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Kai Bargmann@ Wischmop
Die Songs, die du erwähnst, sind im Ansatz auch gut – aber die Umsetzung . . . Das sind dann auch die ästhetischen Gesichtspunkte, die ich meine, vor allem die Arrangements und die handwerkliche Umsetzung.
Waiting ist zu lang und das Achtelstakkato ist als Arrangement zu wenig. Bei Venus spielt die Geige schief – da mag Herr Cale (dessen spätere Soloplatte ich durchaus schätze) studierter Musiker sein, das mag Absicht sein: Im Ergebnis klingt es gruselig. Und auch Heroin ist mit sieben Minuten viel zu lang und in der zweiten Hälfte mehr oder weniger strukturierter Lärm.
Und nochmal: Nico zieht einem die Schuhe aus. Die ist hörbar eine völlig unbeübte Sängerin, trifft viele Töne nicht und intoniert gräßlich. Das kann ich beim besten Willen nicht schön finden.
Hör mal zum Vergleich eine Beatles-Platte aus der Zeit – da liegt, lax formuliert, ästhetisch die Latte.
Bonuspunkte gibt es für das Cover.
Sorry, bis auf 1 min. „strukturierten“ Lärm auf Heroin und Run Run Run (der mich zu Anfang auch gestört hat, mittlerweilen aber durchaus Sinn macht) und die letzten beiden Songs (European Son ist wirklich schlimm) klingt hier gar nichts auch nur im Ansatz gruselig, Cales Viola ist gerade auf Venus in Furs genial, Nikos Gesang stört mich auch nicht im geringsten. Für mich trotz gewaltiger Konkurrenz die beste Platte, die 1967 erschienen ist und mir lieber als jede Beatles-Platte.
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WerbungKai BargmannWiedergehört, und dabei mal die Entstehungsgeschichte und den Mythos ausgeblendet. Unter ästhetischen Gesichtspunkten bleiben vier gute Songs (Sunday Morning, Femme Fatale, There She Goes, I’ll Be Your Mirror), eine Sängerin, die erschreckend schief singt (aua!) und mit European Son siebeneinhalb zugemutete Minuten.
Autsch! Die Geschichte auszublenden, ist nie eine gute Idee. Bei „All Tomorrow’s Parties“ z.B. hört man heute Goth mit; der Track ist nichts weniger als bahnbrechend. Und unter ästhetischen Gesichtspunkten ist doch fast jeder Track gelungen. „Waiting for the Man“ etwa ist schlicht grandios in seiner Konsequenz, rattert unaufhaltsam auf seiner Schiene dahin – musikalischer Minimalismus. Und der Text erzählt sehr gut von einer Situation und den mit ihr verbundenen Gefühlen. „Venus in Furs“ erschafft eine ganz eigene musikalische Welt usw. (speziell die radikale Viola – sinister!). „European Son“ ist in gewisser Weise eine Zumutung, das gebe ich zu, aber es ist eine bewunderswerte Geste, das Album so enden, im Lärm versinken zu lassen – und wenn der Track keinen anderen Effekt hat als den, die Mainstream-Hörer zu verschrecken, ist er schon gerechtfertigt!
Edit: Man darf das ruhig etwas ausführlicher erörtern, denn es geht hier um einen Wertekonflikt. Die Kritik lautet, da sei einiges schlecht gespielt und schlecht gesungen – „handwerklich schlecht“. Für diese Position kommt es darauf an, daß technisch sauber gespielt und gesungen und aufgenommen wird – wenn das nicht der Fall ist, sei es auch nicht gut. Die Gegenposition lautet, daß es um die konsequente Verwirklichung eigenständiger Ideen und den Ausdruck von Gefühlen geht; alles andere ist ein Mittel zum Zweck.
Der Einfachheit halber zitiere ich mich jetzt mal selbst; ich habe ja in einem anderen Thread schon beschrieben, was dieses Album für mich bedeutet: „The Velvet Underground & Nico, zusammen mit den anderen Alben der Band, ist der Anfang, die Wurzel von Artschool-Punk und New Wave, von Indierock und dem, was man früher mal (in den frühen 90ern) als „Alternative“ bezeichnet hat; die Inspiration für so viele andere Künstler. Davon redet das berühmte Eno-Zitat. Dieses Album ist die Bibel, Mann! Es kann vieles lehren, unter anderem dies: Zuerst kommen die Ideen, die Technik kommt später! Das ist Kunst, keine Mucke. (…) Hier geht es nicht um Virtuosität oder filigranes Spiel [oder technisch geübten Gesang]; Monotonie, Wiederholung und Lärm werden bewusst als Stilmittel eingesetzt usw.
Natürlich hört man sich das Album nicht deshalb an, weil es bedeutend ist (deswegen respektiert man es bloß), man hört es wegen der Schönheit, die man hier finden kann, wenn man Ohren dafür hat, und wegen der Atmosphäre, die aus den Boxen dringt. Man findet hier urbane Paranoia („Watch out, the world’s behind you“), verpackt in eine süße Melodie, die Abhängigkeit des Junkies von seinem Dealer, seinen Rückzug von der Welt, die existentielle Müdigkeit, die Heilung im Schmerz sucht, dazu die melancholische Schönheit des Goth-Vorläufers „All tomorrow’s Parties“, die schöne Einfachheit von „I’ll be your Mirror“… ach, man findet so vieles! Soviel Coolness, wie man überhaupt nur aushalten kann. [Das Album hat mir unter anderem gezeigt, daß Lärm und einlullende Melodien gut zusammenpassen.] Um es kurz zu machen: * * * * *
„Heroin“ ist seit Jahren mein Lieblingstrack überhaupt, meine ewige Nr. 1 (für eine Nr. 2 habe ich mich noch nicht entschieden, vielleicht wäre das ja „Venus in Furs“…). Ich habe ihn zuerst auf dem Soundtrack zum Doors-Film gehört, da kannte ich The Velvet Underground noch gar nicht (oder nur dem Namen nach, aus Rowohlts Rock-Lexikon). Boy, it blew my mind! Dieser Track, speziell der unglaubliche Noise-Ausbruch am Höhepunkt, brutzelte meine Ganglien, öffnete meine Ohren, rüttelte meine „Hörgewohnheiten“ durch. Ohne ihn hätte ich kurz darauf mit Sonic Youth nichts anfangen können. [Der Track ist auch kein bißchen zu lang, sondern nimmt sich die Zeit, die er braucht, um seine Wirkung zu entfalten – immerhin muß er von der Erfahrung des Junkies erzählen.] Wenn ich heute sagen kann, „I dig repetition“, habe ich das ebenfalls VU zu verdanken. Der beste Drogensong aller Zeiten? Wenn er gerade läuft, klingt er jedenfalls so für mich. Schön und traurig und einfach unglaublich.“
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To Hell with PovertyWischmopFür mich trotz gewaltiger Konkurrenz die beste Platte, die 1967 erschienen ist und mir lieber als jede Beatles-Platte.
Sehe ich genauso. :bier:
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To Hell with Poverty@go:
Ich freue mich, dass du dich für das Album so erwärmen kannst. (Nicht ironisch gemeint)
Die Beschreibung deiner Gefühle empfinde ich anschaulich und glaubhaft.
Dein zentraler Punkt ist: „Die Gegenposition lautet, daß es um die konsequente Verwirklichung eigenständiger Ideen und den Ausdruck von Gefühlen geht; alles andere ist ein Mittel zum Zweck.“
Damit stehst du intellektuell auf einer höchst wackligen Position: Wenn du die Mittel nicht hast, kannst du Ideen nicht konsequent verwirklichen.
Und mal (etwas polemisch) nachgefragt: Du glaubst wirklich, Nicos schiefer Gesang ist die konsequente Verwirklichung einer Idee?
Man findet folgenden Gedanken oft hier im Forum: Kunst findet nur im Kopf statt, entscheidend ist die Idee, Handwerk bedeutet nichts. Ich halte das für einen grundlegenden Irrtum: Man braucht auch das Handwerk, weil man sonst die Ideen nicht audrücken kann. (Natürlich gilt umgekehrt, dass bloßes Handwerk ohne Ideen künstlerisch wertlos ist)
P.S. „Strawberry Fields“ und „Penny Lane“ schlagen in jeder Kategorie jeden Song auf diesem Album. (Und damit will ich dir deine Gefühle nicht absprechen; ich meine das ganz neutral.)
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„Weniger, aber besser.“ D. Rams@kai Bargmann:
Das ist ein Irrtum, Musik muss nicht immer schön und handwerklich gut klingen. Das ist vielleicht bei den Beatles so, denn das ist Popmusik – Hitparade, Klatschpresse, schreiende Teenies und so…. aber das hat mit VU nichts zu tun….
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Ich weiß, daß wir uns nicht einigen werden, Kai – unsere musikalischen Werte sind zu unterschiedlich. Das ist auch in Ordnung so. Ich konnte nur die Behauptung, mein zweitliebstes Album habe nur vier gute Songs, nicht unwidersprochen stehen lassen.
Kai BargmannDein zentraler Punkt ist: „Die Gegenposition lautet, daß es um die konsequente Verwirklichung eigenständiger Ideen und den Ausdruck von Gefühlen geht; alles andere ist ein Mittel zum Zweck.“
Damit stehst du intellektuell auf einer höchst wackligen Position: Wenn du die Mittel nicht hast, kannst du Ideen nicht konsequent verwirklichen.Freilich, aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist: Der Zweck bestimmt über die Mittel, die Idee oder das Gefühl hat logisch Vorrang. Es kommt vor allem darauf an, was man verwirklichen möchte und auszudrücken hat. Welche Mittel man braucht, hängt davon ab, was man tun will und tut. Und die Verfügung über Mittel ist keine Tugend an sich, auch wenn sie gern als solche genommen wird. Hier geht es doch um eine Polemik, um den Widerspruch gegen eine Gegenposition (also nicht um Ausgewogenheit, nicht darum, alle Aspekte zu berücksichtigen). Um ein Dir bekanntes Beispiel aus dem Forum zu nehmen: Im Toto-Thread wurde off topic auch über Neil Young diskutiert; einigen Toto-Fans ging es einfach nicht in den Kopf, daß er ein großer Gitarrist sein kann, obwohl er technisch bloß Mittelmaß ist – und daß man ihre Helden ablehnen kann, obwohl sie doch anerkannt gute Studiomucker sind. Dieses Denken gilt es zu bekämpfen. (Weil nach solchen und ähnlichen Maßstäben ein bedeutender Teil der Musik, die ich schätze, abgewertet wird.)
Kai BargmannUnd mal (etwas polemisch) nachgefragt: Du glaubst wirklich, Nicos schiefer Gesang ist die konsequente Verwirklichung einer Idee?
Nico singt einfach, wie sie singt, unverkennbar. Daß sie nicht singen kann, macht nichts, denn sie hat Stil und ihre dunkle Stimme ist großartig. „All Tomorrow’s Parties“ kann man nicht besser vortragen als sie es tut. Und bei „I’ll be your Mirror“ tragen die leichten Unebenheiten nur zum Charme dieses zärtlichen, intimen Songs bei.
Moe Tucker kann übrigens auch nicht singen, aber es ist ganz wunderbar, wenn sie es tut („After Hours“). Die Idee, wenn man es so nennen will, heißt DIY (do it yourself) – du mußt nicht jahrelang üben oder Unterricht nehmen, um wertvolle Musik zu machen, die anderen etwas bedeuten kann.Mein Text oben ist in mancher Hinsicht einseitig und zugespitzt. Man muß auch sagen, daß die Band tight und gut beisammen ist – die Tempowechsel sitzen (siehe „There she goes again“). Ich halte es aber für noch wichtiger, daß sie einen individuellen Sound hat.
Ich habe oben auch zu erwähnen vergessen, daß „I’m waiting for the Man“ einfach körperlich mitreißend ist. „Run Run Run“ ist ebenfalls ein sehr körperlicher Track. Beide sind konsequent, minimalistisch, herrlich repetitiv, also einfach gelungen. Mit üppigeren oder abwechslungsreicheren Arrangements wären sie schlechter, nicht besser.
„Venus in Furs“ ist unter anderem deshalb großartig, weil John Cale über die Grenzen dessen hinausgeht, was nach landläufiger Vorstellung „gut klingt“, vor allem während des „I am tired, I am weary“-Teils. Das läßt den Hörer (mich) etwas empfinden, was man mit „schönen“ Klängen nicht ausdrücken kann.
„Heroin“ ist herzzereißend. Traurig und schön. Die intensivste musikalische Erfahrung, die ich kenne. Ich möchte keine Sekunde davon missen. Für mich ist das die Definition von Vollkommenheit. :liebe:
Die Maßstäbe, die von den Beatles gesetzt worden sind, kann man hier nicht anwenden; das ist ein anderes Spiel. The Velvet Underground haben auf ihrem Feld die Maßstäbe gesetzt, an denen nachfolgende Bands gemessen werden.
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To Hell with PovertyKai BargmannUnd nochmal: Nico zieht einem die Schuhe aus. Die ist hörbar eine völlig unbeübte Sängerin, trifft viele Töne nicht und intoniert gräßlich.
Das Problem kann man haben oder auch nicht; ich habe es jedenfalls nicht. Ich habe nämlich keine Vorstellung im Kopf, wie Nico klingen sollte, die von der Art abweicht, wie sie tatsächlich singt.
Nico hat Stil und Charakter und damit das, was zahllosen technisch guten Sängern fehlt.
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To Hell with PovertyKai BargmannMan findet folgenden Gedanken oft hier im Forum: Kunst findet nur im Kopf statt, entscheidend ist die Idee, Handwerk bedeutet nichts. Ich halte das für einen grundlegenden Irrtum: Man braucht auch das Handwerk, weil man sonst die Ideen nicht audrücken kann. (Natürlich gilt umgekehrt, dass bloßes Handwerk ohne Ideen künstlerisch wertlos ist)
Das ist nicht das, was ich meine. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, den ich mir anziehen möchte. Die Abwesenheit bestimmter technischer und handwerklicher Merkmale (fehlerfreies Spiel, Virtuosität, Vielzahl von Akkorden, saubere Produktion usw. usf.) ist an sich noch kein Grund, die betreffende Musik abzuwerten – das braucht es alles nicht unbedingt. Die von mir bekämpfte Position hält solche Dinge für einen Wert an sich oder sogar für unverzichtbar, ihr Fehlen jedenfalls für einen Mangel. Es ist aber kein Mangel, sondern eine andere Ästhetik (oder kann es sein).
Kai BargmannP.S.(…) ich meine das ganz neutral.
Hier gibt es keine Neutralität!
Um noch einen abschließenden Satz zu sagen: Ich schätze an diesem Album unter anderem die schöne Einfachheit der Musik und daß die Velvets ihre eigene Vision verwirklichen.
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To Hell with Poverty@go1, Zustimmung.
Waiting hat mich damals emotional mehr mitgerissen als jeder x-beliebige Beatles-Track. Es war das erste Stück, das ich von der Platte kennengelernt hatte. Und mit Kopf-Musik haben VU ganz und gar nichts zu tun.
„Nico kann nicht singen“, meine Güte, was für eine Aussage. Dylan kann auch nicht singen. Und Cash auch nicht. Und Warhol kann nicht malen.
„Unter ästhetischen Gesichtspunkten…“ schreibt Bargmann eingangs, ja, welche mögen das denn wohl sein? Mit Verlaub: Ästhetik hat weder etwas mit vordergründiger Schönheit (btw ich empfinde vieles von VU als ungeheuer schön), noch mit Technik etc zu tun, noch ist sie in irgendeiner Form objektivierbar.
VU’s Musik hat ihre eigene Ästhetik wie Toto eben auch. Nur ist die Ästhetik von Toto mir persönlich vollkommen fremd, so wie es VU’s für andere sein mag.
Und Besternungen sind natürlich ein Ausweis über die Kunst/Musik-Ästhetik des Hörers.--
FAVOURITESIch hab schon Go geschrieben, dass ich niemandem seine Gefühle beim Hören einer bestimmten Musik absprechen will – das geht ja auch gar nicht. Aber es muss sehr wohl erlaubt sein, ein paar kritische Bemerkungen zu machen, wenn sie sich aufdrängen – hier war das beim Wiederhören am Wochenende der Fall.
Für den Erfolg und den Status dieses Albums spielen neben der Ästhetik andere Faktoren eine Rolle, besonders seine Entstehungsgeschichte: Die Kombination der Band mit Warhol (als externe Faktoren), die Drogen (als interner Faktor). Mir kommt es in der Beurteilung von Musik hauptsächlich auf die Ästhetik an, weil ich der (zugegeben: konservativen) Auffassung bin, dass das Kunstwerk für sich selbst stehen und wirken sollte – man es also nicht, wie es hier geschieht, durch gedankliches Beiwerk erklären und in Schutz nehmen muss.
Was Nico angeht: Es ist ein Unterschied, ob ich FALSCH singe (also die Töne nicht treffe) oder wie Dylan oder Cash einen begrenzten Tonumfang und Ausdruck habe, aber RICHTIG singe, und dann aus meinen stimmlich begrenzten Mitteln das beste mache. Das ist auch eine objektiv richtige Aussage, auch wenn sie dem Fan weh tun mag.
Ästhetik hat durchaus mit Schönheit zu tun (vgl. etwa die Antike und den Goldenen Schnitt), aber das sind Dinge, die in der Meinungsfreudigkeit der Postmoderne unter- bzw. verlorengegangen sind. Das macht sie aber nicht falsch und lässt insbesondere ihre Vertreter nicht zu Banausen werden, wie das hier gern impliziert wird (vgl. die Warhol- und die Toto-Anspielungen).
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„Weniger, aber besser.“ D. RamsKai Bargmann
Für den Erfolg und den Status dieses Albums spielen neben der Ästhetik andere Faktoren eine Rolle, besonders seine Entstehungsgeschichte: Die Kombination der Band mit Warhol (als externe Faktoren), die Drogen (als interner Faktor). Mir kommt es in der Beurteilung von Musik hauptsächlich auf die Ästhetik an, weil ich der (zugegeben: konservativen) Auffassung bin, dass das Kunstwerk für sich selbst stehen und wirken sollte – man es also nicht, wie es hier geschieht, durch gedankliches Beiwerk erklären und in Schutz nehmen muss.Ich habe VU ohne jede Kenntnis des Hintergrundes etc kennen- und lieben gelernt. Die Musik stand für mich zunächst absolut für sich, sie benötigte kein gedankliches Beiwerk etc. und da gebe ich dir recht, das sollte auch nicht notwendig sein.
Kai Bargmann
Was Nico angeht: Es ist ein Unterschied, ob ich FALSCH singe (also die Töne nicht treffe) oder wie Dylan oder Cash einen begrenzten Tonumfang und Ausdruck habe, aber RICHTIG singe, und dann aus meinen stimmlich begrenzten Mitteln das beste mache. Das ist auch eine objektiv richtige Aussage, auch wenn sie dem Fan weh tun mag.Nico singt nicht falsch, jedenfalls kann ich mich an keine solche Stelle erinnern. Dylan „trifft“ oft überhaupt keine Töne „richtig“.
Kai Bargmann
Ästhetik hat durchaus mit Schönheit zu tun (vgl. etwa die Antike und den Goldenen Schnitt), aber das sind Dinge, die in der Meinungsfreudigkeit der Postmoderne unter- bzw. verlorengegangen sind. Das macht sie aber nicht falsch und lässt insbesondere ihre Vertreter nicht zu Banausen werden, wie das hier gern impliziert wird (vgl. die Warhol- und die Toto-Anspielungen).Das ist ärgerliches Gerede.
Weil es so schön einfach zu zitieren ist, hier das, was bei wikipedia steht: Bis zum 19. Jahrhundert wird Ästhetik (gr. aísthesis: Wahrnehmung) häufig mit der Lehre von der Schönheit (Kallistik) gleichgesetzt. Die Philosophie ist inzwischen von diesem Verständnis abgerückt. Sie versteht „Ästhetik“ meist entweder als die Theorie und Philosophie der sinnlichen Wahrnehmung, oder aber als (soziologische) Theorie von Kunst bzw. Design. Demnach entscheiden über den ästhetischen Wert eines Objekts nicht die Begriffe „schön“ und „hässlich“, sondern die Art und Weise der Sinnlichkeit und/oder Sinnhaftigkeit in Verbindung mit dem Zeichensystem des Objekts.
Sicher etwas verkürzt, dennoch das, was ich oben gesagt habe. Und das ist kein postmoderner Ansatz, das findet sich schon bei Kant oder womöglich noch früher.
Zudem bin ich, wie oben angedeutet, der Meinung, dass vermeintlich oder oberflächlich betrachtet weniger Schönes durchaus als „schön“ empfunden werden kann, wenn Kunstobjekt und „Sinnhaftigkeit“ ideal miteinander verschmelzen. Das gelingt VU auf den ersten Platten recht oft. Bei Toto fehlt mir jede mir erkennbare „Sinnhaftigkeit“.btw von „Banausen“ hat hier keiner gesprochen oder täusche ich mich? Banausentum allerdings ist etwas ganz Fürchterliches, nämlich das Sichverschließen gegen das Erklärbare in der Kunst, nur um nicht von seinem geschmäcklerischen Meinen abrücken zu müssen.
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FAVOURITESKai BargmannEs muss sehr wohl erlaubt sein, ein paar kritische Bemerkungen zu machen, wenn sie sich aufdrängen – hier war das beim Wiederhören am Wochenende der Fall.
Für den Erfolg und den Status dieses Albums spielen neben der Ästhetik andere Faktoren eine Rolle, besonders seine Entstehungsgeschichte: Die Kombination der Band mit Warhol (als externe Faktoren), die Drogen (als interner Faktor). Mir kommt es in der Beurteilung von Musik hauptsächlich auf die Ästhetik an, weil ich der (zugegeben: konservativen) Auffassung bin, dass das Kunstwerk für sich selbst stehen und wirken sollte – man es also nicht, wie es hier geschieht, durch gedankliches Beiwerk erklären und in Schutz nehmen muss.
Niemand bestreitet Dir das Recht, an dem Album Kritik zu üben (wie kommst Du darauf?) – ich bestreite den Inhalt Deiner Kritik und die Verbindlichkeit Deiner Maßstäbe, auf denen die Kritik beruht (siehe oben in aller Ausführlichkeit). Du klingst für mich wie jemand, der einfach auf konventionellen „Wohlklang“ abonniert ist (das ist jetzt nur beschreibend gemeint, nicht wertend).
Ich habe mich ausführlich auch zur Musik selbst geäußert – Deine Behauptung, ich hätte sie bloß mit „gedanklichem Beiwerk in Schutz genommen“, ist also falsch. Auf die Warhol-Connection habe ich mich an keiner Stelle bezogen. Die Wirkungsgeschichte des Albums zählt für mich aber zur Bewertung dazu.
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To Hell with PovertyotisIch habe VU ohne jede Kenntnis des Hintergrundes etc kennen- und lieben gelernt. Die Musik stand für mich zunächst absolut für sich, sie benötigte kein gedankliches Beiwerk etc. und da gebe ich dir recht, das sollte auch nicht notwendig sein.
So habe ich sie auch kennen- und schätzen gelernt. Die Kenntnis des Hintergrundes scheint mir aber auch bei vielen Werken vorurteilsfreies Hören/Verstehen zumindest zu behindern, bzw. der „Kult“, der um ein Album verbreitet wird. Die daraus reslultierenden Erwartungshaltungen findet der Hörer oftmals auf dem eigentlichen Werk nicht befriedigt und zeigt sich dann enttäuscht. Daraus leitet sich für mich die spannende Frage ab, wie man diesen Werken wirklich gerecht werden kann?
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Captain Beefheart to audience: Is everyone feeling all right? Audience: Yeahhhhh!!! awright...!!! Captain Beefheart: That's not a soulful question, that's a medical question. It's too hot in here.otis Zudem bin ich, wie oben angedeutet, der Meinung, dass vermeintlich oder oberflächlich betrachtet weniger Schönes durchaus als „schön“ empfunden werden kann, wenn Kunstobjekt und „Sinnhaftigkeit“ ideal miteinander verschmelzen.
Ja. Deswegen klingt gerade „Heroin“ auch schön in meinen Ohren (Lärm und alles).
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To Hell with PovertybeatlebumDie Kenntnis des Hintergrundes scheint mir aber auch bei vielen Werken vorurteilsfreies Hören/Verstehen zumindest zu behindern, bzw. der „Kult“, der um ein Album verbreitet wird. Die daraus reslultierenden Erwartungshaltungen findet der Hörer oftmals auf dem eigentlichen Werk nicht befriedigt und zeigt sich dann enttäuscht. Daraus leitet sich für mich die spannende Frage ab, wie man diesen Werken wirklich gerecht werden kann?
Ich habe keine Antwort darauf, aber ganz pragmatisch betrachtet ist eine Voraussetzung dann wohl häufigeres Hören – bis die eigenen Erwartungen sich an das angepaßt haben, was tatsächlich vorhanden ist.
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To Hell with Poverty -
Schlagwörter: John Cale, Loaded, Lou Reed, Nico, The Velvet Underground, The Velvet Underground & Nico, White Light / White Heat
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