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Laura Nyro – Eli and the Thirteenth Confession (1968)
Dieses Album ist eine echte Herausforderung für den Hörer, wie die Popmusik sie nur in den seltensten Fällen bietet. Das liegt in erster Linie an seiner Schöpferin, die schon als Zwanzigjährige in geradezu unbegreiflichem Ausmaß ihr künstlerisches Schaffen selbst bestimmte und praktisch sämtliche Stationen des Herstellungsprozesses, vom Songwriting über den Lead- und Backgroundgesang sowie das Klavierspiel bis zur Produktion, eigenverantwortlich gestaltete und dabei nicht weniger als ein Meisterwerk schuf. Es handelt sich dabei um eines der frühesten Konzeptalben der Popmusik, und zwar um eines, das diesen Titel auch wirklich verdient. In dreizehn Songs schildert sie das Heranwachsen eines Mädchens zur jungen Frau sowohl in geistiger als auch in physischer und sexueller Hinsicht, wobei sie fiktive und autobiographische Elemente mischt. Ihr Arrangeur und Koproduzent Charlie Colello zeigte sich in einem Interview noch in der Rückschau von seiner ersten Begegnung mit ihr und der ersten Präsentation des Songmaterials völlig überwältigt, und ihr gemeinsamer Wille, das Album exakt nach ihren Vorstellungen zu produzieren, war so unbedingt, dass die Plattenfirma Columbia letztlich mehr als das Doppelte des normalen Investitionsniveaus in diese erst zweite Platte der nach amerikanischem Gesetz noch minderjährigen Frau steckte.
Stilistisch bewegt sich das Album sehr souverän und frei zwischen Pop, Jazz, Gospel und einer Spur Blues; Laura Nyro selbst äußerte einmal als Ziel, „ein Musical mit einer zusammenhängenden Geschichte“ zu schaffen, und das hört man auch. Das Klangbild ist zeittypisch, was heute sicher bei manchem Hörer Abwehrreaktionen hervorrufen wird, aber mit läppischen Hippie-Albernheiten hat es nicht das geringste zu tun. Vielmehr handelt es sich um ein außerordentlich komplexes Pop-Kunstwerk, das unter allen Alben, die jemals – zu Recht oder zu Unrecht – das Label „progressiv“ bekommen haben, dieses Attribut gewiss ganz zuvörderst und als eines der allerersten verdient. Es ist daher auch kaum möglich, einen oder mehrere Songs daraus hervorzuheben; das entspricht zwar einerseits ganz dem Konzeptuellen des Albums, sagt aber noch mehr über seine Qualität aus. Die ist schlicht überragend, und zwar durchgängig.
Obwohl der kommerzielle Erfolg ihrer Platten aufgrund ihrer musikalischen Eigenwilligkeit eher durchschnittlich blieb, wuchs ihr Ruhm insbesondere in Künstlerkreisen geradezu ins Unermessliche. Alle wollten die außergewöhnlich begabte Laura Nyro kennen lernen; Bob Dylan, den sie selbst nie anzusprechen sich getraut hätte, bat dringend darum, ihr vorgestellt zu werden. Aber auch bei ihrem Publikum, das zu einem sehr hohen Teil aus Mädchen und jungen Frauen bestand, die sich in ihrer Lyrik wiederfanden, traf sie auf ein ungewöhnliches Maß an Zuneigung und Verehrung. Es ist so unendlich schade und traurig, dass diese große Künstlerin nicht mehr lebt; sie starb 1997 im Alter von 49 Jahren an Krebs. Ich selbst lernte ihr Werk erst Jahre nach ihrem Tod kennen.
Tracklist:
1) „Luckie“ – 3:00
2) „Lu“ – 2:44
3) „Sweet Blindness“ – 2:37
4) „Poverty Train“ – 4:16
5) „Lonely Women“ – 3:32
6) „Eli’s Comin'“ – 3:58
7) „Timer“ – 3:22
8) „Stoned Soul Picnic“ – 3:47
9) „Emmie“ – 4:20
10) „Woman’s Blues“ – 3:46
11) „Once It Was Alright Now (Farmer Joe)“ – 2:58
12) „December’s Boudoir“ – 5:05
13) „The Confession“ – 2:50
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=