Jazz-Glossen

Ansicht von 15 Beiträgen - 526 bis 540 (von insgesamt 1,194)
  • Autor
    Beiträge
  • #7661367  | PERMALINK

    sokrates
    Bound By Beauty

    Registriert seit: 18.01.2003

    Beiträge: 19,201

    gypsy tail wind
    Und ja, kann schon sein, dass das so ist, wie Du sagst (wobei ich Ross mal nicht zu vorschnell abschreiben würde!) – die Ironie dürfte drin bestehen, dass Hornstein wohl irgend jemanden bei der SZ kennt und seinen Text deswegen überhaupt plazieren konnte…

    Dass man jmd. kennen muss, um seinen Text zu platzieren, ist immer so. Gerade im Feuilleton arbeiten viele frei und läuft viel auf Buddy-Basis.

    Der Hornstein-Text ist kein singulärer Artikel, sondern Teil einer seit ein paar Wochen laufenden Reihe (die nicht ausdrücklich als Reihe gekennzeichnet ist, sondern eine lose Folge ist) im SZ-Feuilleton zur Relevanz des Jazz. Insofern muss man Hornsteins Artikel als eine Meinungsäußerung unter mehreren sehen. Ich finde, er hat ein paar Phänomene (die GEZ-Trutzburgen z.B.) ganz treffend beschrieben.

    Ebenso unfair ist es, Hornstein ökonomisches Denken vorzuwerfen. Abgesehen davon, dass Musikmachen immer eine ökonomische Komponente hat (künstlerisch und in der Verwertung), hat die SZ-Artikelreihe u.a. die Situation in NYC beleuchtet, in der anscheinend ein paar Musiker sowas wie eine Jazz-Gewerkschaft und Mindestgagen etc. fordern, und Karl Lippegaus hat das dann neulich für Deutschland untersucht.

    --

    „Weniger, aber besser.“ D. Rams
    Highlights von Rolling-Stone.de
    Werbung
    #7661369  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 69,529

    Na ja, mit „Café del Mar“ hat er wohl abgesehen von Miles und Coltrane mehr Masse erreicht als so ziemlich jeder Jazzer… er sollte also lieber sein Bankkonto rasch in die Schweiz transferieren und die Klappe halten, denn es geht ihm wohl besser als den meisten anderen (auch besser als den jungen, die gerne ihre „idiosynkratischen“ Werke beim Radio abliefern).

    Diese Radio-Kultur gibt’s übrigens in der Schweiz nicht. Hier wird zwar gerne und regelmässig von Festivals berichtet und übertragen, es werden auch viele Jazz-Produktionen in den Studios von DRS eingespielt – aber dass extra irgendwelche Programme von womöglich eigens für den Anlass zusammengestellten Bands eingespielt werden, das gibt’s nicht (oder zumindest seit Mitte der 90er – seit da verfolge ich das einigermassen – nicht mehr).
    In Frankreich finden manchmal solche Sessions statt, aber das geht dann derart in die Avantgarde und die Leute werden völlig in Ruhe gelassen, dürfen in den Interviews auch ziemlich frei reden über was sie wollen… das find ich dann völlig okay (ich meine hiermit die grossartige und vor ein paar Jahren fast abgesägte Sendung Anne Montarons, A l’improviste). Ansonsten werden zwar eigene Konzerte veranstaltet, aber da treten auch einfach existierende Bands auf… dasselbe natürlich für die Klub-Mitschnitte, die dort quasi das Pendant zu den schweizer Festival-Mitschnitten bilden (in Frankreich gibt’s in der Sommerpause dann auch Festival-Mitschnitte aus Marciac, Vienne etc).
    Da scheint mir wirklich ein Unterschied zu bestehen… Enjoy Jazz etwa ist kaum am Radio zu hören, oder? Andere grosse Festivals haben längst musikalisch jegliche Relevanz verloren (am traurigsten wohl Leverkusen).

    @sokrates: ich lese die SZ nur samstags, habe daher von der Reihe nichts mitgekriegt. Nichtsdestotrotz muss der Text für sich allein stehen können. Und dass ein paar seiner Beobachtungen wohl einigermassen treffend sind innerhalb des beschriebenen Teils der deutschen Jazz-Szene, das habe ich ja auch gesagt.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #7661371  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,688

    nüchtern betrachtet, beklagt sich Hornstein, denk ich, vorwiegend, dass es in Deutschland (fast) keinen Smooth Jazz gibt…

    von hier
    http://www.youtube.com/watch?v=wUWjL2QRKtA
    nach hier
    http://www.youtube.com/watch?v=GaoLU6zKaws
    ist es nun wirklich nicht weit…

    --

    .
    #7661373  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 69,529

    Was wiederum ziemlich lächerlich wäre – denn Smooth Jazz hat mit Jazz ja bekanntermassen wenig bis gar nichts zu tun und läuft auch höchst selten an den üblichen Jazz-Spielstätten (und Rundfunk-Sendeplätzen).

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #7661375  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,688

    das ist auch super Joe Madrid Trio featering Michael Hornstein (dass Hornstein fliessend Spanisch spricht steht sogar in seinem Wikipedia Eintrag, hat vermutlich wer ergänzt, der den Film gesehen hat); die Moderatorin da wär mir aber auch in vieler Hinsicht lieber als Lippegaus, vielleicht meint er einfach das…

    --

    .
    #7661377  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 69,529

    Okay… er wär also gerne Dave Sanborn.

    Und ich glaub das war’s dann von mir zum Thema…

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #7661379  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,688

    hab den Text jetzt endlich gelesen, und kann nur meine einschätzung aus post 525 unterstreichen ;-) er tut mir ein bißchen leid und fertig (aber ein echter Klops ist noch dieser Vorwurf, die Musiker würden an den Hochschulen nicht lernen „auf elegante und zeitgemäße Art mit dem Publikum zu kommunizieren“), kurz gesagt stellt er fest, dass die Luft für „den Mann am Klavier“ dünn wird, weil er in den Kneipen nach und nach von Musik vom Band ersetzt wird – das ist, äh, eine Entwicklung die sich schon vergleichsweise lange abzeichnet… und Hornstein schlägt jetzt vor, die dusseligen gesponsorten Festivals, auf denen eh nur abstraktes Zeug gespielt wird, mit den Leuten aufzufüllen, für die in den Kneipen kein Platz mehr ist… anders gesagt, kann schon sein, dass 99.2 Prozent der Bundesbürger mit Hornsteins Musik mehr anfangen können als mit der von Peter Brötzmann – aber diese 99.2 Prozent sind mit Shakira noch besser bedient als mit Michael Hornstein und schalten bestimmt nicht ihre Fernseher ab, um in ein Michael Hornstein Konzert im örtlichen Jazzklub zu gehen… ich kann verstehen dass er verzweifelt ist, aber das konnt ich mir auch ohne diesen Artikel an zwei Fingern abzählen, gibt wirklich keinen Grund, diese Musik zu machen, die er macht, außer, dass es einem Spass macht – und dafür gibts halt kein Geld…

    --

    .
    #7661381  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,195

    redbeansandriceyep, schon die Frage ist sooo 70er… ich mag Jazz ja auch, und klar fänd ich es irgendwie witzig, wenn das allen so gehen würde, aber so ist es nun mal nicht; den Sinn dieses in den Radiosendern verankerten „Jazz-Establishments“ hab ich zwar auch nie so recht verstanden, aber wenn man das abschaffen würde, dann wär es weg und fertig…

    Und zwar ersatzlos. Hornsteins Musik würde dann Radio genausowenig gespielt werden wie heute.

    ich find diesen „wie schlecht die Welt ist, sieht man schon daran, dass keiner mich mag“ Standpunkt ja total niedlich, und ich würd Hornstein gerne ganz fest drücken, aber das Zeug, das er macht, wird nie die Massen erreichen, und wer wirklich hinhören will, tut das woanders,

    :-)

    SokratesEbenso unfair ist es, Hornstein ökonomisches Denken vorzuwerfen. Abgesehen davon, dass Musikmachen immer eine ökonomische Komponente hat (künstlerisch und in der Verwertung), hat die SZ-Artikelreihe u.a. die Situation in NYC beleuchtet, in der anscheinend ein paar Musiker sowas wie eine Jazz-Gewerkschaft und Mindestgagen etc. fordern, und Karl Lippegaus hat das dann neulich für Deutschland untersucht.

    Stimmt alles, das Problem ist, dass die Klagen von jemandem kommen, dessen Glaubwürdigkeit begrenzt ist, und zwar deshalb weil er eigentlich kein Jazzmusiker ist. Sein letztes Album heißt „Summertime Opium“. Wirklich.

    redbeansandricehab den Text jetzt endlich gelesen, und kann nur meine einschätzung aus post 525 unterstreichen ;-) er tut mir ein bißchen leid und fertig (aber ein echter Klops ist noch dieser Vorwurf, die Musiker würden an den Hochschulen nicht lernen „auf elegante und zeitgemäße Art mit dem Publikum zu kommunizieren“), kurz gesagt stellt er fest, dass die Luft für „den Mann am Klavier“ dünn wird, weil er in den Kneipen nach und nach von Musik vom Band ersetzt wird – das ist, äh, eine Entwicklung die sich schon vergleichsweise lange abzeichnet…

    :lol:

    und Hornstein schlägt jetzt vor, die dusseligen gesponsorten Festivals, auf denen eh nur abstraktes Zeug gespielt wird, mit den Leuten aufzufüllen, für die in den Kneipen kein Platz mehr ist… anders gesagt, kann schon sein, dass 99.2 Prozent der Bundesbürger mit Hornsteins Musik mehr anfangen können als mit der von Peter Brötzmann – aber diese 99.2 Prozent sind mit Shakira noch besser bedient als mit Michael Hornstein und schalten bestimmt nicht ihre Fernseher ab, um in ein Michael Hornstein Konzert im örtlichen Jazzklub zu gehen…

    :lol:

    ich kann verstehen dass er verzweifelt ist, aber das konnt ich mir auch ohne diesen Artikel an zwei Fingern abzählen, gibt wirklich keinen Grund, diese Musik zu machen, die er macht, außer, dass es einem Spass macht – und dafür gibts halt kein Geld…

    Klingt wie weichgespülter Garbarek. Originell ist das nicht. So einen Schlonz würde ECM nie veröffentlichen.

    Der Mann kann einem schon leid tun, er altert und erkennt irgendwie, dass er sein Leben verpfuscht hat. Dass er unter dieser „grausamen Entwicklung“ leidet, glaube ich ihm gerne. Seinen Hass bei den jungen Musikern abzuladen, die besser aussehen als er, sich in der guten alten Zeit aber hinten hätten anstellen müssen, ist einfach billig. Er hatte seine Chance, soll er die Fehler bei sich selbst suchen.

    Seine Diagnose stimmt aber auch einfach nicht. Ich erlebe viele ältere Jazzmusiker im Konzert, manche sind weit über 70, 80. Wo wir gerade dabei sind: Auch Jasper van’t Hof (kein Deutscher) ist kein Jungspund und der macht sicherlich keine hochgeradig abstrakte, unzugängliche Musik. Was ist das eigentlich für eine komische Idee, dass die Zuhörer die Kompositionen kennen müssen und dass die Jazzer nur noch Eigenkompositionen spielen? Das ist doch alles Quatsch…

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #7661383  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 69,529

    nail75Seine Diagnose stimmt aber auch einfach nicht. Ich erlebe viele ältere Jazzmusiker im Konzert, manche sind weit über 70, 80. Wo wir gerade dabei sind: Auch Jasper van’t Hof (kein Deutscher) ist kein Jungspund und der macht sicherlich keine hochgeradig abstrakte, unzugängliche Musik. Was ist das eigentlich für eine komische Idee, dass die Zuhörer die Kompositionen kennen müssen und dass die Jazzer nur noch Eigenkompositionen spielen? Das ist doch alles Quatsch…

    Ja, aber diese Jazzer sind ja gar nicht in seinem Fokus. Darum forderte ich oben ja Titten, Bier und Maschinengewehre ;-)

    Das mit den Originals ist allerdings schon ein übles Phänomen, wenn man die jungen Mainstream-Leute anschaut (z.B. den Criss Cross Katalog, oder den schon genannten Rosenwinkel): die füllen jede Scheibe mit ihren nichts-sagenden Retro-Originals… da würde ich oft lieber Standards oder klug gewählte Hardbop-Tunes hören (grad im Hardbop gibt’s ja viele tolle Stücke, die sich nie richtig etabliert haben… wer spielt schon Mobleys oder Clarks Stücke?)

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #7661385  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,195

    Ich gebe Dir Recht, dass Criss-Cross-Zeug niemand braucht, aber es gibt zahlreiche Jazzmusiker, die natürlich auch Standards spielen, die „das Publikum“ kennt. Allerdings könnten mehr Jazzmusiker den Weg von Brad Mehldau gehen und im Pop nach Stücken suchen.

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #7661387  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,688

    ich hab generell das gefühl, dass Hornstein die Zeitpunkte ein bißchen durcheinandergehen… die Sache mit den konservatoriumsgeschulten Musikern gab es offensichtlich schon in seiner Generation (und naja, vielleicht hat er insofern recht, dass wir jetzt an dem Punkt sind, an dem auch die Dozenten ausnahmslos keine Autodidakten mehr sind), welche Stücke man denn spielen soll, die das Publikum kennt, schwierig, in Sachen Criss Cross vs Hank Mobley stimm ich ja zu, aber let’s face it, selbst sowas wie „Autumn Leaves“ oder „The Shadow of your Smile“ ist kein Gemeingut mehr, die Kompositionen von Horace Silver oder gar Hank Mobley… und Radiohead covern ist ja mal ganz nett, aber „gesellschaftliche Relevanz“ wird man so billig niemals kriegen können… auf „Summertime Opium“ finden sich „Take Five“ und „Pink Panther“, klar das sind die paar Jazzstandards, die wirklich noch jeder kennt, aber ich bin eigentlich ganz dankbar, dass sich nicht jeder aus diesem doch sehr beschränkten Fundus bedient… das alles ist jedenfalls schon seit den 40er Jahren ein Problem… was schließlich die Sache mit den jungen Musikern betrifft: John Coltrane hat wirklich noch sein Debütalbum mit 30 aufgenommen, aber das war eine Generation, in der dieses Datum auch wirklich besonders spät lag… das ging immer mal so hin und her, aber ich hab eigentlich vor allem das Gefühl, dass Hornstein nicht erkennt, dass die wirklich etablierten Musiker aus seiner Generation (was weiß ich, Till Brönner, Barbara Dennerlein) Möglichkeiten haben, von denen die jungen Leute nur träumen können – das ist nun mal die Dynamik dieser Dinge – wer es als junger Musiker nicht schafft, ganz nach oben zu kommen, der wird es in der Regel auch später nicht schaffen, es gibt nun mal Platz für ein paar alte etablierte und einen etwas größeren Haufen junge, das konsolidiert sich dann – was auch eigentlich nicht schlecht ist, weil sich die verbleibenden alten dann andere Karrierewege suchen können (siehe etwa hier einen der ganz großen Schlagzeuger des deutschen Free Jazz)

    @van‚t Hoft: wollt ich mich immer mal mit beschäfftigen, noch nicht dazugekommen,

    --

    .
    #7661389  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 69,529

    Was die Kompositionen betrifft: natürlich kennt heute keine Sau mehr „Autumn Leaves“ – ist auch nicht weiter schlimm. Den Punkt begreif ich eh nicht und mein Post dazu hatte mit Hornstein auch nichts zu tun.

    Pop-Stücke als neue „Standards“ zu gebrauchen halte ich für ein begrenzt sinnvolles Unterfangen. Manchmal – bei Mehldau etwa – geht das ganz toll, andere Versuche sind eher zwiespältig rausgekommen (Herbie Hancocks „New Standard“, Joshua Redmans „Timeless Tales (For Changing Times)“). Dass sich Rock-Songs selten so einfach in Jazz-Tunes umändern lassen, liegt auch an der Entstehungsweise, der Präsentation der Stücke. Das faszinierende an den Standards ist ja das Zusammenspiel von Text und Melodie, dass die Melodie quasi der gesprochenen Phrasierung des Textes entspricht, oder anders herum: man nehme ein paar Zeilen aus guten Standards (Porter, Gershwin, Berlin, Arlen…) und spreche sie – und stelle dann fest, dass man genau die Rhythmik gebraucht, die der Song auch verwendet. Das ist eine Qualität, die dem „gesprächsartigen“ Spiel im grossen Mainstream des Jazz sehr entgegenkommt. Im Rock ist die Rhythmik egal, Silben werden zerdehnt, es wird geschriien, gestöhnt, geächzt… mit gesprochener Sprache hat das selten mehr viel zu tun, es geht um die Expression und dabei sind allerlei Freiheiten erlaubt und erwünscht. Zudem sind die Melodien oft doch eher einfach und werden eben erst durch die Art des Gesanges oder eben durch die Worte interessant. Es handelt sich eben um völlig verschiedene Herangehensweisen an Songs und ich denke, dass diejenige des Rock sich generell viel weniger gut eignet, um von Jazzmusikern einverleibt zu werden. Aber klar: es gibt Ausnahmen, und die können ganz wunderbar funktionieren! Diese Ausnahmen zu finden ist eine schöne Sache, aber wohl keine ganz leichte Aufgabe.

    Mit van’t Hof bin ich übrigens auch nicht viel weiter… habe den schönen CD-Reissue von Pork Pies „Transitory“, die drei ECM-Alben von Manfred Schoof mit ihm (den Grossteil gibt’s auf der Doppel-CD „Resonance“), und das war’s auch schon (abgesehen von ein paar ROIOs, Mariano und so…)
    Aber das Konzert, das Du gehört hast, klingt echt toll, nail!

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #7661391  | PERMALINK

    thelonica

    Registriert seit: 09.12.2007

    Beiträge: 4,426

    Gefunden im Gondel-Heft N° 169, 1963

    --

    #7661393  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 69,529

    Macht mein Versuchsballon oben mit den „Standards“ einigermassen Sinn?
    Ist nämlich wirklich nur laut nachgedacht, auf der Basis einer Überlegung von Larry Kart aus einem Text aus dessen Buch.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #7661395  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,688

    gypsy tail windMacht mein Versuchsballon oben mit den „Standards“ einigermassen Sinn?
    Ist nämlich wirklich nur laut nachgedacht, auf der Basis einer Überlegung von Larry Kart aus einem Text aus dessen Buch.

    was man wohl auch sehen muss, ist, dass die „Tin Pan Alley Songs“ einfach viel mehr darauf angelegt waren, dass sie von vielen verschiedenen Leuten einigermaßen überzeugend und in völlig unterschiedlichen Kontexten gespielt werden konnten – für Irving Berlin war es ein „Hit“, wenn seine Lieder von jedem Straßenkaffeeensemble aufgeführt wurden… was weiß ich, Bob Dylan dagegen reicht es vollkommen, wenn er selbst eine überzeugende Version seines Lieds vorführen kann… (schlechtes Beispiel, denn Dylan eignet sich mE noch mit am besten für Jazz Versionen), klar kann so ein Songwriter persönlicher werden, klar muss er nicht drüber nachdenken, ob das Lied noch einigermaßen klingt, wenn irgendwer, der gar nichts kann, es mit seinem Akkordeon aufführt… generell halt ich diesen Gedanken, dass der Jazz sein Publikum verliert, weil die Songs den Leuten nicht mehr bekannt sind, ziemlich sonderbar – wenn ich in ein Rockkonzert gehe, erwarte ich ja auch nicht, dass dort Stücke gespielt werden, die ich kenne…

    --

    .
Ansicht von 15 Beiträgen - 526 bis 540 (von insgesamt 1,194)

Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.