiber unstatthaft wäre. Und jedenfalls kann man einem Schriftsteller, der auf sich hält, nicht zumuthen, dass er sich mit einem beliebigen Angreifer – im wirklichen oder bildlichen Sinne des Wortes – herumschlage. Aber der Ehrenrath, der durch die Meinung, dass man auf eine Kritik reagieren muss, seine Unkenntnis der literarischen Verhältnisse bewiesen hat, maßt sich auch gar nicht an, die literarische Production des Herrn Schnitzler – der ja sonst schon nach seinem viel verdächtigeren »Freiwild« gemaßregelt worden wäre – ihrem bloßen Inhalt nach zu beurtheilen. Herr Schnitzler ist gestrichen worden, weil er nicht höflich genug war, vor dem Officiersehrenrath zu erscheinen und dort zu erklären, dass ihm eine gehässige Tendenz gegen den Stand, dem er sich freiwillig angegliedert hat, ferne gelegen sei und dass er für die Anrüchigkeit des Ortes, an den er sich mit einer psychologischen Studie ahnungslos begeben, nicht verantwortlich gemacht werden wolle.(Die Fackel: Nr. 80, Mitte Juni 1901, S. 20-24)
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Liebe Fackel!
Herr Benedikt war neulich – am 29. Juni – so liebenswürdig, auf Seite 1 wieder einmal Herrn Dr. Lueger und dem Antisemitismus den sicheren Untergang zu prophezeien. Wer beschreibt nun mein Entsetzen, als ich auf Seite 45, unter der Aufschrift: »Offene Stellen. Männliche«, die folgende Anzeige fand?
»Ein Comptoirist für die Expedition wird
sofort angestellt. Schöne flotte Handschrift
und Stenographie Bedingung. Herren, die
Ungarisch können, werden bevorzugt.
Juden ausgeschlossen. Offerten mit
Gehaltsanspruch …. etc.«Erwacht der getödtete Antisemitismus in der ‚Neuen Freien Presse‘ zu neuem Leben, oder hat bloß Herr Dr. Herzl recht, wenn er in London die seit Nr. 80 der ‚Fackel‘ geflügelten Worte sprach: »The fulfilment of our ideals means money«?
Hochachtungsvoll
An ordinary Jew.(Die Fackel: Nr. 81, Ende Juni 1901, S. 17)
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Schade eigentlich, dass die Fackel seinerzeit mit der 81. Ausgabe im Juni 1901 plötzlich eingestellt wurde. Hätte gerne noch mehr gelesen.
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pinchSchade eigentlich, dass die Fackel seinerzeit mit der 81. Ausgabe im Juni 1901 plötzlich eingestellt wurde. Hätte gerne noch mehr gelesen.
Du weißt es eh besser, gell? Aber gut, als Betthupferl gibt’s noch was obendrauf:
Der vorliegenden Nummer der ‚Fackel‘, mit der das neunte Quartal abschließt, wird die nächste erst im Herbste folgen. Meinen verehrten Feinden ertheile ich, um allen Missverständnissen vorzubeugen, die beruhigende Versicherung, dass ich mich nicht vor ihnen, sondern bloß auf das Land zurückziehe. Dass ich nach einer ununterbrochenen zweiundeinvierteljährigen Arbeitsthätigkeit, die man wohl in Umkehrung eines politischen Sprichwortes »ehrenvoll, aber nicht gesund« nennen kann, der Erholung bedarf, mag jeder Leser, der an den Schicksalen der ‚Fackel‘ freundlichen Antheil nimmt, ohneweiters glauben; mich hat erst die ärztliche Constatierung einer totalen Nervenerschöpfung zu solcher Erkenntnis gebracht. So muss ich mir denn jene mir dictierte mehrwöchentliche Ruhe gönnen, ohne sie durch den Gedanken vergällen zu lassen, dass ihrer auch meine Lieblingsgegner theilhaftig werden. Wenn ich ihnen bisher keine Schonzeit gab, so konnte ich ja doch auch niemals hindern, dass sie alle, Verwaltungsräthe, Bankdirectoren, Corruptionsjournalisten, in den Sommermonaten sich selbst schonten und mir, der sie auf dem Papier festzuhalten suchte, in Schnellzügen und mit Freikarten zu Berg und Meer enteilten. Meine persönliche Erholungsbedürftigkeit – eigentlich eine ganz private Angelegenheit – muss, ich bedaure dies aufrichtig, eine Sistierung des Blattes zur Folge haben, und der Karren, dem ich allein sein Geleise bahne, muss stehen bleiben, wenn ich auszuspannen genöthigt werde. Ich bin bescheiden genug, zu glauben, dass die Freude der Dutzende, die nunmehr auf Zeit gegen Schimpf und Schaden versichert sind, noch ehrlicher empfunden sein wird als das Bedauern der ebensovielen Tausende, die beifallslustige Zuschauer meines Kampfes waren. Umso schwereren Herzens habe ich mir meinen Urlaub ertheilt, dem erst im Herbst ein frohes Wiedersehen mit Freund und Feind folgt.
(Die Fackel: Nr. 81, Ende Juni 1901, S. 24)
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Eine Neuerung wird demnächst in der ‚Fackel‘ durchgeführt werden: sie wird nunmehr gegen die neuen Regeln der Orthographie verstossen, nachdem sie so lange gegen die alten und gegen alle sonstigen Regeln des österreichischen Herkommens verstossen hat. Hier wird es nicht als eine Actienreform anerkannt werden, dass in Zukunft statt des Actienschwindels der Akzienschwindel geduldet werden soll. Hier wird auch weiterhin kein anderer Fremdname als »Benedikt« mit k geschrieben und die Staatsgewalt nur umso schärfer getadelt werden, wenn sie gegenüber der Korruption Konnivenz bezeigt. Man kann sich die Rechtschreibung nicht von einer Regierung verordnen lassen, der das Rechtthun so völlig gleichgiltig zu sein scheint. Herr v. Hartel lasse uns zuerst ernste Thaten sehen. Ob die dann »Taten« heissen, verschlägt nichts.
(Die Fackel: Nr. 85, 16.11.1901, S. 24)
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Ein Satz des Herrn v. Szell.
»Wir waren der Ansicht, dass, obgleich ich den Grafen Johann Zichy nicht nur heute, sondern, wie dies das geehrte Haus bezeugen kann, immer in allen meinen Aeusserungen als einen Mann charakterisierte, den ich überaus schätze, mit dem ich sympathisiere und dessen hervorragende Eigenschaften ich allesammt anerkenne, den ich also auch für geeignet hielt, dass ihn in irgend einer anderen Hinsicht oder bei irgend einer anderen Gelegenheit die hohe Auszeichnung und die Wahl Sr. Hoheit treffe, doch zu berücksichtigen sei, dass wenn Se. k. u. k. Hoheit seine Wahl bezüglich des ungarischen Cavaliers, der mit ihm zu gehen hat, in solcher Weise trifft, dass er hier aus dem Parlament, mitten in der Budget-Debatte, den Führer einer oppositionellen Fraction mitnehmen würde und ihn mit einer solchen Function auszeichnet, welcher der parlamentarische Führer der betreffenden Fraction bis dahin fernestand, wenn er ihm eine Rolle überträgt, in der er nicht versiert ist, an welcher er nie theilnahm, mit welcher er nie in Berührung stand, dann war es allerdings meine Ansicht – und es handelt sich hier nicht um Personen, sondern um Principien, ich kann dem geehrten Hause mein Wort darauf geben, dass – sage ich – dies eine solche Stellungnahme bedeutet, welche ich von Seite des dem Throne am nächsten Stehenden, des Thronerben – bei aller grossen Hochachtung, bei aller loyalen und hingebenden Anhänglichkeit für seine Person, über die ich in diesem Hause mehr als einmal mit der Eloquenz, deren ich fähig war, mit der ganzen Wärme meines Herzens sprach, dessen grosse Eigenschaften, dessen Herzensadel und dessen erhabene Denkweise ich kenne, und vielleicht besser kenne als viele Andere, dass ich – wie gesagt – eine solche Stellungnahme für eine solche halten musste, die mit den parlamentarischen und constitutionellen Principien nicht im Einklange steht und solche parlamentarische und politische Principien verletzt, die meiner Ansicht nach das Alpha einer jeden Constitution, einer jeden Verfassung, der Selbstständigkeit eines jeden Landes und elnes jeden, die Attribute der Selbstständigkeit bildenden Parlamentarismus bilden.«
Es wäre nicht uninteressant, zu berechnen, wie oft während der Zeit, die Herr v. Szell zum Sprechen dieses Satzes brauchte, Erzherzog Franz Ferdinand die Reise von Wien nach Petersburg – ohne den Grafen Zichy – gemacht haben könnte.(Die Fackel: Nr. 94, 18.02.1902, S. 5-6)
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=hab hier seit Oberschülerzeiten noch in irgendeinem Umzugskarton „Magie der Sprache“ rumliegen, bei Gelegenheit schau ich mal wieder rein. Danke, HC.
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J e n e r . D a m e !
Ihre 35 Jahre kein Hindernis, aber Eigennutz
und Temperamentsmangel. Wenn beides
anders, schreiben Sie. Habe nicht nöthig;
Gegentheil. Inzwischen suche ich weiter.
Unter »Hautgout 69« an das Ank.-Bur. d. Bl.(Neue Freie Presse, 02.03.1902; zitiert nach: Die Fackel: Nr. 96, 08.03.1902, S. 19)
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Der Satz des Herrn v. Szell ist ja fehlerfrei, trotzdem schnappt man nach Luft und wäre dankbar für ein winziges Pünktchen. Oder besser mehrere.
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Bis eine(r) heult.............. Contre la guerre
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Solche langen Sätze durfte außer James Joyce und Thomas Bernhard eigentlich niemand schreiben.
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danielkrautkDiese Krise hat auch was gutes
Mir wurden endlich die Auge geöffnet. Unsere Presse verdient es nicht als freie Presse betitelt zu werden. Das sind Presstituierte, die Ihr Land verraten. Anstatt den verblendeten die Augen zu öffnen, wird im Einheitslook gelogen und betrogen das sich die Balken biegen. Ihr, die Journalisten, tragt eine Mitschuld an dieser Situation. Ich hoffe ihr könnt euren Kindern abend in die Augen sehen. Das dieser Beitrag zensiert wird, ist mir klar Herr Moderator!
http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=124919&page=3&p=15536448#post15536448
[SPOILER]Man muss ja nicht immer nur kluge Zitate anführen. Man kann ja auch mal an einem Beispiel demonstrieren, was die Pressekritik eines Alfred Tetzlaff von der Pressekritik eines Karl Kraus unterscheidet.
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<= -
Schlagwörter: Lesefrucht, Sentenzen, Textstellen, Zitate
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