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ExtrabreitSchreib mal ruhig mehr, Juergen!
Gerne!
Produzent des neuen Albums sollte eigentlich Wally Badarou sein, der Keyboarder, der auch schon zu Zeiten von SPEAKING IN TONGUES mit den TH gearbeitet hat. Er ist Franko-Afrikaner und kennt sich dementsprechend mit der afrikanischen Musikszene in Paris aus. Aus terminlichen Gründen ist er jedoch verhindert. Er stellt aber immerhin den Kontakt zu einigen Musikern her. Statt seiner wird der Brite Steve Lilywhite als Produzent angeheuert, der sich mit Arbeiten für u.a. Peter Gabriel, die Simple Minds, U2, den Rolling Stones einen Namen gemacht hast. Ein Profi also, der weniger für kreativen Input zuständig ist, sondern die Aufnahmen souverän managt.
In Paris mieten sich die Talking Heads im Davout Studio, einem ehemaligen Kino, ein. Jeden Tag wird so lange über die Grooves, die man in NYC aufgenommen hatte improvisiert, bis man so etwas wie ein Stück zusammenhat. Dabei spielen zahlreiche Musiker mit: Mory Kanté ist unter diesen einer der bekannteren Afrikaner. Dazu gesellen sich exotische Namen wie Abdou M’Boup oder Moussa Cissako aber auch ein gewisser Johnny Marr, dessen Band The Smiths kurz zuvor das zeitliche gesegnet hat. Insgesamt wirken neben den TH mehr als 25 weitere Musiker an den Aufnahmen mit, davon alleine 6 Perkussionisten. Nur Texte hat David Byrne mal wieder nicht. Die improvisiert er erst später und overdubbed sie im New Yorker Sigma Studio.
Und was ist am Ende dabei rausgekommen? Das Album NAKED, das 1988 erscheint, beginnt furios: Das Stück BLIND ist ein saftig funkiger, perkussiver Reißer, komplett mit fetten Bläsersätzen über den David Byrne mit heiserer, manisch wirkender Stimme singt. Erinnert fast etwas an REMAIN IN LIGHT, klingt aber konventioneller und leichter, poppiger. Das zweite Stück MR. JONES macht da weiter, wo BLIND aufgehört hat. Das klingt nach Salsa. TOTALLY NUDE hat dann einen deutlichen afrikanischen Einschlag (Ist das High Life oder Juju? Ich kenne mich damit nicht aus …) und DB schwärmt dabei von den Vorzügen des einfachen Lebens in der paradiesischen freien Natur. Der Höhepunkt ist jedoch das Stück (NOTHING BUT) FLOWERS, bei dem David Byrne einen genau entgegen gesetzten Standpunkt einnimmt und sich in einer fiktiven postindustriellen und renaturisierten Welt beschwert, dass er auf all die Annehmlichkeiten der Zivilisation verzichten muss: „If this is paradise / I wish I had a lawn mower“ oder „ Years ago / I was an angry young man / I’d pretend / That I was a billboard / Standing tall / By the side of the road / I fell in love / With a beautiful highway / This used to be real estate / Now it’s only fields and trees“. Dazu hören wir etwas, das wie ein fröhlicher afrikanischer Popsong klingt. DBs lebhafter, fast triumphierender Gesang steht dabei in einem eigenartigen Kontrast zur Aussage des Textes. Alle Umweltschützer dieser Welt sind bestimmt entsetzt davon! Das schließt an solch doppelbödige Klassiker wie GOVERNMENT, BIG COUNTRY oder THIS MUST BE THE PLACE an und macht mir Spaß.
Aber dann gibt es leider auch eine ganze Reihe Stücke, die irgendwie uninspiriert klingen und sich nicht so recht entscheiden können, was sie eigentlich sein wollen. THE DEMOCRATIC CIRCUS ist noch ganz nett, aber vom Text her nun wirklich naiv (Ach tatsächlich, Mr. Byrne: Politiker sagen nicht die Wahrheit sondern versprechen immer nur das blaue vom Himmel? Na so was!). MOMMY DADDY YOU AND I ist auch nicht besser aber der absolute Tiefpunkt ist THE FACTS OF LIFE, ein klischeehafter New Wave Song im Roboterhythmus, in dem DB zu der Erkenntnis kommt „Someday we’ll live on Venus / And men will walk on Mars / But we will still be monkeys / Down deep inside“ Ach wirklich? BIG DADDY und BILL schließen dann wieder stilistisch an BLIND, MR. JONES, TOTALLY NUDE und FLOWERS an, ohne aber deren Klasse zu erreichen. Mit COOL WATER gibt es dann zum Abschluss ein Stück, das so klingt als sei es von einer anderen Session oder sogar einer anderen Band. Düster, bedrohlich, fast pathetisch. DB kann ein charismatischer Sänger sein, keine Frage, aber irgendwie klingt das Stück hier etwas deplatziert.
Die Mitwirkung franko-afrikanischer Musiker zeichnet sich mal mehr, mal weniger ab. Manchmal klingt’s aber auch eher karibisch. Die Stücke klingen mal mehr, mal weniger inspiriert. Einiges wirkt etwas halbherzig. Nicht, dass es keine Höhepunkte auf NAKED gibt. Aber es gibt nicht nur einige Stücke zweiter Wahl, sondern der eigentliche Schwachpunkt ist die Unentschiedenheit der Platte. Sie wirkt dadurch uneinheitlich und konturlos und funktioniert eigentlich nicht so richtig als Album. Selbst einem TH-Album, das ich persönlich nicht so gut finde, LITTLE CREATUERS, muss man eine konzeptionelle Klarheit und stilistische Prägnanz bescheinigen, die NAKED leider fehlt. Auch TRUE STORIES ist sicher kein großer Wurf, aber kann doch durch seine demonstrative Einfachheit und den augenzwinkernden Traditionalismus überzeugen. Bei NAKED kriegt man zwar von allem ein bisschen was, aber nichts so richtig.
Ich kann NAKED zwar durchaus mit einigem Vergnügen hören. Am Ende nehme ich davon aber bloß BLIND, FLOWERS, MR. JONES und den Bonustrack der 2006er Re-Issue SAX AND VIOLINS mit, vielleicht noch zwei, drei andere Stücke. Die sind gut. Der Rest ist, na ja, ganz nett. Aber man meint der Platte doch anzuhören, dass bei den TH 1987/88 die Luft raus war und die nötige Inspiration für ein wirklich gutes Album fehlte. Vielleicht war aber auch das eine oder andere Bandmitglied nicht so ganz bei der Sache, so dass der Platte etwas der Zug fehlt um zu einem wirklich befriedigenden Ergebnis zu kommen.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Highlights von Rolling-Stone.deROLLING STONE Ranking: Die besten Alben der Smashing Pumpkins
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WerbungTja was soll man da noch sagen!
Ich kann nur zustimmend nicken.
Selbst deine herausgepickten Highlights sehe ich genauso.Vielleicht noch eine Anmerkung zur Produktion an sich. Die ist wirklich vom Feinsten, da kann ich mich am Lautstärkeregler garnicht zurückhalten. Was da alles aus den Boxen kommt – Wahnsinn.
Play it loud!!!--
It's only Rock'n Roll but I like it ---------------------------------------- Wenn die Sonne der Diskussions-Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge einen langen Schatten. ---------------------------------------- Mein Konzertarchiv @ SONGKICKMC WeissbierVielleicht noch eine Anmerkung zur Produktion an sich. Die ist wirklich vom Feinsten, da kann ich mich am Lautstärkeregler garnicht zurückhalten. Was da alles aus den Boxen kommt – Wahnsinn.
Play it loud!!!Ja, das stimmt. „Play it loud!“ ist ein Ratschlag, den ich in meiner Etagenwohnung aber leider nur bedingt befolgen kann. Die paar guten Stücke von NAKED höre ich tatsächlich auch sehr gerne und Steve Lillywhite hat einen guten Job getan, indem er diese lebhaften, komplexen, perkussiven Stücke ebenso transparent wie saftig aufgenommen hat. Die herausragenden Stücke von NAKED sind mir in der Tat lieber als alles von z.B. LITTLE CREATURES, bei der alles bloß mittelgut ist. Aber leider wird dieses Niveau auf NAKED nicht durchgehalten.
Ganz ist die Geschichte der Talking Heads aber noch nicht vorbei.
Nicht nur künstlerisch, sondern auch privat hatte sich inzwischen bei den TH einiges getan. Chris Frantz und Tina Weymouth hatten eine Familie gegründet, sowohl Jerry Harrison als auch David Byrne heirateten.
NAKED ist einigermaßen kommerziell erfolgreich. In den USA erreicht das Album Platz 19 der Charts, im UK sogar Platz 3. BLIND erreicht in den UK-Single Charts Platz 59. Aber wie auch nach den vorhergehenden Alben ist David Byrne nicht gewillt, mit den TH zu touren oder auch nur aufzutreten. Die einzelnen Bandmitglieder beschäftigen sich also mit jeweils anderen Projekten. Chris und Tina produzieren ein erfolgreiches Album von Ziggy Marley, Jerry nimmt ein weiteres Solo Album auf (vergaß ich zu erwähnen, dass er bereits 1986 für die Produktion einer Platte der Violent Femmes verantwortlich zeichnete? Auch eine der herausragenden Bands der 80er, die sich aber wohl auch innerlich zersetzte …) und David arbeitet mit Peter Wilson an THE FOREST, einem Bühnenstück. Er schließt eine Solovertrag mit Warner Bros. ab und gründet sein Label LUAKA BOP. 1989 veröffentlicht er sein erstes „echtes“ Solo Album. REI MOMO ist eine Platte im Latino Stil: Salsa, Merengue, Rumba, Bolero, alles dabei. Perfekt arrangiert und mit zahlreichen Musikern der Latinoszene (u.a. Celia Cruz und Willie Colon) aufgenommen. Im Unterschied zu REMAIN IN LIGHT oder NAKED macht sich DB hier aber nicht einmal mehr die Mühe, sich einen Stil „anzuverwandeln“ – nein – das ist schlicht eine Kopie von Latin, allerdings auf höchstem Niveau und sowohl die Kompositionen und Texte als auch die lebhafte Interpretation machen REI MOMO zu einer stimmigen und sehr guten Platte. DB geht mit REI MOMO sogar auf Tour.
Offiziell liegen die Talking Heads auf Eis, aber die Auflösungserscheinungen werden immer deutlicher sichtbar.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Auch Jerry Harrison geht mit CASUAL GODS auf Tour, ebenso Chris und Tinas mit dem TOM TOM CLUB. Sie treten sogar einmal als SHRUNKEN HEADS gemeinsam auf, ein Name der zumindest ziemlich lustig und zutreffend ist.
Im Herbst 1991 soll eine BEST OF der Talking Heads veröffentlicht werden, ein Vorhaben, gegen das sich David Byrne zunächst wieder mal sträubt, aber dann doch einwilligt. Um die Doppel-CD SAND IN THE VASELINE (toller Titel!) etwas attraktiver zu machen, sind darauf 4 bislang nicht auf LP erhältliche Stücke aus prä-77-Zeiten enthalten. Außerdem bastelt man aus späteren, übrig gebliebenen Instrumental-Tracks drei neue Stücke zusammen: GANGSTER OF LOVE, POPSICLE und LIFETIME PILING UP. Zusammen mit zwei der ganz frühen Stücke sind das die einzigen (offiziellen) Aufnahmen der TH, die ich nicht kenne. Keine Ahnung, ob sie hörenswert sind.
Im Dezember gibt David Byrne der LOS ANGELES TIMES ein Interview, in dem er die TH für aufgelöst erklärt.
Nach der amtlichen Auflösung der Talking Heads werden eine Reihe von Animositäten unter den Bandmitgliedern an die Oberfläche geschwemmt. Insbesondere Tina Weymouth kritisiert öffentlich David Byrne als einen Egomanen, der die anderen Mitglieder der TH nur für seinen eigenen Erfolg ausgenutzt hat. Eine traurigen – und eigentlich absurden – Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen bildet das Album NO TALKING, JUST HEADS, das Tina, Chris und Jerry 1996 nicht mit David, sondern mit einer Reihe verschiedener Gastsänger aufnehmen. Die Anspielung auf die TH findet sich nicht nur im Titel der Platte sondern auch in der Grafik des Covers, das sehr an TRUE STORIES erinnert. Die Platte ist ein Flop. Ich kenne sie nicht. David Byrne verklagt seine drei ehemaligen Bandkollegen wegen der Nutzung des Namens TALKING HEADS, oder zumindest der Nutzung von etwas, das offensichtlich absichtlich darauf anspielt. Man einigt sich zwar außergerichtlich, aber das Verhältnis untereinander ist damit wohl dauerhaft ruiniert.
2002 treten die TH ein letztes mal gemeinsam bei ihrer Aufnahme in die Rock’n’Roll Hall Of Fame auf. Anthony Kiedis, der Sänger der Red Hot Chili Peppers, hält die Laudatio. (Eine Veranstaltung, von der ich vermute, dass sie auch gut im Film TRUE STORIES ihren Platz gefunden hätte. ;-)) Danach haben sie wohl nur noch sporadisch Kontakt zueinander.
Das war’s.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, das Werk einer Band zu bilanzieren. Die Wahrnehmungen und damit die Urteile sind je nach Betrachter verschieden. Es kommt nicht nur darauf an, wann und unter welchen Umständen man mit einer bestimmten Musik konfrontiert wird, es kommt auch darauf an, ob diese Musik beim Hörer auf etwas trifft, das es zum resonieren bringen kann. Aber gerade die Möglichkeit verschiedener Perspektiven macht die Diskussion über Musik ja erst interessant.
Bei mir haben sich die Talking Heads – zumindest was etwa die erste Hälfte ihrer Karriere betrifft – quasi als individuelles kulturelles Erbe eingebrannt. 1980/81 traf REMAIN IN LIGHT bei mir einen Nerv und öffnete Türen in bislang von mir nicht für möglich gehaltene musikalische Erlebniswelten. Nie zuvor hatte etwas so überbordend intensiv, spannend, funky (den Begriff kannte ich damals wahrscheinlich noch gar nicht!), aber auch gleichzeitig nervös, komplex und intelligent geklungen. Und paradox, das wollen wir nicht vergessen: Die TH boten keine Lösungen an – nein – da kamen all die Konflikte und Widersprüche, die man auch selber so erlebte sogar noch zugespitzt auf den Tisch bzw. auf den Plattenteller. Das war eine beeindruckende, im Nachhinein würde ich sagen, geradezu körperliche Erfahrung.
Im Eilverfahren kaufte ich mir die vorherigen Platten der TH oder lieh sie bei Freunden aus und kopierte sie auf Musik-Cassette. Songs wie DON’T WORRY ABOUT THE GOVERNMENT, PULLED UP, THE GOOD THING, BIG COUNTRY, CITIES, HEAVEN oder ONCE IN A LIFETIME bildeten den Soundtrack meines Lebens und noch heute zitiere ich in Gedanken Textzeilen aus diesen Liedern. Bin ich mal in Suburbia unterwegs, kommt mir zwangsläufig die Zeile „I wouldn’t live there if they paid me“ in den Sinn, und wenn ich heute – mehr als 25 Jahre später – im Büro sitze denke ich dann und wann auch mal „Well… How did I get here?“ Es ließen sich noch viele weitere Beispiele finden. („I changed my hairstyle so many times now, …“)
Mit SPEAKING IN TONGUES und STOP MAKING SENSE erreichten die TH meines Erachtens einen Höhepunkt als Band, die sich der körperlichen Wirkung ihrer Musik bewusst ist und diese gezielt einsetzt. Da geht es um die befreiende Wirkung von Tanz, fast schon so etwas wie ein Ritual, durch das man sich in Extase versetzen kann. Solch eigentlich sinnlosen, aber umso suggestiveren Textzeilen wie „Watch out / you might get what you’re after“, „I’m an ordinary guy / burning down the house“ oder „Let me tell you a story / The devil, he has a plan“ unterstützen das eigentlich nur noch.
Danach ging es für mich mit den TH langsam bergab. Ich weiß, die Meinungen über LITTLE CREATURES gehen weit auseinander. Ich persönlich vermisse hier die Nervosität, die Widersprüchlichkeit, das Exstatische – kurz: Den Sturm und Drang. Das breite Publikum liebte das jedoch umso mehr. Es sei ihm gegönnt! Ich verlor damit das Interesse an den TH, die späteren Alben habe ich erst Jahre später gekauft, weiß sie inzwischen zwar zu schätzen, sehe aber auch deutlich ihre Schwächen. Aus der Distanz betrachtet beurteilt man aber auch manches etwas milder.
Ein anderes interessantes Thema, über das sich zu reden lohnen würde, wäre natürlich die interne Rollenverteilung der einzelnen Mitglieder der TH. David Byrne, der wohl unbestreitbare kreative Kopf und charismatische Frontmann der Band, aber wohl auch schwierige Charakter einerseits, andererseits Tina, Chris und Jerry, die zwar begabten und zuverlässigen Musiker, die aber letztlich nicht genug eigene Originalität besaßen um es alleine zu schaffen. Gemeinsam schaffte man es bis ziemlich weit oben, um sich dann in gruppendynamischen Konflikten gegenseitig zu zermürben und schlussendlich den Weg alles Sterblichen zu gehen. Die Rolle von Brian Eno ist dabei noch einmal eine besondere.
Aber so ist das Leben und warum sollte es einer Band wie den Talking Heads anders ergehen?
Hiermit ist die Diskussion eröffnet!
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)Vielen Dank für Deine tollen Beiträge, Friedrich!
Welche Band nimmst Du Dir als nächstes vor?--
Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage BlueGroßartig, Friedrich! Ich erlebte Remain in Light 1980 genauso wie du. Parallel zu dieser Scheibe erschien „Searching For The Young Soul Rebels“ von den Dexy´s Midnight Runners. Diese beiden Scheiben haben sich in mein musikalisches Hirn gebrannt. Ich schätze beide Scheiben noch heute sehr! Doch damals waren sie eine Offenbarung, eine Befreiung.
Noch mal zurück zu den TH: Die Uraufführung in deutschland – bevor der Film in den Kinos anlief – von „Stop making Sense“ fand in Frankfurt in der Galeria an der Messe statt. Eine volle Galeria, in der ein Film auf einer riesigen Leinwand gezeigt wurde und alle haben getanzt. Sehr beeindruckendes Erlebnis!--
Music is like a river, It's supposed to flow and wash away the dust of everyday life. - Art BlakeyDer erste bewußte Kontakt mit den TH war bei mir der „Stop Making Sense“-Kinofilm, dessen Intensität kaum steigerungsfähig ist.
Die Neuerscheinungen aus der EMI-Zeit habe ich daraufhin zunächst konsumiert („Little Creatures“) und später begeistert rauf und runter gehört („True Stories“ und vor allem „Naked“).
Die Tatsache, dass ich die „Stop Making Sense“-Filmversionen der dort enthaltenen Stücke ziemlich verinnerlicht hatte, verhinderte später ein unbefangenes Herangehen an die Studio-Alben aus der Zeit vor dem Film. Den richtigen Zugang zu den Stücken aus dieser Zeit hatte ich erst in den Nullzigern, nachdem in einem Plattenladen etwas mich Elektrisierendes abgespielt wurde, was sehr nach den TH klang und sich als „Crosseyed And Painless“ von „Remain In Light“ herausstellte.
In der Rückschau ist für mich „Fear Of Music“ das beste Album, aber auch die anderen unter Beteiligung von Brian Eno entstandenen Alben sind erste Sahne. Auf „Naked“ wurden, ebenso wie später auf „Rei Momo“ von DB, weltmusikalische Elemente in hörbarer Form in westliche Popmusik integriert. Auch dieses Album ist deswegen ein großer Wurf.
Aufgrund des das Werk der Band durchziehenden „anything goes“ sind die TH ein Kind der Achtziger, weswegen es auch konsequent ist, dass sie kurz danach aufgelöst wurden.
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Ich kann dazu nur sagen, dass ich Stop Making Sense bislang nur über den Computermonitor sah – aber auch in diesem Setup haut einen der Film (und die Musik!) aus den Socken!
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Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage Bluej.w.Vielen Dank für Deine tollen Beiträge, Friedrich!
Welche Band nimmst Du Dir als nächstes vor?John The RelevatorGroßartig, Friedrich!
Vielen Dank für Lob und Anerkennung. Das tut gut!
Ich fürchte jedoch, dass es vorerst keine weitere Staffel meiner kleinen Serie „Friedrich präsentiert: (beliebiger Bandname)“ geben wird. Zum einen, weil das auf die Dauer sehr viel Zeit beansprucht, zum anderen – und vor allem – weil ich gegenwärtig keine Band sehe, die mich derart interessieren würde und die so viel hergibt.
John The RelevatorIch erlebte Remain in Light 1980 genauso wie du. Parallel zu dieser Scheibe erschien „Searching For The Young Soul Rebels“ von den Dexy´s Midnight Runners. Diese beiden Scheiben haben sich in mein musikalisches Hirn gebrannt. Ich schätze beide Scheiben noch heute sehr! Doch damals waren sie eine Offenbarung, eine Befreiung.
An Dexy’s erinnere ich mich auch noch gut. Das darauf folgende Album TOO-RYE-AY steht bei mir noch im Plattenschrank. Definitiv eine andere Baustelle als die Talking Heads. Aber SFTYSR ist zweifellos eine Ikone britischer Popmusik der frühen 80er. Und hier haben wir ebenfalls einen charismatischen Bandleader, auf den in diesem Fall mit Sicherheit die Bezeichnungen „Egomane“ und „Maniac“ zutreffen. Leider führte aber genau das zu einer zwar sehr stürmischen, aber leider kurzen Erfolgsphase mit anschließendem Burn Out und dramatischen Absturz. Bezeichnend ist auch hier die Leidenschaft für Schwarze Musik. Wie wär’s mit einem ausführlichen Dexy’s Thread, John The Revelator?
John The RelevatorNochmal zurück zu den TH: Die Uraufführung in deutschland – bevor der Film in den Kinos anlief – von „Stop making Sense“ fand in Frankfurt in der Galeria an der Messe statt. Eine volle Galeria, in der ein Film auf einer riesigen Leinwand gezeigt wurde und alle haben getanzt. Sehr beeindruckendes Erlebnis!
Ich beneide Dich! Die Galleria ist eine Messehalle in Frankfurt, nicht wahr?
AlbertoIn der Rückschau ist für mich „Fear Of Music“ das beste Album, aber auch die anderen unter Beteiligung von Brian Eno entstandenen Alben sind erste Sahne. Auf „Naked“ wurden, ebenso wie später auf „Rei Momo“ von DB, weltmusikalische Elemente in hörbarer Form in westliche Popmusik integriert. Auch dieses Album ist deswegen ein großer Wurf.
Aufgrund des das Werk der Band durchziehenden „anything goes“ sind die TH ein Kind der Achtziger, weswegen es auch konsequent ist, dass sie kurz danach aufgelöst wurden.
Ja, die besten Stücke von NAKED sind toll und deuten schon darauf hin, was David Byrne wenig später auf REI MOMO gemacht hat. Es ist aber eben auch zu erkennen, dass er dafür die TH eigentlich nicht mehr brauchte. Ich trauere den TH auch nicht nach. Sie haben alles gesagt, was sie zu sagen hatten, und das war toll! Und danach ging’s woanders weiter.
j.w.Ich kann dazu nur sagen, dass ich Stop Making Sense bislang nur über den Computermonitor sah – aber auch in diesem Setup haut einen der Film (und die Musik!) aus den Socken!
Na, dann schieb Dir die DVD mal schnell in den DVD-Player und schau sie Dir auf einem möglichst großen Bildschirm an! Übrigens jährt sich das Erscheinen von SMS dieses Jahr zum 25. mal. Der Film erscheint aus diesem Anlass neu auf Blue Ray.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)@friedrich: Ich kann mich dem Lob der Vorredner nur anschließen. Einen ausführlichen Text über die Dexy’s findest Du hier verlinkt:
http://forum.rollingstone.de/showpost.php?p=1850513&postcount=17
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75@Friedrich: Ich kann mich dem Lob der Vorredner nur anschließen. Einen ausführlichen Text über die Dexy’s findest Du hier verlinkt:
http://forum.rollingstone.de/showpost.php?p=1850513&postcount=17
Sehr schön!!danke.
Deswegen: „Also tut euch einen Gefallen, legt euch die drei Dexys Midnight Runners-Alben zu und hört euch alles nochmal genau an!“
Es wird heute geschehen.
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Music is like a river, It's supposed to flow and wash away the dust of everyday life. - Art BlakeyÜbrigens: Talking Heads und Dexy’s Midnight Runners waren – bei aller Verschiedenheit – zwei Bands, die zumindest eine Gemeinsamkeit hatten. Alle beide kommen direkt oder indirekt aus der Punkrock/New Wave Revolution der späten 70er Jahre.
Die TH waren mit den Ramones, Blondie, Television, Suicide und anderen eine der Bands der ersten Stunde in New York. In Großbritannien waren das die Sex Pistols (die ich nicht mag), The Clash, The Jam, Elvis Costello, gefolgt von Joy Division, The Cure, Gang Of Four oder eben auch Dexy’s. Das war so eine Art Urknall, bei dem eine kritische Masse erreicht wurde, der so viel Energie freisetzte, dass lauter neue Sterne am Firmament erstrahlten. Eine tolle Epoche in der Popmusik! Vergleichbar vielleicht mit dem Entstehen des R’n’R in den 50ern, dem Auftauchen der Beatles und der Stones Anfang der 60er und der Flower Power Gegenkultur Ende der 60er. Man kann das durchaus in eine Reihe stellen, denn all diese Ereignisse wirken bis heute nach.
Was kam danach? Vielleicht Hip Hop in den 80ern und House/Techno in den 90ern? Auch das hat Spuren hinterlassen.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme) -
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