Das Piano-Trio im Jazz

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  • #12571395  | PERMALINK

    soulpope
    "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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    Kenny Barron „The Only One“ (Reservoir Records) 1990 …. dies definitiv keine Top20 Scheibe, aber eine kleine konservative Piano Trio Scheibe mit Ray Drummond  (b) und Ben Riley (dr) meisterhaft umgesetzt (und von Rudy Van Gelder ebenso abgebildet) …. so soll es sein …. btw das Intro wohl ein „dead ringer“ für das Thelonious Monk Songbook ….

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    #12571397  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-wind ich werde die Siebziger niemals so gründlich durchgehen wie Du – aus Zeitgründen, aber auch weil ich da andere Sachen vorliegen habe, weniger insgesamt, oder weniger relevantes (da zähl ich jetzt sowas wie Walter Bishop oder Junior Mance aus Japan bzw. aus NYC für Japan eben nicht mit).
    In Sachen Frauen, Siebziger: hast Du Dorothy Donegan noch auf dem Zettel? Die gab’s ja schon früher, aber ich finde ein paar Sachen aus den Siebzigern bisher das Beste, was ich da gestreift habe.

    danke für den hinweis auf donegan, baue ich mal ein ;-)

    was die 70er angeht, hast du bestimmt immer noch viermal mehr als ich. krass werden bei mir vor allem die 90er, aber da muss ich wirklich nicht alles nochmal hören.

    dejohnette, furuno, ohtsuka, jackeyboard (1973)

    das wollte ich als hommage hier unbedingt nochmal hören. ist irgendwie das tyner-trio-album, das der zu dieser zeit nicht gemacht hat… lustig, dass vor allem der drummer hier so aufdreht. auch hier wieder: da das in japan entstanden ist, scheint mir nicht so viel druck draufzuliegen und alle probieren frei was aus. in new york hätte sich dejohnette mehr ausgesetzt. technisch lässt sein klavierspiel wenig wünsche offen, aber es fehlt mir ein bisschen an dramatugie, an momenthaftigkeit. definitv keinen tyner-bezug hat jedenfalls das letzte stück, für das dejohnette die melodica auspackt.

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    #12571399  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Oh, die Trios von Tyner habe ich ja noch nicht mal hervorgesucht … hätte ja auch Lust, die frühen Alben („Inception“, „Reaching Fourth“) mal wieder zu hören, wegen der Bemerkungen von Dick Katz zu Tyner und Wilson – aber das muss wohl mal warten. Gerade hab ich aber Denny Zeitlin hervorgekramt, das Mosaic Select mit den frühen Columbia Studio-Aufnahmen und „Trident“. Danach habe ich eine jahrzehntelange Lücke bis in die Neunziger (Maybeck und diverse Solo-Songbooks, im Trio „As Long As There’s Music“ und „Live at Mezzrow“, beide sehr gut, zumindest von den bisherigen Eindrücken her).

    Kenny Barron hab ich nur so halb auf dem Schirm, die Bradley’s Live-Aufnahmen finde ich famos (das Trio mit Haden und Haynes dafür eher eine Spur weniger toll als erhofft), aber das kommt dann alles mal nach Ende Januar wieder.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12571429  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    The Don Friedman Trio – A Day in the City: Six Variations on a Theme | Bill Evans war hier – und doch muss es irgendwie weitergehen. Mit Chuck Israels und Joe Hunt legt Don Friedman als Debut eine Art Konzeptalbum vor, sechs Meditationen über einen Tag in seiner Wahlheimat, vom Morgengrauen bis zur Nacht. Friedman wurde 1935 in San Francisco geboren, spielte an der Westküste Leuten wie Chet Baker oder Buddy DeFranco, nach dem Umzug nach New York u.a. mit der Gruppe von Donald Byrd und Pepper Adams (wohl vor Duke Pearson, der dann von Herbie Hancock abgelöst wurde), mit Harry Edisons Gruppe, zu der auch Jimmy Forrest und Elvin Jones gehörten, , und für ein Jahr mit der Band von John Handy. Dazu jobbte er als Begleiter von Dick Haymes, spielte „cocktail, dance, and society jobs“ und hatte eine „warm association with the late bassist Scott LaFaro (Joe Goldberg in den Liner Notes, woher ich diese Infos beziehe). In New York lernte Friedman privat bei einem David Simon (wer ist das?) und der gab ihm Kompositionsaufträge. Aus Variationen über „The Minstrel Boy“ entstand das „Theme in the City“, das dem Debutalbum zugrunde liegt, das am 12. Juni 1961 aufgenommen wurde – ein paar Tage vor den Live-Aufnahmen des Evans Trios im Village Vanguard also. In den Linien und dem Drive von Friedman höre ich eine Ähnlichkeit mit dem frühen Evans (bis 1958 oder so), Elemente aus Lennie Tristanos Musik, die hier aber in viel wärmere und zugleich perkussivere Musik transformiert werden (was auch ein Unterschied zum frühen Evans ist, und irgendwie auch zu Bley, der auch nicht so warm klingt). Friedmans Musik, so Goldberg, erinnere ihn am ehesten an Prokofiev, auch wenn der Pianist Bartók, Schönberg und Webern als die Komponisten nenne, deren Musik er am häufigsten höre. Das spannt ein weites Feld: von Bartók zu Evans, von Prokofiev zur zweiten Wiener Schule. Und klar, Powell und Tatum werden dann auch noch genannt, und Evans sei „a friend of long standing“, der einzige Einfluss, den Friedman eingestehe. Chuck Israels übernahm wenig später die undankbare Rolle, bei Evans den unersetzlichen Scott LaFaro abzulösen, auch Joe Hunt spielte mit Evans (zumindest von 1967 ist eine Live-Aufnahme mit Eddie Gomez dokumentiert) – aber damals waren sie vor allem das Rhythmusgespann von George Russell, zu hören auf gleich fünf Klassikern aus den Jahren 1960 und 1961 (Hunt war auch 1962 noch dabei, als Steve Swallow am Bass auftauchte – Hunt zog später mit Gary Burton zu Stan Getz weiter, wo Swallow erst in einem späteren Line-Up mit Burton und Roy Haynes auch wieder aufkreuzen sollte … faszinierend, wen Getz alles bei sich hatte in den Sechzigern, da tauchen ja auch Chick Corea, Stanley Cowell, Miroslav Vitous und Jack DeJohnette auf). Ob das denn überhaupt Jazz sei, was Friedman hier mache, fragt Goldberg – und es gibt kurze Passagen, in denen man sich das vielleicht wirklich fragen könnte – aber mit Goldberg und gegen Friedman ist die Antwort doch ein klares: ja! Und das ist ziemlich toller Jazz, klingt frisch und ungewohnt, findet eigene harmonische Wege, hat eine leichte und doch stark pulsierende rhythmische Grundlage und ist im Fluss von Ideen gekonnt zurückhaltend. Auch wenn Friedman mal loslegt, wirkt hier nichts überfrachtet, kein Moment gehetzt. Ein starker Start.

    The Chris Anderson Trio – Inverted Image | Die hypothetische Gegenwelt blickt auch noch einmal vorbei, das „was wäre wenn“ nicht Evans sondern Anderson den Gang des Jazzpianos ab 1960 massgeblich geprägt hätte. Friedmans Klangwelt dünkt mich stellenweise der von Anderson fast näher als der von Evans, auch wenn die Eigenheiten von Anderson schon deutlich spezieller sind. Vee Jay hatte die Chance ja vertan, Anderson vorzustellen, daher musste Jazzland (das Sublabel von Riverside) übernehmen. Keepnews lässt Anderson mit dem snappy Groove seines eigenen Titelstückes in der Jazzszene aufkreuzen. Wie der grössere Teil der acht Stücke ein Remake vom November 1961 mit Bill Lee und Walter Perkins, nachdem Anderson mit dem Resultat des ersten Anlaufs im Juni mit Lee und Philly Joe Jones unzufrieden war. Drei Stücke, „See You Saturday“ (Anderson/Lee), „I Hear a Rhapsody“ und „You’d Be So Nice to Come Home To“, die zwei Standards am Ende des Albums, stammen vom Juni, der Rest vom zweiten Anlauf. Von Bill Lee stammt die tolle Ballade „Only One“, ansonsten sind neben dem Titelstück auch im November Standards aufgenommen worden: „Lullaby of the Leaves“, „My Funny Valentine“ und „Dancing in the Dark“. Anderson eignet sich das Material an, Lee geht mit ihm durch alle Moves, während Perkins leichter und zugleich beweglicher klingt als Art Taylor – und Philly Joe Jones seinen typischen Drive beisteuert, einen tiefenentspannt mitreissenden Swing, der im catchy „See You Saturday“ wunderbar zur Geltung kommt. Ich finde das erste Album unterm Strich eine Spur spezieller, der Zweitling wirkt dafür solider und ausgeglichener.

    Bei Riverside hatte man via Johnny Griffin, Wilbur Ware und andere Musiker aus Chicago vom Pianisten gehört. Leider ist aus dieser Legende keine Erfolgsgeschichte wie aus der Detroiter Legende Barry Harris geworden – umso schöner, die beiden Alben von 1960 und 1961 zu haben, die einen sehr besonderen Musiker vorstellen. Die Rhythmusgruppe vom November hatte, so Peter Drew in den Liner Notes, am Tag der Session schon stundelang mit einer Sängerin oder einem Sänger aufgenommen – ich habe leider keine Ahnung, wer das sein könnte, scheint nicht veröffentlicht worden zu sein – er spielte damals jedenfalls mit Dinah Washington, fiel aber auch wegen Unfällen/Verletzungen immer wieder aus, denn Anderson war nicht nur blind sondern litt auch an der Glasknochenkrankheit. Dasselbe Trio mit Lee und Perkins wirkte bereits im September bei den Aufnahmen für „A Long Night“ von Frank Strozier mit. Und auch 1961 kam wohl zum ersten Mal bei Savoy die LP mit den Live-Aufnahmen von Charlie Parker aus Chicago heraus – die mit dem Space-Gitarristen aus der Zukunft (George Freeman) und Anderson am Klavier.

    Dass Evans‘ Nachfolger und Konkurrenten bei Evans‘ Label Riverside präsenter waren als anderswo, ist interessant – mit der nennenswerten Ausnahme von Paul Bley, der gerade in andere Richtungen driftete: George Russell (mit Evans, gegen Evans), Mingus, Jimmy Giuffre 3 … und daraus dann irgendwie der Impuls zu den grossartigen eigenen Trio-Sessions, mit denen es 1962 los gehen sollte).

    Steve Kuhn, Scott LaFaro, Pete La Roca – 1960 | Schon Ende 1960 nahm Steve Kuhn im Studio von Peter Ind eine Session mit Scott LaFaro und Pete La Roca auf, die wohl erst 2005 in Japan auf CD herauskam (und letztes Jahr auch auf LP). Genaueres weiss ich leider nicht, es gibt wohl keine englischen Liner Notes zu dieser Session und im Netz finde ich nichts ausser diesem Text zu LaFaro, der ein paar Episoden erzählt (die erste Begegnung mit Evans, eine kurze Tour mit Benny Goodman, später dass er Getz habe La Roca feuern lassen, weil der ihm nicht gepasst habe):
    https://www.nepm.org/jazz-world/2017-04-02/scott-lafaro-the-short-life-of-a-master-bassist
    Kuhn nahm sein eigentliches Debutalbum ca. 1963 mit einer zweiten Pianistin, Toshiko Akiyoshi auf (anscheinend war Herbie Hancock vorgesehen, schreibt Mike Fitzgerald hier), danach geht es erst 1966 oder 1967 mit einem Trio-Album weiter, auf dem erneut Pete LaRoca zu hören ist, „Three Waves“. Die halbe Stunde mit LaFaro und La Roca von 1960 wirkt unfertig, zumal bei der Dauer auch ein Alternate Take von einem der vier Stücke mitgerechnet ist, „So What“. Dennoch sehr hörenswert. Zum Einstieg gibt es „Little Old Lady“, bei dem ich vermuten würde, dass Kuhn es bei Coltrane spielte (der es dann mit Wynton Kelly für „Coltrane Jazz“ einspielte), es folgt eine schnelle Version von „Bohemia After Dark“, danach „What’s New“ im langsamen Tempo und mit grosser Wärme (noch mehr davon als bei Friedman) und bald in double time. Den Abschluss machen die erwähnten zwei Takes von „So What“, in denen Kuhn ein paar rollende Akkorde à la Evans einstreut und auch im Solo stark nach dem Kollegen klingt. LaFaro ist hier ziemlich aktiv, spielt auch beim Schlagzeugsolo eine karge Begleitung aus langen, absteigenden Tönen, bevor sein Bass-Solo zu folgt. Das alles kommt aber mit deutlich weniger Interplay daher als das Evans Trio. Dennoch höre ich eine starke Verbindung von Kuhn und LaFaro, ähnlich wie @vorgarten, der hier einen Mittelweg zwischen Bley und Evans verortet – auch da kann ich mich gut anschliessen.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12571457  | PERMALINK

    lotterlotta
    Schaffnerlos

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    …..ich bleib erst mal bei flanagan mit den letzten mir vorliegenden scheiben im trio, als sahnehäubchen hör ich dann heute noch das superjazz trio mit art farmer. die messlatte ist hier schon verdammt hoch und die noch fehlenden baystate-alben müssen da wohl auch noch her! nach flanagan werde ich mich dann steve kuhn und hampton hawes und oscar peterson annehmen. in einer potenziellen top 20 werden wohl höchsten 7-8 pianisten vertreten sein….und die trio alben der letzten 25 jahre haben es da verdammt schwer….

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    Hat Zappa und Bob Marley noch live erlebt!  
    #12571493  | PERMALINK

    vorgarten

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    williams, williams, roker, free spirits (1975)

    das ist erstmal eine sache der aura, ähnlich wie bei ellington: die ganze jazzgeschichte ist präsent. wenn man will, kann man frühen monk hören, oder noch ältere bluesformen, es gibt ein kleines augenzwinkern zu evans („all blues“), cecil taylor scheint auf, wenn williams ihren bassisten begleitet, und das lässt sich bis in die unmittelbare gegenwart verlängern, denn hier klingt nichts alt. tatsächlich habe ich aaron diehl im sorey trio plötzlich vor ohren, weil sie ähnlich wie er akkorde mehrere takte lang im raum hängen lässt, überhaupt der umgang mit raum… und wie heiß das plötzlich wird, wenn es richtung hardbop geht (gleich am anfang, „dat dere“). das ist ein fantastisches trio, in jeder nur denkbaren hinsicht, ob man sound, funkiness, tiefe, höheren blödsinn („temptation“), oder – eben – freiheit sucht. ein quintessenz-album, das nie seine frische verlieren wird.

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    #12571497  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Wynton Kelly – Wynton Kelly! | Bill Evans wurde ihm von Miles Davis zwei Jahre zuvor vor die Nase gesetzt, heraus kam „Kind of Blue“ … aber Kelly ging irgendwann 1961 mit der Rhythmusgruppe von Davis eigene Wege und spielte durch die Sechziger hindurch unter eigenem Namen und mit diversen anderen wichtigen Leuten. Neben offiziellen Aufnahmen mit Wes Montgomery („Full House“, „Smokin‘ at the Half Note“) entstanden Leader-Alben im Trio (mit etwas Extra-Percussion), im Quartett mit Kenny Burrell und einem auch eins mit Trio, Burrell und Orchester unter Claus Ogerman für Verve, später ein Milestone-Album mit Ron McClure am Bass (der öfter einsprang, wenn Chambers verhindert war). Dazu kommen Dokumente aus der Left Bank Jazz Society mit Joe Henderson (legendär), Hank Mobley (Cecil McBee als Einspringer am Bass) und George Coleman (wieder McClure) und mehr … für Vee Jay entstand an zwei oder drei (das weiss man nicht sicher) Tagen im Juli 1961 ein zweites Trio-Album, von dem so ausgiebig Material überliefert ist, dass es auch 2-CD-Ausgaben davon gibt). Acht Stücke wurden auf „Wynton Kelly!“ veröffentlicht, zwei weitere auf dem Teil-Reissue „Someday My Prince Will Come“, von den zehn Stücken gibt es total 23 Takes, fast alle Alternate Takes mit Chambers/Cobb, wobei der Bassist zur zweiten Hälfte des zweiten Tages (oder eben: am dritten Tag) durch Sam Jones ersetzt wurde. Mit dem sind dann noch drei Stücke überliefert (die Single-Version von „Come Rain or Come Shine“ – das spielten damals wirklich alle! – war nur ein Edit des Master Takes.

    Los geht es mit „Scotch and Water“ von Joe Zawinul – das früher „Joe’s Avenue“ hiess, weil jemand den Namen des Komponisten, den Kelly im Studio nannte, für den Titel des Stückes hielt – , „Someday My Prince Will Come“, das erste erst auf der gleichnamigen LP veröffentlichte Stück, sowie „Autumn Leaves“, überliefert in sechs bzw. vier bzw. drei Takes, die sich teils erheblich unterscheiden und zeigen, wie das Trio sich als Groove-Maschine zunehmend verfeinert. Der erste Take von „Scotch and Water“ dauert sechseinhalb Minuten, danach wird gekürzt, die weiteren sind zwischen 2:49 und 3:40 lang, das Tempo geht mal hoch und dann wieder runter. Eine kleine Unsicherheit gibt es nur in Take 9 – aber auch da klingt Kelly phantastisch. Die folgenden beiden Stücke stammen natürlich aus dem Repertoire der Davis-Band, die auch ein Album namens „Someday My Prince Will Come“ eingespielt hat – das einzige Studio-Albuum mit Kelly/Chambers/Cobb, die man davor nur auf „Freddie Freeloader“ hören konnte. Nur ein Take ist komplett (Take 5, der von der gleichnamigen LP), aber der erste (Take 2), der nach dem Bass-Solo abbricht, ist besonders toll, weil er als einziger in die ganze Zeit im 3/4 bleibt (und er ist trotz fehlenden Endes eine Minute länger als die drei folgenden) und Cobb ist echt toll hier. Danach fällt das Trio nach dem Thema in einen schnelleren 4/4 – und fällt beim Übergang zurück ins Thema raus (Take 3). Die letzten zwei Takes (5 und 6) verzichten dann gleich ganz auf den 3/4 und fallen nach dem Klavier-Intro direkt in den 4/4, um am Ende wieder zum Solo zurückzukehren. Hier werden die Ähnlichkeiten im Spiel von Kelly und Evans ganz schön hörbar – die Soli von Kelly in allen vier Takes sind erstklassig. „Autumn Leaves“ hatte Davis zwar zunächst mit Cannonball Adderley aufgenommen, danach fand es Eingang ins Repertoire seiner Band und wurde regelmässig gespielt. Kelly hat tolle Einfälle zu den ungewöhnlichen Changes, und wieder ist der erste Alternate Take mit über acht Minuten viel länger als die zwei folgenden (viereinhalb bzw. der Master sechs Minuten). Der schnelle zweite Take bricht bei der Rückkehr zum Thema ab, im dritten wird dann das perfekte, bouncende Tempo für das Stück gefunden, das zu Kellys meistgespielten werden sollte.

    Am zweiten Tag geht es mich „Char’s Blues“ los, dem zweiten neuen Stück der „Someday My Prince Will Come“-LP – gewählt hat man Take 1, den kürzesten der drei und einzigen, in dem Chambers sein Solo zupft. Für Take 2 und den erneuten Take 1 (nach einem False Start vergab man seltsamerweise nochmal die Nummer 1) spielt Chambers sein Solo dann mit dem Bogen. Dann folgt ein Re-Take von „Autumn Leaves“, der auch auf der LP „Someday My Prince Will Come landete – die Version ist so kurz wie der kürzeste Take vom Vortag, aber vollständig, und bietet eine längere Passage von Kelly mit Block-Akkorden. Vom nächsten Stück, „Surry with the Fringe on Top“, kriegen wir einen letzten Alternate Take, danach von den letzten fünf Stücken nur noch die Masters. Der Unterschied liegt hier vor allem in den Patterns, von Cobb, die im Master eine Spur toller sind. Kelly hatte das Stück 1957 mit Sonny Rollins für dessen „Newk’s Time“ (Blue Note) aufgenommen, aber hier verneigt er sich am Ende auch vor Red Garland, der auf der Aufnahme von Miles Davis aus dem Vorjahr zu hören ist. Von Gloria Lynnes Balladen-Hit „Love, I’ve Found You“ hatte Kelly im Black Hawk eine Solo-Version gespielt. Hier geht er nach demselben Schema vor, es gibt wieder einen einzigen Chorus, aber er lässt sich von Chambers und Cobb begleiten. „Gone with the Wind“ ist dann die letzte Nummer mit Chambers, noch ein Set von Changes, das Kelly offensichtlich inspiriert – Cobb ist auf der ganzen Länge stark und spielt ein paar Runden Fours mit dem Pianisten.

    Danach – oder an einem Tag in unmittelbarer zeitlicher Nähe – kam Sam Jones vorbei und löste Chambers ab für die letzten drei Stücke, von denen es wieder nur die Master Takes gibt: „Come Rain or Come Shine“ wurde zum Opener der LP (und es gab wie erwähnt eine gekürzte Single-Auskopplung davon). Jones spielt näher an den Grundtönen als Chambers, hat dafür eher einen stärkeren Beat – und sein Solo, das vermutlich länger war, wurde leider auf acht Takte gekürzt. Schade, gibt es hier keine Outtakes bzw. kein Session-Material mehr! Als zweites spielt das Trio „Make the Man Love Me“ (Dietz/Schwartz), eine selten zu hörende Ballade, auch wieder kurz gehalten, mit einer Andeutung auf „Surrey“ in der zweiten Bridge. Zum Abschluss wurde dann Kellys einziges Original aufgenommen, „Sassy“, ein mittelschneller Blues, in dem der Unterschied von Jones und Chambers wieder klar wird: Jones hat mehr Wumms, aber ist deutlich weniger kreativ in der Wahl seiner Töne.

    Tolle Aufnahmen, aber nicht direkt Bestenlistenmaterial, daher verzichte ich für den Moment darauf, auch noch die acht Master Takes der LP von 1962 in der korrekten Reihenfolge zu hören. Der Flow, den Kelly hier hat, von Cobb massgeblich getragen (der ja im Gegensatz zu seinem Vorgänger bei Davis, der auf Kellys ersten Trio-Album von Vee Jay zu hören ist, einen viel fliessenderen Stil pflegte), ist beeindruckend, es mangelt ihm in all den Takes wirklich nie an frischen Ideen und es gibt in seinen Improvisationen kaum einen Moment des Zögerns oder der Unsicherheit.

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    gypsy-tail-wind
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    vorgarten

    hope, chambers, warren, jones, hogan (1961)

    elmo hope, zurück an der ostküste. das erste album, das trio- und sextett-aufnahmen kombiniert, hieß tatsächlich auch HOMECOMING. diese beiden sind noch früher entstanden, aber für kleinere labels. die rückkehr nach new york bedeutet in diesem fall auch die rückkehr zum alten material und zu den klassischen formen, für mich ein deutlicher rückschritt, zumindest im trio format (das RYKER’S ISLAND album ist ja super).

    Das ist gerade noch meine Nachtmusik … ist ja eigentlich nur ein Label (Joe Davis) und die Production Values sind leider sehr tief und ich finde, das hört man der Musik auch etwas an, die ist nicht annähernd so fokussiert und gut wie die Trio-Tracks auf „Homecoming“. Es passt auch, dass die Label der LPs einen Fehler enthalten: auf „High Hope!“ ist A2 als „Hot Sauce“ gelistet, aber das ist wohl „Happy Hour“ (so heisst das Stück zumindest auf dem Rückcover der LP), während „Hot Sauce“ der Opener (A1) der anderen Joe Davis-Platte ist, „Here’s Hope!“.

    Was die Daten angeht, so scheinen die Sessions etwas später stattgefunden zu haben, nämlich erst Anfang 1962:
    https://attictoys.com/elmo-hope/elmo-hope-discography/#sess-year_1962

    Keine Ahnung, ob es eine vernünftige Ausgabe gibt, die das alles klärt … ich denke eher nicht (am ehesten vielleicht der CD-Twofer von Prevue).

    Kleines Sub-Thema: Wer hat alles Trio-Alben mit Chambers/Jones gemacht?

    Kenny Drew Trio (1956)
    Sonny Clark Trio (1958)
    Bill Evans – On Green Dolphin Street (eher ein 3/4-Album eigentlich) (1959/1975)
    Wynton Kelly – Kelly at Midnite (1960)
    Elmo Hope – Here’s Hope! (vermutlich 1962)

    halbe Alben:

    Elmo Hope – High Hopes (vermutlich 1962)
    Phineas Newborn Jr. – A World of Piano (1962)

    zwei Stücke:

    Red Garland bei den Miles Davis-Sessions (Prestige, 1956; Milestone, 1958)

    Übersehe ich was? Bei Newborn war ich ja auch noch nicht so richtig … da ist gerade noch Post aus Japan unterwegs, ein neuer, gründlicherer Annäherungsversuch steht also an. Schade, dass die Hope-Session nicht etwas besser wurde, mit den Höhenflügen von Clark und Kelly hat das jedenfalls wenig gemein. Und das Drew-Album lief neulich wieder, glaub das krieg ich noch geknackt, gefällt mir jedenfalls mit jedem Anlauf etwas besser.

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    Bin zu Kenny Barron ambivalent …. starke Piano Trio Alben wie „Bradley’s“, „The Only One“ und „Green Chimneys“ sind im Angebot, während bspws „Wanton Spirit“ trotz grosser Namen eher hölzern wirkt ….

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