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nail75Hast du die Crystal Days Box?
Nein
nail75Lies mal, was Wayne Coyne von den Flaming Lips über Echo & The Bunnymen schreibt.
Wenn das den Erwerb der Crystal Days Box voraussetzt, wird es dazu nicht kommen.
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Highlights von Rolling-Stone.deWerbungHal CrovesNein
Wenn das den Erwerb der Crystal Days Box voraussetzt, wird es dazu nicht kommen.Wieso nicht? Abneigung gegen CDs oder gegen CD-Boxen? Schade, denn das ist eines der schönsten und besten Box-Sets, das ich kenne.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75Wieso nicht? Abneigung gegen CDs oder gegen CD-Boxen?
Nein
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Homestead & Wolfe – Our Times — The Gold Star Tapes (1973-75) (2004)
Wenn ein Album den Hörer ab der ersten Sekunde fesselt und nicht mehr loslässt; wenn es sich zudem um ein Werk handelt, von dem man ebenso wie von seinen Schöpfern noch nie gehört hat, ist das ein besonderes Glück, denn zum außergewöhnlichen Genuss an der Musik stellen sich Neugier und Faszination für das Unbekannte ein. Hier also haben wir ein solches Unikat: Our Times erschien zuerst 1975, aber es grenzt bereits an eine Übertreibung zu behaupten, es sei damals auch veröffentlicht worden. Denn Produzent Ernie Bringas, der in den Sechziger Jahren die Surf-Formation The Rip Chords (“Hey Little Cobra”) mitbegründet hatte, war im Zuge seiner christlichen Erweckung in den frühen Siebzigern kommerziellen Absichten gänzlich abhold; sein Projekt Homestead & Wolfe gründete er auf dem Fundament der United Methodist Good Samaritan Church in Cupertino, CA, deren Youth Minister er war, und das vorliegende Album wurde zunächst privat produziert und tauchte nie in den einschlägigen Diskographien auf. Erst 2004 wurde es beim kalifornischen Minilabel Anopheles Records dem allgemeinen Publikum zugänglich gemacht.
Schon die Entstehungsgeschichte lässt reiche Assoziationen zu der Zeit, in der die Platte eingespielt wurde, aufblühen, und tatsächlich klingt sie so, wie man sie sich mit entsprechender Vorstellungsgabe imaginieren mag. Es ist eine allerdings eher für die Endsechziger typische West-Coast-Mixtur aus Folk, Country und Psychedelic Rock, von sehr fähigen Studio- und Sessionmusikern um Schlagzeuger Hal Blaine eingespielt, die auch unter dem Namen The Wrecking Crew bekannt wurden, aber was sie so besonders macht, ist der ergreifende Ernst, der in dem mehrstimmigen, außergewöhnlich inspiriert wirkenden Gesang von Bringas‘ methodistischem Kirchenchor unter der Leitung von JoAnne Avery zum Ausdruck kommt, die auch die Soloparts singt sowie Klavier, Orgel und Celesta spielt. Zwischen dem zum Heulen und Niederknien schönen Folksong „Slow Down“ und dem hippieesk-musicalhaften „Beat of the Drum“ entspinnt sich so ein überaus anregendes, berührendes und abwechslungsreiches Album, von dem man am besten in der Sprache seiner Protagonisten sagt: it lifts your spirits!
Die originale Tracklist des Albums kann nicht mehr mit Sicherheit angegeben werden, es sollen 9 Titel gewesen sein, die für die CD-Ausgabe mit 6 Bonustracks angereichert wurden.
Tracklist:
1) Slow Down 3:35
2) Love Comes Through My Door 3:26
3) King of the Mountain 2:13
4) If I Never Show 2:32
5) See the Children Die 3:27
6) Do I Love You? 2:47
7) Your Freedom’s in Question 3:33
8) I Am Cain 2:22
9) Roll on, Tumbleweed 2:20
10) Beat of the Drum 3:42
11) Rhythm of the Wind 3:41
12) You’re All That I See 2:53
13) Mary Jane 3:10
14) See the Children Die [Alternate Mix] 3:21
15) Beat of the Drum [Instrumental] 3:54****1/2
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Nashville West – same
Eine sehr kurzlebige Band verbirgt sich hinter diesem Bandnamen.
Dabei wird man die Namen der Mitglieder sicher gleich mit einem ’Aha-Effekt’ vergleichen, das geht ja eindeutig in Richtung der Byrds:Clarence White (guitar, vocals)
Gene Parsons (drums, harmonica(?))
Gib Guilbeau (guitar)
Wayne Moore (bass, vocals)Aber zuvor war es Nashville West, die auch Pionierarbeit leisteten bei der Neugestaltung des Genres Country Rock.
Es reichte leider nur für ein Album, eines, dass einen Liveauftritt aus 1967 widerspiegelt.
Unter anderem hatte sich diese Band entwickelt aus den Castaways und den Kentucky Colonels, und von Sessions für das Label Bakersfield International Productions kannte man sich.
Das war auch jene Zeit, als Parsons und White den String Bender entwickelten, der den Sound der Gitarre verändern sollte. Und gerade White machte sich neben seiner Virtuosität auf der Akustischen mit dieser Innovation für die E-Gitarre einen Namen und kreierte seinen unverwechselbaren Sound.
White setzte der Band letztlich auch ein “Denkmal“ durch das auch später mit den Byrds eingespielte und bekannt gewordene Instrumental “Nashville West“.Neben diesem Instrumental. das sehr stark die spätere Version vorweg nimmt, finden sich noch der eine oder andere Klassiker, zum Beispiel “Mental Revenge“ von Mel Tillis oder typische Guilbeau-Songs, mit einem leichten Cajun-Anstrich darunter (z.B. “Sweet Susannah“) und auch solche Titel wie “Green Green Grass Of Home“ oder “By The Time I Get To Phoenix“ wurden auf besondere Weise interpretiert.
“Ode to Billy Joe” halte ich auch für sehr gelungen, klasse, wenn White seine Gitarre ’aufheulen ‘ ließ und seinen ganz persönlichen Stil präsentierte.Neben üblichen Mustern des Bakersfield-Sounds finden sich hier so auch einige Elemente von Popularmusik als auch leichten “Blue Eyed-Soul“ in sehr zurückgenommener Stimmung(“Ode to Billie Joe“), sehr “laidback“, mit dem stets federnden Schlagzeug des Mr. Parsons.
Die Musik macht auf jeden Fall Spaß, so locker und unkompliziert sie vorgetragen wirdFür gelegentliche Schwachpunkte halte ich den nicht immer treffsicheren Gesang Moore’s, und ’rock ’n’ rollen’ war auch nicht unbedingt der Band sicheres Metier, man höre “Memphis“.
Dennoch ist mit der Veröffentlichung dieser Platte für mich ein weiterer Meilenstein des Country Rock geschaffen worden.Diese 1967 entstandenen Aufnahmen wurden erst 1978 veröffentlicht, und 1997 gab es eine die CD, mit Bonustracks.
Dadurch, dass die Musik zu diesem Album in einem Club mit 2 Mikrofonen aufgezeichnet wurde, dürfen wir hier keine Hi-Fi-Qualität erwarten, aber so schlecht ist der Klang dann auch wieder nicht, als dass allein der historische Hintergrund allein entscheidend für einen Kauf der Platte wäre.Hier die Titel:
01:Nashville West (Intro) [Instrumental] [Clarence White, Gene Parsons] (0:41)
02:Mental Revenge [Mel Tillis] (3:37)
03:I Wanna Live [John D. Loudermilk] (3:14)
04:C C Rider [Traditional] (3:56)
05:Sweet Susannah [Gib Guilbeau] (2:35)
06:Green, Green Grass of Home [Curly Putman] (4:30)
07:Love of the Common People [John Hurley, Ronnie Wilkins] (3:09)
08:Tuff & String (Intermission Theme) [Gary S. „Flip“ Paxton] (0:31)
09:I Washed My Hands in Muddy Water [Joe Babcock] (2:23)
10:Greensleeves [Traditional] (3:23)
11:Ode to Billy Joe [Bobbie Gentry] (3:43)
12:Mom & Dad’s Waltz [Lefty Frizzell] (3:22)
13:Louisiana Rains [Gib Guilbeau] (2:34)
14:Sing Me Back Home [Merle Haggard] (3:14)
15:Columbus Stockade Blues [Traditional] (4:13)
16:Memphis [Chuck Berry] (3:27)
17:By the Time I Get to Phoenix [Jimmy Webb] (5:04)
18:Nashville West (Reprise) [Instrumental] [Clarence White, Gene Parsons] (2:03)Als Vorläufer von Bands wie den Flying Burrito Brothers und den Byrds mit White und Parsons also sicher ein wichtiges Album.
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Ginger Baker Trio – Going Back Home (1994)
Man stelle sich einen späten Oktobernachmittag in hügeliger Graslandschaft vor, mit bewölktem Himmel, aus dem gelegentliche Regenschauer niedergehen, auf die hin einzelne Sonnenstrahlen den Betrachter wärmen, bevor die Sonne untergeht: ein solches Stimmungsbild evoziert das hier zu besprechende Album, das aus der Zusammenarbeit dreier berühmter Großmeister ihres Fachs entstanden ist. Ginger Bakers polterndes Schlagzeugspiel steht hier auf dem Höhepunkt seiner Ausdruckskraft, Charlie Haden zupft ebenso sacht wie präzis den Kontrabass, und Bill Frisell wirft mit seinem splitternden Gitarrenspiel, das in seiner einerseits schüchternen, andererseits sehr emotionalen Art immer etwas unfertig wirkt, blutrote, ockerne und gewitterschwarzblaue Farbe auf das eingangs skizzierte Landschaftsbild.
Es ist eine seltsame Art von Traurigkeit, die ich beim Hören dieser Platte empfinde, nämlich eine Trauer ohne Grund und Objekt, eine Wehmut ohne Weltschmerz, ein Blues ohne Jammer. Sie ist außerordentlich schön, ohne zu strahlen, matt und doch kraftvoll – gewissermaßen der Soundtrack zum Limbus, wie ihn Dante Alighieri beschrieb, ein ebenso trister wie erhabener Ort zwischen Hölle und Erde, ohne Schmerz und Freude, aber voll bewegter Gedanken der dort residierenden antiken Philosophen. Und doch kommt zum Ende hin Zorn zum Vorschein; in „East Timor“ beklagt Ginger Baker in knurrendem Sprechgesang Tod und Leid auf der bürgerkriegsgeplagten Südseeinsel, deren Osthälfte 2002 die Unabhängigkeit erlangte.
Stilistisch stellt das Album ein sehr gelungenes Crossover zwischen Jazz, Pop und Rock dar, sehr reif und doch, aufgrund der erwähnten Emotionalität von Frisells außergewöhnlichem Gitarrenspiel, aufwühlend und hochgradig präsent. Durch Going Back Home hat Bill Frisell sich als eine der für mich wichtigsten Entdeckungen im Jazzbereich herausgestellt, und als ich kürzlich in der F.A.Z. eine hymnische Besprechung seines neuen Albums Big Sur las, zog ich augenblicklich los und kaufte es; ich sollte es nicht bereuen.
Tracklist:
1 Rambler 5:26
2 I Lu Kron 2:38
3 Straight, No Chaser 5:33
4 Ramblin‘ 4:22
5 Ginger Blues 5:08
6 Ain Temouchant 5:00
7 When We Go 3:50
8 In the Moment 4:29
9 Spiritual 3:45
10 East Timor 4:40****1/2
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=@asdfjklö:
Verwirrend:
1. Liveauftritt 1968, einige Zeilen später schreibst Du, die Aufnahmen seien aus 1967. Was denn nun?
2. Die Byrds veröffentlichten ihr Debut bereits 1965. Warum sollte diese Band dann „Vorreiter“ sein?--
dengel@asdfjklö:
2. Die Byrds veröffentlichten ihr Debut bereits 1965. Warum sollte diese Band dann „Vorreiter“ sein?Wahrscheinlich weil das erste reine Country(-Rock) Album der Byrds, „Sweetheart Of The Rodeo“, erst 1968 erschien.
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dengel@asdfjklö:
Verwirrend:
1. Liveauftritt 1968, einige Zeilen später schreibst Du, die Aufnahmen seien aus 1967. Was denn nun?
2. Die Byrds veröffentlichten ihr Debut bereits 1965. Warum sollte diese Band dann „Vorreiter“ sein?damit die Verwirrung ein Ende hat:
a) das war der ‚Druckfehlerteufel‘, 1967 ist natürlich korrekt
b) die Vorreiterschaft bezog sich, wie soeben korrekt bemerkt, auf die Rolle der Entwicklung des Country Rock.
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Kimya Dawson – Hidden Vagenda (2004)
Hidden Vagenda ist eines von drei Alben, die Kimya Dawson in einem wahren Produktivitätsrausch 2004 innerhalb von zwei Monaten veröffentlichte. Sie gehört zu den Gründern der New Yorker Anti-Folk-Bewegung und hat diese Musikrichtung vielleicht am konsequentesten auf den Punkt gebracht. Ihr Stil und ihr Auftreten sind von absoluter Aufrichtigkeit und Verletzlichkeit geprägt; der geradezu ostentative Dilettantismus ihres Vortrags steht dabei in einem hochinteressanten Gegensatz zu der beeindruckenden Qualität ihres Songwritings, das sie bereits auf dem legendären selbstbetitelten Album der Moldy Peaches unter Beweis gestellt hatte, ihrem leider schon nach dem Debüt abgebrochenen Bandprojekt mit Adam Green.
Die Songs auf dem vorliegenden Album sind einerseits von anrührender Zartheit, die in ihrem betont naiven Gestus ein wenig das Sinnbild eines verträumten und leicht weltfremden Punkmädchens evoziert, das der Ratte seines Herzens ein Liebeslied vorträgt. Andererseits aber spart Dawson trotz des etwas primitiv-ungeschlachten Lo-Fi-Appeals der Produktion nicht mit Gimmicks und Widerhaken wie in wildem Feedback quietschenden Gitarren, so dass Langeweile zu keinem Zeitpunkt aufkommen kann. Und die fröhliche Demonstrations-Hymne „Parade“ ist beinahe zu schön, um wahr zu sein; mit diesem hinreißenden Song im Ohr möchte man augenblicklich die Aussteuerbettwäsche der Urgroßeltern mit flammenden Parolen gegen das Schlechte in aller Welt vollpinseln und sich einreihen bei denen, die guten Willens und reinen Herzens sind.
Sehr anrührend und durchaus angenehm an Hidden Vagenda ist übrigens auch die offenkundige Abwesenheit alles Ambitiösen. Dieses Album will nichts als ein wenig geneigte Aufmerksamkeit, dass man der Künstlerin und ihrem Vortrag zuhöre, und angesichts des entwaffnenden Charmes, den es bei aller hintergründigen Widerborstigkeit im musikalischen Ausdruck offenbart, wäre ja ein unsensibler Klotz, wer sich dazu nicht verstünde. Ich jedenfalls bin jedes Mal, wenn ich es zu Ende gehört habe, gerne bereit, an das Gute im Menschen zu glauben.
Tracklist:
1 It’s Been Raining 3:04
2 Fire 3:20
3 Viva La Persistance 3:47
4 Lullaby For The Taken 3:46
5 I Will Never Forget 5:19
6 Singing Machine 3:48
7 Moving On 3:08
8 Blue Like Nevermind 3:03
9 My Heroes 3:13
10 Parade 3:58
11 5 Years 3:03
12 Anthrax (Powerballad Version) 5:45
13 You Love Me 2:39
14 Angels And Seagulls 3:06****
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=WIPERS – IS THIS REAL? (1980)
Die westliche Welt um die Jahrzehntwende 1979/80. Von der US-Westcoast drangen neue Punk-Klänge auch an kontinentaleuropäische Ohren. Das war kein New Yorker Meta-Konzept Pop’n‘roll oder der oft ettikettenschwindelnde Pop, Rock, Prog oder was auch immer im Zuge der US-New Wave als Punk tituliert wurde. Nein, das war kurzer, trocken gespielter Rock’n’Roll, oft aus den zwielichtigen Dekadenz-Zonen rund um den Sunset Strip stammend, mit den geballten Gewalt- und Migrationshintergründen der Megacities Kaliforniens, allen voran natürlich dem Babylon LA. Und mittendrin in diesem wilden Wirbel tauchte ein Monolith von einem Debutalbum auf, eine neue eigene, bis dahin ungehörte absolut eigenständige Stimme und Gitarre – die von Greg Sage und seiner Band Wipers aus Portland im nördlich an Kalifornien angrenzenden US-Staat Oregon (bis heute übrigens eine Hochburg des alternativen Lebens in den USA). In klassischer Gitarren-Triobesetzung eingespielt, bietet „Is this real?“ elf Rock’n’Roll-Stücke, die von Verlorenheit und Entfremdung künden. Allein schon Titel wie „Tragedy“, „Potential Suicide“, „Don’t know what I am“ oder „Window shop for love“ sprechen Bände in einer Zeit des Yuppieaufbruchs in den USA, des „Enrichez vous!“ der beginnenden Reagan-Ära.
Die Platte beginnt mit einem wütenden Drei-Akkord-Powerchord-Drive auf der leicht deprimiert gestimmten Gitarre, den nach zweimaligen Lauf straighte Drumbeats und ein einfacher Autodidakt-Bass vorantreiben. Hausgemachter Punk. Sages Stimme setzt ein, mit dem Programm der folgenden 30 Minuten: “Well you better watch out, well you better beware, cause their comin‘ from all sizes of the country, now you better beware – return of the rat“. Sage sieht die Rückkehr der Ratten an die Macht, in seiner Seele und rund um ihn herum herrscht ein apokalyptisches Brausen und Wogen. Alles so weit so gut, und sicher thematisch durchaus schon mal gehört – im Punk wimmelt es ja geradezu von Abflüssen, Gossen und Ratten. Dann aber setzt bei 1:13 ein kleines Solo auf der Gitarre ein, das den zugrundeliegenden, treibenden Punk eigentlich konterkariert – überraschend mit Feedback arbeitend und fest im psychedelischen Tonraum verwurzelt, zu verorten vielleicht noch bei den Stooges, aber mehr noch bei Hendrix (ohne dessen manchmal überbordende Virtuosität freilich). Und damit ist auch schon die musikalische Thematik und Einzigartigkeit der Wipers benannt, der Grund wohl für ihre wirklich stilprägende Kraft, die ein gutes Jahrzehnt eine nächste Generation von Bands im Grunge stark beeinflusst: Die Wipers stehen für die Versöhnung von Punk und Psychedelic. Weit mehr als nur eine Koexistenz, es ist vielmehr eine wahre Verschmelzung zweier zu der damaligen Zeit als sehr antagonistisch empfundenen Stile, die beide jeweils einer Ära ihren Stempel aufprägten.
Dabei bleibt „Is this real“ klar von der Punk- und Rock’n’Roll-Kultur kurzer Stücke geprägt. Dem Ratten-Opener folgt mit „Mystery“ ein balladenartiges Stück mit schönen Refrain („you don’t care about it, but can’t you see it’s a mystery“). „Up front“ („Geradeaus“) ist dagegen ein kleiner Wut-Punkknaller, jedoch wieder mit erstaunlich psychedelischen Gitarrentönen in der Mitte. „Let’s go away“ ist ein klassischer Rock’n’Roll basierter Popsong – mit Blueslyrik allerdings: “Gotta find a new world before I start going insane, there’s gotta be a better place So lets get on the move, Lets go lets go lets go lets go away …”. Das Titelstück “Is this real?” ist eine Ballade über Liebeswirrungen und Entfremdung (“sometimes I wish that you could break down to me – is this real?”). Selbstzweifel, Verletzung und wieder Entfremdung sind die Themen des trotzigen „Tragedy“ (but don’t ever let go).
Die zweite Seite beginnt schleichend bedrohlich mit „D-7“ (Dimension 7) – towards antisocial … langsam kriecht das Stück am Boden entlang, … gonna leave this region they‘re taking me with them …. nach 1:35 wechselt das Stück in den wütenden, aufgedrehten Punkdrive … past astral borders … they’re taking me with them … und wieder folgt die Psyche-Gitarre – straight as an arrow .. defect defect. Danach wird es hart … getting so depressed… „Potential Suicide“ ist die klare Depressionsansage – such a long way down. Es bleibt im Schleichmodus. Auch der folgende Titel „Don’t know what I am“ spricht für sich – ausgestoßen, zurückgestoßen, verlacht, mit dem Rücken zur Wand. Keine Frage, das macht wütend. Was zu hören ist. Das Album steuert auf den Höhepunkt zu: „Window shop for love“ beginnt mit einem hin und her taumelnden Gitarrenriff, das von einem treibenden Hendrix-off beat-Rock’n’Roll-Thema abgelöst wird. Es geht um die Liebe, die als Faszination anzieht, von der man aber zugleich ausgeschlossen bleibt. I can’t believe my eyes, can‘t so clearly, a thick dark cloud is hanging all above me … du siehst es schemenhaft, du spürst es, aber du kannst es nicht berühren, die Erfüllung bleibt dir verwehrt. Stattdessen stehst du vor dem Schaufenster und drückst dir die Nase platt: Window shop for love, want it so much, look but don’t touch …. eins meiner Lieblingstücke über alle Zeiten hinweg. Den Ausklang bildet die Americana-Ballade „Wait a minute“. Deprimiert, aber letztlich mit genug Hoffnung zum Überleben:
Thought you said I would never get hurt
Then what am I doing crawling in the dirt
Wait a minute wait a minute wait a minute
So just give me a little smile
Nothing’s ever gonna change our styleFür mich eines der besten Debutalbum in der Geschichte des Rock’n’Roll. Und der Nachfolger ist ebenso gut, nur anders – mit ellenlangen, ausufernden Gitarrenorgien in einem Genre, das zu der Zeit aber derartig von kurzen Stücken definiert wurde, dass es eine Pracht ist. Völlig außerhalb des Zeitgeistes, aber gerade deshalb komplett im Innern des Geschehens: „Youth of America“ – ein anderes Kracherkapitel vor dem nächsten großen Album „Over the Edge“: Drei Scheiben für länger. Große Band, großer Künstler Greg Sage.
Tracklist:
RETURN OF THE RAT 2:38
MYSTERY 1:47
UP RONT 3:05
LET’S GO AWAY 1:49
IS THIS REAL? 2:39
TRAGEDY 2:01D-7 4:05
zuletzt geändert von daniel_belsazar
POTENTIAL SUICIDE 3:35
DON’T KNOW WHAT I AM 2:57
WINDOW SHOP FOR LOVE 3:00
WAIT A MINUTE 3:05--
The only truth is music.Chico Hamilton – The Dealer (1966)
Heute hier, morgen da: Schaut man sich die Biographie des musikalischen Tausendsassas Chico Hamilton an, der auch im Alter von 91 Jahren noch aktiv ist, fühlt man sich von der Fülle seines Schaffens schnell erschlagen. Welchen Stellenwert The Dealer in diesem fast unüberschaubaren Oeuvre einnimmt, ist schwer einzuschätzen, aber es kann kein geringer sein angesichts der großartigen Mitstreiter, die er u.a. in dem 23-jährigen Larry Coryell und dem ehrfurchtgebietenden Archie Shepp fand. Letzterer komponierte für das Album allerdings ganz gegen sein einschüchterndes Image als überernster Black-Consciousness-Überintellektueller mit „For Mods Only“ ein herrlich leichtes und unwiderstehlich eingängiges Pop-Jazz-Tune, das meine Wahrnehmung vom vorliegenden Album immer, seitdem ich es besitze, geprägt hat: nämlich als eine der sympathischsten und mir am meisten ans Herz gewachsenen Jazzplatten, die ich kenne.
Denn dieses Stück ist trotz Shepps Autorschaft Hamiltons Schlagzeugstil so exakt angemessen, dass es naheliegt zu vermuten, dass letzterer direkt dazu inspiriert haben mag. Chico Hamilton war nämlich als gebürtiger Angeleno und ebenso eifriger wie neugieriger Jungmusiker am Aufstieg und Glanz der Traumfabrik Hollywood unmittelbar beteiligt, u.a. als Drummer für Fred Astaire in You’ll Never Get Rich (1941). Diese Nähe zu Tanz und Glamour prägte auch sein Schlagzeugspiel, zumal er ursprünglich (in einer Schulcombo, u.a. mit Dexter Gordon und Charles Mingus) Klarinettist gewesen war. Es ist sehr lebhaft, mit ebenso reichlichem wie subtil abgestuftem Beckeneinsatz sowie einer fröhlich hüpfenden Bassdrum, was gerade auch im Titelstück, das er mit Jimmy Cheatham gemeinsam komponierte, sehr schön zu hören ist.
Aber auch ernste Töne kommen nicht zu kurz. „Thoughts“ beginnt mit einem kantoresken Klagegesang, der unisono von Richard Davis‘ gestrichenem Kontrabass begleitet und von Arnie Lawrence‘ lebhaftem Tenorsaxophon kontrastiert wird, um schließlich in klassischen Hardbop im Stile Art Blakeys zu münden. „Larry of Arabia“ ist ein schöner, wenngleich nicht sehr ambitionierter Blues aus der Feder Larry Coryells, der von „Baby, You Know“, einer weiteren Hamilton-Cheatham-Kollaboration, klar in den Schatten gestellt wird. Das Album endet schließlich mit „Jim-Jeannie“, einem rasend-überschäumenden finale furioso, einem wütenden Rundumschlag aller beteiligten Musiker, die dabei allerdings eine geradezu erschreckende Präzision an den Tag legen; so fühlt sich wahrscheinlich ein Afri-Cola-Rausch in zehnter Potenz an. Star dieses Finales ist ganz klar der Bandleader, der möglicherweise Keith Moon mal zeigen wollte, wo der Hammer wirklich hängt. Die irren Urschreie, die dabei zu hören sind, tun ihr übriges; nach diesem Abschluss braucht man erst mal einen Schnaps.
Tracklist:
1) „The Dealer“ – 6:21
2) „For Mods Only“ – 4:25
3) „A Trip“ – 6:35
4) „Baby, You Know“ – 3:56
5) „Larry of Arabia“ – 5:09
6) „Thoughts“ – 9:20
7) „Jim-Jeannie“ – 5:48****
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=Daniel_BelsazarWIPERS – IS THIS REAL? (1979)
Die westliche Welt um die Jahrzehntwende 1979/80. Von der US-Westcoast drangen neue Punk-Klänge auch an kontinentaleuropäische Ohren. Das war kein New Yorker Meta-Konzept Pop’n‘roll oder der oft ettikettenschwindelnde Pop, Rock, Prog oder was auch immer im Zuge der US-New Wave als Punk tituliert wurde. Nein, das war kurzer, trocken gespielter Rock’n’Roll, oft aus den zwielichtigen Dekadenz-Zonen rund um den Sunset Strip stammend, mit den geballten Gewalt- und Migrationshintergründen der Megacities Kaliforniens, allen voran natürlich dem Babylon LA. Und mittendrin in diesem wilden Wirbel tauchte ein Monolith von einem Debutalbum auf, eine neue eigene, bis dahin ungehörte absolut eigenständige Stimme und Gitarre – die von Greg Sage und seiner Band Wipers aus Portland im nördlich an Kalifornien angrenzenden US-Staat Oregon (bis heute übrigens eine Hochburg des alternativen Lebens in den USA). In klassischer Gitarren-Triobesetzung eingespielt, bietet „Is this real?“ elf Rock’n’Roll-Stücke, die von Verlorenheit und Entfremdung künden. Allein schon Titel wie „Tragedy“, „Potential Suicide“, „Don’t know what I am“ oder „Window shop for love“ sprechen Bände in einer Zeit des Yuppieaufbruchs in den USA, des „Enrichez vous!“ der beginnenden Reagan-Ära.
Die Platte beginnt mit einem wütenden Drei-Akkord-Powerchord-Drive auf der leicht deprimiert gestimmten Gitarre, den nach zweimaligen Lauf straighte Drumbeats und ein einfacher Autodidakt-Bass vorantreiben. Hausgemachter Punk. Sages Stimme setzt ein, mit dem Programm der folgenden 30 Minuten: “Well you better watch out, well you better beware, cause their comin‘ from all sizes of the country, now you better beware – return of the rat“. Sage sieht die Rückkehr der Ratten an die Macht, in seiner Seele und rund um ihn herum herrscht ein apokalyptisches Brausen und Wogen. Alles so weit so gut, und sicher thematisch durchaus schon mal gehört – im Punk wimmelt es ja geradezu von Abflüssen, Gossen und Ratten. Dann aber setzt bei 1:13 ein kleines Solo auf der Gitarre ein, das den zugrundeliegenden, treibenden Punk eigentlich konterkariert – überraschend mit Feedback arbeitend und fest im psychedelischen Tonraum verwurzelt, zu verorten vielleicht noch bei den Stooges, aber mehr noch bei Hendrix (ohne dessen manchmal überbordende Virtuosität freilich). Und damit ist auch schon die musikalische Thematik und Einzigartigkeit der Wipers benannt, der Grund wohl für ihre wirklich stilprägende Kraft, die ein gutes Jahrzehnt eine nächste Generation von Bands im Grunge stark beeinflusst: Die Wipers stehen für die Versöhnung von Punk und Psychedelic. Weit mehr als nur eine Koexistenz, es ist vielmehr eine wahre Verschmelzung zweier zu der damaligen Zeit als sehr antagonistisch empfundenen Stile, die beide jeweils einer Ära ihren Stempel aufprägten.
Dabei bleibt „Is this real“ klar von der Punk- und Rock’n’Roll-Kultur kurzer Stücke geprägt. Dem Ratten-Opener folgt mit „Mystery“ ein balladenartiges Stück mit schönen Refrain („you don’t care about it, but can’t you see it’s a mystery“). „Up front“ („Geradeaus“) ist dagegen ein kleiner Wut-Punkknaller, jedoch wieder mit erstaunlich psychedelischen Gitarrentönen in der Mitte. „Let’s go away“ ist ein klassischer Rock’n’Roll basierter Popsong – mit Blueslyrik allerdings: “Gotta find a new world before I start going insane, there’s gotta be a better place So lets get on the move, Lets go lets go lets go lets go away …”. Das Titelstück “Is this real?” ist eine Ballade über Liebeswirrungen und Entfremdung (“sometimes I wish that you could break down to me – is this real?”). Selbstzweifel, Verletzung und wieder Entfremdung sind die Themen des trotzigen „Tragedy“ (but don’t ever let go).
Die zweite Seite beginnt schleichend bedrohlich mit „D-7“ (Dimension 7) – towards antisocial … langsam kriecht das Stück am Boden entlang, … gonna leave this region they‘re taking me with them …. nach 1:35 wechselt das Stück in den wütenden, aufgedrehten Punkdrive … past astral borders … they’re taking me with them … und wieder folgt die Psyche-Gitarre – straight as an arrow .. defect defect. Danach wird es hart … getting so depressed… „Potential Suicide“ ist die klare Depressionsansage – such a long way down. Es bleibt im Schleichmodus. Auch der folgende Titel „Don’t know what I am“ spricht für sich – ausgestoßen, zurückgestoßen, verlacht, mit dem Rücken zur Wand. Keine Frage, das macht wütend. Was zu hören ist. Das Album steuert auf den Höhepunkt zu: „Window shop for love“ beginnt mit einem hin und her taumelnden Gitarrenriff, das von einem treibenden Hendrix-off beat-Rock’n’Roll-Thema abgelöst wird. Es geht um die Liebe, die als Faszination anzieht, von der man aber zugleich ausgeschlossen bleibt. I can’t believe my eyes, can‘t so clearly, a thick dark cloud is hanging all above me … du siehst es schemenhaft, du spürst es, aber du kannst es nicht berühren, die Erfüllung bleibt dir verwehrt. Stattdessen stehst du vor dem Schaufenster und drückst dir die Nase platt: Window shop for love, want it so much, look but don’t touch …. eins meiner Lieblingstücke über alle Zeiten hinweg. Den Ausklang bildet die Americana-Ballade „Wait a minute“. Deprimiert, aber letztlich mit genug Hoffnung zum Überleben:
Thought you said I would never get hurt
Then what am I doing crawling in the dirt
Wait a minute wait a minute wait a minute
So just give me a little smile
Nothing’s ever gonna change our styleFür mich eines der besten Debutalbum in der Geschichte des Rock’n’Roll. Und der Nachfolger ist ebenso gut, nur anders – mit ellenlangen, ausufernden Gitarrenorgien in einem Genre, das zu der Zeit aber derartig von kurzen Stücken definiert wurde, dass es eine Pracht ist. Völlig außerhalb des Zeitgeistes, aber gerade deshalb komplett im Innern des Geschehens: „Youth of America“ – ein anderes Kracherkapitel vor dem nächsten großen Album „Over the Edge“: Drei Scheiben für länger. Große Band, großer Künstler Greg Sage.
Tracklist:
RETURN OF THE RAT 2:38
MYSTERY 1:47
UP RONT 3:05
LET’S GO AWAY 1:49
IS THIS REAL? 2:39
TRAGEDY 2:01D-7 4:05
POTENTIAL SUICIDE 3:35
DON’T KNOW WHAT I AM 2:57
WINDOW SHOP FOR LOVE 3:00
WAIT A MINUTE 3:05Eine tolle Aufforderung die LP heute Abend wieder einmal aufzulegen…. Thx!
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http://www.radiostonefm.de/ Wenn es um Menschenleben geht, ist es zweitrangig, dass der Dax einbricht und das Bruttoinlandsprodukt schrumpft.August RamoneEine tolle Aufforderung die LP heute Abend wieder einmal aufzulegen…. Thx!
Da nich für. Umgekehrt vielmehr danke für das Lob. Bleibt noch eine Frage: Und? wie war’s gestern abend?
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The only truth is music.Laura Nyro – Eli and the Thirteenth Confession (1968)
Dieses Album ist eine echte Herausforderung für den Hörer, wie die Popmusik sie nur in den seltensten Fällen bietet. Das liegt in erster Linie an seiner Schöpferin, die schon als Zwanzigjährige in geradezu unbegreiflichem Ausmaß ihr künstlerisches Schaffen selbst bestimmte und praktisch sämtliche Stationen des Herstellungsprozesses, vom Songwriting über den Lead- und Backgroundgesang sowie das Klavierspiel bis zur Produktion, eigenverantwortlich gestaltete und dabei nicht weniger als ein Meisterwerk schuf. Es handelt sich dabei um eines der frühesten Konzeptalben der Popmusik, und zwar um eines, das diesen Titel auch wirklich verdient. In dreizehn Songs schildert sie das Heranwachsen eines Mädchens zur jungen Frau sowohl in geistiger als auch in physischer und sexueller Hinsicht, wobei sie fiktive und autobiographische Elemente mischt. Ihr Arrangeur und Koproduzent Charlie Colello zeigte sich in einem Interview noch in der Rückschau von seiner ersten Begegnung mit ihr und der ersten Präsentation des Songmaterials völlig überwältigt, und ihr gemeinsamer Wille, das Album exakt nach ihren Vorstellungen zu produzieren, war so unbedingt, dass die Plattenfirma Columbia letztlich mehr als das Doppelte des normalen Investitionsniveaus in diese erst zweite Platte der nach amerikanischem Gesetz noch minderjährigen Frau steckte.
Stilistisch bewegt sich das Album sehr souverän und frei zwischen Pop, Jazz, Gospel und einer Spur Blues; Laura Nyro selbst äußerte einmal als Ziel, „ein Musical mit einer zusammenhängenden Geschichte“ zu schaffen, und das hört man auch. Das Klangbild ist zeittypisch, was heute sicher bei manchem Hörer Abwehrreaktionen hervorrufen wird, aber mit läppischen Hippie-Albernheiten hat es nicht das geringste zu tun. Vielmehr handelt es sich um ein außerordentlich komplexes Pop-Kunstwerk, das unter allen Alben, die jemals – zu Recht oder zu Unrecht – das Label „progressiv“ bekommen haben, dieses Attribut gewiss ganz zuvörderst und als eines der allerersten verdient. Es ist daher auch kaum möglich, einen oder mehrere Songs daraus hervorzuheben; das entspricht zwar einerseits ganz dem Konzeptuellen des Albums, sagt aber noch mehr über seine Qualität aus. Die ist schlicht überragend, und zwar durchgängig.
Obwohl der kommerzielle Erfolg ihrer Platten aufgrund ihrer musikalischen Eigenwilligkeit eher durchschnittlich blieb, wuchs ihr Ruhm insbesondere in Künstlerkreisen geradezu ins Unermessliche. Alle wollten die außergewöhnlich begabte Laura Nyro kennen lernen; Bob Dylan, den sie selbst nie anzusprechen sich getraut hätte, bat dringend darum, ihr vorgestellt zu werden. Aber auch bei ihrem Publikum, das zu einem sehr hohen Teil aus Mädchen und jungen Frauen bestand, die sich in ihrer Lyrik wiederfanden, traf sie auf ein ungewöhnliches Maß an Zuneigung und Verehrung. Es ist so unendlich schade und traurig, dass diese große Künstlerin nicht mehr lebt; sie starb 1997 im Alter von 49 Jahren an Krebs. Ich selbst lernte ihr Werk erst Jahre nach ihrem Tod kennen.
Tracklist:
1) „Luckie“ – 3:00
2) „Lu“ – 2:44
3) „Sweet Blindness“ – 2:37
4) „Poverty Train“ – 4:16
5) „Lonely Women“ – 3:32
6) „Eli’s Comin'“ – 3:58
7) „Timer“ – 3:22
8) „Stoned Soul Picnic“ – 3:47
9) „Emmie“ – 4:20
10) „Woman’s Blues“ – 3:46
11) „Once It Was Alright Now (Farmer Joe)“ – 2:58
12) „December’s Boudoir“ – 5:05
13) „The Confession“ – 2:50*****
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<= -
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