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Zunächst möchte ich auf den Beginn dieses Threads verweisen zur Frage „was ist pop?“. Da klärt sich ja vielleicht bereits das eine oder andere Missverständnis.
Diejenigen, die Pop eher ablehnen, gering schätzen oder pauschal dem Mainstream zuschlagen, haben ein Verständnis von Pop entwickelt, das zwar historisch und biografisch verständlich ist, aber dem Sujet natürlich nicht gerecht wird.
In den späten 60er Jahren und vor allem dann in den 70ern setzte sich eine Betrachtungsweise durch, die Pop von Rock unterscheidet und dabei aufgrund bestimmter Äußerlichkeiten und Entwicklungen Pop pauschal als Mainstream und „minderwertig“, für die breite Masse etc. diffamierte. Rock dagegen wurde aufgrund der Entwicklung aus dem alternativen Underground Ende der 60er als fortschrittlich und anspruchsvoll, als irgendwie bedeutend verstanden.
Über die Absurdität dieser These müssen wir nicht streiten. Allerdings muss ich als jemand, der die Zeit miterlebt hat, sagen, dass diese Unterschiede tatsächlich gemacht wurden. Alles, was in der Bravo stand und von Kindern und jungen Mädchen geliebt wurde, war Pop und damit für den ernsthaften Musikfreak tabu.
Man(n) las die Zeitschrift „Underground“ oder dann „Sounds“, und man(n) hörte die ersten rockmusikalischen Spezialsendungen spät abends im Radio. Oder man verfolgte den Beat Club, der ab ca. 1969/70 auch keine Pop Sendung mehr war, sondern anspruchsvollen Rock mit Inhalten und didaktischem Überbau darbot. Der Rockpalast später war dann die institutionalisierte Fortsetzung davon.
Wer so sozialisiert wurde, der konnte Popmusik gar nicht gut finden, ohne Gewissensbisse zu haben.Ich persönlich habe diese Unterschiede nie gemacht, wie ich z.B. im Carpenters Thread bereits darzulegen versuchte. Aber ich kann sehr gut nachvollziehen, dass man(n) diese Unterschiede machen konnte. Das Klima war selbst in „aufgeklärten“ und „informierten“ Kreisen danach.
Dabei spielte sicher auch eine Rolle, dass man sich abgrenzen wollte vom Mainstream. Das war damals noch relativ einfach, indem man laute Rockmusik hörte, lange Haare trug und sich einen Bart wachsen ließ.
Die feinen Unterschiede kamen aber doch sehr bald (siehe Freddy „Wir“ ;-)).--
Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!Highlights von Rolling-Stone.deLegendäre Konzerte: The Concert For Bangladesh 1971
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Danke, Mikko. Sehr aufschlussreich. Dass es damals in erster Linie um Abgrenzung ging, leuchtet sicher ein. Selbst im Nachhinein für einen, der damals nicht dabei sein konnte. Diesbezüglich hat sich ja auch nie viel verändert, ist dies alles daher auch weit weniger absurd, als es zunächst den Anschien haben mag. Drang nach eigener Identität, Ablehnung des Mittelmaß‘, daraus schließlich entstehende Subkulturen bzw. Gegenkulturen… alles logisch und nur konsequent.
Davon abgesehen, aber auch, weil Mikko direkt oder indirekt Bezug auf ein Posting von mir nimmt (s.o.): Meine 30 Cent der letzten Tage in diesem Thread bezogen sich auf die ärgerlichen Verknappungen und gönnerhaften Thesen jener Altvorderen, die einerseits Progressivität fordern und dem Kommerz ablehnend und greinend gegenübertraten, zugleich jedoch (in der Rückschau) „das Alte gut, das Neue jedoch schlecht“ fanden. Dass dies häufig nur auf festgefahrenen Denkmustern (nicht unbedingt als Vorwurf verstehen!) fußt, hat Zeitzeuge „Amadeus“ im Beitrag #766 dankenswerterweise dann ja selber eingeräumt und (für mich) nachvollziehbarer gemacht, als er schrieb, dass sich seine „damals sehr negative Haltung nie vollständig gelegt“ hat. Das ist einerseits natürlich etwas tragisch, andererseits aber auch bezeichnend für bestimmte Epochen und deren kulturellen Wandel etc. Und auch sonst wurde einiges erhellt, was vorher 2 oder 3 Seiten lang leider nur dezent nach schlampiger Pauschalisierung klang. Bedankt, beruhigt.--
@mikko: du hast dies sehr gut beschrieben. Danke dafür. Es macht mir meine Stellungnahme leichter..
@pinch: Ich wollte mich zu diesem Thema deswegen nicht mehr äußern, weil ich deine 30 Cent als ziemlich überheblich aufgefasst hatte. Bei einem Sachthema hätte ich argumentativ entgegengehalten und mich nicht zurückgezogen. Dies ist jedoch viel schwieriger, wenn es um persönliches Verhalten und Empfindungen geht, die ich nicht so leicht in die richtigen Wort fassen kann und die leicht angreifbar machen. Daher bleibt (leider) viel Raum für Missverständnisse.
pinch „das Alte gut, das Neue jedoch schlecht“ fanden
Es ging nicht um einen Vergleich im Zeitablauf. Ich konnte in diesem Alter zwangsläufig nicht zwischen alt und neu unterscheiden, sondern habe aktuelle Musik bewertet. Das was ich für Rock hielt war gut, das was ich für Pop hielt war schlecht. Natürlich war dies absolut unzulänglich.
pinch hat Zeitzeuge „Amadeus“ im Beitrag #766 dankenswerterweise dann ja selber eingeräumt und (für mich) nachvollziehbarer gemacht, als er schrieb, dass sich seine „damals sehr negative Haltung nie vollständig gelegt“ hat. Das ist einerseits natürlich etwas tragisch, andererseits aber auch bezeichnend für bestimmte Epochen und deren kulturellen Wandel etc
Was ein Mensch in seiner Kindheit erlebt, ist für die spätere Entwicklung sehr prägend. Ich nehme an, dass diese These (in abgeschwächter Form) auch für Erlebnisse/Erfahrungen in späteren Jahren gilt. Das ist nicht tragisch, sondern kaum vermeidbar. Ich könnte es mir leicht machen und behaupten, dass meine damalige Haltung für meine heutige Beurteilung und Empfindungen überhaupt keine Rolle mehr spielt. Das Unterbewusstsein lässt sich aber nicht einfach so abschalten. Daher meine Bemerkung, dass ich mir dieser Limitierung bewusst bin.
p.s. Vielleicht finden wir ja doch noch eine gemeinsame Geprächsbasis.
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Keep on Rocking!
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
AmadeusEs ging nicht um einen Vergleich im Zeitablauf. Ich konnte in diesem Alter zwangsläufig nicht zwischen alt und neu unterscheiden, sondern habe aktuelle Musik bewertet.
Schon klar. War auch nicht auf damals bezogen, sondern auf dein gegenwärtiges Beurteilen zeitlicher Strömungen und kultureller Auswüchse. Oberflächliches Abkanzeln („Künstler XYZ und dessen kommerzielles Anbiedern“) auf der einen, stete Verklärung (Van Morrison, man!) auf der anderen. Fand ich von der Tendenz eher rückwärtsgewand denn progressiv gedacht und es las sich mehr oder weniger wie der x-te Verweis darauf, wie offenkundig blöd und dämlich die Eighties/Nineties doch waren. Unterm Strich ziemlich langweilig sowas. Daher auch allerhöchstens 30 Penunzen für meinen Einwand auf dein Gepostetes. Aber nu hat sichs ja geklärt (s.o.).
AmadeusWas ein Mensch in seiner Kindheit erlebt, ist für die spätere Entwicklung sehr prägend. (…)
Das lässt sich schwerlich abstreiten.
Amadeusp.s. Vielleicht finden wir ja doch noch eine gemeinsame Geprächsbasis.
Gut möglich. Zumindest scheint eine aneinander-vorbeireden-Basis inzwischen etwas wegzurücken.
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@pinch: vermutlich habe ich einige Dinge vermischt bzw. es ist so angekommen. Verklärung? Aber nicht doch. Ich respektiere den schrulligen Grandler Van Morrison und seine schon fast an Verfolgungswahn grenzende Abneigung gegen die Musikvermarktung. Ist sonderbar, aber nicht unsympathisch. Rückwärtsgewand? Nach dem was du alles reininterpretiert hast, verständlich. wobei: war mein Smilie auf das Posting von wa nicht deutlich genug? Natürlich war die eine oder andere anschließende Bemerkung ironisch gemeint. Selbstironie, sogar. Ich weiß doch, mit welchem „Horrorkabinett“ ich hier vor ein paar Jahren angetreten bin. Wurde mir von einigen Usern bescheinigt und hängt mir immer noch nach. Solch ein „Image“ kriegst du doch hier nie so ganz wieder los. Damit kann ich aber gut leben. Die 80iger und 90iger – das ist wohl mein Problem, warum ich mir daraus weniger gezogen habe als aus den 60igern und 70igern. Überlasse ich den Experten zu beurteilen, welches Jahrzehnt die bessere Musik gebracht hat. Meine persönlichen Präferenzen werde ich deswegen jedoch nicht verändern.
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Keep on Rocking!Blitzkrieg BettinaIn meiner Wahrnehmung ist die Pop-Musik wie wir sie heute kennen eher ein Phänomen ab ca. der Achtziger Jahre (also so in etwa ab Madonna).
Das kommt, wie immer, darauf an, was man darunter versteht. Wie Mikko es beschrieben hat, begann sich schon Ende der 60er eine Kluft aufzutun. Auf der einen Seite der – in der Wahrnehmung der Künstler und Hörer – „ernsthafte“ und „erwachsene“ Rock und das Singer/Songwritertum (hierzulande dann auch Liedermacher), was man als irgendwie „unkommerziell“ betrachtete, auch wenn es faktisch in großen Zahlen verkauft und vor großem Publikum aufgeführt wurde. Der Gegenpol war der „Mainstream“, von dem man mutmaßte, dass er nur auf seine kommerzielle Verwertbarkeit hin produziert wurde, eingängige Lieder, die im Radio gespielt wurden und in den Singles-Charts platziert waren. Das war aus Sicht der „ernsthaften“ Musikhörer alles banal, grell, hohl, kitschig, substanzlos, affirmativ usw.
So ganz ohne Bezug zur Realität war diese Sicht sicher nicht, sie führte nur zu einem letztlich ideologischen Wertungssystem. Die kommerzielle Seite der Musikindustrie wurde ausgeblendet, soweit sie die eigenen Favoriten betraf – die machten das ja alles nur aus Liebe zur Musik und für Love, Peace & Happiness und verdienten eher ungewollt Geld, und was andere Musikrichtungen substanziell ausmachte, die nicht dem „ernsthaften Rock“-Klischee entsprachen, z.B. Glamrock oder Disco, wurde konsequent ignoriert.
Den Musikdiskurs der frühen 70er habe ich nicht bewusst miterlebt, aber dass auch manche im Nachhinein angesehene Band wie T. Rex damals als „Teenie-Mucke“ betrachtet wurde, ist hier ja schon mehrfach thematisiert worden. Ein großer Bowie-Fan hat mir glaubwürdig berichtet, dass er für seinen Lieblingskünstler damals (in den frühen 70ern) auch eher belächelt wurde. Ich weiß nicht, ob Zeitzeugen hier das bestätigen können. Kann man sich jedenfalls kaum vorstellen.
Der entscheidende Bruch kam dann Ende der 70er. Soweit ich es sehe, wurde in der Post-Punk-Ära „Pop“ neu und positiv definiert, als musikalischer und ästethischer Gegenentwurf zum herrschenden Rock-Mainstream der 70er Jahre. Die neuen Bands und Künstler bezogen sich auf die 50er und 60er Jahre, auf elektronische Musik („Krautrock“), auf Funk, Soul, Reggae, Ska, auch auf den von den Rockfans so verachteten Disco-Sound.
Das war anfangs eine „Untergrund“-Bewegung, damit hatten zunächst nur wenige den ganz großen Erfolg, etwa Blondie oder Police, oder nur in England, wo Pop ja ohnehin zuhause ist, aber einige der Bands dieser Zeit wurden später sehr erfolgreich, etwa die Talking Heads, The Cure, Human League, Ultravox, Madness, Dexy’s Midnight Runners, z.T. auch in dem sie selbst wieder zu „Rockisten“ wurden, siehe Simple Minds oder U2. Mit MTV wurde dann 1982/83 „New Pop“ zum ganz großen kommerziellen Erfolg, aber ohne die Postpunk-Ära sind auch Bands wie ABC, Depeche Mode, Culture Club, Duran Duran, Frankie Goes To Hollywood usw. nicht zu verstehen. Und auch nicht Madonna. (Oder Prince und Michael Jackson, auch wenn die in anderen, „schwarzen“ Musiktraditionen standen.)
Bis heute hat sich Pop dieses Doppelgesichtigkeit bewahrt: Es gibt einen „artifiziellen“ Pop und Pop als „Mainstream“. Die Grenzen dazwischen sind aber fließend. Pop bedeutet vor allem, auf den Mythos des „Authentischen“ zu verzichten – wer immer sich mit seiner Musik in der Öffentlichkeit präsentiert, der spielt eine Rolle, der verkörpert ein Image, das ist nie die Privatperson, wie sie „wirklich“ ist, auch wenn er das behauptet und die Fans ganz fest daran glauben. (Das gilt auch für Van The Man.;-))
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Schön beschrieben, Monsieur Rossi.
Ja, Bowie galt anfang der 70er in manchen Kreisen als minderwertiger Pop. Lou Reed übrigens auch.
Ab 1976/77 wurde das dann in der Tat schwieriger.
Und in den 80ern wurden die Karten eh neu gemischt.
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Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!Herr Rossi
Den Musikdiskurs der frühen 70er habe ich nicht bewusst miterlebt, aber dass auch manche im Nachhinein angesehene Band wie T. Rex damals als „Teenie-Mucke“ betrachtet wurde, ist hier ja schon mehrfach thematisiert worden. Ein großer Bowie-Fan hat mir glaubwürdig berichtet, dass er für seinen Lieblingskünstler damals (in den frühen 70ern) auch eher belächelt wurde. Ich weiß nicht, ob Zeitzeugen hier das bestätigen können. Kann man sich jedenfalls kaum vorstellen.
Sehr gut beschrieben. Es ging bei der Bewertung tatsächlich gar nicht so sehr um die Musik, sondern mehr um die Begleitumstände. T-Rex war schon grenzwertig und wurde von „echten“ Rock Fans ( zu denen ich mich zählte) nicht als vollwertig angesehen. „Teenie-Mucke“ passt ganz gut. Lief bei Tanzpartys und ständig im Radio. Hörten Leute, die „keine Ahnung“ von progressiver Musik hatten. Wobei: „get it on“ und „hot love“ und auch andere gefielen mir dennoch, hätte es aber nicht zugegeben.
Zu Bowie fällt mir folgendes Erlebnis ein: während meiner Studentenzeit besuchte ich einen Freund, der in in einer WG lebte (war irgendwann in der 2. Hälfte der 70iger) Er zeigte mir eine Album von David Bowie und meinte, dass es eine „saugute“ Platte sei und er sich das niemals hätte vorstellen können. Er legt die Platte auf und ich war ebenfalls sehr positiv überrascht, weil Bowie so gar nicht in unser Schema des progressiven Rockers passte. Rein äusserlich wirkte er gekünstelt und nicht authentisch, d.h. er verkörperte den kommerziellen Glanz und Glitter, den wir prinzipiell ablehnten. Seit damals ist Bowie bei mir erstzunehmender, kreativer Musiker und uns klargeworden, dass wir mit unseren Einschätzungen ziemlich schief liegen können.
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Keep on Rocking!@Rossi: Also ohne Punk keine Madonna? Da tut sich ja eine völlig neue Sichtweise auf, danke dafür! Aber dass z.B. die Ramones genauso stark von Pop wie von Rock beeinflusst waren ist auch mir schon aufgefallen. Pop als Gegenentwurf zu Rock-Mainstream gefällt mir irgendwie (theoretisch)
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Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.@amadeus, Mikko: Danke, das bestätigt das, war mir der Freund erzählte.
Blitzkrieg Bettina@Rossi: Also ohne Punk keine Madonna?
Im größeren Zusammenhang gesehen ja. Sie war 1980/81 auch bei zwei New Wave-Bands, aber das war nur eine Episode. Sie stammt aus der New Yorker Disco- und Dancefloor-Szene und zur Zeit ihrer ersten Singles und ihres ersten Albums 1982/83 war sie noch ein „Geheimtipp“ der popkulturell „Eingeweihten“, vergleichbar etwa mit dem Status, den eine Santigold zur Zeit hat. Ende 1983 war sie auf dem Cover der „Spex“, die sich damals in Deutschland zum Zentralorgan der neuen Popkultur in Deutschland entwickelte. Das war noch bevor sie 1984 mit „Lucky Star“ und „Holiday“ die ersten Hits hatte.
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Herr Rossi
Der entscheidende Bruch kam dann Ende der 70er. Soweit ich es sehe, wurde in der Post-Punk-Ära „Pop“ neu und positiv definiert, als musikalischer und ästethischer Gegenentwurf zum herrschenden Rock-Mainstream der 70er Jahre. Die neuen Bands und Künstler bezogen sich auf die 50er und 60er Jahre, auf elektronische Musik („Krautrock“), auf Funk, Soul, Reggae, Ska, auch auf den von den Rockfans so verachteten Disco-Sound.
Das war anfangs eine „Untergrund“-Bewegung, damit hatten zunächst nur wenige den ganz großen Erfolg, etwa Blondie oder Police, oder nur in England, wo Pop ja ohnehin zuhause ist, aber einige der Bands dieser Zeit wurden später sehr erfolgreich, etwa die Talking Heads, The Cure, Human League, Ultravox, Madness, Dexy’s Midnight Runners, z.T. auch in dem sie selbst wieder zu „Rockisten“ wurden, siehe Simple Minds oder U2. Mit MTV wurde dann 1982/83 „New Pop“ zum ganz großen kommerziellen Erfolg, aber ohne die Postpunk-Ära sind auch Bands wie ABC, Depeche Mode, Culture Club, Duran Duran, Frankie Goes To Hollywood usw. nicht zu verstehen. Und auch nicht Madonna. (Oder Prince und Michael Jackson, auch wenn die in anderen, „schwarzen“ Musiktraditionen standen.)
Das siehst nicht nur Du soweit, sondern es ist eine unumstössliche Tatsache und verbriefte Historie, daß der kreative Gegenentwurf, sowie die damit einhergehende Neuausrichtung eines Generationswechsels „Pop“ wieder dick unterstrich, anstatt ihn durchzustreichen. Vor allem die erstarrten Werte mit denen Rock/Popmusik bewertet wurde und zugleich die Anforderungen, die an den (AOR-)Rock der (End-)Siebziger gestellt wurden, hätten auf Dauer aus (fast) der ganzen Landschaft der populären Musikkultur eine vergreisende Ödnis gemacht. Die hier im Thread dargestellten Erlebnisse und (damaligen) Sichtweisen kenne ich nur zu gut aus zeitgenössischen Kommentaren und Diskussionen. So war jemand z.B. ein ganz dufter „progressiver“ Typ, weil er die Supertramp-Platten seines großen Bruders mochte, wer sich jedoch die „Fade To Grey“-7″ von Visage kaufte, war eine Art Luftikus, den man vom „Musikgeschmack“ her nicht „ernst“ nehmen durfte. Ein Kommerzheini halt. Seltsam erheiternd, daß sowohl die „progressiven“ „Rock“-Stücke wie „Breakfast In America“ oder „Dreamer“ (Supertramp), „Another Brick In The Wall Part 2″ (Pink Floyd) oder “ The Carpet Crawlers“ (Genesis) das gleiche chartstürmende (kommerzielle) Potential aufwiesen, wie die angeblich „minderwertige“ Pop- und Disco-Kommerzscheisse a la „Pop Music“ (M), „I Feel Love“ (Donna Summer) oder „Heart Of Glass“ (Blondie)…
Natürlich wurde auch schon seit Anbeginn der Pophistorie im Namen des Pop massenhaft Schrott aufgenommen, der wirklich nur auf kurzfristigen Profit hin produziert wurde. Allerdings kann man hier keinerlei nennenswerten Qualitätsunterschied zwischen den einzelnen Dekaden ausmachen.Und daß letztendlich das eindeutige Bekenntnis hin zu Pop der => „New-Pop“-Ära auch dem damals kreativ brachliegendem Rock wieder neue Impulse gab, ist ebenso (historisch) belegbar. Es wurde ja nicht einfach „nur mal so eben“ Popmusik produziert, sondern eine neue Ästhetik und ein neuer kultureller Anspruch ging mit dieser Aufbruchstimmung einher.
Wie oben bereits beschrieben, gab es allerdings auch Rückfälle (Simple Minds ist ein sehr gutes Beispiel) zu beklagen. Und Bands wie Depeche Mode sind im Prinzip mittlerweile diese Art Poperneuerer und Popbekenner (oder wahlweise „Plastikpopper“, man erinnert sich noch…?) jener Tage, die heutzutags von so vielen duften „progressiven“ Typen als „ernstzunehmende“ Künstler geliebt werden, währenddessen neuer „Kommerz-Pop-Mist“ die Charts bevölkert…
Das Phänomen geht weiter – oder: im Westen nichts Neues…
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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sadHerr Rossi
Soweit ich es sehe, wurde in der Post-Punk-Ära „Pop“ neu und positiv definiert, als musikalischer und ästethischer Gegenentwurf zum herrschenden Rock-Mainstream der 70er Jahre.
Vielleicht ein Grund warum ich lange Zeit Vorbehalte gegen The Clash hatte, weil ich dachte dass sie zu unpoppig wären um Punk zu sein.
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Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.Herr RossiDas kommt, wie immer, darauf an, was man darunter versteht. Wie Mikko es beschrieben hat, begann sich schon Ende der 60er eine Kluft aufzutun. Auf der einen Seite der – in der Wahrnehmung der Künstler und Hörer – „ernsthafte“ und „erwachsene“ Rock und das Singer/Songwritertum (hierzulande dann auch Liedermacher), was man als irgendwie „unkommerziell“ betrachtete, auch wenn es faktisch in großen Zahlen verkauft und vor großem Publikum aufgeführt wurde.
War jetzt nicht direkt dabei und hab auch nicht soviel Hintergrundwissen dazu, aber das war doch mit Motown schon ähnlich oder?
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Obwohl die Sichtweise „Punk=besondere Weiterentwicklung der Pop-Musik“ nicht unsympatisch ist, hab ich immer noch ein bisschen Probleme mit deiner Folgerung Punk > Madonna, Rossi.
Da kann ich mit Beach Boys > ABBA > Pet Shop Boys (was ja auch von dir ist) schon viel mehr anfangen.--
Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.Ich würde sogar Beach Boys > ABBA > Sparks > Pet Shop Boys sagen.
Punk und Madonna hängen als Phänomen in der Mode (Kleidung) zusammen, oder wie ist das gemeint?
(Kleiden, Verkleiden, Selbstdefinition, Spiel mit Identitäten?)--
smash! cut! freeze! -
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