Antwort auf: Ich höre gerade … klassische Musik!

#10042831  | PERMALINK

Anonym
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Das Steuermannwort ebenso wie die Gielenergänzung finde ich sehr treffend! Treffend auch in dem Befund, der dahintersteckt, dass man verdammt in Verlegenheit ist oder kommt, Verbindungen zu ziehen, ohne mit dem Wissen der Späteren belastet zu sein. Zu Steuermann fällt mir dazu gleich die Frage ein: „Was, wenn Mahler zwar zu den Einfällen tauglich gewesen wäre – sie aber nicht wollte?“ Worauf Steuermann natürlich zurückfragen könnte: „Und wieso nicht?“ In diesem und in der zugehörigen Gegenfrage „Warum gerade so?“ liegt eine Schwingung, in die uns die Jecken versetzen und sie sind zumindest veritable Fragen im Kunstenthusiasmus, der, wie jeder Post von soulpope schön erinnert, Arbeit ist oder doch auf ihr beruht.

Bei der Gelegenheit streue ich ein, dass meine gesegnete Vorliebe für Grumiaux und Davis bei den Mozartkonzerten etwas von Faulheit hat, so wie jeder Idealismus einfach nur faul ist – und in allen anderen Belangen tunlichst zu lassen sei. Faules Glück, das mich nicht mehr suchen lässt, hier. Dass Frank Peter Zimmermann schon früh der richtige Mann für diese Dinge war,  natürlich! Ich schätze den Mann sehr, höre ihn mit seiner seltsam bürgerlichen Vehemenz sehr, auch im Schumannkonzert. Aber ich gehe ja von anderem aus, sag mir so, ich möchte jetzt Mozartkonzerte, und dann fällt mir eben Grumiaux ein. Dass die anderen, und klar, Julia Fischer, das auch „können“, ist keine Frage, und auch bei ihnen spreche ich ja davon, dass sie die Baumgrenze des Parnass erreicht haben. Zimmermann hat mich da nicht überrascht, seit seinen frühen Mozartsonaten mit Lonquich. – Szeryng/Gibson, gypsy, kommt demnächst ins Haus, lagert ja wie alles Vinyl zurzeit anderswo, danke!

Das Inkorporieren, soulpope, könnte doch also auch in der Negation liegen? Ist das nicht eine sehr schlichte Sache, diese Abgrenzung, weil man andere, jugendlich forsch wie die Jugend ist, nicht wiederholen möchte – man tuts natürlich trotzdem, was das Alter dann später gelassen hinnimmt und also Spuren beibehält, „bewahrt“? Mir stellt sich diese Frage gerade auch – Zufall oder Akzidenz oder Fügung -, bei Allan Pettersson. Das ist im Gestus, wie einer die Hand ausstreckt, eine Verbindung von Bruckner und Mahler, völlig egal, ob Pettersson die beiden nun gekannt hat oder nicht. Da ist das beharrende Ausgreifen Bruckners, der auch nicht immer weiter will und eine Bewegung anhält, bloß um sie wieder aufzunehmen, und zugleich die bei Mahler handgreifliche Abbrecherei eines Motivs – das also im Abbrechen vollendet ist – und zum Kaleidoskop des Zirkus führt, dem er sich aber doch verweigern möchte, was dann Ende von Symphonie III etwas säuselnd, in VIII völlig aufgehoben ist, weil thematisch gelöst, in Ende IX einfach hingenommen wird und in die Breite gewälzt. „Lied von der Erde“ ist schlüssig zu VIII, aber ein Zögern ohne Gefahr gleichsam vor dem Risiko, das folgt. V und VI scheinen mir die Bruchstellen zu sein und weil Mahler so oft versucht hat, doch noch in die seligen Gefilde Bruckners zu kommen, der eher schamlos agiert, haut er in V gleich zweimal das Militär raus und lässt in VI den Herrgott einen guten, aber belanglosen Mann sein.

Und bei all diesen Scharmützeln ist Pettersson womöglich die unverbindlichste Stimme, weil am wenigsten versprechende. Er beschränkt sich auf einen Einfall und hat sich und das, was er gehört hat, und trifft die Entscheidung, lange und sehr lange nur eine Stimme sprechen zu lassen. So reime ich mir das gerade zusammen. Warum er das gerade so macht und nicht wie sein schulmeisterlicher Lehrkopf Leibowitz – seltsame Jugendfigur mit seinen eigenartigen Nachplappereien im Zuge der „Neuen“ -, dürfte im Ernst seiner, Petterssons, Sache begründet sein.

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