30 Jahre später: was macht die Hardcore-Sammlung?

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  • #12511805  | PERMALINK

    kingberzerk

    Registriert seit: 10.03.2008

    Beiträge: 2,217

    Wie steht es um Eure Hardcore-Sammlung von damals? 1. Läuft regelmäßig - bin dabei geblieben
    2. Gelegentlich mal wieder rausgekramt
    3. Lange nicht mehr gehört - steht aber noch da
    4. Nur noch bei nostalgischen Anwandlungen
    5. Komplett aus der Rotation verschwunden
    6. Verkauft / verschenkt /entsorgt
    7. Was ist Hardcore?

    In den letzten Tagen habe ich einen alten Song gesucht – „I Think You Know“ von NoMeansNo, 1991. Beim Durchhören all meiner Punk/Hardcore-Platten ist mir aufgefallen: Ich höre das alles schon ewig nicht mehr. The Last Scream Of The Missing Neighbours, Speak English Or Die, Spreading The Disease, Shape Of Punk To Come, Lard, Black Flag – alles verstaubt.
    Dabei war das mal wichtig für mich. Und ich messe dem immer noch eine besondere Bedeutung bei.
    Stattdessen laufen heute Kendrick Lamar, Miles Davis, Flying Lotus, The Smile. Bestimmte Vorlieben sind frisch geblieben: Frühe Alben von AC/DC, 35007, Melvins, aber das ist ja auch kein Hardcore.
    Dann dachte ich: Damals war ich knappundzwanzig, und meine Frau meinte heute bei “I think you know”: “Oh Gott”, und sie möchte die Faszination nicht erkennen, die für mich von dieser Art gebrülltem Statement ausgeht:

    Circling
    Hawk
    Dive, bite
    Clench and jerk
    A spray
    Of bright
    Red
    Ripped
    Surface
    Torn flesh

    No hot
    No cold
    No yes
    No no
    No earth
    No sky
    No you
    No I

    You die
    (You die)
    Every time
    (You die)
    You die
    (You die)
    You die
    You simply die”
    NoMeansNo – I Think You Know

    Ich stelle mir vor: Einen Vertriebsleiter, der auf dem Weg zur Arbeit Black Flag hört, eine Ärztin, die “The Shape of Punk to Come” ab und wann im Auto laufen lässt, ein Konrektor, der mal wieder Lust hat, “Pussywhipped” von Anthrax zu hören oder die Geschichtslehrerin, die noch Spaß an “Fuck the Middle East” von S.O.D. hat. Gibt es alles nicht mehr, oder? Ist es so: da lernt man die Energie der Bad Brains kennen und lässt sie durch den Körper jagen, und dann hat sich das dann auch irgendwann damit?

    • Dieses Thema wurde geändert vor 3 Tagen, 11 Stunden von  kingberzerk.
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    Tout en haut d'une forteresse, offerte aux vents les plus clairs, totalement soumise au soleil, aveuglée par la lumière et jamais dans les coins d'ombre, j'écoute.
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    #12511821  | PERMALINK

    fevers-and-mirrors

    Registriert seit: 28.11.2004

    Beiträge: 1,505

    Hm, ja, Punk und Hardcore waren mir als Teen und Twen wichtiger als jetzt und wurden mehr gehört, aber das liegt wohl eher daran, dass ich jetzt breiter aufgestellt bin, mehr Sachen liebe und daher Einzelnes seltener auf dem Plattenteller landet als früher. Ich komme aber sehr regelmäßig darauf zurück und die Freude daran ist dann auch weiterhin groß. Wobei dort, wie bei fast jeder Musik, die Intensität der ersten Monate nach Entdecken nicht komplett aufrecht zu erhalten ist, das zeigt sich immer wieder.

    --

    #12511823  | PERMALINK

    wenzel

    Registriert seit: 25.01.2008

    Beiträge: 5,954

    Hab hier auch noch ein paar Sachen rumstehen, Black Flag, Fugazi, Soulside, Big Black, Hüsker Dü. Seit Ewigkeiten nicht mehr gehört.

    --

    #12511825  | PERMALINK

    kingberzerk

    Registriert seit: 10.03.2008

    Beiträge: 2,217

    fevers-and-mirrors…, aber das liegt wohl eher daran, dass ich jetzt breiter aufgestellt bin, mehr Sachen liebe und daher Einzelnes seltener auf dem Plattenteller landet als früher.

    Verstehe. Hatte zunächst auch gedacht, dass es ein Faktor für mich gewesen wäre, allerdings war ich auch damals schon mit „In a silent way“ und „Expectations“, Joni Mitchell, Ralph Towner und Terje Rypdal unterwegs oder auch einfach mit Pop, also eigentlich breit genug.

    Vermutung: das Neue und Radikale war schneller zu absorbieren in diesem Genre. Es bleibt geschätzt und würde immer wieder auf Listen auftauchen, allerdings spielt es im Alltag keine Rolle mehr.

    Update: Fantano überschätzt London Calling eindeutig.

    zuletzt geändert von kingberzerk

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    #12511837  | PERMALINK

    pipe-bowl
    Moderator
    Cookie Pusher

    Registriert seit: 17.10.2003

    Beiträge: 72,181

    Zunächst einmal gilt es festzustellen, dass ich als in den frühen Sechzigern Geborener nicht mit dieser Musik groß geworden bin, was dazu führte, dass ich sie natürlich wahrnahm, aber sie wurde nicht zu einem stetigen Begleiter für mich. Wenn ich in meine Sammlung schaue und sie mit dieser Liste vergleiche, habe ich nur an der Oberfläche gekratzt, was Hardcore angeht. Ich zähle hier 17 Alben von 8 der ca. 300 dort aufgezählten Bands, die hier stehen. Und zwar von Hüsker Dü (5), Bad Religion (4), Jawbreaker (2), Replacements (2), Dead Kennedys (1), Descendents (1), Minutemen (1), Refused (1). Und diese Alben laufen heute im Vergleich zu anderen eher selten. Was zum einen damit zusammenhängt, dass ich mich nach wie vor mit neuer Musik versorge, zum anderen damit, dass mir stets andere Genres wichtiger waren. Vergleiche ich es mit Punk, dem Genre, in dem Hardcore ja seine stärkste Wurzel hat, dann lege ich mir Acts aus dem ursprünglichen Bereich auch heute noch deutlich häufiger auf.

    PS: Fantano schätzt „London calling“ richtig ein.

    --

    there's room at the top they are telling you still but first you must learn how to smile as you kill
    #12511849  | PERMALINK

    kingberzerk

    Registriert seit: 10.03.2008

    Beiträge: 2,217

    Dazu fällt mir ein: Beastie Boys von 1992, Sonic Youth von 1992, Melvins von 1994 – alles aus der gleichen Phase, höre ich heute noch. Aber NoMeansNo, Biafra-Projekte, Bad Brains, überhaupt alles Hardcore – verschwunden. Warum gerade das?
    Einfache Erklärung wäre: Geschmack. Allerdings mag ich die Sachen schon, aber sie haben eine andere Wirkung auf mich. Eher nostalgisch.

    Ab und an gibt es Impulse, das Genre weiter zu vertiefen, was ich damals verpasst habe: Mr. Bungle, The Mars Volta, John Zorn, aber eigentlich eher aus Neugier denn als Bedürfnis.

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    #12511893  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 37,712

    Sonic Youth, Replacements oder Beastie Boys würde ich nicht unter dem Label Hardcore vermuten.

    zuletzt geändert von latho

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    If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.
    #12511901  | PERMALINK

    kingberzerk

    Registriert seit: 10.03.2008

    Beiträge: 2,217

    Natürlich nicht, aber gemeint ist: es kann nicht daran liegen, dass Musik von dieser Zeit irrelevant geworden ist, weil so viel anderes dazugekommen ist – siehe jene Beispiele. Die Beispiele Sonic Youth usw. decken andere Genres ab, aber stammen aus derselben Zeit und waren damals aktuell.

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    #12511931  | PERMALINK

    madmartl

    Registriert seit: 25.05.2011

    Beiträge: 7,350

    Ich war nie der ganz große Hardcore-Liebhaber, habe aber schon einiges angehäuft.

    Und was hier regelmäßig immer noch aufgelegt wird, ist der phantastische Longtrack „Full metal jackoff“ von Jello Biafra & D.O.A., das zugehörige Album „Last scream of the missing neighbors“ liegt bei mir seit jeher ganz weit vorne.

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    You can't beat two guitars, bass and drums - Lou Reed
    #12511941  | PERMALINK

    thelonica

    Registriert seit: 09.12.2007

    Beiträge: 4,180

    Hat Henry Rollins eigentlich noch nie Los Crudos in seiner Sendung gespielt (Post-Punk läuft allerdings sehr häufig)? Konnte nichts finden. Musikalisch ist alles sehr roh, vielleicht auch nicht so routiniert und „professionell“ (mehr oder weniger DIY) wie bei bekanntere Bands,  inhaltlich jedoch (vor allem ja auch die Ansprachen zwischen den Songs) auf jeden Fall  genauso/mindestens aktuell wie damals 1995: Los Crudos

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    #12511951  | PERMALINK

    madmartl

    Registriert seit: 25.05.2011

    Beiträge: 7,350

    Ach ja, übrigens erst heute die aktuelle Platte von The Jesus Lizard gekauft. Punk und Hardcore boomen also noch ein klein wenig bei mir…  :-)

    Womit ich übrigens überhaupt nichts anfangen ist Metalcore. Dieses Genre ertrage ich nicht.

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    You can't beat two guitars, bass and drums - Lou Reed
    #12511965  | PERMALINK

    latho
    No pretty face

    Registriert seit: 04.05.2003

    Beiträge: 37,712

    kingberzerkNatürlich nicht, aber gemeint ist: es kann nicht daran liegen, dass Musik von dieser Zeit irrelevant geworden ist, weil so viel anderes dazugekommen ist – siehe jene Beispiele. Die Beispiele Sonic Youth usw. decken andere Genres ab, aber stammen aus derselben Zeit und waren damals aktuell.

    Ok, kapiert.

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    #12512003  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

    Registriert seit: 18.01.2009

    Beiträge: 6,438

    kingberzerk
    John Zorn

    Hardcore hin oder her, kann ich mehr Beschäftigung mit John Zorn nur empfehlen.
    Man muss allerdings viel Zeit mitbringen: https://johnzornresource.com/home

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    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
    #12512013  | PERMALINK

    punchline
    he can still do it

    Registriert seit: 15.12.2019

    Beiträge: 4,202

    Für mich als Mitte der Fünfziger-Geborener war natürlich mein erster Hardcore die Sixties: The Who, The Kinks, Rolling Stones……..
    Hardcore wiederholte sich ja danach als Welle immer wieder.

    --

    Don't be scared
    #12512043  | PERMALINK

    kingberzerk

    Registriert seit: 10.03.2008

    Beiträge: 2,217

    punchlineFür mich als Mitte der Fünfziger-Geborener war natürlich mein erster Hardcore die Sixties: The Who, The Kinks, Rolling Stones …

    Im Gegensatz zu späteren Ausläufern waren das keine Nischenprodukte damals, und ich könnte mir vorstellen, dass du immer wieder zu diesen Titeln zurückkehrst, stimmt’s?

    Ich frage mich gerade, ob Hardcore nicht nur Richtung Punk geht, oder auch Free Jazz da rein passt, „Iron Path“ (Last Exit, 1988), „Black Woman“ (Sonny & Linda Sharrock, 1969), „Ascension“ (John Coltrane, 1966), Ornette Colemans „Free Jazz“ (1961) oder Peter Brötzmanns „Machine Gun“ (1968). Oder dessen Sohn Caspar Brötzmann später mit „Black Axis“ (1989). Oder, um dichter beim Rock zu bleiben, MC5 mit „Kick out the Jams“ (1969), „I wanna be your dog“ (1969) von den Stooges, vielleicht auch Zappas „Absolutely Free“ (1967).

    --

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