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Weiter mit noch mehr Großstadtmusik:
Joe Lovano – Rush Hour (1995)
Nicht Los Angeles, sondern New York ist hier das Thema. Neben Kompositionen von Ellington, Mingus, Monk, Ornette Coleman und Strayhorn und ein paar Standards auch 5 Stücke von Lovano und Gunther Schuller, der hier auch für die Orchester-Arrangements inkl. Streichern und dem (etwas gewöhnungsbedürftigen) Sopran von Lovanos Frau Judi bei einigen Tracks verantwortlich ist. Außerdem verschiedene kleinere Besetzungen, davon einmal Joe Lovano an Tenor und drums (!) und bei Chelsea Bridge sogar solo. Kein Piano. Stilistisch ist das ähnlich breit gefächert, Swing, Bop, Free, Third Stream, alles drin in der Mischung. Sentimentale Balladen, freie Improvisationen, komplizierte Orchester-Arrangements. Volles Programm! Höhepunkt das knapp 9-minütige Titelstück Rush Hour On 23rd Street, bei dem alles eskaliert und am Ende vor Dichte, Hektik und Spannung fast auseinanderknallt. Joe Lovanos Spiel auf dem Tenorsaxofon zu beschreiben, wäre noch mal eine Aufgabe für sich. Der verfügt über ein erstaunliches Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten und beherrscht damit hier das Geschehen.
Das Cover zeigt ein kubistisches Gemälde von Manhattan aus den 30ern. Ein gutes Stück romantisierende Nostalgie ist hier also mit dabei – natürlich auch durch die Kompositionen von Ellington, Mingus usw.
Tolle Platte, ambitioniert, herausfordernd, nicht immer leicht zu hören, kompliziert und voller Gegensätze und auch mal Disharmonie. Aber hey: Das ist die Symphonie der Großstadt!
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)