Die besten Hard Bop Alben

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  • #3480745  | PERMALINK

    vega4

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    THELONICAMich würde mal interessieren, ob da Leute von Fachzeitschriften, Radio, Plattenfirmen oder Journalisten mitlesen, könnte es mir gut vorstellen. Es wäre vielleicht ganz gut, wenn Fachzeitschriften oder Radioredaktionen mal ein Thema aufgreifen würden, siehe McIntyre.

    Zumindest ein Journalist vom „Standard“ liest hier regelmässig. Werden wohl einige mehr sein… Eine gute Quelle ist dieses Forum auf jeden Fall.

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    #3480747  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Mit den Mainstream Alben muss ich mal wieder einen Versuch machen. Die sind mir meist dann doch vom Sound und der Produktion her etwas zu „smooth“ (nicht ganz CTI aber auf dem Weg dahin).

    Jetzt läuft grad Junior Cooks „Junior’s Cookin'“ – gefällt mir sehr, sehr gut!

    Cook klingt robust und stark, irgendwo zwischen Coltrane und Rollins, trockener als letzter, mehr Volumen im Sound als ersterer. Das Album ist auch zwei Sessions zusammengestellt, die erste fand im April 1961 in Kalifornien statt und wurde von Russell Jacquet (dem trompetespielenden Bruder von Illinois) produziert – sie klingt übrigens anders, der Bass „boomt“ ziemlich heftig – überhaupt, Gene Taylor! Der spielt auf all den Blue Notes von Mitchell und auch auf „The Cup Bearers“ und sein Sound ist – wie Horace Silver treffend gesagt hat – so gross wie ein Wolkenkratzer! Geht so in die Richtung Sam Jones, aber weniger virtuos, noch etwas erdiger, und noch mehr gefühlt statt gehört – also enorm präsent aber ohne, dass man ihn besonders gut hören würde, kein satter Ton, der schön nachklingt, sondern ein tiefes Rumpeln, das der Musik unglaublich gut tut!
    Nun ja… die Session aus Kalifornien entstand mit Dolo Coker am Piano – neben Carl Perkins (und natürlich dem um diese Zeit grad angekommenen Engländer Victor Feldman) wohl der erdigste der West Coast Pianisten (wunderbar zu hören auf Art Peppers „Intensity“). Auf der zweiten Session (die auf dem Album als erstes zu hören ist), aufgenommen in New York im Dezember 1961, spielt dann Ronnie Mathews.
    Da ist auch schon die nächste Connection… Roland Alexander hat zwei Stücke beigesteuert, eins kommt von Charles Davis. Mitchell hat eins seiner eigenen Stücke zuvor schon auf dem Jazzland-Album von Charlie Rouse gespielt… das ergibt eine ganze Gallerie von Leuten, die in der zweiten Linie standen…

    Blue Mitchell, Bill Hardman, Louis Smith
    Charlie Rouse, Junior Cook, Roland Alexander, Charles Davis
    Ronnie Mathews

    @redbeans: vielleicht war ich beim Bewerten von „A Sure Thing“ doch etwas zu konservativ (oder bei einer Reihe anderer Alben aus der Riverside Zeit zu grosszügig). Muss es mir nochmal anhören, ebenso die beiden letzten Blue Notes aus dem Mosaic.

    Es gab danach ja noch zwei weitere Blue Notes, von denen ich glaub ich eins vor Jahren mal gehört habe. Im Mosaic hat man die weggelassen, weil sie die Musik in eine kommerziellere Richtung getrieben haben (wie die Mainstream-Alben dann auch?), was ja auch dazu passt, das Mitchell mit Ray Charles und John Mayall gespielt hat in den Jahren danach. Er war ein Pro im guten wie im schlechten Sinne. Also Konsistenz, hohes Niveau… aber eben auch diese Abwesenheit des gewissen Etwas, das den Funken überspringen lässt.

    Und ja, für jemand wie Art Farmer wären diese geplanten Produktionen sicher ein Fest gewesen! Er hatte ja auch allerlei Möglichkeiten, vom Quartett übers Quintett (Am besten gefällt mir das mit Gryce! Das Album auf United Artists mit Golson und Bill Evans ist aber auch wunderbar) und Septett, dann das Jazztet, dazwischen Alben mit Big Bands… ihm lag das, das ist klar!
    Farmer ist ja auch (wie Mitchell) ein eher flächiger, deckender, satter Spieler -im Gegensatz zu den „brüchigen“, wo ich mal Kenny Dorham als Beispiel nennen würde, vielleicht dann auch Bill Hardman oder Ray Copeland – diese Blechigkeit bei gleichzeitigem Lyrizismus, das spricht mich gemeiniglich eher an. Aber Farmer ist einfach so unglaublich gut, dem hör ich immer gerne zu!

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    #3480749  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Vega4Zumindest ein Journalist vom „Standard“ liest hier regelmässig. Werden wohl einige mehr sein… Eine gute Quelle ist dieses Forum auf jeden Fall.

    Die Journis sollen ruhig mitlesen, ja – das Niveau der Jazzberichterstattung in derr Presse ist ja gemeinhin ziemlich dürftig (um es nachsichtig zu formulieren). Den Standard lese ich zwar nie (ausser ich geh mal wieder nach Wien in die Ferien), aber was man so in der NZZ, der FAZ oder der Süddeutschen lesen kann… na ja. Hab auch schon berichtigende Kommentare hinterlassen müssen, weil ich mich dermassen geärgert habe. (Ich kann ja verstehen, dass die Umstände im Journalismus hart sind und dass grad die Kultur/Feuilleton-Redaktion wohl als erste unter Stellen- und Budget-Abbau zu leiden haben, aber was in der Zeitung steht sollte ja schon sauer recherchiert sein, nicht?

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    #3480751  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    gypsy tail wind
    Es gab danach ja noch zwei weitere Blue Notes, von denen ich glaub ich eins vor Jahren mal gehört habe. Im Mosaic hat man die weggelassen, weil sie die Musik in eine kommerziellere Richtung getrieben haben (wie die Mainstream-Alben dann auch?), was ja auch dazu passt, das Mitchell mit Ray Charles und John Mayall gespielt hat in den Jahren danach. Er war ein Pro im guten wie im schlechten Sinne. Also Konsistenz, hohes Niveau… aber eben auch diese Abwesenheit des gewissen Etwas, das den Funken überspringen lässt.

    die Mainstream Alben sind sehr unterschiedlich stark kommerziell (s. die beiden, die ich verlinkt hab)… ich denk man muss auch ein bißchen trennen zwischen etwas breiterem Interesse am Soul/Jazz/Funk-Kontinuum als bei den meisten Hard Boppern (ist ja zB auch kein Zufall, dass Mitchell wohl an mehr klassischen und weniger klassischen Orgelalben beteiligt war als jeder andere Hard Bop Trompeter; klassisch=Jimmy Smith, Don Patterson, John Patton; weniger klassisch zB = Charles Kynard) und wirklich kommerziellen Projekten – gab es bei Mitchell beides… ich hab die Aufnahmen nicht präsent aber Charles und Mayall kann an sich man auf beiden Wegen motivieren…

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    #3480753  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    New in Town: Sterne an Blue Mitchell

    gypsy tail windZu Blue Mitchell: sein erstes Blue Note Album blieb im Kasten – es sollte „Step Lightly“ heissen und erschien erst viel später mal – Infos von Jazzdisco:

    BLP 4142 Blue Mitchell – Step Lightly (not released)
    Blue Mitchell (tp) Leo Wright (as) Joe Henderson (ts) Herbie Hancock (p) Gene Taylor (b) Roy Brooks (d)
    Rudy Van Gelder Studio, Englewood Cliffs, NJ, August 13, 1963
    tk.4 Little Stupid (Andrea)
    tk.11 Cry Me A River
    tk.14 Mamacita
    tk.15 Sweet And Lovely
    tk.22 Step Lightly
    tk.24 Bluesville

    Es spielt zwar Hancock (der ja auch Pearsons Ersatz in der Band von Donald Byrd war), aber produziert hat Pearson und die Session klingt ähnlich wie „Little Johnny C“, nicht nur wegen Wrights spezieller Intonation.

    Ich hab da was durcheinandergebracht. Pearson war federführend bei „Little Johnny C“, bei „Step Lightly“ war’s Joe Henderson, der die musikalische Leitung übernahm (einige Kompositionen, Arrangements). Die Alben lassen sich trotzdem gut vergleichen – sie sind auch beide atypisch für Blue Note, weil sie eben so hübsch arrangiert und geplant sind (z.B. Bläser-Backings für Soli, sowas gab’s bei Blue Note ja nur selten).

    Aber Coles ist für mich insgesamt (auch wenn ich viel weniger von ihm habe – es gibt ja viel weniger) ein tollerer Trompeter als Mitchell, irgendwo zwischen Miles und Farmer, eine Spur weniger flächig und sanfter im Sound… muss „The Warm Sound“ mal wieder hervorsuchen.

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    #3480755  | PERMALINK

    vega4

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    gypsy tail windDie Journis sollen ruhig mitlesen, ja – das Niveau der Jazzberichterstattung in derr Presse ist ja gemeinhin ziemlich dürftig (um es nachsichtig zu formulieren). Den Standard lese ich zwar nie (ausser ich geh mal wieder nach Wien in die Ferien), aber was man so in der NZZ, der FAZ oder der Süddeutschen lesen kann… na ja. Hab auch schon berichtigende Kommentare hinterlassen müssen, weil ich mich dermassen geärgert habe. (Ich kann ja verstehen, dass die Umstände im Journalismus hart sind und dass grad die Kultur/Feuilleton-Redaktion wohl als erste unter Stellen- und Budget-Abbau zu leiden haben, aber was in der Zeitung steht sollte ja schon sauer recherchiert sein, nicht?

    Er liest ja nicht nur den Jazzbereich im diesen Forum. Das Niveau der Berichterstattung ist auf jeden Fall nicht sooo schlecht. Allerdings hat der Jazz auch im „Standard“ ein Schattendasein. Es wird auch dort viel zu wenig berichtet…

    Ö1 hat zumindest einiges für ihm übrig. Vor allem die Jazznacht ist empfehlenswert.
    Das morgige Programm:
    http://oe1.orf.at/programm/250752

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    #3480757  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ja, am Radio geht’s dem Jazz ja nicht so schlecht. Ö1, France Musique und einige der dritten in Deutschland (WDR besonders?) und in der Schweiz v.a. RSR 2 haben ziemlich viel Jazz. Allerdings höre ich kaum noch rein, da ich mir das meiste dann von Dime hole.

    Ich kann mich ausführlicher nur zur Presse in der Schweiz äussern, konkret Tagesanzeiger und NZZ. Ersterer hat eh schon längst alles abgebaut, es gibt hie und da was über Jazz, aber ist selten geworden. Die NZZ hat im Rahmen der Neugestaltung das Feuilleton (das ich für das beste halte im deutschen Raum, aber eben, ich lese die FAZ nur ca. zweimal und die SZ einmal wöchentlich, die Zeit wäre noch die grösste Konkurrenz) tatsächlich mitten in der Krise ausgebaut, aber der Jazz wird seit dem Tod Nick Liebmanns (der selber auch als Drummer aktiv war) stiefmütterlich behandelt (es schreiben zumeist Leute, die sonst auch über Pop oder Black Musik oder was auch immer schreiben, und da gibt’s dann halt die Fehler und Ungenauigkeiten bei den Details). Schöner Klammersatz… ich sollte wohl auch unter die Journalisten gehen :lol:

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    #3480759  | PERMALINK

    vega4

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    Wie gefällt dir eigentlich das „Jazzthing“? Gerade weil es auch immer über den Tellerrand blickt und andere Musikbereiche teilweise abdeckt, bin ich zufrieden mit ihm. Natürlich wäre einiges verbesserungswürdig, aber trotzdem lese ich das Jazzthing schon seit Jahren regelmässig.

    http://www.jazzthing.de/

    --

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    #3480761  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Hab ich noch nie gelesen… komme einfach nicht auch noch dazu!
    Habe das Jazz Magazine/Jazz Hot abonniert (französisch) und dazu Songlines und lese dann am ehesten noch das Wire dazu.

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    #3480763  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Um wieder zum Thema zurückzukommen… es läuft grad Charlie Rouse‘ „Takin‘ Care of Business“ – aufgenommen im Mai 1960 für Jazzland mit Blue Mitchell, Walter Bishop Jr., Earl May (der Polizist, der auch mit Monk und Coltrane aufnahm) und Art Taylor. Keine sonderlich spannende Rhythmusgruppe, aber ein sehr solides Album – solide find ich überdies auch ein gutes Wort, um das musikalische Temperament von Rouse zu beschreiben. Bishop spielt sehr stimmungsvoll, vieles hier scheint mehr Bebop als Hardbop, aber da ist auch eins dieser typischen Randy Weston Originals mit diesem rollenden Groove, „204“, sowie Westons Ballade „Pretty Strange“, in der Rouse allein im Mittellpunkt steht.

    Mit Rouse sind wir weiter in die Apokryphen des Hardbop abgetaucht. Er spielte auch auf dem zweiten Blue Note Album von Louis Smith und sollte ein paar Jahre später ein eigenes, ziemlich mittelprächtiges Blue Note Album aufnehmen, „Bossa Nova Bacchanal“ (ich vermute, ein Versuch, an die meines erachtens durchaus geglückte „Bossa Nova Soul Samba“ von Ike Quebec anzuschliessen, der ja auch ein Veteran war, der auf Blue Note seine – leider kurze – letzte Zeit verbrachte). Rouse ist ein ziemlich trockener Musiker, aber auf „Takin‘ Care of Business“ und ebenso auf dem Epic-Album „Yeah.“ (mit Billy Gardner am Piano, Peck Morrison und Dave Bailey – 2007 mit drei Stücken von „We Paid Our Dues“, auch Epic 1961, von Sony/BMG Frankreich auf CD neu aufgelegt) spielt Rouse ziemlich zupackend und kraftvoll, und wie mich dünkt mit weniger säuerlichem Ton als bei Monk.
    Aber Rouse war ja eigentlich auch schon ein Veteran, geboren 1924 hat er u.a. mit Billy Eckstine, Dizzy Gillespie und Duke Ellington gespielt, er taucht auch auf der wunderbaren Tadd Dameron Session vom 26. September 1947 an der Seite von Fats Navarro und Ernie Henry auf. Für Blue Note spielte er zudem auch auf Alben von Bennie Green, Donald Byrd und Sonny Clark, doch er gehörte nie zum festen „Stall“ von Lion/Wolff.
    Zu „Yeah.“ werd ich vielleicht morgen was schreiben, hab die CD nach erstaunlich kurzer Suchzeit soeben gefunden… next up: Louis Smith („Here Comes“ und „Smithville“), Roy Haynes‘ „Just Us“, Rouses „Yeah.“, Johnny Coles („Little Johnny C“ und „The Warm Sound“), Bobby Timmons‘ „Soul Time“ (Quartett mit Blue Mitchell – doch nicht ausgeliehen) sowie massenhaft Horace Silver – es sei denn, die Lust auf Hardbop vergeht mir in der Zwischenzeit schon wieder…

    Ach ja… die „Jazz Modes“, von Julius Watkins und Charlie Rouse (zweieinhalb Alben auf Dawn sowie zwei auf Atlantic) sind auch eine sehr schöne Fussnote der Jazzgeschichte! Die muss ich auch mal wieder hervorsuchen!

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    #3480765  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Hab einer kleinen Programmänderung zu verdanken, dass ich heute einen Jazz Messengers Tag habe… die Bohemia Aufnahmen, dazu diverse andere Sessions von Mobley, Donald Byrd und Kenny Burrell (und die Afro-Blue von Mitchell sollte ich auch noch hervorkramen).

    Unglaublich tolle Musik! Da ist alles schon da, was Hardbop ausmacht. Man kann ja schon ca. 1951 ersten Hardbop hören (Dig von Miles), die rhythmichen Elemente sind schon damals zu finden, aber das Gesamtpaket, die Reduktion, der Funk, der Blues, die catchy Linien, die Prise Soul und Gospel… bei den Jazz Messengers verschmiltzt all das zur Perfektion!

    Eigentlich interessant, dass das alles (mit Ausnahme von Blakey) eher lyrisch geartete Musiker sind, die diesen extrovertierten Stil perfektionierten: Dorham, Mobley und auch Silver, der ja nie so plakativ draufloshämmert, wie das später etwa Bobby Timmons machte. Die Feinheit, die trotz der Direktheit dieser Musik eben doch immer zu spüren ist, die endlosen Nuancen, derer Mobley fähig ist, der brüchige Ton von Dorham, der ihn aber nicht dran hindert, kraftvoll und mit viel punch zu spielen, und eben Silver, dessen Stil ich immer irgendwie als „rollend“ empfinde… das ist eine Flüssigkeit drin, die zwar gehörig rumpeln und grooven mag, aber die Musik fliesst immer, das finde ich sehr, sehr schön! Er hat sich ja für sein Quintett später mit Blue Mitchell wieder einen ausgesprochen lyrischen Solisten gesucht, was dann einen guten Kontrast zum robusten Junior Cook ergab.

    Ging dieses lyrische Element später etwas verloren? Grad bei Blue Note?

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    gypsy-tail-wind
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    Julian Priesters Debut-Album als Leader entstand am 11. Januar 1960 in den Reeves Sound Studios in New York und wurde auf Riverside veröffentlicht. Priester (*1935 in Chicago) hat seine Karriere als Berufsmusiker 1953 bei Sun Ra begonnen. Er blieb für ca. drei Jahre bei Ra, spielte dann mit Lionel Hampton und Dinah Washington, bevor er im Januar 1959 Mitglied des neuen Max Roach Quintett (mit den Turrentine Brüdern) wurde.
    Schon auf den Aufnahmen mit Roach – „Quiet As It’s Kept“, „Long As You’re Living“, „Parisian Sketches“ – überrascht Priester mit einem extrem weichen, vokalen Ton, einer stimmhaftigkeit in seinen Improvisationen, die im (im weiteren Sinne) Mainstream-Jazz ihresgleichen bis heute nicht gefunden hat. Mit den Turrentines zusammen bildete er eine perfekte Frontline; der erratische Tommy an der Trompete glänzt auf diesen Aufnahmen, bei Stanley werden die sonst oft verschütteten Qualitäten hörbar, die einen rohen, emotionalen Solisten mit vokalem Ton zeigen.
    Priester hat in jener Zeit auch mit Abbey Lincoln, Philly Joe Jones, Johnny Griffin, Buddy Rich, Blue Mitchell, und ganz besonders auf Booker Littles beiden schönsten Alben „Out Front“ und „& Friend“ mitgewirkt.
    Das Solo-Debut auf Riverside präsentiert ihn mit einer erstklassigen Rhythmusgruppe: Tommy Flanagan und Jimmy Heath klingen so funky wie ich sie noch nie gehört habe und Elvin Jones ist auf dem Weg vom unkonvenionellen jungen Drummer zum grossen Polyrhythmiker. Fünf der acht Stücke entstanden im Quintett – und was Wunder: auch Jimmy Heath gefällt mir hier ganz hervorragend. Die Musik ist Bilderbuch-Hardbop: eingängige, machmal fast Ohrwurm-hafte Originals (geschrieben von Priester, sowie je eins von Heath und Charles Davis) sowie die Standards „Just Friends“ und „Once in a While“.
    Was mir am Album so ausgezeichnet gefällt ist die Frische, die vor allem von Priester selber und von Jones ausgeht. Flanagan und Heath klingen anders als sonst, da sie beide aber (bei mir) nie in den Verdacht kommen, Hardbop-Klischees zu reihen, macht mir dieses Plus an Funkiness und bluesiger Spielweise bei beiden grossen Spass. Und auch Heath klingt eine Spur rauher… angerauht, im Vergleich zu seinem sonst eine Spur zu glattem Spiel auf seinen eigenen Riverside-Alben. Priester selbst ist aber front and centre hier – der nächste neue Posaunist nach Jahren der Dominanz von J.J. Johnson. Er spielt fast so flüssig wie dieser, aber sein Ton ist unglaublich weich und seine Spielweise vokal wie man das seit Benny Morton, Dicky Wells, Trummy Young oder Vic Dickenson nicht mehr gehört hat. Dabei klingt er überhaupt nicht nach diesen (mit Ausnahme Mortons) viel rauheren Musikern, was die stimmhaftigkeit und Expressivität seines Spiels noch viel eindrücklicher macht. Es ist genau diese Kombination aus Lyrizismus und Emotionalität, die Priester für mich zu einem der grössten Posaunisten des Jazz machen.

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    #3480769  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 13,486

    danke für den tollen Text, hab das Album direkt auch mal rausgesucht… (was Heath eigene Alben betrifft: auch der mag der zu niedlichen Riverside-Ästhetik zum Opfer gefallen sein, auch wenn er sicherlich mehr damit anfangen konnte als Mitchell…) (ob mir Heath hier sooo gut gefällt wie auf meinen Lieblingsalben mit ihm (Kenny Dorham Quintet und Jayhawk Talk?) weiß ich noch nicht sicher, Flannagan tut das etwas bluesigere, reduziertere setting offensichtlich gut…)

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    #3480771  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

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    Flanagan konnte ja einfach alles. Vom schnörkellosen Bop im Trio (von „Sea Changes“ zu seinen eigenen Enja Trios, ganz besonders „Giant Steps“) über „flowery“ Piano (etwa auf dem wunderbaren „Bennie Wallace“ von ebendem auf AudioQuest) bis zu funky Hardbop, etwa auf diesem Priester-Album aber auch auf „The Cats“ mit Coltrane, Watkins, Sulieman, Burrell und Hayes. Zudem war er natürlich auch auf „Giant Steps“ und „Saxophone Colossus“, ebenso wie auf ein paar von J.J. Johnson besten Alben (im Quartett mit Chambers und Roach auf Columbia, zwei Alben).

    Danke für die Blumen… hab das Album heute zum ersten Mal richtig in Ruhe angehört (auch heute erst die CD gekriegt, davor nur… naja… review copy nennt man das wohl…) – und ich war sehr überrascht! Aufgrund des Line-Up hatte ich nur mittelmässige Erwartungen (hervorragende Leute, alle fünf, aber eine doch etwas seltsame Kombination, zumindest auf dem Papier). Umso schöner eben die Überraschung. Dann halt schnell was hingeschrieben dazu…

    Höre jetzt grad ein viel späteres Album von Priester:

    Das ist sein neustes von 2002 mit einem unbekannten Trio (Dawn Clement, p; Geoff Harper, b; Byron Vannoy, d), sein Ton ist noch weicher geworden, die Musik allerdings offen im besten Sinne – groovig, swingend, geerdet, aber improvisiert auf eine Art, dass man nicht überrascht ist, wenn die wildesten Haken geschlagen würden (war natürlich eher selten geschieht, sonst wäre ja die Spannung und das Überraschungsmoment dahin). Sehr schön – aber eindeutig nicht Hard Bop… dachte aber ich erwähn’s dennoch mal, einfach weil Priester ein so herausragender Posaunist ist und seine Diskographie so wertvoll klein. (Das Album kann man bei CDBaby finden.)

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    #3480773  | PERMALINK

    katharsis

    Registriert seit: 05.11.2005

    Beiträge: 1,737

    Die LP hatte ich mir kurz vor meinem Aufbruch in die USA gekauft und habe sie leider nur einmal zwischen Tür und Angel anhören können. Daher habe ich keine dauerhaften Eindrücke, die ich mitteilen könnte.
    Über einen Text über „Spiritsville“ würde ich mich auch freuen – vielleicht im Jazzland-Thread. Das kann ich demnächst auch mal wieder anhören.

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    "There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III
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