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Alen Lowe and the Jack Purvis Memorial Orchestra feat. David Murray, Doc Cheatham, Loren Schoenberg – Mental Strain at Dawn: A Modern Portrait of Louis Armstrong. Recorded Live at the Knitting Factory | Ein Sideman-Gig von David Murray mit einer Band, die Allen Lowe 1992 auf die Beine gestellt hatte: Doc Cheatham (t), David Murray (ts, bcl), Loren Schoenberg (ts), Allen Lowe (as), Paul Austerlitz (cl, bcl), Robert Rumbolz (t), John Rapson (tb), Jeff Fuller (b), Ray Kaczynski (d). Es gibt neue, oft ziemlich wilde Arrangement von Stücken wie „La Cucaracha“ (der Album-Opener), „Chinatown, My Chinatown“, „Mamanita“ (Jelly Roll Morton), „Black and Blue“ (Fats Waller) und natürlich von Jack Purvis, von dessen einen Stück der Albumtitel stammt, dazu kommt von ihm noch „Copyin‘ Louis“. Zwei Lowe-Originals, „Dream Sequence“ (eine Überlagerung von „Wrap Your Troubles in Dreams“ und „If Dreams Come True“ (mit Bassklarinettenduett) und „When Jack Ruby Met Joe Glaser“ (und wenn schon im ersten Stück eine Idee umgesetzt ist, die auch Mingus hatte, schreibt Morgenstern zum zweiten Stück, dass ihn der Einstieg an diesen erinnere) stehen in der zweiten Hälfte der acht Stücke, die am 19. April 1992 live in der Knitting Factory mitgeschnitten wurden. Dazu kommen dann noch zwei weitere, die am 17. Oktober 1992 in New Haven, CT, aufgenommen wurden – mit Rumbolz, Rapson, Austerlitz, Lowe (ts), Peter Askim (b) und Kaczynski gibt es Lowes „Yodel Blues“ und als Closer „Dinah“ im Duett von Lowe mit Askim.
Dan Morgenstern war bei den Gigs (es gab auch noch eine Woche im Sweet Basil, die anscheinend noch besser war, aber da hatte man schon Aufnahmen gemacht) hat die Liner Notes geschrieben, nachdem er die Band live gehört hatte, aber Lowe trägt selbst einen kurzen Text fürs Booklet bei, der die Musik einordnet. Ich tippe das rasch ab, lasse nur den Dankes-Absatz, der am Ende noch in Klammern steht, weg:
Allen Lowe
This tribute to Louis Armstrong was, in a sense, political as well as musical. Certain musicians of late (and their little brothers) seem to think they own „the tradition.“ Their definitions of history and culture are ridiculously narrow, boringly middle-class and, ironically, very Eurocentric. If it doesn’t fit into a middlebrow notion of concert hall and academic respectability, it is, according to them, „wrong.“Their notion in 1992 is that if the music they hear does not reflect an absorption of its historical predecessor (which is, in their view, the bebop idiom), it is invalid. Well, we can turn that argument on its head: since „their“ music does not reflect an absorption of an entire generation of „their“ predecessors, it too must be invalid. Which leaves us with a large empty hole in jazz since, say, 1960.
And in that case, Charlie Parker must have been „wrong,“ since I’m willing to bet he did not have a mastery of the music of Jelly Roll Morton. I’d be surprised if Duke Jordan could play stride. And Miles could not have played like Red Allen, probably. Or Bubber Miley.
Now, of course, this is all a little ridiculous, you’ll say. Bird and Miles, you will tell me, are part of the a continuum that includes Morton and Allen.
Exactly. And I hear the work of those predecessors in their music, just as I hear it in Anthony Davis’s music and Anthony Braxton’s. And if, god forbid, sometimes I don’t hear it, who the hell cares? I won’t quote Duke Ellington, because is there anyone who doesn’t remember what he said about the two kinds of music?
At any rate, Doc Cheatham knows that the music itself is the most important thing. Which brings us to the musical portion of our program. I believe collaborations of this kind demonstrate that good music is what brings musicians together, not politically correct music a la the aforementioned. My hope is that it makes a point at the same time as it celebrates Louis Armstrong, who is probably the only musician whose music I listen to at least once every week of the year.
Die Musik also? Die macht sehr Spass – das ist lebendige Traditionspflege, in der sich die Stimmen vermischen: der unverwechselbare Sound von Doc Cheatham schlängelt sich durch die manchmal recht dichten Ensembles (gute Idee, auf ein Klavier – oder Gitarre, Banjo – zu verzichten), die beiden Tenorsaxophone umspielen sich, der eine natürlich etwas wilder und mit dem einen oder anderen Ausflug in freiere Gefilde („David goes upstairs“ schreibt Morgenstern lakonisch über „Black and Blue“, aber er tut das auch anderswo). Schoenberg spielt eher ein von Lester Young geprägtes Saxophon, aber ist mit freier Musik gleichfalls vertraut. Und wenn Rumbolz im Titelstück den Lead und die Breaks übernimmt, klingt das ebenfalls phantastisch. Lowe selbst ist nach dem Opener auch in „Mamanita“ (hier kriegt man Jelly Rolls „Spanish tinge“) ausgiebig zu hören – er griff hier zum Altsax (das er später öfter spielte), weil er ja schon zwei Gäste am Tenor dabei hatte. Dass das – bis auf die zwei Stücke am Ende – live aufgenommen wurde, ist wohl die richtige Entscheidung, denn solche Musik braucht Atmosphäre und Interaktion mit einem Publikum, und das funktioniert ziemlich gut. Wenn Murray hier – selbstverständlich – der „outlier“ ist, dann ist Cheatham das ebenso.
Die Arrangements von Lowe zeigen, wie viel Potential eben auch schon im frühen Jazz steckte: Polyphones, kontrapunktisches, Linien, aus denen akkordische Gebilde entstehen – das ist alles von Anfang an dabei, und Lowe holt es in die damalige Gegenwart, als Kontrapunkt zur steifen akademischen Junglöwen-Traditionspflege (auf deren Seite neben Wynton Marsalis auch Murrays alter Gefährte Stanley Crouch zu finden war). Hier springen wir von Armstrong, Morton oder Purvis zu Ornette (und Murray) und zurück, oft in wenigen Takten, und mit einer Mühelosigkeit, die keine Bruchlininen entstehen lässt – im Gegenteil, das wirkt alles ziemlich aus einem Guss und sehr stringent.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.deSo klingen die größten Schlagzeuger ohne ihre Band
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WerbungTeresa Brewers „Softly I Swing“ lief gestern dann wirklich nochmal. Ich werde damit nicht richtig warm. Die Stimme ist mir etwas zu fiepsig, die delivery mehr als etwas zu affektiert, die Songauswahl dünkt mich nicht besonders inspiriert. Aber die Band ist natürlich der pure Luxus und das Ergebnis unterm Strich alles andere als schlecht. Vielleicht hätte ein etwas dichteres Zusammenspiel geholfen (Einbezug von Murray in die Arrangement, nicht bloss Schnörkel und konzise Soli zwischendurch) – überhaupt etwas mehr Raum für die Band wäre schön gewesen, aber das war hier vermutlich, wie vorgarten schon schrieb, gar nicht das Ziel.
Das Gedankenspiel finde ich natürlich ebenfalls faszinierend: was, wenn jemand Murray mit Abbey Lincoln, Helen Merrill, Betty Carter oder gar Jimmy Scott zusammengebracht hätte? Andy Bey hatte er ja mal für ein Stück an seiner Seite, Joe Lee Wilson wäre auch noch da gewesen, Leon Thomas auch bis in die frühen Neunziger noch aktiv. Vielleicht war Murray da einfach noch etwas zu jung, als dass jemand auf die Idee gekommen wäre? Schade jedenfalls … Sheila Jordan wäre ja noch, aber das hätte wohl auch vor 10-20 Jahren getan werden müssen.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaGerade im Index die VÖ-Jahre ergänzt … schon ganz spannend, wo es Verspätungen oder Verzögerungen gab, z.B. beim Murray/Newton Quintet.
Und gerade „South of the Border“ gehört, das letzte Big Band-Album – aber das zog gerade so komplett harmlos an mir vorbei, dass ich Murray-Pause mache. So schlecht ist das ja bestimmt nicht, wie ich es gerade fand. PS: ich kenn das Album schon und weiss es … aber es wollte einfach gerade überhaupt nicht funktionieren.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaunbedingt pause machen, wenn dir nicht aufgefallen ist, wie toll SOUTH OF THE BORDER ist
tatsächlich bist du (genauso wie ich) mit 1991 noch nicht fertig, wie ich gerade festgestellt habe:
luca alex flores, love for sale (1991/93)
ich hatte bisher nur das erscheinungsdatum gefunden, aber auf einer abgebildeten rückseite steht auch das aufnahmedatum (oktober 1991, wo murray das noch dazwischengequetscht hat, bleibt ein rätsel).
der pianist und leader war mir bislang kein begriff, in der italienischen (post)boptradition und ihren lehrer-schüler-verhältnissen war er offenbar das missing link zwischen pieranunzi und bollani, er ist allerdings keine 40 geworden (freitod 1995). ich hätte da jetzt gar nicht so genau nachgesehen, hätte mir das album nicht ausgesprochen gut gefallen. der bassist riccardo del fra ist hier wohl einigen bekannt, der drummer ist giulio cappiozzo, an der flöte hört man nicola stilo, allerdings sind auch noch (mit soli!) eine trompete, eine gitarre und ein altsax zu hören, eine sängerin singt den luigi-tenco-song „angelo“, auf der coverrückseite steht nur „and others“, eigenartig. und auf dem coverbild hier ist noch was bei den namen verrutscht, bianchi dürfte also der gitarrist sein…
murray kommt für drei stücke dazu. in „love for sale“ sprengt er mit einem selbstbewussten soli die charmante leichtigkeit des ziemlich hübschen arrangements, sie kriegen ihn auch nicht mehr eingefangen. ganz anders dann auf der großartigen version von „in a sentimental mood“, in dem flores (auf einem warmen fender rhodes) und murray ganz uneitel und gefühlvoll zusammen in die tiefe gehen. ganz am ende gibt es noch einen einfachen blues, der murray kompositorisch zugeschrieben wird, einfaches playing-material, das einfach funktioniert. der rest ohne murray ist zum teil ganz anders, flores spielt auch mal einen spacigen synthesizer, aufgenommen ist das alles sehr gut, ich entdecke in jedem stück etwas, was mir gefällt. empfehlung für @gypsy-tail-wind, auf discogs gibt es auch eine quelle aus der schweiz, könnte mir aber auch vorstellen, dass das hier auch anderen gefällt. super blindfoldtestmaterial.
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Danke für den Hinweis! Noch nie davon gehört. Vollständigkeitsanspruch hab ich hier nicht … aber das macht neugierig, trotz der grossteils unbekannten Namen (del Fra mag ich, Stilo ist bisher eher Kaufhindernis als -grund, aber das mag unfair sein und zu sehr mit späten Chet Baker-Alben zu tun haben).
Die Cover bei Discogs sind doch beide ok (aber keine guten Scans):
Gibt’s noch einen weiteren noch nicht-genesteten Eintrag?
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-windDanke für den Hinweis! Noch nie davon gehört. Vollständigkeitsanspruch hab ich hier nicht … aber das macht neugierig, trotz der grossteils unbekannten Namen (del Fra mag ich, Stilo ist bisher eher Kaufhindernis als -grund, aber das mag unfair sein und zu sehr mit späten Chet Baker-Alben zu tun haben).
Die Cover bei Discogs sind doch beide ok (aber keine guten Scans):
Gibt’s noch einen weiteren noch nicht-genesteten Eintrag?weiß gerade nicht, was du meinst. es steht halt nirgendwo, wer an trompete und altsax zu hören und wer die sängerin ist. der gitarrist ist nur auf dem coverbild benannt, das ich oben gepostet habe (von amazon, da sind dann andere namen verrutscht).
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Ich meinte den verkorksten Text über dem Albumtitel auf Deinem Scan. Der Fehler ist auf den Discogs-Scans immerhin nicht zu finden – und der Fehler ist auch krass!
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dieses album habe ich nun doch noch auftreiben können, worüber ich sehr froh bin, denn ich mag es sehr gerne. quasi parallel zu WINDWARD PASSAGES entstanden, finde ich es trotz vieler vergleichspunkte homogener und stimmungsvoller. beide agieren ungewöhnlich zurückhaltend, arbeiten an stimmungen, ergänzen einander in spiel und material. wenn burrell zum beispiel seine swing-vorlagen einbringt, unforciert auf 1 und 3 betont, scheint murray das in seiner ballade „icarus“ (meisterwerk) quasi aufzugreifen, das ergibt einen wenig synkopierten, fast wellenartigen gesamteindruck, ruhig und nachdenklich, ein bisschen schwankend. wieder taucht jelly roll morton auf, was die musik ein bisschen öffnet – burrell und larsson haben ja auch ein bühnenstück geschrieben, vielleicht kommt ein teil ihrer kompositionen ja aus diesem zusammenhang. den großen ausbruch gibt es nur einmal, im titelstück, nach einem gedicht von larsson komponiert, da herrscht großes vertrauen, burrell findet immer wieder schlüssig zurück. was da mit großer selbstverständlichkeit entwickelt wird, hat eigentlich viele unterschiedliche einflüsse, nicht nur frühen jazz, auch klassik (zwischen romantik und impressionismus), das könnte jederzeit in blues und spiritual münden, muss es aber eben nicht, weil auch anderes zur verfügung steht. weniger patchwork hier, eher eine arbeit am besonderen, in sich stimmigen ansatz, der nur so, zwischen den beiden, möglich ist.
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Schön, danke! Ich hab ja von den Duos erst „Daybreak“ aufgetrieben, aber ein paar weitere (einmal Hicks plus „Brother to Brother“ und „In Concert“ – und auch endlich das mit Jack DeJohnette!) die Tage via Discogs bestellt – das hier klingt dann von Deinen Texten her in Sachen Murray/Piano-Duo am vielversprechendsten von allen!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaIN CONCERT mag ich schon auch sehr gerne, die höhepunkte sind markanter. mir fehlt leider DAYBREAK noch.
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diverse, SAX LEGENDS a.k.a.THE COLOSSAL SAXOPHONE SESSIONS (1992)
das ding hatte ich beinahe vergessen, ist schon vom august 1992 (also murraydiskografisch vor PICASSO), murray ist vier mal zu hören (einmal nur im satz), hat aber die tolle pointe, ihn mit archie shepp vergleichen zu können, mit dem er ja viele mitmusiker-überschneidungen hat (vor allem die pianisten burrell und hicks), der aber hier wie aus einer anderen welt hereinfliegt. ein battle über shepps catchy „bamboo“ macht mir deutlich, dass ich murray vor allem spielerisch mag, aber bei shepp die aura, das hypnotische, das tieferliegend-rebellische, das hier gar keine großen anstrengungen unternimmt, um zu glänzen, und murray die bühne für ein rampensausolo überlässt. (das nachfolgende solo-feature von shepp, „my little brown book“ ist eine balladenmeisterklasse, die ich murray auch zu hochzeiten nicht zutrauen würde.) murray darf dann auch alleine und hat butch morris‘ schrägen tango „spoonin'“ mitgebracht, auf cd 2 jammen shepp und er dann noch mit zorn, morgan, konitz und harrison über shepps kleine blues-form „for 52nd street“. man merkt bei all dem, dass murray immer da ist, wo der hammer hängt.
ich mag die produktion ja nach wie vor sehr, die rhythm section aus cables, reid (oder debriano) und joe chambers (auch produzent) ist sehr elegant und fokussiert, viele bringen eigenes material mit, und coleman, liebman, woods, wallacebailey und person sind ja auch noch dabei. und lustig finde ich an der coverzeichnung immer noch, dass shepp da steve coleman die rettungsleiter runterwirft.
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david murray quintet with ray anderson and anthony davis (1994)
ich bin im jahr 1994 und bei einem eher ungewöhnlichen one-off-projekt von murray mit lauter leuten, mit denen er sonst nicht zu hören war. das ist jetzt reine geschmackssache, aber mit sowas konnte man mich schon in den 90ern jagen. natürlich ist das alles gegen den restaurativen mainstreamjazz der zeit gerichtet (und auch daran gab es damals ein großes bedürfnis) und auf allen positionen kreativ und virtuos, aber es bleibt ein spezifischer dude-jazz – fünf herren streicheln sich hier über den kopf und schaukeln ihre weichteile und feiern sich dafür ab, welchen aktuellen zugang sie zur jazztradition gefunden haben. im ansatz kommen davis und auch anderson irgendwie (naja, konkret) von braxton und haben eckige perspektiven auf bebop und swing entwickelt, und eigentlich ist davis auch nicht weit weg von crispell oder melford, aber mir kommt das immer wie eine vordergründig aufgeputschte jonglage vor mit dingen, die andere erfunden haben. mit dem kleinen unterschied vielleicht, dass murray nach gutem essen, mittagsschlaf und 90 minuten warmspielen klingt, aus dem heraus er zielstrebig explodieren kann, während ich bei anderson und dem showdrummer campbell denke: gerade erst aufgestanden und dann schnell ein paar linien koks. aber trotzdem erkenne ich murray hier kaum wieder. am besten gefällt mir bassist kenny davis mit seinem unspektakulär schlanken, funkigen akustikbass aus dem erweiterten m-base-umfeld, aber was die eigentliche show angeht, hat ray anderson klar oberwasser, auch vor murray. wenn man das geschluckt hat, mag man konstatieren, dass die salsa-version von „stomping at the savoy“ schon auch ziemlich umwerfend gespielt ist, aber hier sollen menschen umgeworfen werden, die ein weiches polster haben.
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jug-a-lug (1994)
das einzige murray-album, das ich aus dem aussortiert-stapel bergen musste. dabei ist es eigentlich kein fehlgriff. diese chicagoer sessions aus dem mai 1994, die zu zwei alben auf DIW geführt haben, haben allerdings eine bestimmte klangästhetik, die ich damals überholt fand und auch heute werde ich kein fan. murray ist hier natürlich in die verlängerung der letzten miles-phase hineingerutscht, die ich aber eben mit dem tod von miles auch mitbeerdigt fand. robert irving III, darryl jones (bevor er mitglied der rolling stones wurde) sind direkte säulen des letzten miles-band-sounds, bobby broom und drummer toby williams kommen aus der gleichen szene, dann gibt es aber auch noch eine störrische quasi-trompete von olu dara – und sogar kahil el’zabar fügt sich mit seiner leichten percussion ins funkige, funktionale gefüge ein, in denen die drums ganz flach abgenommen sind, die synths ambivalent einwabern (als wären sie von miles selbst), und auf engstem raum rhythmuswechsel, ausbrüche, crash-becken und ein ultra-trockener e-bass so integrativ ineinanderwirken, als wäre das alles eine pop-produktion. eigentlich mag ich das alles, und murray spielt ein sehr inspiriertes maskulines funksax, das man sich auch im battle mit kenny garrett vorstellen kann, aber eben, es ist 1994 und nicht mehr 1991, und nach meinem erleben lagen damals welten dazwischen. heute höre ich das als schöne, etwas fremdartige musik.
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the tip (1994)
gleiche band natürlich, der sohn von lucky thompson kommt noch ein bisscher häufiger mit seinen blues-gitarren-licks zum einsatz, einmal hören wir kurz einen rapper. das album hat größere höhen und tiefer als das andere, das fängt mit einer komplett ideenlosen version von „sex machine“ an, auf denen sich murray allerdings auf 14 minuten plötzlich mächtig aufschwingt. und „kahari romare“ von el’zabar ist tatsächlich ein ganz tolles stück, eine hypnotische figur mit völlig ambivalenter struktur, über die murray ganz lässig sein ding macht. und der aufgeräumte kristalline sound hat wirklich eine eigene qualität. wenn ich nur wüsste, ob ich die mag…
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Danke – die zwei waren Discogs-Beifänge, als Du hier schon dran warst … klingt zumindest interessant, und da ich die Miles-Band nicht mehr in Echtzeit mitgekriegt habe, stellt sich ein Problem nicht (dafür fremdel ich nit der Art Aufnahmesound bzw Produktion deutlich mehr als Du … was ja gerade auch mit dem nicht selbst erlebt haben zusammenhängt).
Bei mir geht die Pause vermutlich bis Ende Oktober, kommen halt noch Ferien dazwischen und ich will mag Murray nicht auf dem Bluetooth-Lautsprecher oder mit Earphones hören – vor allem nicht Alben, die ich noch nicht kenne, und das sind fast alle, da wo ich jetzt angekommen bin.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba -
Schlagwörter: David Murray, Tenorsax
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