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MC WeissbierVielleicht noch eine Anmerkung zur Produktion an sich. Die ist wirklich vom Feinsten, da kann ich mich am Lautstärkeregler garnicht zurückhalten. Was da alles aus den Boxen kommt – Wahnsinn.
Play it loud!!!
Ja, das stimmt. „Play it loud!“ ist ein Ratschlag, den ich in meiner Etagenwohnung aber leider nur bedingt befolgen kann. Die paar guten Stücke von NAKED höre ich tatsächlich auch sehr gerne und Steve Lillywhite hat einen guten Job getan, indem er diese lebhaften, komplexen, perkussiven Stücke ebenso transparent wie saftig aufgenommen hat. Die herausragenden Stücke von NAKED sind mir in der Tat lieber als alles von z.B. LITTLE CREATURES, bei der alles bloß mittelgut ist. Aber leider wird dieses Niveau auf NAKED nicht durchgehalten.
Ganz ist die Geschichte der Talking Heads aber noch nicht vorbei.
Nicht nur künstlerisch, sondern auch privat hatte sich inzwischen bei den TH einiges getan. Chris Frantz und Tina Weymouth hatten eine Familie gegründet, sowohl Jerry Harrison als auch David Byrne heirateten.
NAKED ist einigermaßen kommerziell erfolgreich. In den USA erreicht das Album Platz 19 der Charts, im UK sogar Platz 3. BLIND erreicht in den UK-Single Charts Platz 59. Aber wie auch nach den vorhergehenden Alben ist David Byrne nicht gewillt, mit den TH zu touren oder auch nur aufzutreten. Die einzelnen Bandmitglieder beschäftigen sich also mit jeweils anderen Projekten. Chris und Tina produzieren ein erfolgreiches Album von Ziggy Marley, Jerry nimmt ein weiteres Solo Album auf (vergaß ich zu erwähnen, dass er bereits 1986 für die Produktion einer Platte der Violent Femmes verantwortlich zeichnete? Auch eine der herausragenden Bands der 80er, die sich aber wohl auch innerlich zersetzte …) und David arbeitet mit Peter Wilson an THE FOREST, einem Bühnenstück. Er schließt eine Solovertrag mit Warner Bros. ab und gründet sein Label LUAKA BOP. 1989 veröffentlicht er sein erstes „echtes“ Solo Album. REI MOMO ist eine Platte im Latino Stil: Salsa, Merengue, Rumba, Bolero, alles dabei. Perfekt arrangiert und mit zahlreichen Musikern der Latinoszene (u.a. Celia Cruz und Willie Colon) aufgenommen. Im Unterschied zu REMAIN IN LIGHT oder NAKED macht sich DB hier aber nicht einmal mehr die Mühe, sich einen Stil „anzuverwandeln“ – nein – das ist schlicht eine Kopie von Latin, allerdings auf höchstem Niveau und sowohl die Kompositionen und Texte als auch die lebhafte Interpretation machen REI MOMO zu einer stimmigen und sehr guten Platte. DB geht mit REI MOMO sogar auf Tour.
Offiziell liegen die Talking Heads auf Eis, aber die Auflösungserscheinungen werden immer deutlicher sichtbar.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)