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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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gypsy-tail-windIch weiss, dass bei der Band gerne von „Nostalgie“ geschrieben wird – aber so höre ich das eigentlich gar nicht. Eher als eine Fortschreibung von etwas, was es vielleicht in der Form gar nie so wirklich gegeben hat? Ich denke hier nur ein wenig laut nach, ohne darauf bisher viele Gedanken verschwendet zu haben, aber ist das ev. eine ähnliche Form der „erfundenen Tradition“, wie sie in den Neunzigern in Europa von Jazzern entwickelt wurde, die sich auf „Folklore“ bezogen (Trovesi, Sclavis etc.)? Jedenfalls ist der Sound dieser Band – des Quartet West – in der Musik der Vierzigerjahre unvorstellbar. Und hätte Haden es gewollt, hätte die Band ja auch anders klingen können (oder anders aufgenommen/produziert werden)?
Dieser Gedanke stellt natürlich nicht in Abrede, dass ein ganzes Netz von Bezügen gesponnen wird (das wird ja später noch deutlicher, wenn sogar noch Samples eingestreut werden). Aber für meine Ohren ist das eher ein postmodernes als ein nostalgisches ProjektGuter Einwand!
Charlie Haden schreibt in den liner notes „I have conceived this recording as if it were a film, telling a story. A story evoking feelings of nostalgia, remembering beautiful moments and how precious they are (…)“. Seine Absicht war das also schon und für mich funktioniert das auch irgendwie. Diese Verklärung der Vergangenheit beruht auf einer Fiktion? Grübel, grübel ..
Ja, du hast Recht damit, dass Jazz damals – 40er/50er – eigentlich anders geklungen hat. Selbst Hadens Aufnahme von Glenn Millers Moonlight Serenade klingt ganz anders als das Original.
Aber ich schrieb ja auch: Aus der Distanz werden die schönsten Mythen geboren. Haden hat diese Zeit an diesem Ort ja zum größten Teil selbst gar nicht miterlebt … Dieses mythische Los Angeles existiert wahrscheinlich nur in den Romanen von Raymond Chandler und deren Verfilmungen.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Oh ja, das funktioniert total so – das will ich auch nicht in Abrede stellen! War vorhin noch beim Arbeiten und hielt mich etwas kurz, ich denke bloss, dass diese Haden-Band komplizierter oder vielschichtiger ist, als sie in aller Regel verkauft wird. Das waren quasi Meta-Gedanken zu dieser wunderbaren „Oberfläche“, auf der das Evozieren von so einer verklärten/erfundenen Vergangenheit tatsächlich hervorragend funktioniert. Ich höre die Alben zwar nicht allzu oft, aber wenn ich sie mal wieder höre, gefallen sie mir immer sehr gut (und ich bedaure es jedes Mal, dass ich die einzige Chance, Haden noch live zu hören – mit dem Quartet West, glaub Herbst 2004 hier in Zürich – versäumt habe … wobei ich das damals ziemlich sicher enttäuschend und mässig spannend gefunden hätte, die Band mochte ich damals nicht sonderlich und der Rahmen bzw. der Preis fürs Konzert passte halt auch nicht). Ich hatte neulich die „Private Collection“ auf Naim in den Händen, die lege ich bald mal wieder ein – dort sind allerdings frühere Aufnahmen (je eine CD von 1987 bz.w 1988) zu hören.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaredbeansandriceah… wusste gar nicht, dass es mehrere Perkins Dino’s Alben gibt (das und das), ich kenn das erste, du meintest wahrscheinlich das zweite…
soulpope
redbeansandrice ah… wusste gar nicht, dass es mehrere Perkins Dino’s Alben gibt (das und das), ich kenn das erste, du meintest wahrscheinlich das zweite…
Das Musik auf Jombler ist ausgezeichnet ….
Huch ja, ich wusste vom ersten nichts – merke ich mir, danke!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaWeiter mit noch mehr Großstadtmusik:
Joe Lovano – Rush Hour (1995)
Nicht Los Angeles, sondern New York ist hier das Thema. Neben Kompositionen von Ellington, Mingus, Monk, Ornette Coleman und Strayhorn und ein paar Standards auch 5 Stücke von Lovano und Gunther Schuller, der hier auch für die Orchester-Arrangements inkl. Streichern und dem (etwas gewöhnungsbedürftigen) Sopran von Lovanos Frau Judi bei einigen Tracks verantwortlich ist. Außerdem verschiedene kleinere Besetzungen, davon einmal Joe Lovano an Tenor und drums (!) und bei Chelsea Bridge sogar solo. Kein Piano. Stilistisch ist das ähnlich breit gefächert, Swing, Bop, Free, Third Stream, alles drin in der Mischung. Sentimentale Balladen, freie Improvisationen, komplizierte Orchester-Arrangements. Volles Programm! Höhepunkt das knapp 9-minütige Titelstück Rush Hour On 23rd Street, bei dem alles eskaliert und am Ende vor Dichte, Hektik und Spannung fast auseinanderknallt. Joe Lovanos Spiel auf dem Tenorsaxofon zu beschreiben, wäre noch mal eine Aufgabe für sich. Der verfügt über ein erstaunliches Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten und beherrscht damit hier das Geschehen.
Das Cover zeigt ein kubistisches Gemälde von Manhattan aus den 30ern. Ein gutes Stück romantisierende Nostalgie ist hier also mit dabei – natürlich auch durch die Kompositionen von Ellington, Mingus usw.
Tolle Platte, ambitioniert, herausfordernd, nicht immer leicht zu hören, kompliziert und voller Gegensätze und auch mal Disharmonie. Aber hey: Das ist die Symphonie der Großstadt!
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Das finde ich eins von Lovanos besten Alben!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-windDas finde ich eins von Lovanos besten Alben!
Ah, das ist schön! Was kennst du außerdem von Lovano? Ich kenne zugegeben nicht viel. Live At The Village Vanguard hatte mich damals nicht so beeindruckt. Rush Hour ist allein schon wg. der Orchestrierung etwas Besonderes.
Hier aber Joe Lovano als Mitglied des Paul Motian Trios. Völlig anders als Rush Hour.
The Paul Motian Trio – At The Village Vanguard (1995)
Ich sag’s mal so: Paul Motian ist ein lyrischer drummer, oder? Er streichelt das Schlagzeug mehr als dass er trommelt. Das ergibt eher ein feines Gewebe als einen beat und in diesem Gewebe können sich Joe Lovano und Bill Frisell sehr frei bewegen. Einmal setzt Motian auch komplett aus und dann fängt alles an zu schweben. Bill Frisell nimmt sich die Freiheit, sein Arsenal an E-Gitarreneffekten einzusetzen und es klingt manchmal so, als würde sich die Gitarre selbständig machen, bis Motian oder Lovano sie wieder einfangen. Und Joe Lovano ist ein kraftvoller und maskuliner, aber (oder „und“?) sehr sensibler Tenorsaxofonist, der sich auch mal gehen und die Musik einfach geschehen lassen kann. Überhaupt ist das sehr locker gestrickt, es gibt viel freien Raum, keiner der Musiker steht im Vordergrund – am wenigsten der Leader. Es gehört dazu, dass da auch mal was außer Kontrolle gerät. Zwar live aufgenommen, aber fast ohne hörbaren Applaus. Ich glaube solche Musik kann nur live entstehen, ohne dass man auf ein Ergebnis hinarbeitet, sondern sich einfach mit der Musik treiben lässt.
Mit Ausnahme des Titelstücks alles Kompositionen von Paul Motian, denen aber auch freier Lauf gelassen wird. Nur das letzte Stück – Circle – hat ein fast boppiges, einprägsames und sich wiederholendes Thema, womit ein schöner Schlusspunkt gesetzt wird.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)friedrich
gypsy-tail-windDas finde ich eins von Lovanos besten Alben!
Ah, das ist schön! Was kennst du außerdem von Lovano? Ich kenne zugegeben nicht viel. Live At The Village Vanguard hatte mich damals nicht so beeindruckt. Rush Hour ist allein schon wg. der Orchestrierung etwas Besonderes.
Ich hab mich da ziemlich durchgehört … fast alles auf Blue Note und das eine oder andere weitere (und auch die ganzen Sachen mit Motian). „Rush Hour“ ist auch wegen Schuller so gut, andere Favoriten sind „From the Heart“ mit Michel Petrucciani am Klavier, „Trio Fascination (Edition One)“ mit Dave Holland und Elvin Jones, die Dameron-Memorial-Band („52nd Street Themes“ und „On This Day At The Vanguard“ – einmal Studio, einmal live, kann gar nicht recht sagen, welches ich lieber mag), die Alben mit Hank Jones (das waren zunächst „I’m All For You“ und „Joyous Encounters“ mit George Mraz und Paul Motian, dann kam noch „Kids – Live at Dizzy’s Club Coca-Cola“ im Duo und später auch noch „Classic! Live at Newport“ wieder im Quartett, aber mit Mraz und Lewis Nash). Aber diverse weitere finde ich auch ganz gut, z.B. das Sinatra-Album (obwohl ich den Gesang seiner Frau nicht sehr mag), das Duo mit Gonzalo Rubalcaba, und an manchen Tagen finde ich auch „Viva Caruso“ super, und die Doppel-CD aus dem Village Vanguard mit zwei Quartetten (eins im „Ornette-Format“ mit Tom Harrell, das andere konventioneller mit Mulgrew Miller) ist auch gut. Die Band mit Esperanza Spalding hat dann nicht mehr so wirklich eingeschlagen, und Trio Tapestry finde ich etwas schwierig, das zweite Album („Garden of Expression“) ist hier und gefällt mir immerhin deutlich besser als ein Live-Set im Sommer 2019 auf der riesigen Bühne in Antwerpen, auf der diese Musik wohl etwas verloren war.
Als Sideman neben Motian auch die drei Alben mit John Scofield sowie der Nachzügler ScoLoHoFo, und noch mehr das Live-Album mit Jim Hall, „Grand Slam: Live at the Regattabar, Cambridge, Massachussets“ – und „Roma“ mit Enrico Rava ist auch ein toller Konzertmitschnitt.
Lustigerweise habe ich Lovano und Motian am selben Abend im November 2000 zum ersten Mal (Motian zum einzigen) live gesehen, das war so ein Doppelpacket mit lokalen Musikern: Lovano spielte mit dem Trio des Basler Pianisten Hans Feigenwinter, Paul Motians Trio (mit Chris Potter und Marc Johnson) wurde durch den schweizer Gitarristen Philipp Schaufelberger ergänzt (und Lovano stiess dann auch noch dazu). Da hatte mich Lovano nochmal stärker beeindruckt als von den diversen BN-Alben aus den Neunzigern, die ich da schon kannte. Ein echter Lieblingsmusiker war Lovano allerdings nie, dafür berührt mich sein Spiel zu wenig … aber er ist mit allen Wassern gewaschen und wahnsinnig gut, keine Frage!
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Ich hab mich da ziemlich durchgehört … fast alles auf Blue Note und das eine oder andere weitere (und auch die ganzen Sachen mit Motian). „Rush Hour“ ist auch wegen Schuller so gut, andere Favoriten sind „From the Heart“ mit Michel Petrucciani am Klavier, „Trio Fascination (Edition One)“ mit Dave Holland und Elvin Jones, die Dameron-Memorial-Band („52nd Street Themes“ und „On This Day At The Vanguard“ – einmal Studio, einmal live, kann gar nicht recht sagen, welches ich lieber mag), die Alben mit Hank Jones (das waren zunächst „I’m All For You“ und „Joyous Encounters“ mit George Mraz und Paul Motian, dann kam noch „Kids – Live at Dizzy’s Club Coca-Cola“ im Duo und später auch noch „Classic! Live at Newport“ wieder im Quartett, aber mit Mraz und Lewis Nash). (…)Hui, das ist aber allerhand!
Ein echter Lieblingsmusiker war Lovano allerdings nie, dafür berührt mich sein Spiel zu wenig … aber er ist mit allen Wassern gewaschen und wahnsinnig gut, keine Frage!
Er ist offenbar sehr breit aufgestellt und tanzt auf vielen Hochzeiten. Alleine Rush Hour und das Paul Motian Trio sind ja völlig unterschiedliche Sachen, aber er beherrscht alles beides. Dazu Sinatra, Caruso, klassisches Quartett-Format mit Standards … Toll, aber vielleicht leidet das individuelle Profil etwas darunter. Obwohl … ich finde sein Spiel schon recht prägnant und gleichzeitig flexibel.
wg. Paul Motian Trio müsste ich noch mal weiterforschen. At The Village Vanguard hat mich beim Wiederhören nach vielen Jahren doch sehr beeindruckt.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Denke, dir könnte das Quartett mit Hank Jones durchaus gefallen!
Und bei Motian fand ich neulich im ECM-Rahmen das Debut des Trios sehr toll („It Should’ve Happened a Long Time Ago“, 1984 aufgenommen), aber ich glaub am allerliebsten sind mir ein oder zwei der Alben mit erweiterter Band, als erstes vielleicht „The Story of Maryam“ (mit Lovano und Jim Pepper am Sax, Frisell und Bassist Ed Schuller, Soul Note, 1983 aufgenommen) und die Broadway-Alben (Quartett mit Haden für Vols. 1 und 2, Lee Konitz dazu auf Vol. 3, Vols. 4/5 sind dann mit anderer Besetzung, u.a. mit Kikuchi – gibt’s oder gab’s als günstige 5-CD-Zerfall-Pappe, „Box“ kann man das nicht nennen).
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das zeitliche und vor allem finanzielle Budget lässt bei mir aktuell nicht allzu viele Neuanschaffungen zu. Mich würde ggf. auch eine spätere Aufnahme des Paul Motian Trios, Time And Time Again, interessieren. Aber hat ja Zeit.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Tethered Moon – First Meeting (1997)
Über Paul Motian streifen wir dieses Trio. Neben PM am Schlagzeug Masabumi Kikuchi am Piano und Gary Peacock am Bass. Das Album ist hier wohlbekannt und beliebt. Ich glaube ich habe es mal während meiner Piano-Trio-Phase gekauft, war eine Weile davon gleichzeitig irritiert und fasziniert, später gelangweilt und verramschte das Album dann wieder. Ein paar Jahre später habe ich es dann wieder neu angeschafft. Jetzt hat es seinen festen Platz in der Sammlung.
Ein Trio, das sich hier gerade erst findet und an die Musik herantastet, manchmal unentschieden, Musik mit Leerstellen, die eher umrahmt als gefüllt werden. Darin liegt die Spannung.
Über das Paul Motian Trio kommen wir aber auch zu …
Bill Frisell – This Land (1994)
Meine Erstbegegnung mit Bill Frisell als Leader. Das Vorgängeralbum Have A Little Faith bestand nur aus Fremdkompositionen von Aaron Copland bis Madonna. Hier ausschließlich Eigenkompositionen von Frisell. Aber ähnlich wie Faith ist das hier auch vor allem Ensemble-Musik, voller geschichteten Klangreichtum und Spannung. Drei Bläser (Don Byron cl., Billy Drewes alt-sax., Curtis Fowlkes trb.), dazu bass, drums und natürlich Bill Frisell Gitarre. Jedes Stück scheint eine Szene, ein Bild, eine Atmosphäre heraufzubeschwören, das ganze Album hat eine Dramaturgie, die in dem großartigen, fast 10-minütigen Stück Julius Hemphill (nach dem Saxofonisten) seinen Höhepunkt findet. Zähflüssig, sich langsam aufbauend und unglaublich spannend, bis es zum kreischenden Höhepunkt kommt.
Recht weit durchkomponiert, aber mit großen Freiräumen, in denen die Solisten ihre Auftritte haben – ganz anders als bei Faith. This Land hat eine deutlich größere Dynamik. Bill Frisell hat hier auch einiges seiner Gitarreneffekte am Start, aber eigentlich steht hier alles im Dienste des Gesamtbilds. Gemeinsam haben die beiden Alben ihre Wurzeln in traditioneller us-amerikanischer Musik, This Land jedoch mehr in Folklore und Country als Faith, das aus US-Klassik des 19./20. Jhdts. und Pop schöpft.
Übrigens: Das ist Landmusik, ganz im Gegensatz zu der Großstadtmusik von Joe Lovanos Rush Hour oder Wynton Marsalis Citi Movement. Was würde der zu This Land sagen? Is it überhaupt jazz?
Tolle Platte, auf der Bill Frisell seine eigene Sprache findet, glaube ich. Die formuliert er später weiter aus, variiert und verzweigt sie, von Filmmusik über Improvisation bis zu Krach.
Coverfoto: Railroad Station, Edwards, Mississippi, Februar 1936 by Walker Evans
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)danke für die posts. für kikuchi sind die 90er jahr ein entscheidendes jahrzehnt, in dem er endlich – und vielleicht sogar mit dieser aufnahme aus 1990 – eine eigene stimme findet. jedenfalls höre ich das so. mit frisells eigenen alben habe ich es immer wieder versucht, es klappt einfach nicht, auch nicht bei THIS LAND.
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vorgartendanke für die posts. für kikuchi sind die 90er jahr ein entscheidendes jahrzehnt, in dem er endlich – und vielleicht sogar mit dieser aufnahme aus 1990 – eine eigene stimme findet. jedenfalls höre ich das so. mit frisells eigenen alben habe ich es immer wieder versucht, es klappt einfach nicht, auch nicht bei THIS LAND.
Du hattest mir mal zwei andere Alben von Kikuchi zugeschoben. In Concert von 1970 (elektrisch und völlig anders als Tethered Moon) und Feel You von 1993 (akustisches Trio, und schon deutlich enger mit Tethered Moon verwandt). Danke dafür!
Ich glaube, Bill Frisell als Jazzmusiker zu bezeichnen, ist eigentlich eine Verlegenheitslösung. Have A Little Faith basiert zu einem großen Teil auf amerikanischer klassischer Musik des 19./20. Jhrhdts (Copland, Ives, Sousa), die er mit Jazzmusikern spielt, This Land ist zwar schon deutlich offener, aber eigentlich scheint es da auch eher um die Umsetzung eines Konzepts oder die Verwirklichung einer Vorstellung zu gehen. Eine Inszenierung. Ich habe ja auch die Frage stehen lassen, ob das überhaupt Jazz (also irgendwie aus dem Blues und/oder Gospel kommend, swingend, improvisatorisch, oder so …) sei. Insofern könnte ich verstehen, dass man damit, wenn man es z.B. aus der Jazzperspektive hört, nicht so viel anfangen kann.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme) -
Schlagwörter: 90s, Jazz der Neunzigerjahre
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