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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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gypsy-tail-windBei mir wieder einmal ein Bruckner-Tag … letzte Runde mit Nr. 1 sowie zwei neu angekommenen Versionen von Nr. 0 – zunächst Jochum mit Nr. 1 hieraus:
Jetzt läuft Bruckner 1 hieraus:
Als nächstes dann vielleicht 0 und 1 mit Venzago und auch mal noch 0 aus aus diesem Schrottset (ORF-Symphonie-Orchester unter Ernst Maerzendorfer, 1972 – gekauf hab ich das Ding für kleines Geld, weil da Nr. 7 mit Rosbaud und dem SWR von 1957 drin ist):
Oder ich mache dann doch erstmal mit Nr. 2 weiter und lasse Venzago und Schrott aussen vor … da wäre der Einstieg Jochum mit den Berlinern (DG), gefolgt von Gielen (1968 mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken, die einzige ältere Aufnahme aus der obigen Box), Haitink (Concertgebouw), Stein (Wiener Philharmoniker) etc. Vermutlich geht es da weiter, aber vielleicht auch erst in den nächsten Tagen, ich will da nichts überstürzen.
Mit Gielen hast Du ja jedenfalls Aufnahmen welche Dirigate in Klarsicht und Durchzeichnung erhalten …. bei Jochum ist die Architektur und deren Größe ein zentraler Ansatz …. diese unterschiedlichen Brucknerbilder kommen jedoch erst mit den Symphonien 3 ff deutlicher zum Vorschein ….
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Hier mal wieder, wie öfter letzthin, die Violinkonzerte von Mozart – mit Grumiaux und Davis. Erstaunlich, wie leicht man sich den Parnass in die Stube holen kann. Ich würde das gerne mal wieder mit Szeryng vergleichen, und Gibson – die sind mir als einzige bekannt mit einer ähnlichen, ambrosich ernsten Flugtechnik. Es gibt so viele, die auch gut sind, sehr gut, aber da ich mehr und mehr in Reduktionsstimmung bin und für Akkumulationen fast keine Zeit oder auch keine Lust mehr habe, schiebe ich halt Grumiaux ein, wenn mir nach Nektar auf leichte Art ist.
Zu Eurem Bruckneraustausch, ich finde ihn sehr interessant: Es zeichnet sich doch ab, dass diese Symphoniengebirge, vor denen Beethoven materiell fast wie ein Wicht dasteht, sehr weitgegangen sind. Aber verlassen lässt sich in der ästhetischen Historie fast nichts, das sind mehr oder weniger kuriose Wege der Überschreitung, es gibt keinen Maßstab (so war das mit Beethoven nicht gemeint, purer Zufall) und ich verwette meine sieben Großmütter, dass die Raummonstren von Bruckner und Mahler (ich lehne mich hinaus und sage schlicht, dass mir demgegenüber Silvestrovs irdische Tonmeisterlängen eher überflüssig erscheinen) – den ich gegenüber Bruckner fast als spitzbübischen Harlekin wahrnehme – letztlich kleine Huldigungen an Buxtehude oder an ein unschuldiges Kind mit Steingeklopfe vor der Höhle von Lascaux sein könnten, also, so richtig letztlich, aber es geht ja zum Glück weiter. – Gut, dass der Satz zuende ist.
Metzmacher mit Bruckner scheint mir sehr möglich, obwohl ich nie an die beiden gedacht hätte. Vielen Dank für den Text.
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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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clasjazHier mal wieder, wie öfter letzthin, die Violinkonzerte von Mozart – mit Grumiaux und Davis. Erstaunlich, wie leicht man sich den Parnass in die Stube holen kann. Ich würde das gerne mal wieder mit Szeryng vergleichen, und Gibson – die sind mir als einzige bekannt mit einer ähnlichen, ambrosich ernsten Flugtechnik. Es gibt so viele, die auch gut sind, sehr gut, aber da ich mehr und mehr in Reduktionsstimmung bin und für Akkumulationen fast keine Zeit oder auch keine Lust mehr habe, schiebe ich halt Grumiaux ein, wenn mir nach Nektar auf leichte Art ist. Zu Eurem Bruckneraustausch, ich finde ihn sehr interessant: Es zeichnet sich doch ab, dass diese Symphoniengebirge, vor denen Beethoven materiell fast wie ein Wicht dasteht, sehr weitgegangen sind. Aber verlassen lässt sich in der ästhetischen Historie fast nichts, das sind mehr oder weniger kuriose Wege der Überschreitung, es gibt keinen Maßstab (so war das mit Beethoven nicht gemeint, purer Zufall) und ich verwette meine sieben Großmütter, dass die Raummonstren von Bruckner und Mahler (ich lehne mich hinaus und sage schlicht, dass mir demgegenüber Silvestrovs irdische Tonmeisterlängen eher überflüssig erscheinen) – den ich gegenüber Bruckner fast als spitzbübischen Harlekin wahrnehme – letztlich kleine Huldigungen an Buxtehude oder an ein unschuldiges Kind mit Steingeklopfe vor der Höhle von Lascaux sein könnten, also, so richtig letztlich, aber es geht ja zum Glück weiter. – Gut, dass der Satz zuende ist. Metzmacher mit Bruckner scheint mir sehr möglich, obwohl ich nie an die beiden gedacht hätte. Vielen Dank für den Text.
Schön wieder von Dir zu lesen – Deine Gedanken zu Musik haben oft eine irreführende Trefflichkeit …. obwohl schon einige Zeit in der Nähe (insofern dies überhaupt möglich ist) zu Bruckner ist mir erst kürzlich die Verbindung zu Mahler deutlich spürbar geworden – nämlich wie zukunftsweisend Bruckner komponierte und gleichzeitig wie Mahler in gewichtigen Teilen der Tradition verhaftet blieb (ohne diese jedoch rückblickend ergo bewahrend zu inkorporieren) ….
Und wie schon gesagt Grumiaux + Davis = schlichte Größe ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)Nach einer wahnsinnigen Opern-Erfahrung gestern – bin im Opern-Thread eh noch einen Bericht schuldig, der folgt gleich – bin ich jetzt wieder bei Bruckner #2, mit Haitink. Und da ihr bzw. Du @clasjaz gerade darüber spricht, streue ich das gestern im Booklet zur Gielen-Box aufgeschnappte Zitat von dessen (Gielens) Onkel Eduard Steuermann ein: „Mein Gott, wenn der Bruckner die Kompositionstechnik von Mahler gehabt hätte oder dem Mahler die Einfälle von Bruckner gekommen wären, was wäre das für eine Musik geworden.“ Gielens Nachsatz im Booklet, dessen Text wohl auf einem Gespräch beruht: „Nein, nein, es ist schon richtig so: es muss ja nicht alles so raffiniert komponiert sein, es kann ja sehr wohl mit der Axt gehauen sein und trotzdem großartig. Anselm Kiefer habe ich mal beobachtet bei der Arbeit, der hat mit der Axt gemalt, und es ist großartig.“ (Paul Fiebig, Liner Notes zu: Michael Gielen Edition Vol. 2, 1968-2013: Bruckner, Symphonies No. 1-9, 10 CD, SWR Music, 2016)
@clasjaz, in Sachen Mozart: die grosse Überraschung der letzten Zeit ist da für mich Frank Peter Zimmermann, dessen erster Zyklus aus den Achtzigern auch schon ziemlich gut ist, der aber 2014/15 mit dem Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter Radoslaw Szulc für Hänssler nochmal einen Zyklus eingespielt hat (KV 364 mit Antoine Tamestit, das Adagio KV 261 und das Rondo KV 373 sind auch dabei, zwei separate CDs). Dieser ist aus der jüngeren Zeit möglicherweise der schönste. Geht in eine ähnliche Richtung wie jener von Julia Fischer, den ich einst mit Dir geteilt habe (oder irre ich mich da?), ist aber natürlich wieder anders, etwas intensiver, etwas brennender. Eine andere Option wäre gewiss Zehetmair mit dem Orchestra of the Eighteenth Century (wie Zimmermann beim ersten Zyklus als Solist/Dirigent). Aber Du suchst ja nicht … und mit Szeryng/Gibson kann ich gerne aushelfen, wenn Du möchtest, sag einfach Bescheid.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaDie Wiener unter Stein mit Bruckner 2 (1973) sowie Webers Ouvertüre zu „Euryanthe“ und der schmissigen „Aufforderung zum Tanze“ (beide 1977) (aus „The Orchestral Edition“ der Wiener Philharmoniker auf Decca). Es folgt wohl gleich Jochum mit den Dresdnern aus seiner Icon-Box. Dann stehen noch Karajan, Wand und Skorwaczewski an. Dass Nr. 2 zu einem Lieblingsstück wird, bezweifle ich allerdings, doch ich bin sehr auf die Fortsetzung gespannt, aber Nr. 3 wird der Kreis an (vorhandenen und mir vorliegenden) Aufnahmen ja wesentlich grösser, Knappertsbusch, Schuricht, Böhm und Celibidache sind die neuen Namen, von Haitink liegt mir dann auch eine zweite, spätere Einspielung vor (von 1988, mit den Wienern).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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gypsy-tail-wind „Nein, nein, es ist schon richtig so: es muss ja nicht alles so raffiniert komponiert sein, es kann ja sehr wohl mit der Axt gehauen sein und trotzdem großartig. Anselm Kiefer habe ich mal beobachtet bei der Arbeit, der hat mit der Axt gemalt, und es ist großartig.“ (Paul Fiebig, Liner Notes zu: Michael Gielen Edition Vol. 2, 1968-2013: Bruckner, Symphonies No. 1-9, 10 CD, SWR Music, 2016)
Die Axt mitunter als Skalpell …. was man bei Bruckner oft erst bemerkt wenn das Blut aus dem Feinschnitt drängt ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Das Steuermannwort ebenso wie die Gielenergänzung finde ich sehr treffend! Treffend auch in dem Befund, der dahintersteckt, dass man verdammt in Verlegenheit ist oder kommt, Verbindungen zu ziehen, ohne mit dem Wissen der Späteren belastet zu sein. Zu Steuermann fällt mir dazu gleich die Frage ein: „Was, wenn Mahler zwar zu den Einfällen tauglich gewesen wäre – sie aber nicht wollte?“ Worauf Steuermann natürlich zurückfragen könnte: „Und wieso nicht?“ In diesem und in der zugehörigen Gegenfrage „Warum gerade so?“ liegt eine Schwingung, in die uns die Jecken versetzen und sie sind zumindest veritable Fragen im Kunstenthusiasmus, der, wie jeder Post von soulpope schön erinnert, Arbeit ist oder doch auf ihr beruht.
Bei der Gelegenheit streue ich ein, dass meine gesegnete Vorliebe für Grumiaux und Davis bei den Mozartkonzerten etwas von Faulheit hat, so wie jeder Idealismus einfach nur faul ist – und in allen anderen Belangen tunlichst zu lassen sei. Faules Glück, das mich nicht mehr suchen lässt, hier. Dass Frank Peter Zimmermann schon früh der richtige Mann für diese Dinge war, natürlich! Ich schätze den Mann sehr, höre ihn mit seiner seltsam bürgerlichen Vehemenz sehr, auch im Schumannkonzert. Aber ich gehe ja von anderem aus, sag mir so, ich möchte jetzt Mozartkonzerte, und dann fällt mir eben Grumiaux ein. Dass die anderen, und klar, Julia Fischer, das auch „können“, ist keine Frage, und auch bei ihnen spreche ich ja davon, dass sie die Baumgrenze des Parnass erreicht haben. Zimmermann hat mich da nicht überrascht, seit seinen frühen Mozartsonaten mit Lonquich. – Szeryng/Gibson, gypsy, kommt demnächst ins Haus, lagert ja wie alles Vinyl zurzeit anderswo, danke!
Das Inkorporieren, soulpope, könnte doch also auch in der Negation liegen? Ist das nicht eine sehr schlichte Sache, diese Abgrenzung, weil man andere, jugendlich forsch wie die Jugend ist, nicht wiederholen möchte – man tuts natürlich trotzdem, was das Alter dann später gelassen hinnimmt und also Spuren beibehält, „bewahrt“? Mir stellt sich diese Frage gerade auch – Zufall oder Akzidenz oder Fügung -, bei Allan Pettersson. Das ist im Gestus, wie einer die Hand ausstreckt, eine Verbindung von Bruckner und Mahler, völlig egal, ob Pettersson die beiden nun gekannt hat oder nicht. Da ist das beharrende Ausgreifen Bruckners, der auch nicht immer weiter will und eine Bewegung anhält, bloß um sie wieder aufzunehmen, und zugleich die bei Mahler handgreifliche Abbrecherei eines Motivs – das also im Abbrechen vollendet ist – und zum Kaleidoskop des Zirkus führt, dem er sich aber doch verweigern möchte, was dann Ende von Symphonie III etwas säuselnd, in VIII völlig aufgehoben ist, weil thematisch gelöst, in Ende IX einfach hingenommen wird und in die Breite gewälzt. „Lied von der Erde“ ist schlüssig zu VIII, aber ein Zögern ohne Gefahr gleichsam vor dem Risiko, das folgt. V und VI scheinen mir die Bruchstellen zu sein und weil Mahler so oft versucht hat, doch noch in die seligen Gefilde Bruckners zu kommen, der eher schamlos agiert, haut er in V gleich zweimal das Militär raus und lässt in VI den Herrgott einen guten, aber belanglosen Mann sein.
Und bei all diesen Scharmützeln ist Pettersson womöglich die unverbindlichste Stimme, weil am wenigsten versprechende. Er beschränkt sich auf einen Einfall und hat sich und das, was er gehört hat, und trifft die Entscheidung, lange und sehr lange nur eine Stimme sprechen zu lassen. So reime ich mir das gerade zusammen. Warum er das gerade so macht und nicht wie sein schulmeisterlicher Lehrkopf Leibowitz – seltsame Jugendfigur mit seinen eigenartigen Nachplappereien im Zuge der „Neuen“ -, dürfte im Ernst seiner, Petterssons, Sache begründet sein.
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Vorhin vergessen:
IX , lässt sehr das Rätsel offen, ohne es auf den Seziertisch zu legen – oder vielmehr, das bleibt unentschieden.
Dann noch eine der größten Pettersson’schen Dehnungen, im Zögern eines Anfangs, der trotzdem sofort ohne Zögern da ist, maßlos – wenn Bruckner noch ein Scherzo brauchte, Mahler es zur Besessenheit einbaute, kennt Pettersson diese Unterscheidungen nicht mehr, kein rhetorisches Moment:
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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
Beiträge: 56,509
clasjazVorhin vergessen:
IX , lässt sehr das Rätsel offen, ohne es auf den Seziertisch zu legen – oder vielmehr, das bleibt unentschieden. Dann noch eine der größten Pettersson’schen Dehnungen, im Zögern eines Anfangs, der trotzdem sofort ohne Zögern da ist, maßlos – wenn Bruckner noch ein Scherzo brauchte, Mahler es zur Besessenheit einbaute, kennt Pettersson diese Unterscheidungen nicht mehr, kein rhetorisches Moment:
Brückner 9 ein (mglw so geplantes) Labyrinth ohne Ein- und Ausgang – wenn Du jetzt eine formbefreite Fortschreibung bei Pettersson (dessen Euvre ich viel zu wenig kenne) empfindest dann werde ich dem mal nachgehen …. seine 9te ist übrigens auch ein unfassbares Gebilde ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)gypsy-tail-wind Und da ihr bzw. Du @clasjaz gerade darüber spricht, streue ich das gestern im Booklet zur Gielen-Box aufgeschnappte Zitat von dessen (Gielens) Onkel Eduard Steuermann ein: „Mein Gott, wenn der Bruckner die Kompositionstechnik von Mahler gehabt hätte oder dem Mahler die Einfälle von Bruckner gekommen wären, was wäre das für eine Musik geworden.“ Gielens Nachsatz im Booklet, dessen Text wohl auf einem Gespräch beruht: „Nein, nein, es ist schon richtig so: es muss ja nicht alles so raffiniert komponiert sein, es kann ja sehr wohl mit der Axt gehauen sein und trotzdem großartig. Anselm Kiefer habe ich mal beobachtet bei der Arbeit, der hat mit der Axt gemalt, und es ist großartig.“ (Paul Fiebig, Liner Notes zu: Michael Gielen Edition Vol. 2, 1968-2013: Bruckner, Symphonies No. 1-9, 10 CD, SWR Music, 2016)
Zum Thema ‚Einfall und Kompositionstechnik‘ bei Mahler und Bruckner (+ Beethoven): Im Interview mit Paul Fiebig antwortet Gielen auf die Frage nach einem womöglich „vergessenswert[en]“ Eklektizismus in Mahlers Fünfter: „Die Erfindung ist doch nicht der Punkt. Wie kärglich sind viele Beethoven-Themen. Was man komponiert damit, das ist das Entscheidende. Was nützt mir die genialste Erfindung Bruckners, wenn er damit nichts anfangen kann. Gut, er kann relativ… Nein, nein, man kann sich nicht aufs hohe Roß setzen und der Meinung sein, daß Kompositionstechnik etwas aus den Niederungen ist, man kann nicht hinunterschauen auf die technische Errungenschaft, gut zu komponieren. Das ist ja auch eine techné. Was ist denn Kunst ohne ihre inhärente Technik? Ein billiger Einfall ist scheußlich, wenn man nicht komponieren kann; wenn einer komponieren kann, stört er mich überhaupt nicht.“
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… weil er dann nicht mehr als „billiger Einfall“ erkannt wird?
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-wind… weil er dann nicht mehr als „billiger Einfall“ erkannt wird?
Ich kann nicht für Gielen sprechen… gleich danach äußert er sich dann zu Brahms: „man muß ja doch das Thema der Passacaglia so erfinden, daß das alles möglich wird, wie in der c-moll-Passacaglia von Bach (…). Die Erfindungen sind schon danach, auch wenn es natürlich Dreiklänge und Skalen sind. Aber was ist denn nicht Dreiklang und Skala in der klassischen Musik? (…) es ist ein Wechselspiel zwischen der Materie, in der er sich bewegt und dem, was er daraus macht.“
Letzteres kommt mir persönlich vollends überzeugend vor. Es scheint mir irgendwie sinnlos, über die Ästhetik nur der ersten vier Takte von Beethovens Fünfter zu urteilen. Für sich genommen ist das sicherlich nichts Bewegendes, aber ein Gedanke bewahrheitet sich eben grundsätzlich nur im Kontext. Und auch Bachs Fugenthemen führen ja der Reihe nach vor, dass ihr „Gelungensein“ sich erst in der Verarbeitung wirklich zeigt.
Was mir dabei wichtig wäre: Beethovens obiges Anpochen ist ja auch überhaupt nichts „Anstößiges“ im Sinne von ‚plakativ‘ oder ‚banal‘. Damit ist ja im Gegensatz zum Finalthema von Tschaikowski Fünf nichts versaut, sondern nur erst angelegt und angeregt.--
soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
Beiträge: 56,509
@gruenschnabel : Dank für Deine Beiträge welche den Diskurs hier endlich wiederbeleben. Bin momentan außerstande vertieft zu antworten – meine Interesse inwieweit was bei Tschaikowsky 5 „versaut“ ist möchte ich nichtsdestotrotz bereits jetzt deponieren ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)gruenschnabel
gypsy-tail-wind… weil er dann nicht mehr als „billiger Einfall“ erkannt wird?
Ich kann nicht für Gielen sprechen… gleich danach äußert er sich dann zu Brahms: „man muß ja doch das Thema der Passacaglia so erfinden, daß das alles möglich wird, wie in der c-moll-Passacaglia von Bach (…). Die Erfindungen sind schon danach, auch wenn es natürlich Dreiklänge und Skalen sind. Aber was ist denn nicht Dreiklang und Skala in der klassischen Musik? (…) es ist ein Wechselspiel zwischen der Materie, in der er sich bewegt und dem, was er daraus macht.“
Letzteres kommt mir persönlich vollends überzeugend vor. Es scheint mir irgendwie sinnlos, über die Ästhetik nur der ersten vier Takte von Beethovens Fünfter zu urteilen. Für sich genommen ist das sicherlich nichts Bewegendes, aber ein Gedanke bewahrheitet sich eben grundsätzlich nur im Kontext. Und auch Bachs Fugenthemen führen ja der Reihe nach vor, dass ihr „Gelungensein“ sich erst in der Verarbeitung wirklich zeigt.
Was mir dabei wichtig wäre: Beethovens obiges Anpochen ist ja auch überhaupt nichts „Anstößiges“ im Sinne von ‚plakativ‘ oder ‚banal‘. Damit ist ja im Gegensatz zum Finalthema von Tschaikowski Fünf nichts versaut, sondern nur erst angelegt und angeregt.Danke auch von meiner Seite, finde es ja interessant, überhaupt solche Gedankengänge zu lesen. Oder auch mal selbst anzustellen versuchen, aber da bin ich in der Klassik noch nicht sehr weit, mein Verständnis davon, was nun Kompositionstechnik genau ist, wie man das anstellt, wie das in der Umsetzung genau klingt, ist äusserst rudimentär (will sagen, ich verstehe das Orchester als Klangkörper nicht, komme da ja schon bei einer Jazz-Big-Band an die Grenzen, wo ich kleine Combos noch begreife oder das wenigstens denke).
Aber gut, die obligate Folgefrage: Was ist denn beim Finale von Tschaikowskis Fünfter daneben gegangen? Ich habe bewusst noch nie Symphonien von Tschaikovsky gehört, aber – wie inzwischen üblich, wenigstens beim weiteren Kernrepertoire – liegen natürlich einige Aufnahmen bereit für den Tag, an dem es mich dahin treibt (komplette Zyklen von Dorati, Bernstein, Karajan und Abbado, dazu diverse einzelne Einspielungen, 1-3 mit Pletnev, 4-6 mit Mravinsky und Böhm …), aber da bin ich wirklich noch nirgendwo, kenne eigentlich nur das Violinkonzert und halbwegs die Klavierkonzerte bzw. v.a. das erste.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Zu Tschaikowsky V und dem verdorbenen Satz möchte ich auch fragen, weil ich davon noch gar nicht gehört habe, mir aber auch Tschaikowsky kaum bekannt ist. Hie und da was. Und Beethovens Fünfte, das Anpochen, ich kann das sehr gut nachvollziehen, was Du schreibst, gruenschnabel. Zumal das ja auch noch ein Zitat eines der Revolutionslieder damals ist, rudimentär zwar. Die Erfindung, der bloße Einfall, muss sich wohl erweisen in den folgenden Verbindungen, also komponierend gezügelten Erfindungen, die dann den „Kontext“ herstellen und als komponiertes „Werk“ bekräftigen. Da kommt einfach so unglaublich viel zusammen an Fragen, auch die nach der offenen und geschlossenen Form, nach der Offenheit, die sich noch in der Verwandlung von Zitaten, die selbst eine Erfindung ist, zeigt. Beethoven mit Diabelli und auf andere Weise zigmal mit Mozart sind Beispiele, die Kontrafakturen Bachs, seine Ausflüge zu Vivaldi, und, ich lasse nicht nach, die wie selbstverständlich als endgültige Sprache genommenen Variationen Petterssons. Der Mann irritiert mich gerade mächtig, mit dieser eigenen Stimme, die in der Wertschätzung der anderen Stimmen keine Grenze zu kennen scheint. Mahler nach meinem begrenzten Wissen zuvörderst. Angenommen, Mahler selbst sei ein Mann der Brüche, mit fast schon quengeligen Bezügen auf Bruckner, ist das, was Pettersson macht, beinahe eine tour de force der strengen Emotion, die sich kompositorisch nicht aufhalten lässt.
Also kurz, ich folge Euch mit Spannung.
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Schlagwörter: Klassik, klassische Musik, Tagebuch
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