The Modern Jazz Quartet

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    gypsy-tail-wind
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    Das Modern Jazz Quartet im Jahr 1964, von links: Percy Heath, Connie Kay, Milt Jackson, John Lewis

    Nat Hentoff hat einmal sehr gut zusammengefasst, was das Modern Jazz Quartet ausmacht (aus: Dennis Stock, „Jazz Street“, zitiert aus dem Booklet der MJQ Prestige/Pablo-Box, Fantasy, 2003):

    Nat Hentoff
    The Modern Jazz Quartet combines centuries of the blues; the knowledge of how careful form can make improvisation more meaningful; and the paradox of all jazz–the blending of four individuals into a whole that expresses each one.

    Die vier – der stille und bestimmte Pianist John Lewis, der Vibarphon-Virtuose aus der Motor City Milt Jackson, der Bassist aus Philadelphia mit seinem tiefen in-the-pocket Spiel, der grossartige Schlagzeug-Erneuerer Kenny Clarke und sein Nachfolger, der NY-Groovemaster mit karibischen Wurzeln Connie Kay – fanden zu einem Interplay, das eine Art synkopierter Telepathie zu sein scheint, sie waren bei aller fast mönchischen Strenge dem Swing verschrieben, brachten afro-amerikanische Traditionen mit Formen der europäischen Klassik zusammen, besonders der Fuge, aber auch der commedia dell’arte. Die Gruppe bestand – mit Unterbrüchen – für fast fünzig Jahre, bis zum Tod von Milt Jackson im Jahr 1999.

    Das MJQ war aber auch heftiger Kritik ausgesetzt, so beklagte Ralph Ellison sich etwa über die „funeral posturings“ der Gruppe. Doch davon unbeirrt machten sie weiter mit dem Ziel, wie Jackson es einst formuliert hatte (Interview mit Les Tomkins in Crescendo, 1968): „We took it upon ourselves, more or less, to elevate the level of jazz in the eyes of those who go to classical music concerts and the opera–the so-called cultured people.“ (beide Zitate wieder aus dem Booklet der Fantasy-Box, aus Eugene Holly Liner Notes)

    Seinen Ursprung nahm das MJQ als Rhythmusgruppe der Dizzy Gillespie Big Band. Wenn die Bläser nach Nummern wie „Things to Come“ eine Pause brauchten, spielte die Rhythmusgruppe.

    Milt Jackson (1923-1999) stammte aus Detroit. Es spielte Drums, Kesselpauken, Violine und Gitarre bevor er sich in der High School auf das Vibraphon konzentrierte. Er sang mit sechzehn in einer Gospelgruppe namens Evangelical Singers, besuchte kurz die Michigan State University und bildete dort die Gruppe Four Sharps, traf erstmals 1942 auf Dizzy Gillespie, als dieser mit der Band von Earl Hines nach Detroit kam und zog nach New York, als Gillespie ihn drei Jahre später besuchte. Seit 1946 spielte Jackson mit bedeutenden Jazzmusikern, besonders mit Dizzy Gillespie, aber auch mit Thelonious Monk, Charlie Parker, Coleman Hawkins, Woody Herman oder Machito. Er war der erste Vibraphonist, der die Sprache des Bebop auf das Instrument übertrug und sie quasi sofort fliessend sprach und sie mit Gospel und Blues verband. Er verfügte über ein perfektes Gehör und ein photographisches Gedächtnis. Natürlich hatte er auf seinem Instrument ein paar Vorgänger, besonders den überragenden Lionel Hampton, von dem er in melodischer und rhythmischer Hinsicht einiges lernen konnte – doch in harmonischer Hinsicht ging Jackson über ihn weit hinaus, und in Sachen Geschmackssicherheit ebenfalls. Das mag ich Hampton aber gar nicht gross ankreiden – andere Zeiten, eine andere Musikergeneration, eine andere Art von Entertainment, bei der man eben nicht mehr auf das Steh-Tom springen musste, sondern die – bei Jackson manchmal unglaubliche – musikalische Eleganz auch auf das Verhalten beim Auftritt übertragen konnte. Zugleich war Jackson ein natürlicher Blues-Spieler, der manchmal allein im Ton eine tiefe Bluesverwurzelung zu offenbaren schien. Und er war vor allem ein Musiker mit immensem Ideenreichtum, vergleichbar einem Stan Getz oder Zoot Sims.

    John Lewis (1920-2001) stammte aus Albuquerque, New Mexico. Kenny Clarke stellte ihn 1945 seinem neuen Bandleader Dizzy Gillespie vor, Lewis hatte ein Arrangement dabei, „Bright Lights“ – er wurde in der Band von Gillespie zum Nachfolger von
    keinem geringeren als Thelonious Monk. Lewis kam in La Grange, Illinois zur Welt, seine Vorfahren waren Afro-Amerikaner und native Americans. Er zog mit seiner Mutter, einer Sängeirn, nach der Trennung vom Vater, gen Westen. Mit sieben begann er, Klavierstunden zu nehmen, hörte bald Lester Young, Ben Webster, Count Basie und die anderen „territory“ Musiker und Bands im Südwesten. Er studierte Musik und Anthropologie an der Universität von New Mexico, wurde dann aber in den Krieg eingezogen. Im Dienst in Europa traf er auf Kenny Clarke, nach der Rückkehr 1945 liess er sich in New York nieder und spielte mit Oran „Hot Lips“ Page. Für Dizzy Gillespies Band schrieb und arrangierte er u.a. „Stay On It“ und „Two Bass Hit“.

    Kenny Clarke (1915-1985) stammte aus Pittsburgh, lernte an der High School Posaune, Klavier, Vibraphon und Drums zu spielen, trat in seiner Heimatstadt mit Roy Eldridge auf, kam 1937 nach New York, wo er u.a. mit Sidney Bechet und Edgar Hayes arbeitete (mit Bechet kam es 1957 in Frankreich zu einer grossartigen Wiederbegegnung im Plattenstudio), er kriegte den Übernamen „Klook“ verpasst, was dem Klang der „bombs“, der Akzente nachempfunden war, die er mit der Bass Drum warf. Mit Dizzy Gillespie, Charlie Parker und Theloniouns Monk gehört er zu den Begründern des Bebop, verfasste gemeinsam mit Monk „Epistrophy“ und mit Gillespie „Salt Peanuts“, klassische Hymnen des Bop. Er stiess nach der Rückerh aus dem Zweiten Weltkrieg 1945 zur Gruppe von Gillespie, stellte dem Leader auch einen scheuen Army-Freund vor: John Lewis. Auf dem Savoy-Cover im nächsten Post ist übrigens die Combo mit Clarke abgebildet.

    Ray Brown (1926-2002), der Bassist bei Gillespie und kurzzeitig erste Bassist der Combo, stammte wie Clarke aus Pittsburgh. Die Rhythmusgruppe – Jackson/Lewis/Brown/Clarke – verliess 1947 die Band von Dizzy Gillespie. Lewis spielte auf Charlie Parkers „Parker’s Mood“ ein grossartiges Solo ein, arbeitete mit Lester Young und war ein wichtiger Sideman bei Miles Davis‘ „Birth of the Cool“-Sessions 1948-50. Clarke spielte als Freelancer, lebte für eine kürzere Zeit ein erstes Mal in Frankreich, Brown arbeitete mit Norman Granz‘ „Jazz at the Philharmonic“, stiess zum Oscar Peterson Trio und heiratete Ella Fitzgerald. Jackson trat mit Tadd Dameron, Woody Herman und Thelonious Monk auf – und trommelte seine ehemaligen Mitmusiker 1951 wieder zusammen, als er für Gillespies Label Dee Gee ins Studio ging. Die vier beschlossen, eine kooperative Band zu gründen, doch Brown verliess sie bald und zog als musikalischer Leiter der Combo seiner Ehefrau los.

    Percy Heath (1923-2005) aus Wilmington, North Carolina nahm den verwaisten Platz am Bass ein und entpuppte sich rasch als perfekte Wahl. Er kombinierte das erdig-tiefe Spiel von Brown mit einem etwas schlankeren Ton und erreichte dadurch eine perfekte Balance aus Groove und Sophistication (So you want to play a fugue? Mit Heath kein Problem). Der ältere seiner beiden jüngeren Brüder war der Saxophonist Jimmy Heath (*1926) und der jüngste der drei Heath Brothers, die später auch als Band auftreten sollten, war Drummer Albert (*1935), später „Tootie“ genannt. Jimmy Heath war ein Jugendfreund eines anderen Nachwuchssaxophonisten aus Philly, John Coltrane. Percy spielte Gospel, R&B und Bebop, trat im Lokalradio im Kinderprogramm auf, versuchte sich auch mal an der Violine, bevor er sich als Teenager auf den Bass konzentrierte. Er wurde zum Kampfpiloten ausgebildet doch kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg ohne Kampfeinsatz nach Philadelphia zurück und studierte Bass an der Granoff School of Music. Erste Gigs gab es u.a. auch mit Red Garland oder Clifford Brown. Erstmals traf er 1946 beim Abendessen auf Lewis, Jackson, Clarke und Brown, als Dizzy Gillespie mit seinem Sextett daheim in Philadelphia auftrat. Ein Jahr später stiess Heath zur Band von Howard McGhee, bei Gigs in New York war auch Milt Jackson dabei. 1948 spielte die Gruppe in Paris, Heath zog nach New York und spielte von 1949 bis 1951 mit Gillespie, aber auch mit Fats Navarro, J.J. Johnson, Horace Silver … und wirkte an den Dee Gee-Aufnahmen mit, die Milt Jackson machte. Um sich für seinen neuen Job vorzubereiten, übte er Fingersätze mit Ray Brown. John Lewis riet ihm überdies, mit Charles Mingus zu lernen, der einst ebenfalls für den Bass-Platz im MJQ im Gespräch war (keine so absurde Idee, wenn man sich das damalige Red Norvo Trio mit Tal Farlow und Mingus vor Augen hält). In Eugene Hollys Liner Notes zur Fantasy-Box wird Heath aus einem Gespräch mit Holly zitiert: „He [Lewis] said, ‚Percy, you don’t know enough to do what I want you to do. You better get some lessons.‘ So I went to Charles Mingus. I said, ‚Hey Charles, I got to get some lessons from you,‘ and he said, ‚Percy! you puttin‘ me on. If I played the blues like you do, I wouldn’t need no lessons.‘ Mingus gave me some finger exercises his teacher in Los Angeles gave him to improvise his intonation–the Simandle system. Later on, I was known for my intonation. I credit Charles Mingus for that.“

    Connie Kay (eigentlich Conrad Kirnon) (1927-1994) stiess 1955 als Nachfolger von Kenny Clarke zum Modern Jazz Quartet. Clarke, so Lewis, hätte die Band verlassen, um sich in Frankreich niederzulassen. Doch dieser selbst äusserte auch andere Gründe. Heath meinte später, es sei Clarke nicht klar gewesen, dass Lewis seine Parts notieren würde. Im Interview mit Burt Korall (Down Beat, 1963, wieder nach den Liner Notes von Eugene Holley in der Fantasy-Box) meinte Clarke, die Musik von Lewis sei „a bit too bland and pretentious for my taste. I fell asleep the last time I heard the Modern Jazz Quartet in person.“ Als Kay zur Gruppe stiess, war deren Sound noch nicht endgültig ausgestaltet. Kays Eltern stammten von der Karibikinsel Montserrat, er wuchs in der Bronx auf, erlernte das Klavierspiel, bevor ich das Schlagzeug in seinen ersten Teenagerjahren selbst beibrachte. In New York arbeitete er mit Cat Anderson, 1944/45 mit Sir Charles Thompson, jammte mit Miles Davis im Minton’s. 1949 tourte er mit einer R&B-Revue durch den Süden der USA und nahm ein paar Stücke mit Wynonie Harris auf. Von 1949 bis 1955 spielte er dann mit der Gruppe von Lester Young, wo er auch John Lewis kennenlernte. Kenny Washington erklärte Holley zum Unterschied zwischen den beiden Drummern folgendes: „Connie Kay had a different kind of cymbal beat. His beat was more formal, with an eighth-note feel as opposed to Clarke’s triplet feel. As time went on, Connie developed his own sound, and he used different instruments. Also, John’s writing expanded, and Connie also expanded percussion-wise. Connie Kay was hip to a lot of different styles. He understood the backbeat very well, plus, he had the best cymbal sound I ever heard.“ Das erste Album mit Kay am Schlagzeug war „Concorde“ – doch davon später mehr. Später, als die Gruppe bei Atlantic unter Vertrag stand, nahm Kay als Freelancen an zahlreichen R & B-Sessions teil.


    von links, hinten: Connie Kay, John Lewis, vorn: Milt Jackson, Percy Heath

    Das Modern Jazz Quartet suchte nach einer Art von kammermusikalischem Jazz – „change your attitude“ war ihr Motto. Im Smoking kamen sie einer nach dem anderen auf die Bühne – und eroberten auf diese Weise bei ihrer Tour 1957 das Publikum in Europa Karl Lippegaus: „Jazz war für sie mehr als Zufallsmusik, lockere Jams und viel Swing. Das verlangte nach neuen Formen, auch äußerlich deutete sich der Wandel an. Die vier Musiker trugen Tuxedos. Und wie sie nacheinander auf die Bühne kamen. Alles hatte eine Choreographie und strahlte Würde aus.“ (aus den Liner Notes zur SWR/Jazzhaus-CD „Germany 1956-1958 – Lost Tapes“, 2013).

    Aus den Liner Notes zur Box mit den Studioaufnahmen der Jahre 1956-64 für Atlantic (Mosaic Records, 7 CD, 2011):

    Doug Ramsey
    A quartet encompassing Jackson’s earthiness and Lewis‘ formalism presented a challenge. Lewis was sometimes accused of bridling Jackson, but recorded evidence shows that the vibraharpist functioned brilliantly in the organized context of the MJQ. It is often assumed that Lewis imposes tightly arranged structures on the quartet. In fact, many of the „arrangements“ are made of annotated material, variable patterns based on the members‘ collective experience, and unplanned creation. Listening to the MJQ, only seasoned musicians are likely to know what is written and what is improvised, and many of them have been fooled by the group’s extrasensory perception.

    Das MJQ bzw. seine beiden wichtigsten Mitglieder, John Lewis und Milt Jackson, wurden beide 1952 von Bob Weinstock für sein Label Prestige unter Vertrag genommen. Nach ersten Aufnahmen – noch unter dem Namen von Milt Jackson – für Dizzy Gillespies Label Dee Gee (später von Savoy übernommen) und Hi-Lo nahmen sie für Weinstock bis 1955 auf, die ersten Aufnahmen mit Connie Kay erschienen noch bei Prestige. Danach wechselte die Gruppe zu Atlantic, wo sie bis 1974 eine lange Reihe von Studio- und Live-Alben einspielte. In den letzten Jahren gab es auch einzelne Alben bei anderen Labeln, vor allem zwei für Apple, das Label der Beatles. Nach einer siebenjährigen Pause folgte 1981 die Reunion, die ein paar Alben bei Pablo sowie mehr bei Atlantic und anderswo zeitigte.

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    #10274133  | PERMALINK

    kurganrs

    Registriert seit: 25.12.2015

    Beiträge: 8,838

    Sehr schön!
    Danke @gypsy-tail-wind

    #10274139  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    1951-1952 – Milt Jackson auf Dee Gee, Blue Note und Hi-Lo
    + Sonny Stitt/Milt Jackson 1948, Annie Ross 1952
     

    1951-08-24 – New York
    Dee Gee (später Savoy)
    Milt Jackson (vib), John Lewis (p), Ray Brown (b), Kenny Clarke (d)

    Für Dizzy Gillespies Label Dee Gee ging das künftige MJQ ein erstes Mal ins Studio und spielte vier Stücke ein, noch mit Ray Brown und Kenny Clarke – eben: die Rhythmusgruppe der Band von Dizzy Gillespie. „Milt Meets Sid“ ist eine etwas nervöse Nummer, der man den Bebop-Background der Combo noch sehr gut anhört. Mit „D and E“ folgt ein erdiger Blues, in dem Jackson solistisch glänzt, aber auch Ray Brown ein paar Takte kriegt und mit seinem grossen – aber für die Combo längerfristig wohl etwas zuwenig agilen – Ton ebenfalls mehr denn überzeugt. Es folgt eine etwas verschlafene aber durchaus schöne Version von „Yesterday“ – Lewis und Brown scheinen ihre Parts einstudiert und einander angepasst zu haben, die Melodie gehört ganz Jackson. Den Ausklang macht dann „Between the Devil and the Deep Blue Sea“, das mit einem recht lahmen Piano-Intro beginnt … bei dem Stück erwarte ich einfach den funky Touch von Nat „King“ Cole. Auch mit dem vorantreibenden Beat klappt es dann nicht so ganz – Kenny Clarke ist wie so oft nur an den Besen zu hören. Darin war ja einer der grossen Meister, keine Frage, aber hier würde etwas mehr Kick nicht schaden.
     

    1951-09-18 – New York
    Dee Gee (später Savoy)
    Milt Jackson (vib), John Lewis (p), Percy Heath (b), Al Jones (d)

    Bei der zweiten Session ein paar Wochen später war der reguläre Bassist der Gruppe an Bord: Percy Heath. Sein Spiel wirkt sofort eine Spur agiler – das würde sich in den kommenden Jahren noch verstärken. Kenny Clarke wird für einmal durch Al Jones ersetzt, der sich nicht die Zurückhaltung auferlegt und nach dem etwas verschlafenen Start mit Jacksons „Autumn Breeze“ in dessen „Movin‘ Nicely“ etwas mehr zulangt, als Clarke das auf der ersten Session tat – und trotz dem Extra-Kick gibt es gerade in dem Stück in Jacksons Solo einen Moment, der fast zu schön sind, um spontan ausgedacht zu sein, es aber wohl ist. Weiter geht es mit Monks „‚Round Midnight“ – natürlich kannten die Musiker Monk, denn auch er war bei Dizzy Gillespies Big Band dabei (zu hören ist das auf den Spotlite-Aufnahmen von 1964, die Uptown als Doppel-CD neu aufgelegt hat: „Showtime at the Spotlite, 52nd Street, New York City, June 1946“ – es gibt aber nur zwei oder drei Monk-Soli, Lewis wurde ja zu seinem Nachfolger, weil Gillespie von seiner Unpünktlichkeit zu genervt war). Das Stück wird in recht zügigem Tempo als Walking Ballade dargeboten, Jackson glänzt solistisch wieder sehr, er hatte ja Monks Musik auch wirklich erfasst und begriffen, ist auf den vielleicht ausgereiftesten frühen Monk-Sessions bei Blue Note mit an Bord. Den Abschluss macht dann „Bluesology“, eine catchy Riff-Nummer, erneut aus Jacksons Feder (auch die beiden Originals aus der ersten Session stammten von ihm – das Gleichgewicht sollte sich bald in Richtung Lewis zu verlagern beginnen). Beide Sessions erschienen zusammen mit den vier für Hi-Lo eingespielten Stücken (1952-04) später bei Savoy, daher die beiden obigen Cover (beide LPs enthielten dieselben Stücke).
     

    1952-04-01 – New York
    Dee Gee (später Savoy)
    Annie Ross (voc), Milt Jackson (vib), Blossom Dearie (p), Percy Heath (b), Kenny Clarke (d)

    Am 1. April standen drei Viertel des MJQ im Studio mit der englischen Sängerin Annie Ross – vermutlich ihre ersten US-Aufnahmen und überhaupt unter ihren frühsten Aufnahmen. Los geht es mit „The Way You Look Tonight“, etwas zu langsam aber ganz hübsch. Dass Dearie einen ganz anderen Touch hat als John Lewis wird schon im Intro klar, obwohl man das Klavier auf meiner CD (das Reissue von „Loguerhythms“ bei él/Cherry Red von 2014) nur schlecht hören kann. Weiter geht es mit „I’m Beginning to Think You Care for Me“, einer schwer zu erträglichen Schmonzette mit Chorgesang (von der Band wohl, es gibt dazu keine Angaben). Dann folgt – schon wieder und erneut etwas zu träge – „Between the Devil and the Deep Blue Sea“, das für Ross‘ Stimme aber eine sehr gute Wahl ist. Die Session endet dann wieder ziemlich müde, mit „Everytime“. Aber auch hier – wie in allen vier Stücken – glänzt Jackson als guter Begleiter, unaufdringlich und doch sehr präsent.

    Die Tracks von Ross für Dee Gee erschienen später auf einer Sammel-LP bei Regent mit grauenvollem Cover, das auch mal auf CD wieder herauskam:
    https://www.discogs.com/de/Annie-Ross-Dorothy-Dunn-Shelby-Davis-Singin-N-Swingin/release/10767780
     

    1952-04-07 – WOR Studios, New York
    Blue Note
    Lou Donaldson (as), Milt Jackson (vib), John Lewis (p), Percy Heath (b), Kenny Clarke (d)

    Das vollständige Modern Jazz Quartet ging im April erneut ins Studio, dieses Mal mit dem Altsaxophonisten Lou Donaldson, doch Milt Jackson war der Leader – das einzige Mal auf Blue Note (als Sideman nahm er 1957 noch einmal für das Label auf: das Meisterwerk „Hank Mobley and His All-Stars“). Hier wird endgültig klar, dass die Achse zwischen Jackson und Heath sehr toll funktioniert – und dass auch Lewis und Clarke sich bestens einfügen. Donaldson wirkt im Opener „Tahiti“ neben dem so agilen Jackson etwas behäbig, neben dem so kontrollierten Lewis etwas beliebig – vielleicht war das hier der nötige Anstoss, um künftig (fast immer) ohne Bläser weiterzumachen? In der Ballade „Lillie“ setzt Donaldson dann aus, Jackson und Lewis finden hier aufs Schönste zusammen, während Heath einen tollen Boden legt – es existiert ein späterer Alternate Take (zumal auf der obigen Blue Note/RVG-CD von 2001), der nicht ganz so schön swingt. Weiter geht es mit „Bags‘ Groove“ (nicht Bag’s Groove – Bags war der Übername von Jackson, weil er schon in jungem Alter so schöne Augensäcke hatte … vielleicht braucht man die ja, um eine Band über fünf Jahrzehnte am Leben zu erhalten, vgl. Duke Ellington?), das Tempo sitzt perfekt und Clarke dropt seine Bombs, Jackson und Donaldson spielen feine Blues-Chorusse und Lewis folgt mit einem ebenbürtigen Solo, karg und perfekt phrasiert. Wie er das Tempo mal ganz leicht verschleppt, dann wieder anzieht, die Phrasierung seinen Linien anpasst – das ist schon ganz grosse Kunst. Dann gibt es eine arrangierte Passage, die zurück zum Riff-Thema führt. Es handelt sich übrigens um die erste Einspielung dieses Stückes, das neben „Now’s the Time“ und „Walkin'“ zu den meistgespielten Blues-Themen der Ära zählen dürfte. Weiter geht es mit „What’s New“, wieder ohne Saxophon und mit feinem Interplay von Jackson und Lewis im Thema: das Klavier umgarnt und ergänzt das Thema, das Jackson am Vibraphon spielt. Es ist dies das erste Stück, das nicht von Leader Jackson stammt, und es ist ebenfalls in zwei Takes zu hören. Das Stück gibt für Jackson (und Begleiter Lewis) viel hier und Jackson liefert zwei tolle Versionen. Weiter geht es mit Ellingtons „Don’t Get Around Much Anymore“ – der zwar auf einer Single herauskam, aber auf den 10″- und 12″-LPs fehlte, die Blue Note später zusammenstellte. Das ist nun Donaldsons Feature und er spielte mit feinem Ton und ziemlich guter Umsetzung – auch davon gibt es zwei Takes. Jackson ist nach dem Saxophonisten ebenfalls in guten Soli zu hören, Lewis begleitet auf eine Weise, die er oft anwenden sollte: hingepflanzte Akkorde, die eine Art abgehackten Anti-Flow erzeugen, der dann plötzlich wieder dahinzufliessen beginnt. Den Ausklang der Session mit sechs Stücken macht dann ein Original von Donaldson über Rhythm-Changes, „On the Scene“. Donaldson wirkt wieder etwas abgedroschen und wird von Jackson in den Schatten gestellt (doch Alfred Lion war von Donaldson beeindruckt und holte ihn schon im Mai wieder zurück für die letzte Session mit Thelonious Monk, bevor er ihm im Juni seine erste eigene Session gewährte – Donaldson nahm über die ganzen Fünfziger und weit in Sechziger hinein für das Label auf).
     

    1952-04 – New York
    Hi-Lo (später Savoy)
    Milt Jackson (vib), John Lewis (p), Percy Heath (b), Kenny Clarke (d)

    Für Hi-Lo fand ebenfalls im April die erste Session mit der für die kommenden dreieinhalb Jahre stabilen MJQ-Besetzung statt. Wieder wurden vier Stücke eingespielt – ich höre sie übrigens wie die acht Dee Gee-Tracks auf der Compilation Early MJQ von Saga Jazz, die man für wenige Euronen kriegen kann (sie enthält auch die Master Takes der Blue Note-Session und die erste Prestige-Session von Ende 1952). Los geht es mit dem bezaubernden „Softly, as in a Morning Sunrise“, natürlich von Jackson präsentiert, während Lewis eine tolle Begleitung spielt und de Heath/Clarke den Two-Beat-Groove auskosten, der für die tollen Soli von Jackson und Lewis dann in einen 4/4 wechselt. Es folgt Gillespies feine Ballade „Love Me Pretty Baby“, von der Stimmung her recht ähnlich, aber mit einem grossartig aufgelegten Jackson. Die sparsame Begleitung dahinter lässt schon erahnen, was das MJQ bzw. Lewis später noch so machen würde. Es folgt Hoagy Carmichaels „Heart and Soul“, im mittelschnellen Tempo, und dann macht das einzige Jackson-Original der Session den Abschluss, „True Blues“, in dem der Leader seine grossartigen Qualitäten als Blueser demonstriert.
     

    1952-11-01 – Birdland, New York
    Charlie Parker (as), Milt Jackson (vib), John Lewis (p), Percy Heath (b), Kenny Clarke (d)

    Ich habe bei Charlie Parkers Live-Aufnahmen keinen Überblick, obwohl sich über die Jahre einiges angesammelt hat. Da mal eine ordentliche Diskographie zu erstellen wäre wohl eine Lebensaufgabe. Auf der abgebildeten Doppel-CD von Ember findet sich jedenfalls (u.a.) der Live-Mitschnitt vom November 1952 mit Parker und dem MJQ aus dem Birdland in New York. Eingeführt wird die Session mit „we’re gonna continue with Milt Jackson“, das war also immer noch sein Gig. Charlie Parker stösst im Birdland als Gast zum MJQ (die Abkürzung passt ja auch für Milt Jackson Quartet/Quintet, ganz nach Bedarf – das machte sich Prestige bei einem späteren Plattencover auch zu nutze). Parker legt gleich los in „How High the Moon“, stellt auch mal den Beat auf den Kopf, wird von Lewis mit Akkorden gefüttert und von Klook sehr effektiv begleitet. Jackson und Lewis folgen mit kurzen aber guten Soli – und es wird rasch klar, dass es nicht nur bei Miles Davis sondern auch beim (zumal frühen) MJQ Unsinn ist, eine Trennung zwischen Bop und Cool etablieren zu wollen. Parker spielt dann noch etwas im Wechsel mit Clarke und gegen Ende ergeben sich ein paar schöne Passagen, in denen auch Jackson wieder dazustösst. Weiter geht es mit der Ballade „Embraceable You“, von John Lewis am Piano mit einem tollen Intro eröffnet. Jackson umschmückt auch hier das Thema, das Parker präsentiert, kriegt später auch ein kurzes Solo, aber hier ist Parker der Star. Leider endet der Mitschnitt danach auch schon, mit einem kurzen „“52nd Street Theme“.
     
    —–
     
    PS: Milt Jackson & Sonny Stitt – In the Beginning
    Fantasy (ursprünglich: Sensation, rec. 1947/48)

    Irgendwann Ende 1947 oder in den ersten Monaten von 1948 ging Milt Jackson mit Sonny Stitt ins Studio, um für das Label Sensation acht Stücke einzuspielen – das spielt hier nur am Rand eine Rolle, denn auf der ersten Session ist Jackson das einzige Mitglied des künftigen MJQ, auf der zweiten kommt noch Ray Brown dazu. Die ersten vier Stücke entstanden mit: Willie Wells (t), Sonny Stitt (als Lord Nelson) (as), Milt Jackson (vib), Will Davis (p), Jimmy Glover (b), Dave Heard (d); die zweiten vier mit: Russell Jacquet (t), Sonny Stitt (als Lord Nelson) (as), Milt Jackson (vib), Sir Charles Thompson (p), Ray Brown (b), Max Roach (d). Es gibt Bebop, Blues und Balladen – und gerade im direkten Vergleich mit dem etwas flauschigen Donaldson punktet Stitt mit seinem Biss und seinen klarer definierten, schärfer phrasierten Linien. Die beiden Sessions, so die Angaben denn stimmen, sind auf der abgebildeten CD in der Abfolge gemischt.

    Die CD enthält aber auch noch vier Tracks – ebenfalls für Sensation eingespielt – bei denen Milt Jackson als Leader fungierte. Auf der Session sind zu hören: Milt Jackson (vib), John Lewis (p), Alvin Jackson (b), Kenny Clarke (d), Chano Pozo (cga, bgo) – und damit ist abgesehen von Brown, an dessen Stelle Milts Bruder Al zu hören ist, die Gillespie-Rhythmusgruppe komplett versammelt. Die Aufnahme könnte vom April 1948 stammen (siehe nächster Abschnitt, die Katalog-Nummer ist auch höher als jene der einzigen [?] Sensation-Single von den Stitt/Jackson-Sessions, die überliefert ist). Die Session öffnet mit „Slits“, ein Jackson-Original wie alle vier zu hörenden Stücke. Lewis kriegt zwischendurch ein paar Takte, sonst gehört es ganz Jackson. Leider nervt mich der Percussion-Groove mal wieder ziemlich, auch wenn Pozo und Clarke ja an sich lange zusammen gespielt haben. Im zweiten Stück, „Baggy Eyes“, klappt das besser, aber dafür ist hier der Bass ziemlich übersteuert. Jackson ist allerdings toll. Es folgt „In a Beautiful Mood“ (aka „Autumn Breeze“, unter dem Titel auch auf der zweiten Dee Gee-Session zu hören), eine mittelschnelle Walking-Ballade, in der Jackson gleich wieder auf der vollen Länge glänzt. Den Abschluss macht dann wieder eine schnelle Nummer, „Baggy’s Blues“ (aka „Bobbin‘ With Robin“), in dem Pozo wieder etwas nervt (Clarke hört man kaum, weil das Gleichgewicht im Studio nicht stimmt), Lewis kriegt auch hier wieder ein paar Takte, aber die ganze Session ist eindeutig Jacksons Show, und er nutzt das auch aus.

    Mehr zu den ungefähren Daten findet man in Zan Stewarts Liner Notes zur Sonny Stitts Roost-Aufnahmen gewidmeten Mosaic-Box: „Stitt was arrested in Detroit for illegal sale of narcotics, convicted, sentenced to two years in prison and subsequently incarcerated at the prison unit at U.S. Public Health Service facility at Lexington, Kentucky, from March 10, 1948 until September 9, 1949. It was during this period that Miles Davis sought Stitt to no avail for what became the first of the Birth of the Cool recordings.“

    Darüber, ob die Sessions in New York oder Detroit stattfanden, gibt es wohl keine weiteren Hinweise – woher überhaupt der Hinweis auf New York kommt (Stewart erwähnt Diskographien, die NY angeben), weiss ich nicht, der Eintrag hier ist bis auf die offensichtlich falschen Daten („Juni 1948“) wohl das Beste, was man herauskriegen kann:
    https://www.jazzdisco.org/milt-jackson/discography/
    Von wann die Session ohne Stitt aber mit John Lewis ist, weiss ich nicht, da könnte April ja hinkommen …

    Die CD enthält dann übrigens noch eine Session mit Russell Jacquet und Stitt, vier Stücke plus von einem ein Alternate Take. Es handelt sich eigentlich um die Illinois Jacquet-Band mit Stitt als Einspringer für den Leader: Russell Jacquet (t), J.J. Johnson (tb), Sonny Stitt (as), Leo Parker (bari), Sir Charles Thompson (p), Al Lucas (b), Shadow Wilson (d). Vielleicht ist das am Ende die schönste Session, einfach weil Thompson et al. für einen ausgeglichenen Sound sorgen, sie sind ja bestens aufeinander abgestimmt – und obendrein stimmt die Balance im Studio diesmal auch.

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    1952-1955 – das Modern Jazz Quartet auf Prestige
    + Milt Jackson Quintet
     
    Milt Jackson (vib), John Lewis (p), Percy Heath (b), Kenny Clarke (d)
     
    Schon im Januar 1952 hatte das Quartett, das ja ohne Leader auskommen wollte, sich in Modern Jazz Quartet umbenannt. Die Idee war, dass jedes der vier Mitglieder seine besten Fähigkeiten in die Gruppe einbringen konnte. Jackson blieb der Starsolist, Lewis wirkte als musikalischer Leiter, er verfügte über einen B.A. sowie ein 1953 an der Manhattan School of Music erlangtes Master’s Degree in Musiktheorie. Beim ersten Gig der Gruppe im Club Chantilly im Greenwich Village, so erzählte Heath, der den Gig organisieren konnte, hätten sie ihre Familien mitgebracht und seien so auf zehn Zuhörer gekommen. Im Januar 1954 schrieb Nat Hentoff in Down Beat über die Fähigkeiten von Bob Weinstock als Talentmanager und zitiert diesen dabei wie folgt über Modern Jazz Quartet, das Ende 1952 mit Weinstocks Label Prestige einen Vertrag unterzeichnet hatte: „Take the Modern Jazz Quartet. Milt Jackson has always been my favorite vibes player, and when I heard John Lewis was setting up a serious project to keep the group, I signed them both. Everyone respects John.“ (nach Eugene Holleys Liner Notes in der Fantasy-Box, Bild unten).
     

    1952-12-22 – New York
    Prestige

    Ein neues Kapitel schlägt es kurz vor Jahresende mit seiner ersten Studio-Session für Bob Weinstocks unabhängiges Label Prestige Records auf. Los geht es mit „All the Things You Are“, einem Standard, den die Bebopper besonders gerne mochten. Percy Heath öffnet mit einem rasenden Bass-Lick, Clarke ergänzt mit leicht mysteriösen Klängen, Jackson setzt mit dem Thema ein … dann wechselt der Beat in einen 4/4 mit Walking-Bass, Clarke spielt den Beat mit den Besen, Jackson präsentiert das Thema, Lewis improvisiert über die Bridge. Es gibt konzise Soli von Jackson, Lewis und Heath, bevor das Stück mit einer arrangierten Passage, die so ähnlich schon zu Beginn erklang, und schliesslich mit dem mysteriösen Intro/Outro schliesst. Gewiss ein Start nach Mass, der damals bestens bekanntes Material mit neuen Ansätzen vereinte. Ähnlich geht es weiter, Lewis‘ „La Ronde“ ist eine überarbeitete Version von „Two Bass Hit“, in dem Kenny Clarke sich für einmal gehen lassen kann. Das Zusammenspiel im Thema ist präzis, das Schlagzeugsolo mit leichten Verschleppungen ziemlich toll, in der Mitte gibt es kurze Statements von Jackson und Lewis, die auf den Punkt kommen, dabei aber keinesfalls das Gefühl missen lassen – das ist gerade bei Lewis eine Qualität, die ich ungemein schätze: oft kann er mit ein paar Tupfern, einem unerwarteten Akkord, die Strenge seines Spiels so aufbrechen, dass sich ganze Welten öffnen.

    „Vendome“ ist das nächste Lewis-Original – und schon in der ersten Session der Gruppe die erste Fuge. Das Stück ist zwar in Moll, hat aber eine fröhliche Grundstimmung. Lewis ist hier besonders toll, während Jackson zwar im Zentrum steht, aber seine Beiträge doch eher ornamentalen Charakter haben, was bei der Strenge von Lewis wiederum gut kommt. Das ist dieser Form wohl tatsächlich etwas ziemlich neues im Jazz, auch wenn es den einen oder anderen Vorläufer gab (die Band von John Kirby etwa). Die Session endet dann mit einem ungewöhnlichen Arrangement des alten Gassenhauers „Rose of the Rio Grande“, in dem Lewis und Heath hinter Jackson eine Gegenmelodie spielen. Die Soli von Jackson und Lewis haben viel Drive und werden von Heaths Bass und Clarkes Besen aufs schönste getrieben. Das ist alles sehr gekonnt gemacht und souverän gespielt – und von zurückhaltender Eleganz. Lewis meinte in einem Interview mit dem Magazin Ovation im Jahr 1985, er hätte damals ein Arrangement des Philadelphia Orchestras von Bach Toccata und Fuge d-Moll und Ellingtons Arrangement von „The Sidewalks of New York“ mit seiner Kontrapunktik als Vorlage genommen, aber „I hadn’t solved the problem of creating contrapuntal material that would have the feeling of swing–I had much to learn“ (nach Eugene Holleys Liner Notes im Fantasy-Set).

    Oben übrigens das Cover einer Schwedischen Ausgabe der EP, darüber das Cover der späteren 12″-Veröffentlichung in der 7000er-Serie von Prestige – das Cover der LP MJQ vom Modern Jazz Quartet/Milt Jackson Quintet, auf der die Session später landete, findet man unten, 1954-06-18).
     

    1953-02-21 & 1953-02-28 – Birdland, New York
    Ben Webster (ts) + MJQ

    Aus der Kiste von Boris Rose stammen die nächsten Aufnahmen, die das MJQ als Begleitgruppe eines formidabel aufgelegten Ben Webster präsentieren. Der Klassizismus der Band, Jacksons Stärke im Blues, Lewis‘ Erfahrung mit Lester Young machten aus dem Treffen gewiss für alle Beteiligten eine angenehme Sache. Das Zusammenspiel ist jedenfalls klasse, auch wenn hier die Strenge der MJQ-eigenen Aufnahmen fehlt. Los geht es mit Charlie Parkers „Confirmation“, das Webster sehr entspannt angeht und ein feines Solo bläst, in dem er ein paar seiner typischen Phrasen einbringt. Weiter geht es mit der Ballade „You Are Too Beautiful“ und die Qualität der Aufnahme ist dankenswerterweise gut genug, als dass man den tollen Ton von Webster erahnen kann. So ähnlich geht es weiter: stompend in „Lady Be Good“ (Webster etwas fahrig, aber ein tolles Jackson-Solo), „Poutin'“ (tolles Lewis-Intro, dramatischer Webster) und „Cotton Tail“ (tolles Solo von Lewis, aber überhaupt toll, Websters grosse Parade-Nummer), berückend schön in „The Nearness of You“ (Webster und Jackson in Bestform), platt (wie immer, wenn jemand „Danny Boy“ spielen zu müssen glaubt) … und auch Bebop gibt es mit „Billie’s Bounce“ noch einmal, obwohl es sich dabei im Gegensatz zum anspruchsvollen „Confirmation“ um einen Blues handelt.

    Die Musik gab es zuerst wohl auf einer Ozone-LP von Rose, später auch auf CD bei Jazz Anthology und Definitive/Jazz Factory (Cover oben). Eine Musidisc-LP trug übrigens den Titel „Rare Live Performance 1962“ – ein paar Jahre daneben.
     

    1953-06-25 – New York
    Prestige

    Die vier Stücke von der Session vom 22. Dezember 1952 erschienen im Jahr darauf auf der obigen 10″-LP, die auch die nächste Session vom Juni umfasst. Los geht es mit zwei Stücken aus John Lewis‘ Feder, „The Queen’s Fancy“ und „Delauny’s Dilemma“. Ersteres ist ein Update von „Rouge“, das Lewis für Miles Davis‘ „Birth of the Cool“-Band geschrieben hatte. Es entstand ein paar Jahre vor Duke Ellingtons „The Queen Suite“ (1959) und ist Lewis‘ Hommage an Queen Elizabeth II. Aus dem Anlass hat Lewis anscheinend ein paar Referenzen an die englischen Komponisten Giles Farnaby und Thomas Morley eingestreut. Die Performance ist höchst charmant, bietet zwar nicht die verschachtelte Form von „Vendome“, dafür aber mehr Spontanität und Spiellust. „Delaunay’s Dilemma“ ist natürlich eine Hommage an den französischen Kritiker Charles Delaunay (Sohn des Malerpaares Sonia und Robert Delaunay, Mitgründer des Hot Club de France und der Combo von Django Reinhardt/Stéphane Grappelli, 1937 Gründer von Disques Swing und 1948 von Disques Vogue, dazwischen tätig in der résistance). Hier ist das MJQ „in the pocket“, Heaths Bass gibt den Tarif vor, Jackson ist verspielt, geradezu tänzerisch leicht, Lewis und Clarke halten sich zurück, Lewis spielt aber gegen Ende ein kurzes, ebenso leichtfüssiges Solo. Die zweite Hälfte der Session gehört den Standards „Autumn in New York“ und „But Not for Me“. Ersteres ist ein klassisches Balladen-Feature für Jackson, während Lewis letzteres wieder gehörig umgebaut und seinem eigenen Approach angepasst hat – mit ziemlich überzeugendem Ergebnis. Die Session erschien zunächst wohl auf Singles und auf dieser EP:
    https://www.discogs.com/de/Milt-Jackson-And-The-Modern-Jazz-Quartet-Volume-2/release/10265247
     

    1953-10-07 – New York
    Prestige
    Sonny Rollins (ts) + MJQ

    Hie und da spielte das MJQ gerne mit Bläsern zusammen. Im Oktober 1953 traf die Gruppe bei ihrer nächsten Session auf den jungen, ebenfalls bei Prestige unter Vertrag stehenden, unter anderem von Thelonious Monk und Miles Davis geschätzten Tenorsaxophonisten Sonny Rollins. Ich hole mal rüber, was ich vor ein paar Jahren im Rollins-Thread zu dieser Session schrieb:

    Die vier Stücke sind kurz, das MJQ klingt wenig nach dem MJQ, wie man es von später kannte, Kenny Clarke spielt viel intensiver, als man sich das sonst vom MJQ gewohnt ist. Rollins Spiel und auch die Begleitung ist von allergrösster Klarheit. Rollins nutzt die kurze Zeit, um auf kleinem Raum schöne Soli zu konstruieren.
    „In a Sentimental Mood“ ist eine schöne Balladen-Interpretation, die zeigt, „The Stopper“ ist ein schnelles Stück, das vom Wechsel zwischen einer Art Stoptime und raschem 4/4 lebt. Wunderbar relaxte Soli von Rollins, Jackson und Lewis gibt’s auf „Almost Like Being in Love“ (ein weiterer Standard, der in Sonnys Repertoire Eingang finden sollte) und zum Ende bleibt sogar noch Zeit für eine Runde Fours mit Klook. „No Moe“ ist eine leicht düsteres Thema, das sich mysteriös schlängelt, im Unisono von Rollins und Jackson präsentiert, derweil Heath und Clarke die Begleitung stark rhythmisiert gestalten. Jackson soliert über der Bridge, Rollins bläst das erste und längste Solo, gefolgt von halben Chorussen von Lewis, Jackson und der letzten Bridge von Clarke, bevor am Ende die letzten acht Takte des Themas repetiert werden.

    Auch hiervon gab es zunächst wohl Singles und erneut eine EP (ich will das hier nicht zu sehr mit Bildern überladen, aber die Links anzuklicken lohnt):
    https://www.discogs.com/de/Sonny-Rollins-With-Modern-Jazz-Quartet-Sonny-Rollins-With-Modern-Jazz-Quartet/release/10282991
     

    1954-06-16 – Hackensack, NJ
    Prestige
    Milt Jackson Quintet: Henry Boozier (t), Milt Jackson (vib), Horace Silver (p), Percy Heath (b), Kenny Clarke (d)

    Im Juni 1954 ging Milt Jackson mit einem Quintett ins Studio: Horace Silver übernahm am Klavier und Henry Boozier stiess an der Trompete dazu. Die vier Stücke der Session landeten später zusammen mit der ersten Prestige-Session vom Dezember 1952 auf dem 12″-Album MJQ vom Modern Jazz Quartet bzw. dem Milt Jackson Quintet. Los geht es mit Silvers „Opus de Funk“ und Clarke schätze es gewiss, wieder einmal etwas mehr zupacken zu können. Silver und Jackson waren in Sachen Blues ähnlich beschlagen, Silvers „comping“ ist auf seine Weise so strukturiert und klar wie jenes von Lewis – aber im Charakter und im Flow doch sehr anders. Auch das Solo Silvers in seinem ersten Original wirkt sehr strukturiert, fügt sich aber bestens an die Beiträge von Jackson und Boozier an. Es folgt die Ballade „I’ve Lost Your Love“, eröffnet von Silver mit einem feinen Intro (auch das eine gemeinsame Stärke von Lewis und Silver – und sie spielten ja übrigens auch beide mit Lester Young). Der Sound, den Jackson hier an seinem Instrument hat, ist unglaublich schön und seine Balladenkünste sind ja in der Tat nicht zu unterschätzen. Es folgt das mittelschnelle Silver-Original „Buhaina“, Art Blakey gewidmet und schliesslich ein langsamer Blues aus Jacksons Feder „Soma“ (mit tollen Soli, versteht sich – auch der sozusagen unbekannte Boozier ist stark). Viel Worte muss man über diese Musik nicht verlieren, sie ist erdig, funky, verführerisch, zupackend und obendrein sehr elegant – genau für diesen Spagat stehen sowohl Silver als auch Jackson ja sowieso.
     

    1954-12-23 – Hackensack, NJ
    1954-12-24 – Hackensack, NJ
    1955-01-09 – Hackensack, NJ

    Prestige

    Im Dezember 1954 und Januar 1955 ging das MJQ zum letzten Mal mit Kenny Clarke ins Studio – und bei der ersten Session ist gleich als Opener das unsterbliche „Django“ zu hören, John Lewis‘ Hommage an den 1953 verstorbenen belgischen Gitarristen Django Reinhardt. Der erste Teil mit Pedaltönen vom Bass hat etwas von einem Klagelied, Lewis Klavierspiel erinnert zugleich an das oft melancholische Spiel Reinhardts. Das Stück baut danach grosse Spannung auf mit Lewis‘ comping hinter Jacksons Melodie, gipfelt dann im dritten Teil, in dem Lewis wieder den Lead übernimmt. Auch die Soli werden über die ungewöhnliche Form gespielt, inklusive der Passage, in der Heath am Bass über mehrere Takte auf jeden Schlag denselben Ton repetiert. Die Wirkung ist verblüffend und einzigartig, das Thema wurde neben Jackson eingängigem „Bags‘ Groove“ zur beliebtesten Nummer des MJQ. Die Form kann man wohl als eine Art Pyramide betrachten (später hiess so auch ein MJQ-Album). Lewis‘ Solo ist grossartig, ebensowie das von Jackson davor. Doch es ist Lewis mit seinem unbedingten Formwillen, der hier die meisten Punkte abholt. Egal, wie genau man versucht, das Stück zu beschreiben und zu analysieren: es bleibt mysteriös und packt auch nach Jahren noch mit jedem Hören. Weiter geht es mit dem „One Bass Hit“ (von Dizzy Gillespie, Ray Brown und Walter „Gil“ Fuller), in dem Percy Heath für einmal die Chance kriegt, zu glänzen. Seine Phrasierung ist perfekt, dass er nicht allzu lange davor Probleme mit der Intonation gehabt haben soll, ist kaum zu glauben. Er streut auch noch ein paar Zitate ein (u.a. „Surrey with a Fringe on Top“ und „Let’s Fall in Love“). Weiter geht es danach mit „Milano“, einer Ballade, in der Lewis seine Erinnerung an die Stadt in der Lombardei verarbeitet hat – das hat durchaus etwas von einem Ton-Poem, aber die Linie selbst, vorgestellt von Jackson am Vibraphon, ist auch hier wieder von bezwingender Schönheit. Wie Lewis und Heath um Jackson herumtänzeln ist einmal mehr sehr schön arrangiert. Jackson gelingt danach auch ein ordentlich virtuoses Solo, das nie die getragene Stimmung durchbricht.

    Die pièce de résistance ist dann aber die „La Ronde Suite“ mit über neun Minuten Dauer und in vier Teilen, bei der Session im Januar eingespielt. Los geht es mit einer Variante des Themas („Two Bass Hit“), in dem Lewis eine irre Begleitung hinlegt, die quasi zur Hauptattraktion wird – das ist schon irre, wie still und leise hier enorme Spannung aufgebaut wird, die sich dann in rasenden Läufen auflöst, in denen Heath und Clarke in einen swingenden 4/4 fallen. Kurze Zäsur und dasselbe wieder von vorne, aber im entspannten Tempo und als Bass-Feature. Im dritten Teil ist das Tempo wieder hoch und diesmal ist Jackson an der Reihe, der aus der Stoptime-Form das Maximum herausholt. Der abschliessende Teil gehört dann Kenny Clarke,

    Neben der ganz oben abgebildeten EP mit „Django“ und „Milano“ erschien auch die Ronde-Suite in dem Format:
    https://www.discogs.com/de/The-Modern-Jazz-Quartet-In-The-La-Ronde-Suite/release/9630391
    Diese Session und jene vom 25. Juni erschienen dann auch zusammen auf der 12″-LP „Django“ in der 7000er-Serie von Prestige.
     
    Im August 1954 trat das MJQ erfolgreich als Headliner im Village Vanguard auf und spielte auch im Birdland, das Monte Kay damals leitete. Er wurde zum Manager der Gruppe und zu ihrem inofiziellen fünften Mitglied. Connie Kaye war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, als er mit Kaye über einen bald beginnenden Gig im Birdland mit Sonny Stitt sprach. Am nächsten Tag klingelte sein Telephon, ob er einen Gig in Washington machen wolle, wo das MJQ mit Dave Brubeck und Carmen McRae gebucht war. Doch dazu mehr im nächsten Post …

    —–

    PS: am 24. Dezember 1954 standen Heath und Clarke mit Miles Davis, Milt Jackson und mit Thelonious Monk erneut im Studio – die legendäre Heilig-Abend-Session … die beiden grössten Highlights der Session habe ich einst für eine StoneFM-Sendung über Monk ausgiebig kommentiert (bzw. ausgiebig Analysen abgeschrieben und zu verstehen gesucht) – ich hole das mal hier rüber:

    Miles Davis (t), Milt Jackson (vib), Thelonious Monk (p), Percy Heath (b), Kenny Clarke (d)
    Van Gelder Studio, Hackensack, NJ, 24. Dezember 1954
    von: Bags’ Groove (Prestige; CD: Thelonious Monk – The Complete Prestige Recordings; Fantasy, 3 CD, 2000)

    Bags’ Groove (Take 1) (Milt Jackson)

    Den Höhepunkt der Prestige-Phase bildet zweifellos die am Heiligabend 1954 eingespielte All-Star-Session mit Miles Davis und Milt Jackson. Begleitet werden die drei Ms von Percy Heath und Kenny Clarke, die mit Miles Davis (und Horace Silver am Klavier) damals zu einer fabelhaften Rhythmusgruppe zusammenwuchsen. Gemäss Produzent Bob Weinstock kam es aus ganz und gar profanen Gründen zu dieser überragenden Session, nämlich weil – Weihnachten stand ja vor der Tür – die Musiker mehr denn sonst Geld benötigten. Es ranken sich Gerüchte um die Session, die wohl überzogen sind (Monk: „Miles’d got killed if he hit me.“). Es gab allerdings Spannungen, weil Miles mit Monks Begleitungen nicht klarkommen wollte oder weil Monk Miles’ Wunsch nach einem Chorus ohne Piano als beleidigend empfand, wie Percy Heath berichtete. So setzt Monk hinter den Trompetensoli meist aus, was zu einem noch klareren Klangbild führt. Miles sagte später allerdings auch: „I love the way Monk plays and writes, but I can’t stand him behind me. He doesn’t give you any support.“

    Doch zur Musik, denn die hat es in sich! Monks Solo in diesem ersten Take von „Bags’ Groove“ gilt als „Moment reinster Schönheit“, wie André Hodeir es formuliert hat, das Stück gilt überhaupt als eine der vollkommensten Jazzeinspielungen. Miles und Jackson gehörten in ihren Anfängen beide zum Kreis, der sich regelmässig bei Monk einfand, um vom Meister zu lernen (Henri Renaud berichtete einst, dass er sich am Klavier abmühte, schwierige Passagen aus Monks Prestige-Aufnahmen zu spielen – Monk sass dabei auf dem Sofa und habe ihm Note für Note diktiert, ohne einen einzigen Fehler). Kenny Clarke schliesslich war der Schlagzeuger, der einst neben Monk den Grundstock des rhythmischen Vokabulars des modernen Jazz gelegt hatte.

    Milt Jacksons eingängiges Blues-Thema ist ein wiederholtes, viertaktiges Riff. Es klingt zugleich erdig und bluesig aber auch ganz modern und offen. Miles Davis betont in einem seinem Solo den Aspekt des Offenen. Er bläst ein schnörkelloses Solo von abstrakter Schönheit, in dem auf logische Weise aus einer Phrase die nächste wächst. Milt Jackson bringt danach den Blues-Aspekt an die Oberfläche, doch durch den Klang seines Instruments knüpft er zugleich direkt an die kühle Eleganz von Miles’ Trompete an. Monk folgt mit einem grandiosen Solo, in dem er die Akkorde von Jacksons Stück zu zerschiessen droht, es scheint, als wolle er die Tonalitätsgrenzen übertreten. Über den flexiblen Beat von Heath/Clarke spielt er ein Motiv aus zwei Tönen (C und F – ein Kritiker fragte damals, ob es sich um einen Witz handeln solle) und entwickelt es über zwei Chorusse. Dann erweitert er im dritten Chorus diese Entwicklung (aus dem C-F-Motiv bricht er mit einem Fis aus, klar) in rhythmischer wie melodischer Hinsicht, fügt im vierten eine Reihe rhythmisch kapriziöser Block-Akkorde hinzu und bohrt weiter bis an den Rand der Tonalität. Einmal mehr gibt es einen suggerierten Dreier über dem walkenden Vierer des Basses. Clarke entgeht anders als Blakey der Versuchung, auf die Klavierakzente stets zu reagieren, setzt sparsam eigene Akzente und kommentiert die Schnittpunkte zwischen dem Klavier und dem Bass, dessen four-to-the-bar quasi zum Kontrapunkt von Monks Solo werden. Dann setzt Monk einen Kontrast, lässt die linke Hand fast ganz weg und setzt weitere Akzente durch Triolen, die teils nur angedeutet werden aber klar zu fühlen sind – die Perfektion der Reduktion. Miles Davis spielt dann drei weitere Chorusse vor der Reprise, wieder ohne Piano. Sie fangen gewissermassen den Kontrast zwischen dem bluesig-sprudelnden Vibraphon und dem spröden, sperrigen Klavier wieder auf und leiten konsequent zum Abschluss über.

    The Man I Love (Take 2) (George & Ira Gershwin)

    Die andere Grosstat der Session – wie „Bags’ Groove“ auch in zwei Takes überliefert – ist die Einspielung des Gershwin-Klassikers „The Man I Love“. Wenn diese Session heute übermässigen Platz zu bekommen scheint, während anderes fehlt, so möge auch hier die Schilderung von Monks Spiel erklären, weshalb dem so sein muss. Doch von vorne. Nach einem missglückten ersten Start des ersten Takes wird klar, dass es bei der Session, wenigstens bei diesem letzten Stück, im Studio einige Spannungen gab: Monk weiss nicht, wann er einsteigen soll, Miles fährt ihn an und sagt: „Rudy, put this on the record, all of it!“ – was wenigstens auf den mir vorliegenden Ausgaben auch der Fall ist. Doch wir hören hier den zweiten Take, in dem es eine musikalische Zurechtweisung absetzt. Miles präsentiert nach einem feinen Vibraphon-Intro das Thema im langsamen Balladentempo, von Jackson und Monk eingebettet. Dann spielt er zwei Solo-Chorusse, in denen Monk zurückhaltend begleitet, eng am Thema verharrend, dieses als eine Art Cantus Firmus unter das Solo legend – eine Praxis, die so ähnlich aber nicht derart ausgeprägt schon zu Blue Note-Zeiten zu hören ist. Für Jacksons Solo wird dann das Tempo verdoppelt, dieser spielt ein weiteres tolles Solo, sprudelnd vor Einfällen, aber doch mit einer eleganten Ökonomie. Monk halbiert dann das Tempo in seinem Solo, während die Rhythmusgruppe im doppelten Tempo weiterspielt. Er spielt in seinem Klaviersolo in den A-Teilen das Thema – über doppelt so viele Takte, wie es an sich gespielt werden sollte, was zu Reibungen führt, die Heath/Clarke geschickt aufgreifen und auffangen – nur in der Bridge soliert Monk eigentlich, aus dem Rest wird quasi ein impliziertes, ein stummes Solo. Doch er fällt raus, pausiert mehrere Takte lang ganz, worauf Miles an der Trompete eine Art spöttischen „wake up call“ bläst (ein Motiv aus „Four“, dem Stück von Eddie Vinson, das Miles sich unter den Nagel riss). Monk spielt dann thematisches Material im schnellen Tempo, schliesslich folgt, wie schon im ersten Take, noch ein Chorus von Miles (in der Mitte setzt er in diesem zweiten Take den Dämpfer ein), worauf das Stück mit einer längeren Coda ausklingt.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    1955-1956 – das Modern Jazz Quartet auf Prestige und Atlantic
    + Milt Jackson Quartet
     
    Milt Jackson (vib), John Lewis (p), Percy Heath (b), Connie Kay (d)
     
    Vom Januar und Februar 1955 gibt es weitere wohl Boris Rose zu verdankende Mitschnitte des MJQ aus dem Birdland in New York. Ich kenne sie nicht. Im Februar wirkte Jackson (als Pianist und Vibraphonist) bei einer Savoy-Session von Kenny Clarke mit. Erst im Mai gibt es die nächsten Aufnahmen, wieder mit Horace Silver und unter der Leitung Jacksons – es sind die ersten mit dem neuen Drummer Connie Kay.

    Zum Drummerwechsel schrieb der Kritiker Ralph J. Gleason (dem Milt Jackson sein Stück „Ralph’s New Blues“ widmete) Anfang 1956, als die Gruppe ins Black Hawk in San Francisco zurückkehrte (zitiert nach den Liner Notes von Doug Ramsey im MJQ-Mosaic-Set):

    Ralph J. Gleason
    The new drummer was relatively unknown and his predecessor was one of the most influential of modern drummers. Delightful as the group had sounded before, it sounded even better now because at last it had achieved that unity of feeling and purpose which Lewis had spoke of and which breathes the life blood of true art into the performance, making it a living thing existing on its own, over and above the individual parts“

     

    1955-05-20 – New York
    Prestige
    Milt Jackson (vib), Horace Silver (p), Percy Heath (b), Connie Kay (d)

    Das Album, schlicht „Milt Jackson“ betitelt, ist ziemlich verschlafen – vielleicht ein Moodsville-Album, bevor es das Sublabel von Prestige gab. Jedenfalls hätte Kenny Clarke sich hier wohl wieder zurückgebunden gefühlt. Das Album ist das dritte in der neuen 12″-Serie von Prestige und die Liner Notes von Ira Gitler öffnen mit einer Erklärung des Formats und vermelden auch, dass Rudy Van Gelder ältere Aufnahmen des Labels neu bearbeiten würde: „Remastering will be done by Rudy Van Gelder who will bring the sound up to new standards“). Hauptanliegen sei, dass „ample time for development of idea by the soloist and composer“ vorhanden sei. Die danach erwähnte „tremendous vitality“ von Jackson ist es dann leider, die hier ein wenig fehlt – das Album ist zwar sehr stimmungsvoll und auch aus einem Guss, aber in den raren Momenten, wenn Jackson loslegt, etwa gegen Ende seines Solos in „Moonray“, denkt man halt schon, dass jetzt ein Ausgangspunkt wäre, von dem aus es nochmal ein paar Gänge höher gehen könnte. Silver fügt sich gut ein, seine Funk-Patterns sind zwar da, aber irgendwie knallen auch sie zuwenig in die gepflegte Stimmung. Bis dahin hörte man „Wonder Why“, ein damals aktuelles Filmthema, und „My Funny Valentine“, in der zweite Hälfte geht es mit der Ballade „The Nearness of You“ (ein feines Thema, keine Frage – und es hat auch genügend Substanz, so dass Jackson eine schöne Balladen-Performance gestaltet), den Jackson-Blues „Stonewall“, in dem die Band für einmal halbwegs aufwacht, Kay sich aber für meinen Geschmack zu sehr zurückhält, und zum Ausklang nochmal eine schöne Ballade, „I Should Care“. Das ist dann eben alles etwas zu schön, etwas zu verhalten – und klar, das LP-Format hätte man dafür auch nicht wirklich gebraucht (einfach zwei Stücke weglassen oder halt auf die nächste verschachtelte Prestige-Platte hauen).
     

    1955-07-02 – Hackensack, NJ
    Prestige

    Im Juli ging das Modern Jazz Quartet erstmals mit Connie Kay ins Studio – und zugleich zum letzten Mal für Prestige. Los geht es mit Jacksons „Ralph’s New Blues“, dem Kritiker Ralph J. Gleason gewidmet. Das Thema setzt sich sofort in den Gehörgängen fest und Jackson wie auch Lewis spielen grossartige Blues-Soli. Das Thema selbst wurde von Lewis als fugenartiger Kanon arrangiert, in dem Jackson zuerst loslegt, gefolgt von Heath und Lewis, während Kay im Hintergrund Synkopen trommelt – allerdings sehr weit im Hintergrund. Es folgt „All of You“, gespielt als Ballade – was aufgrund der nahezu alles überlagernden Version von Miles Davis aus dem Jahr danach recht ungewöhnlich scheint. Es folgt eine zügige Version von „I’ll Remember April“, die als konventionelles Solo-Vehikel daherkommt, aber durch Lewis‘ charakteristisches Spiel doch recht speziell wirkt. Jackson nutzt das Tempo und die offene Struktur zu einem mitreissenden Solo und hinter ihm hört man tatsächlich den von Kenny Washington erwähnten grossartigen Cymbal-Sound von Connie Kay. Nach Lewis‘ Solo treten er und Jackson in einen Dialog, der ohne Drum-Intermezzi auskommt und in dem die Ideen nur so hin und herfliegen – da wird auf biegen und brechen gebopt, was ja bei MJQ immer auch der Fall war, aber eben nicht nur, oder auch in ungewöhnlicher Form. Weiter geht es dann mit einem Gershwin-Medley von knapp acht Minuten, in dem die Stücke „Soon“, „For You, for Me, for Evermore“, „Love Walked In“ und „Love Is Here to Stay“ durchmessen werden – das erste ein tolles Feature für Percy Heath, die anderen gehören dann Jackson und Lewis. „Concord“, das Titelstück des Albums, ist dem Platz in Paris gewidmet, der mit seinem Obelisken zwischen dem Louvre und dem Champs Elysées liegt – eine Fuge, in der es aber auch improvisierte Abschnitte gibt. Insgesamt kommt das dem Jazz schon ein ganzes Stück näher als „Vendome“ (noch ein Platz mit Obelisk in Paris), zugleich dichter aber auch entspannter. Zum Abschluss der Session ist dann noch „Softly as in a Morning Sunrise“ zu hören – auch wieder sehr entspannt und doch raffiniert mit einem Zitat aus Bachs musikalischem Opfer im Intro, einem trägen Two-Beat, Piano-Gegenlinien zum Thema – und viel Raum für Soli, denn das Stück dauert ebenfalls fast acht Minuten. Das MJQ nutzt jetzt tatsächlich den Raum der 12″-LP in der Tat aus, die sechs Stücke ergeben zusammen schon fast die 40 Minuten, die bald zur Richtgrösse für LPs wurden.
     
    Milt Jackson und Percy Heath waren im August zurück bei Van Gelder, um das Album „Miles Davis And Milt Jackson Quintet/Sextet“ einzuspielen, Jackson traf zudem im Oktober wieder auf Kenny Clarke, als „Opus de Jazz“ entstand, das Jackson und Frank Wess als Co-Leader bei Savoy herausbrachten. Die Hausrhythmusgruppe bei Savoy bestand neben Clarke damals aus Hank Jones (p) und Wendell Marshall (b), bei dieser ersten Session ist aber Eddie Jones am Bass zu hören. Im Januar 1956 ging Jackson mehrmals gemeinsam mit Lucky Thompson für Savoy ins Studio, die resultierenden Aufnahmen zählen zu den schönsten des Jazz.

    Es war Connie Kay, der die Verbindung mit Atlantic Records herstellte, dem Label, für das das MJQ in der Folge den grössten Teil seiner Diskographie einspielen sollte, zumal bis 1974, als die Gruppe ihre dauerhafte Existenz beendete. Kay war damals so etwas wie der Haus-Drummer des Labels und hatte Aufnahmen mit Ruth Brown, Big Joe Turner, Ray Charles und vielen anderen gemacht.

    Im Januar und Februar 1956 fanden die Aufnahmen zu Jacksons eigenem Debut auf dem neuen Label statt, „Ballads and Blues“ (John Lewis und Kenny Clarke sind auf den ersten beiden Sessions, Lucky Thompson auf der ersten; auf der dritten dann Percy Heath) – nicht nur er und das MJQ, auch John Lewis, der bei Prestige als Leader gar nie aufnahm, begann alsbald für Atlantic Alben aufzunehmen. Und mitten in diese geschäftige Zeit fallen auch bereits die ersten Atlantic-Session des MJQ.
     

    1956-01-22 – New York
    1956-02-14 – Hackensack, NJ

    Atlantic

    Die ersten Atlantic-Sessions wurden auf dem Album „Fontessa“ veröffentlicht – hier kommt dann auch die commedia dell’arte ins Spiel, die eingangs schon erwähnt wurde. Doch davon später. In seinem Kommentar zum Reissue des Albums in der „Atlantic Masters“-Serie hebt Keith Shadwick den revolutionären Charakter der Gruppe hervor, die sich ja ihre Modernität in den Titel geschrieben hatte: „The name is the giveaway. These men, too, were radicals in their day. It’s just that their advances in the jazz art have been so thoroughly assimilated into the mainstream of jazz practice (much as has Bill Evans‘ or Horace Silver’s), that it is difficult to envisage a time when their collective approach to music-making was seen as decidedly revolutionary.“ Shadwick führt zum Beweis für diese These – die man wohl diskutieren kann, aber die ich hier auch gerne einfach mal in den Raum stelle – dann Auszüge aus Ralph Gleasons Liner Notes für die Erstveröffentlichung an, in der dieser meint, der Jazz sei erwachsen geworden und das MJQ dafür eins der „most beautiful, exciting and expressive examples […] in its own special way, the Modern Jazz Quartet has the excitement of a big band, its marvellous propulsion and universal beat.“ Solche Sätze mögen uns heute tatsächlich befremden, aber es war ja nicht nur Gleason, der damals beeindruckt war – und wer sind wir, solche Statements von Augen- bzw. Ohrenzeugen mit einer arrogang-unwirschen Geste vom Tisch zu wischen und mit dem Gerede von domestiziertem Kammerjazz zu kommen?

    In „Fontessa“ jedenfalls scheint das MJQ das erste Mal die neue Form des Long-Players so richtig zu nutzen. Das Album wirkt wie aus einem Guss, obwohl es einen wilden Mix aus Lewis’scher Kontrapunktik (im Opener „Versailles (Porte de Versailles)“), Jackson’scher Blues-Predigt („Bluesology“, seelenverwandt Ann Ronells „Willow Weep for Me“, das direkt folgt), wildem Bebop (Gillespies „Woody’n You“ zum Ausklang), grosser Balladenkunst („Angel Eyes“ und „Over the Rainbow“) sowie einer neuen Suite bietet, die John Lewis für die Originalhülle beschrieben hat (vgl. weiter unten).

    Das Album ist auf jeden Fall eins der schönsten im grossen Katalog der Gruppe. Vieles, was wir hier zu hören kriegen, ist noch sehr frisch und doch ist das Konzept inzwischen weit gediehen – und mit Connie Kay wurde tatsächlich der perfekte Drummer gefunden, der unaufdringlich spielt, sich dabei aber nicht langweilt, weil er auch ordentlich hip drauf ist, selbst wenn man öfter mal ziemlich aufpassen muss, um das auch mitzukriegen – überhaupt ist die Band mit Kay oft sowas von in the pocket, manchmal geht man da auf einen hart swingenden Ritt, wie man ihn wohl erst ein knappes Jahrzehnt später mit der perfekt geölten Band von Thelonious Monk (mit Ben Riley) wieder erleben konnte. Und wenn Lewis dann noch seine typischen Akkorde dazu spielt, rhythmisch wie harmonisch sparsam, effektiv, sehr sophisticated, Heath darunter seine tiefen Töne legt … das kickt einen auf ein anderes Level!

    Los geht e mit „Versailles“, diesmal nicht einem Platz in Paris gewidmet sondern einem Stadttor aus der letzten Befestigung Paris‘, die 1940-44 angelegt und natürlich längst geschleift wurde. Es gibt Kontrapunkt bis zum Abwinken, auch hinter Jacksons tollem Solo spielt Lewis mehr oder weniger einfach weiter, im Thema sind auch Bass und Drums eingebunden – zunächst ein aufdringlicher Triangel im Intro, aber selbst der klingt bei Kay plötzlich hip! Was bei aller der Gruppe gerne angekreideten Domestiziertheit nicht vergessen werden sollte ist ihre grosse Spontanität. Im Metronome Yearbook des Jahres 1955 beruft Lewis sich auf Count Basie und hebt hervor, wie wichtig der spontane Geist der Improvisation für die Gruppe war (das einleitende „they“ bezieht sich auf seine „jazz ideals“:

    John Lewis
    They stem from what led to and became Count Basie’s band of the thirties and the forties. This group produced an integration of ensemble playing which projected – and sounded like – the spontaneous playing of ideas which were the personal expressions of each member of the band rather than the arrangers or composers. This band had some of the greatest jazz soloists exchanging and improvising ideas with and counter to the ensemble and the rhythm section, the whole permeated with the folk-blues element developed to a most exiting degree.

    I don’t think it’s possible to plan or make that kind of thing happen. It is a natural product. All we can do is reach and strive for it.“

    Das geschieht eben auch in „Versailles“, einer Nummer, die manchem beim oberflächlichen hinhören steif und straff organisiert scheinen mag. Doch eben: das täuscht. Weiter geht es mit „Angel Eyes“, Triangel und Vibraphon spielen eine Art Orgelpunkt, Lewis skizziert am Klavier das Thema, von Heaths Bass umspielt. Die Drums bleiben zurückhalten auch hinter Milt Jacksons wundervollem Solo. Und wie im Opener wird auch hier das Thema nicht einfach wiederholt sondern der Schluss ist ganz anders arrangiert als der Auftakt.

    Dann folgt das Opus Magnum des Albums, die mehrteilige Suite, die dem Album den Titel gab, und in der Lewis sich auf die commedia dell’arte bezieht und gleich selbst eine Beschreibung für die Plattenhülle verfasste:

    John Lewis
    FONTESSA is a little suite inspired by the Renaissance Commedia dell’Arte. I had particularly in mind their plays which consisted of a very sketchy plot and in which the details, the lines, etc. were improvised.

    This suite consists first of a short Prelude to raise the curtain and provide the theme. The first piece after the Prelude has the character of older jazz and the improvised parts are by the vibraphone. This piece could perhaps be the character of Harlequin. The second piece has the the character of less older jazz and the improvised parts are by the piano. The character here could perhaps be Pierrot.

    The third piece is of a still later jazz character and develops the main motif. The improvised parts are by the drums. This character could perhaps be Pantaloon. The opening Prelude closes the suite.

    Fontessa is the three-note main motif of the suite and is perhaps a substitute for the character of Columbine.

    Was man auch noch erwähnen muss: in „Fontessa“ gibt es auch eine Passage, die stark an Lewis‘ „Django“ erinnert.

    Weiter geht es danach mit „Over the Rainbow“, das als musikalischer Sketch eher denn als Ballade daherkommt, Jackson spielt, Lewis kommentiert, das geht durch mehrere Kapitel, während Bass (ein paar Töne) und Drums (ein paar feine Beckenwirbel) erst gegen Schluss ein wenig beitragen. Dann folgt der bluesige Kern der zweiten Albumhälfte, die mit Jacksons „Bluesology“ beginnt. Dieser präsentiert nach einem Intro ohne Klavier über einen Two-Beat-Groove von Heath das Riff, Kay variiert seine zurückhaltende aber perfekte Begleitung, Lewis stösst dann im zweiten Durchgang dazu und spielt quasi die Antworten auf Jacksons Fragen, der dann auch gleich mit einem tollen Solo folgt. Kay dreht hinter und mit Jackson Chorus für Chorus auf, Lewis spielt immer andere Riffs, die er dann für jeweils einen Durchgang durchzieht, einfache Akkorde, kleine Motive – und aus einer toll rhythmisierten Passage steigt er dann in sein Solo ein – und dieses erinnert daran, dass auch er tief im Blues verwurzelt war. Jimmy Heath, der Bruder von Bassist Percy, war ein genauer Beobachter des MJQ und Doug Ramsey zitiert ihn in seinen Liner Notes gerade zu „Bluesology“, zum Thema der Lewis’schen Gegenmelodien hinter Jackson: „‚Milt hated it. Hated it,‘ he repeated with heat. ‚He wanted John to accompany him, not to play contrapuntal lines against what he was playing. That distracts.‘ Jimmy paused. ‚But it worked.'“ – In der Tat! Auch in „Willow Weep for Me“, dem grossartigen Stück von Ann Ronell, spielt Lewis Motive und Riffs gegen Jacksons ruhige Themenpräsentation. Den Abschluss macht dann Dizzy Gillespies Bop-Klassiker „Woody’n You“, den im selben Jahr auch Miles Davis mit seinem neuen Quintett wiederbelebte („Relaxin‘ with the Miles Davis Quartet“, Prestige). Lewis spielt auch hier eine ungewöhnliche Begleitung, doch wie Jimmy Heath feststellt: das funktioniert verdammt gut! Jackson legt mit einem zupackenden Bebop-Solo mit, das die Changes schön ausspielt und von Heath/Kay angetrieben wird. Lewis folgt und bleibt im Solo eigentlich im selben Modus wie in der Begleitung – auch das ist Teil der unendlichen Faszination, die sein Spiel auf mich ausübt.

    Ich höre die Atlantic-Alben der Jahre 1956-64 aus der Mosaic-Box von 2011, die insgesamt vierzehn Alben versammelt. Atlantic brachte von allen Mono- und Stereo-Ausgaben heraus, Mosaic wählte jeweils die besser klingenden Fassungen, was bei den frühen Alben wenig überraschend die Mono-Versionen sind. Von „Bluesology“ und „Woody’n You“ wurden jeweils ein Mono- und ein Stereo-Master ausgewählt. Die abweichenden Stereo-Versionen von den ersten drei Sessions („Bluesology“ ist das einzige erhaltene Stück der zweiten, von „Woody’n You“ entstanden ein paar abgelehnte Takes, man blieb bei den beiden von der ersten Session; zur dritten siehe unten) sowie drei abweichende Mono-Takes von späteren Sessions finden sich am Ende der sechsten CD versammelt, die nur eineinhalb LPs enthält und daher Platz bot – die zweite dort gruppierte LP „A Quartet Is a Quartet Is a Quartet“ enthielt neben vier MJQ-Stücken auch – jeweils separate – Einspielungen des (klassischen) Quartetto di Milano und des Hungarian Gypsy Quartet. Klanglich sind die Stereo-Takes von „Bluesology“ und „Woody’n You“ in der Tat grauenvoll, das Klavier spielt durch das geöffnete Fenster des Nebenhauses mit, das Schlagzeug ist dafür etwas lauter, aber die Balance stimmt überhaupt nicht mehr, der Bass ist viel zu leise. Musikalisch gibt es natürlich auch hier nichts zu beanstanden, gerade Lewis‘ Blues-Solo ist schon sehr toll. Im Stereo-Take von „Woody’n You“ ist die Balance etwas weniger missglückt – und die Band einmal mehr bestens aufgelegt. Das ist jedenfalls ein toller Einstieg beim neuen Label.
     
    Im Juli trat das MJQ am Newport Jazz Festival auf, wo es von Voice of America mitgeschnitten wurde – auch diese Aufnahme kenne ich leider nicht. Auch die irgendwann 1956 im Birdland mitgeschnittene Boris Rose-LP Ozone 16 ist mir nicht bekannt. Im August gab es die nächsten Atlantic-Sessions, die im Music Inn in Lenox, Massachusetts entstanden. Das Ehepaar Stephanie und Philip Barber schufen dort mit dem Music Inn eine Art Gegenstück zu Tanglewood, dem Sommerheim des Boston Symphony Orchestra. Marshall Stearns, der Direktor des Institute for Jazz Studies wurde darum gebeten, Diskussionsrunden über Jazz und Folk zu veranstalten, das MJQ wurde zur „group in residence im August 1956, eingeladen, um zu proben und in Ruhe neues Material zu erarbeiten, abseits vom Druck, der auf der Gruppe lastete, seitdem sie permanent unterwegs war. Bei den fünf Panelen, die Stearns organisierte, unterhielten sich Musiker über Details, Herausforderungen und Lösungen im Umgang mit Improvisation, Komposition, Harmonie, Rhythmus – unter den Teilnehmern waren so unterschiedliche Musiker wie Dizzy Gillespie, Wilbur de Paris, Pee Wee Russell, John Lewis, Samy Price und Jimmy Giuffre. Dieser hatte Lewis im Vorjahr getroffen und der Pianist bat ihn, ein Stück für das MJQ zu schreiben.
     

    1956-08-28 – „Music Inn“, Lenox, MA
    Atlantic
    MJQ + Jimmy Giuffre (cl)

    So war es nichts als logisch, dass Giuffre bei der Session, die das MJQ Ende des Monats im Music Inn abhielt, zur Band stiess.
     
    Im September 1956 wirkte Milt Jackson – neben Lucky Thompson, Charles Mingus, Hank Jones und anderen – bei den Aufnahmen zu Quincy Jones‘ Album „This Is How I Feel about Jazz“ mit, es wurde dabei auch Jacksons catchy Souljazz-Nummer „Sermonette“ eingespielt. IM Herbst ging es auch auf Europa-Tournee. Doch los geht es zunächst mit einer tollen Version von „Oh Bess, Oh Where’s My Bess“, in der die Gruppe ihre breite Klangpalette offenbart und souverän durch verschiedene Teile und unterschiedliche Tempi geht, alles in fliessenden Übergängen. Die Show „Porgy & Bess“ war damals, vom gelegentlich gehörten „Summertime“ abgesehen, noch völlig unbekannt – das Album von Miles Davis erschien erst zwei Jahre später. Giuffre stösst für Lewis‘ „A Fugue for Music Inn“ ein erstes Mal dazu – von vier Takten abgesehen ist das Stück vollständig improvisiert, hebt aber nie so wirklich ab. Giuffre beschränkt sich bei seinen drei Auftritten mit dem MQJ ganz auf die Klarinette und klanglich passt sein Ton wunderbar dazu. Sehr toll ist danach eine l-a-n-g-s-a-m-e Version von Lewis‘ „Two Degrees East, Three Degrees West“ (am besten bekannt vom leaderlosen gleichnamigen Pacific Jazz-Album, das Lewis mit Bill Perkins, Jim Hall, Percy Heath und Chico Hamilton einspielte). Nach dem zauberhaften Intro legt Jackson los, tritt mit Lewis in einen Dialog, schliesslich stösst Heath dazu (Kay spielte schon wieder dieses aufdringlich hohe Ding, das hier aber nicht nach Triangel klingt – ein ganz kleines Becken?) und die Gruppe fällt in ein etwas rascheres Tempo. Wie bei Giuffres ruralem Folk-Blues ist auch das hier tief empfundener Country Blues von einer ganz neuen – eigentlich völlig urbanen – Sorte. Wie Lewis dann gegen Ende von Jacksons Solo das Klavier schnarren lässt und Kay in einen fetten Shuffle fällt – grossartig! Und als Lewis übernimmt spielt Heath eine gefühlte Ewigkeit lang denselben Ton, bevor er die aufgebaute Spannung wieder löst, indem er in einen Walking Bass zurückfällt. Auch Lewis – der das Stück ja auch geschrieben hat – spielt hier wieder ein klasse Blues-Solo. Giuffre ist für David Raksins „Serenade“ wieder dabei, spielt wieder vor allem im tiefen Register der Klarinette – das Stück wird einfach einmal durchgespielt, ohne Improvisation.

    Es folgt dann „Fun“, das letzte Stück mit Giuffre und jenes, das er in Lewis‘ Auftrag komponiert hat. „Fun“ ist das Gefühl, das Giuffre hatte, als er es schrieb und als er es mit dem Quartett spielte – es ist ein fröhliches Stück in Dur, das aber nicht fröhlich ist und nach Moll klingt. Paradox? Nein, Giuffre. Von den drei Kollaborationen ist es die einzige halbwegs ausgereifte, die aber eher nach einer Art erweiterten Version der Jimmy Giuffre 3 klingt als nach einem echten Arrangement für Giuffre und das MJQ. Lewis lässt sich auf das Spiel ein, Jackson soliert, Kay spielt Schlagzeug wie es andere (Artie Anton vor allem) auf frühen Giuffre-Sessions gemacht haben, Heath hält sich zurück, übernimmt den Part der Erdung, wie es bei Giuffre Ralph Peña tat. Die vier restlichen Stücke sind wieder im Quartett ohne Giuffre entstanden. Lewis‘ „Sun Dance“ ist ziemlich toll, er hatte es im Vorjahr für ein Nonett geschrieben, inspiriert wie er sagte von Hopi-Tänzern aus seiner Heimat New Mexico, ebenso wie von den Watusi-Kriegern im 1950 erschienenen Film „King Solomon’s Mines“ (anscheinend eine Art Indiana Jones-Vorläufer: klick – hoffe, das ist der richtige Film, es scheint da verschiedene zu geben). Von diesem Stück gibt es einmal mehr eine abweichende Stereo-Version, die in der Mosaic-Box auf CD 6 zu finden ist – die Balance scheint hier halbwegs in Ordnung zu sein, auf Kopfhörer hört man Lewis mitsummen und -brummen, aber man hört auch Defizite des Bandes. In Harold Arlens „The Man That Got Away“ treten Lewis und Jackson wieder in einen Dialog, später stösst die Rhythmusgruppe dazu und Lewis spielt über in dem neuen rascheren Tempo ein tolles, rätselhaftes Solo. „A Morning in Paris“ ist ein Blowing-Vehikel über die Changes von Lewis‘ „Afternoon in Paris“, in dem Jackson mal wieder eine recht normale Begleitung kriegt und Heath am Bass die Performance zusammenhält, die zwischen seinem und Lewis‘ Solo quasi anhält. Den Abschluss macht dann Lewis‘ „Variation No. 1 on God Rest Ye Merry Gentlemen“, ein Stück, das Lewis anscheinend zeitlebens gefiel und mit dem er sich immer mal wieder auseinandersetzte. Hier spielt er hinter Jackson wieder kontrapunktische Linien und Motive – doch sollte dieser sich eingeengt fühlen, merkt man es seinem Spiel hier nicht an.

    Insgesamt ein ganz gutes Album, vor allem mit dem grossartigen, siebenminütigen „Two Degrees East, Three Degrees West“, dem feinen Gershwin-Cover und den Dialogen zwischen Lewis und Jackson – aber zugleich auch eine vertane Chance, denn Giuffres Klarinette passte wirklich zum MJQ und es ist schade, dass die fünf nicht länger oder tiefschürfender zusammen arbeiten konnten, mochten, und eine echte Kollaboration schafften. Als Album erreicht es aber nicht annähernd die Geschlossenheit der besten MJQ-Veröffentlichungen.
     

    1956-10-26 – SDR, Stuttgart

    Ende Oktober wurde das MJQ während einer Tour in Europa in Stuttgart im Studio des SDR mitgeschnitten. Fünf Stücke sind auf der obigen, 2013 von Jazzhaus veröffentlichten CD zu hören, auf dem fünften Stück stösst das nicht weiter benannte Helmut Banter Ensemble dazu. Los geht es mit einer tollen Version von „Ralph’s New Blues“, in der Jackson und Lewis mit tollen Blues-Performances glänzen – und die Ingenieure des Radios beweisen, dass sie den so vielschichtigen und dynamischen Sound der Band eher noch besser einfangen konnten als die Leute von Atlantic. Das wird auch im nächsten Stück, „God Rest Ye Merry Gentlemen“ wieder deutlich: so toll klang Percy Heaths Bass bisher wohl noch nie! Und Jackson spielt hier bald wieder so zupackend, dass das harmlose Stücklein darob fast vergessen geht, obwohl Lewis sich alle Mühe gibt, dass gerade das nicht geschieht. Weiter geht es danach mit „Willow Weep for Me“ und „I’ll Remember April“, das erste wie üblich bluesig und voller Soul, mit einem seltsamen Intro von Lewis, das dann bei Jacksons Einstieg mit dem Thema zu Dissonanzen führt, die aber weitergezogen werden und sich erst allmählich auflösen, als Jackson in die Blueskiste greift (in der sie eben einfach dazugehören und darum verpuffen, sodass Lewis anderes zu spielen anfängt – mir macht es nicht nur hier diebische Freude, dem Mann zuzuhören, was er sich einfallen lässt … und wie der die tollsten – in jedem Sinn des Wörtchens – Dinge anstellt und dabei seine Sargträger-Miene im Gesicht behält, um nochmal den seltsamen, letztlich gewiss völlig verfehlten Vergleich Ralph Ellisons zu bemühen). „April“ kommt dann wieder in horrenden Tempo daher. „Midsömmer“ ist dann das Stück mit der unbekannten Combo, die ziemlich klassisch klingt, Flöten, Hörner und weiter Blechbläser, eine Harfe … das Arrangement klingt schwer nach Lewis, mit dem MJQ ist das Stück sonst erst 1958 dokumentiert. Auch eine Aufnahme für RCA mit dem Symphonieorchester von Radio Stuttgart erschien erst 1958 auf dem Album „European Windows“ – kenne ich leider bisher auch nicht. Solistisch ist dann wieder Jackson zu hören, die Stimmung ist eine ganz andere als im Quartett, aber dennoch eine eindeutige John Lewis-Stimmung. Hübsch, aber über acht Minuten doch etwas mäandernd – dann doch lieber nochmal „Ralph’s New Blues“ und „Willow Weep for Me“.
     
    1956-11-09 – SWF, Baden-Baden

    Die nächsten beiden Stücke der CD entstanden ein paar Tage später in Baden-Baned im Studio des SWF – und es sind zwei der schönsten MJQ-Titel überhaupt, „Bluesology“ und „Django“. Beide wurden allerdings mit dem Edelhagen Orchester eingespielt – wie mir scheint aber klar mit Heath und Kay. Letzterer kickt die grosse Band in „Bluesology“ natürlich mühelos – und mit viel grösserer Eleganz als der Trommler bei der nächsten Session (die ich mir davor schon angehört habe). Jackson spielt das erste Solo, dann folgt ein Intermezzo der Band, das Lewis lanciert – dieser spielt mit einer tollen Sonorität (in Europa hat er wohl schon damals einen Steinway Grand spielen dürfen – das mag auch ein Grund sein, warum diese Radioaufnahmen so gut klingen, Atlantic hatte ja eh nie den tollsten Studio-Sound bei Jazzproduktionen und gerade für eine so schwierig aufzunehmende Gruppe wie das MJQ waren die hauseigenen Studios wohl nicht die beste Wahl – man wünscht sich z.B. eine Aufnahme aus dem Contemporary Studio aus den mittleren/späten Fünfzigern, einfach nur so zum Vergleich). „Django“ ist anfangs kaum zu erkennen, doch nach ein paar Takten schält sich bei der Posaune die Melodie heraus, bevor die Band aussetzt und das Quartett das Stück präsentiert. In der Tat klingen Flügel und Vibraphon hier wieder erstklassig, und man wünscht sich mehr davon – und das gerne ohne die grossen Bands, die doch nur mässig was beizutragen haben. Doch auch das hier ist am Ende ganz hübsch, obwohl das Tempo für meinen Geschmack etwas zu rasch, das Arrangement da und dort etwas zu satt gerät.

    Die restlichen sechs Stücke der SWR-CD stammen vom November 1957 bzw. Oktober 1958 und werden später an passender Stelle berücksichtichtigt.
     

    1956-11-12 – Stadthalle, Sindelfingen
    Miles Davis (t), Lester Young (ts), Milt Jackson (vib), John Lewis (p), Percy Heath (b), Connie Kay (d) + Kurt Edelhagen Big Band

    Im Rahmen derselben Europa-Tournee, bei der wohl mal wieder eine dieser typischen Norman Granz-Pakete durch die Provinz und ein paar Hauptstädte zog, kam es in Sindelfingen auch zur Begegnung von Miles Davis, Lester Young und dem MJQ. Faszinierend ist das natürlich vor allem wegen der zwei Bläser, die sich in mancher Hinsicht sehr ähnlich sind (the power of vulnerability). Doch leider ist Lester Young nicht in Laune (oder nicht in der Lage), viel Kohärentes zu spielen, sein Solo in „How High the Moon“ (ab ca. 6:21 im obigen Video) ist fahrig und er scheint immer wieder festzuhängen – da ist nichts vom unendlichen Ideenreichtum seiner besten Jahre übrig. Davis folgt mit einem agilen aber ebenfalls nicht gerade überragenden Solo. Das Photo von Miles & Pres, das da fast die ganze Zeit gezeigt wird, ist aber toll … und auch John Lewis am Klavier, der auf Miles folgt, ist ziemlich super, Kay dreht derweil ziemlich auf und es gibt dann noch ein paar rasche und eher müde Wechsel mit den Bläsern … Jackson fehlt hier leider als Solist. In „Lester Leaps“ in stösst dann noch die Band von Kurt Edelhagen dazu … das ändert auch nichts daran, dass Young nicht so richtig in Fahrt kommen will, obwohl er sich redlich mühe zu geben scheint. Auch Miles ist hier eher besser, ihm folgt diesmal als nächster Solist Jackson, der ein tolles Solo spielt. Ihm folgt einer der Trompeter der Edelhagen-Band (die Section gemäss Losin: Siegfried Ackhammer, Conny Jackel, Klaus Mitschele, Rolfe Schneebiegel, Hanne Wilfert) und danach ein ziemlich gutes Altsax-Solo (Losin listet Helmut Reinhardt und Franz Von Klenck – ich tippe auf ersteren), dann ein paar Takte Helmut Brandt am Barisax … wer der Drummer ist, der hier so richtig zulangt, ist mir nicht klar, ich tippe aber eher nicht auf Kay sondern den regulären Edelhagen-Drummer, der weiss, wie man eine Big Band vor sich her treibt. Young, Davis und Jackson spielen mit ihm dann noch ein paar Runden Fours. Ein Jam, der live gewiss ordentlich abging.
     
    So endet das Jahr 1956. Im folgenden Jahr ging Jackson im Januar zweimal als Leader für Atlantic ins Studio, um sein tolles Album „Plenty, Plenty Soul“ aufzunehmen und wenige Tage später entstand für Blue Note „Hank Mobley and His All Stars“, ein Meisterwerk, das von Jacksons Präsenz enorm profitiert, obwohl dieser mit einem grauenvollen Instrument Vorlieb nehmen muss. Erst im April ging das MJQ wieder ins Studio, doch dazu dann im nächsten Post.

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    1957 – das Modern Jazz Quartet auf Atlantic und auf Europa-Tournee
     
    Milt Jackson (vib), John Lewis (p), Percy Heath (b), Connie Kay (d)
     

    1957-04-04 – New York
    Atlantic

    Bei einer Session am 4. April wurde nur ein einziges Stück zufriedenstellend abgeschlossen, „Venice“. Es erschien auf der später (vgl. 1957-08-24) abgeschlossenen LP „No Sun In Venice“. Alle anderen fünf Stücke der Suite werden als „rejected“ geführt, die Tapes sind aber beim grossen Brand bei Atlantic wie so viele verschwunden, man wird also nie erfahren, ob darunter nicht ein paar nette Alternate Takes gewesen wären. Man glaubte anscheinend länger, das ganze Album sei am 4. April eingespielt worden, doch das erwies sich – mit Ausnahme von „Venice“ eben – als falsch.

    „Venice“ ist ein feines, kleines Stück – unprätentiös, schlicht, aber bezaubernd: John Lewis at his best. Dass er aus einem Film-Soundtrack stammt, erahnt man nicht gleich, aber dass er in einer Nachtclub-Szene eingesetzt wurde, in der es keine dramatische Entwicklung gab, passt natürlich gut. Lewis setzt die Stimmung mit einem unbegleiteten Intro, für das Thema und das anschliessende Solo übernimmt Jackson, Heath setzt den Beat, Kay variiert seine Begleitung (öffnet beim Wechsel zur Improvisation von Jackson seine Snare oder eher: wechselt an ein anderes Ride – natürlich wieder alles mit Besen und alles meisterhaft). Hier ist alles auf die Essenz reduziert, auch wenn Lewis gegen das Ende des Themas Läufe hinter das Vibraphon streut, die perlen – das muss genau so sein. Lewis‘ eigenes Klaviersolo ist dann einmal mehr ein Glanzpunkt.

    Auszüge aus den Aufnahmen für den Film erscheinen in Europa auch auf EPs wie der obigen. „Sait-on jamais“ ist der Originaltitel des Filmes, für den Regisseur Roger Vadim zeichnete. Den Titel greift Lewis auch mit dem Stück „One Never Knows“ auf, aber die englische Fassung hiess „No Sun in Venice“. Es scheint sich um einen nicht sehr guten späten Noir mit Postkartenansichten aus Venedig zu handeln … Vadim halt – vielleicht kennt @vorgarten ihn und kann ein paar Sätze schreiben?
     

    1957-04-05 – New York
    Atlantic

    Einen Tag nach dem ersten Versuch mit dem Material für „No Sun in Venice“ stand das MJQ bereits wieder im Studio. Das resultierende Album trägt schlicht den Titel „Modern Jazz Quartet“, auf der Originalausgabe war anscheinend auf dem Frontcover keinerlei Text zu finden (spätere Ausgaben kommen teils mit einem Rahmen, auf den der Bandname gedruckt wurde). Der Titel passt, denn es handelt sich um ein Album, das ganz auf das seit zwei Jahren – seit Connie Kay dabei war – live gespielte Repertoire. Mit „La Ronde: Drums“ („Two Bass Hit“ aber komplett als Feature für Kay, der sein überragendes Können mit den Besen demonstriert) und „A Night in Tunisia“ greifen die Stücke zurück bis in die Gillespie-Zeit. Es gibt alles in allem mehr ungehemmtes blowing und weniger strukturierte, organisierte Musik als sonst beim MJQ, was zur Abwechslung natürlich sehr gut kommt. Doug Ramsey zitiert Aussagen, die John Lewis gegenüber Nat Hentoff gemacht habe – vermutlich aus den Liner Notes:

    John Lewis
    I like this album because the selections are old in our repertoire, so that we’ve played them a great deal. They’re old enough for us to see if we can play, if we can really get out of them and out or ourselves what is there to be gotten. After haring the album, I feel that we can play.

    This album is one of our characteristic 40-minute sets. That’s a long time to play and sustain interest and strenght. I feel we did it here. And the rhythm holds up all the way, another reason I like the set. The numbers also sound the way they actually do sound when we are at our best in a club or at a concert.“

    Klar können sie spielen! Los geht es mit einem Medley aus Lieblingsstandards. Jackson spielt zuerst „They Say It’s Wonderful“, das Lewis am Klavier einleitet (ich kenne es natürlich primär von Coltrane) und wechselt dann bald schon über in „How Deep Is the Ocean“. Lewis brilliert in beiden mit seiner Begleitung, in „How Deep Is the Ocean“ verzahnen die beiden sich stellenweise in einen Dialog: Lewis soliert, während Jackson das Thema spielt, dann spielen sie beide, mal der eine, dann der andere mehr im Vordergrund. Lewis setzt schliesslich zu einem Klaviersolo an, in dem er das Thema etwas drosselt, mit sich selbst in einen Dialog zu treten scheint … schliesslich in „(I Don’t Stand) A Ghost of a Chance with You“ fällt, eins der Lieblingsstücke seines Bandleaders in den frühen Fünfzigern, Lester Young. Direkt nach der Themenpräsentation setzt Jackson dann zu „My Old Flame“ an und folgt mit einem tollen Solo. Dann leitet John Lewis sehr gekonnt über zu „Body and Soul“, das er dann zum Abschluss des zehnminütigen Medleys (das wirklich die Form einer sehr gekonnten Suite annimmt) fast alleine spielt.

    Das folgende „Between the Devil and the Deep Blue Sea“ spielte die Gruppe schon 1951 (und nochmal 1952 mit Annie Ross) ein – die neue Version ist dieser frühen aber hoch überlegen und demonstriert eindrücklich, wie weit die Band seit damals gekommnen ist. Hier passt der Groove trotz des wieder recht gemütlichen Tempos perfekt. Jackson und Lewis umgarnen sich, Lewis spielt die Bridge, Heaths flexibler Beat funktioniert wie ein Trampolin (mit Netz), auf dem die beiden Solisten machen können, was sie wollen – es passt immer – das solistische Highlight setzt Lewis, aber es ist mal wieder der gemeinsame Groove des Quartetts, der hier am wichtigsten ist.

    Es folgt das kurzen, oben schon angesprochene „La Ronde: Drums“ mit Kays toller Performance – das Stück ist gerade mal zwei Minuten lang, aber höchst dramatisch und als – begleitetes – Schlagzeugsolo wirklich gelungen. Intensität – gerade von Kay, aber nun mit Sticks – und Tempo bleiben auch in „A Night in Tunisia“ hoch, der unmittelbar folgenden zweiten Gillespie-Nummer – mit feiner Improvisation von Jackson und einem tollen reduziert-konzentrierten Beitrag von Lewis. Es folgt danach die Ballade „Yesterdays“, in der Jackson wieder einmal seine Meisterschaft als Balladenkünstler präsentieren kann. Lewis begleitet ihn auch im Solo, für das Gruppe ins doppelte Tempo wechselt, gekonnt zwischen Kontrapunktik und herkömmlichem – aber dennoch sehr Lewis’schem – comping. Und einmal mehr merkt man überhaupt nichts davon, falls Jackson sich irgendwie eingeengt fühlte. Jackson bleibt im Zentrum, denn es folgen zum Ausklang zwei Blues-Titel, sein „Bags‘ Groove“ sowie das gemeinsam mit Ray Brown geschriebene „Baden-Baden“.

    „Bags‘ Groove“ ist eine meisterhafte Performance von allen im mittelschnellen Tempo. Hinter Jacksons Solo spielt Lewis eine feine Begleitung und folgt dann seinerseits mit einem grossartigen Solo. Kay kickt auch hier wieder, ohne je raumgreifend zu werden, während Heaths Walking-Linien genau den richtigen Ton treffen. Eine kleine arrangierte Passage führt zu einer Verdichtung und – scheinbaren – Beschleunigung, ein überraschender Klimax, aus dem hinaus die Themenreprise angesteuert wird – ein nahezu kathartischer Effekt. Das abschliessende „Baden-Baden“ ist ein gutes Stück schneller, Jackson legt wieder als erster los, die Becken von Kay decken hier ziemlich zu, aber Lewis‘ tolle Akkorde und Kays Punktierungen auf der Snare und die gelegentlichen Bombs der Bass-Drum sind dennoch gut zu hören. Lewis fällt auch hier hinter Jackson in Riffs, dieser scheint da oder dort auch direkt auf die Klavierbegleitung Bezug zu nehmen. Das Klaviersolo schält sich dann wieder nahtlos aus der Begleitung heraus, während die Rhythmusgruppe nicht das kleinste Bisschen herunterdreht. Doch Lewis lockt man so leicht nicht aus der Reserve, er bleibt auch hier nahezu stoisch und doch sehr agil – ein endlos faszinierender Pianist. Mit einem anderen Riff als Anfangs – und Jacksons Antworten darauf – endet das Stück.

    Fazit: ein äusserst unprätentiöses, direktes Album, das den Fokus tatsächlich mehr auf dem blowing hat als fast alles MJQ-Alben – zur vorsichtigen Annäherung für Skeptiker gut geeignet – und auch für Fans wirklich gut.
     
    Percy Heath war im Mai und Juni mit dabei, als Jackson in drei Sessions sein Atlantic-Album „Bags and Flutes“ aufnahm – die Flöte steuerte Frank Wess bzw. der Belgier Bobby Jaspar bei.
     

    1957-08-24 – Music Inn, Lenox, MA
    MJQ + Jimmy Giuffre (cl), Jim Hall (g), Ralph Peña (b)
    Atlantic

    Am 29. Juli ging das MJQ erneut ins Studio und versuchte sich – gemäss den verfügbaren Angaben – an vier der fünf noch fehlenden Stücken von „No Sun in Venice“ (nicht an „The Rose Truc“). Erfolgreich wurden die fünf Stücke dann im August im Music Inn in Lenox, MA eingespielt. Das Album wurde zu einem der Bestseller des MJQ, die Stücke fanden nach einer erfolgreichen Konzertpremiere in New York im Mai 1957 rasch Eingang ins Live-Repertoire der Gruppe – Martin Williams schrieb in seiner Besprechung für Down Beat, es handle sich um „a film score that ingeniously manages to be both effective in context and strong enough to stand on its own.“ (nach den Liner Notes von Doug Ramsey im Mosaic-Booklet).

    Nach mehreren gescheiterten Anläufen im Studio gelang die Einspielung der meisten Stücke schliesslich im zweiten Sommer im Lenox Inn, wo Lewis inzwischen zum Leiter geworden war. Zu den Roundtable-Diskussionen kammen jetzt auch Kurse in Komposition/Arrangement für grosse und kleine Gruppen (Jim Hall, Bill Evans und Connie Kay gaben zum Beispiel gemeinsam einen Ensemble-Kurs), fortgeschrittene Instrumentalkurse und Möglichkeiten für die Studenten, aufzutreten (auch Don Cherry und Ornette Coleman tauchten da auf, ebenso Attila Zoller, alle als Studenten, möglicherweise einfach damit sie nichts bezahlen mussten … unter den Lehrern waren auch Max Roach und Dizzy Gillespie – es gibt ein paar wenige Aufnahmen, aber die Bootleg-CD damit liegt irgendwo tief vergraben).

    Los geht es mit „The Golden Striker“, einem hübschen, dicht arrangierten Stück, das wieder auf diesen Fugen-Groove baut, dabei aber auffällig stark auf Heaths tiefen Bass baut. Inzwischen kriegt die Gruppe auch sowas hart swingend und zugleich sehr locker hin, kurze Soli von Jackson und Lewis aber auch von Kay, heftige Doppelschläge von dem Steh-Tom (oder sonst einer Trommel) strukturieren die Nummer, das ganze wirkt ziemlich spontan und vor allem trotz der eigenwilligen semi-klassischen Form ziemlich frei – hier sind wir in dem Gebiet angekommen, in dem keiner mehr heraushören kann, was eigentlich improvisiert und was komponiert ist. Die Stimmung dem „Barn“, dem umgebauten Schuppen im Music Inn, in dem auch Jimmy Giuffre ein paar schöne bzw. schön klingende Sachen aufgenommen hat, scheint sich tatsächlich irgendwie auf den Klang der Session niederzuschlagen. Weiter geht es dann mit „One Never Knows“, das mit über neun Minuten das Herzstück des Album ist, ein langsam swingende Nummer mit der üblichen Rollenverteilung und Suitencharakter – zwischendurch werden die Changes mal angehalten, es gibt Orgelpunkte und Teile, in denen die Gruppe in ein Rubato fällt. Das Kernmotiv des Stückes – wie auch jenes von „The Golden Striker“ und „The Rose Truc“ – ist dem Closer des Albums entnommen, „Three Windows“, in dem Lewis die drei Hauptfiguren des Filmes zu fassen sucht. Dieses Motiv zieht sich so durch den ganzen Soundtrack und gibt ihm gewissermassen eine klangliche Identität – in langsamen und raschem Tempo, in straightem 4/4-Swing und im MJQ-Barock-Groove. Den Abschluss der ersten Hälfte macht dann das groovende „The Rose Truc“, in dem Heath das Thema spielt, von Jackson und dann auch Lewis umspielt. Hinter Jacksons Solo spielt Heath weiterhin solistische Linien, bis Lewis dann auch einsetzt und Heath in einen Wakling wechselt. Kay treibt die Performance mit einem leichten aber doch ziemlich schweren Beat an, fängt irgendwann an, 2 und 4 auf der Snare zu markieren – das ist alles ziemlich plump aber wirkt doch tänzerisch und leicht. Das Outro wirkt dann etwas angepappt, vermutlich aus filmtechnischen Gründen.

    Die zweite Hälfte öffnet mit „Cortege“ (Cortège, verdammt! Ignorantenpack!), Kay setzt auch hier den Triangel exzessiv ein – und doch, das nervt manchmal schon ganz gehörig, klingt einfach nur schrill und überdeckt zu stark, was Jackson und die anderen darunter machen. Lewis meinte zum Stück: „This is my Venice and that isn’t the same, perhaps, as what Raoul Levy [der Produzent] is trying to show in the movie. I love its commedia dell’arte and in my „Fontessa“ gave it musical expression. In seeing a colorful funeral procession on the Grand Canal, however, I can’t help but think of funerals in New Orleans, which are happy as well as sad, and that double image in my mind is undoubtedly reflected in my music“ (aus Gary Kramers Liner Notes, zitiert nach Doug Ramsey). Lewis spielt gegen Ende der über sieben Minuten langen Suite ein tolles Solo, bevor eine Art Begräbnismarsch das Stück beendet. Danach folgt das oben (1957-04-04) schon erwähnte „Venice“, und schliesslich endet die Platte mit „Three Windows“, quasi dem Kernstück – und wohl auch Krönung – des ganzen Albums. Hier fügen sich Swing und Barock perfekt zusammen, das Stück dauert einmal mehr um die sieben Minuten und swingt heftig, die Stimmen und die Rhythmen verzahnen sich aufs schönste. Alles in allem ist das Album in der Tat – gerade für einen Film-Soundtrack – sehr gut gelungen, aber an die besten MJQ-Alben reicht es nicht ganz heran.

    Das Bild oben zeigt die erste EP mit Material vom Soundtrack (Katalog-Nummer 90 M 199, die obige in Pink trägt 90 M 200, 90 M 201 war dann hellgrün, wie es scheint … und die französische LP-Ausgabe dasselbe in hellblau).

    Die beiden mit den Jimmy Giuffre 3 eingespielten Stücke – das zugehörige Cover folgt später – stammen von derselben Session (gemäss den Master-Nummern vom Anfang der Session) und erschienen auf der LP „Third Stream Music“, die das MJQ mit verschiedenen Gästen einspielte. Ich kenne bisher bloss die Tracks mit Giuffre, Hall und Peña, „Da Capo“ und Fine“, als Suite aufgenommen (sie sind mir seit vielen Jahren vom Mosaic-Set von Giuffre vertraut und auch als einzige im Mosaic-Set des MJQ enthalten), der Rest entstand mit anderen Zuzügern bei zwei späteren Sessions (1959-09-23 und 1960-01-15 bei der letzten Session für das MJQ-Album „Pyramid“) und kommt in einem späteren Post an die Reihe.

    „Da Capo“, das erste der beiden Stücke mit Giuffres Trio – sie dauern zusammen knapp 10 Minuten und standen am Anfang der LP – präsentiert zwei Motive, die sich abwechseln. Das Vibraphon spielt nach dem Intro zunächst solo eine tänzerische kleine Figur, Giuffres Klarinette antwortet mit einer nachdenklichen Linie („pastoral“ nennt man das gerne – ich weiss eigentlich nicht, was ich mir darunter vorstellen soll, bei mir wird eher das Wort durch Giuffres Musik gefüllt…), daraus entwickelt sich nicht viel, aber mehr als bei der früheren Begegnung mit Giuffre im Music Inn. Hall stösst dazu, Jackson soliert ein wenig, Lewis begleitet, dann fallen die Saiteninstrumente wieder ein und es entsteht eine Art Groove („rural“ wäre das nächste Wörtchen, ich gebrauche es selbst gern, wenn es um Giuffre geht). „Fine“ ist dann in Rondoform gehalten, das Klavier präsentiert das Motiv, das danach in freier Form von Klarinette, Vibraphon, Gitarre, Bass und Percussion variiert wird (wer hier wann Bass spielt, höre ich nicht – ich glaube, es spielt nur – jeweils? – einer). Man will hier wohl wieder einmal zuviel – und was dabei herauskommt ist hübsch und mehr als beim ersten Treffen mit Giuffre, aber immer noch zuwenig.
     
    Es war übrigens Lewis, der Jim Hall dazu brachte, nach New York zu ziehen – wo er denn da wohnen solle? Na, in der Wohnung von Lewis, der eh nie dort war … Miles Davis lebte anscheinend im gleichen Haus (just down the hall) und irgendwann kriegte Hall diese Zettel von Sonny Rollins im Briefkasten … und stiess schliesslich zu dessen Combo. Seine Westküsten-Credential waren ja bereits eindrücklich: Chico Hamilton Quintet, Jimmy Giuffre 3, Aufnahmen mit Bob Brookmeyer (der kam von Kansas City) und später – neben Rollins und für das damals gemeinsam Label der beiden Leader – auch noch mit Paul Desmond (das ging 1961 los, mit Rollins gab es 1962 die ersten Aufnahmen).
     
    Wo wir hier beim – relative frühen – Third Stream sind: Lewis wirkte im März 1955 massgeblich bei der Entstehung des Verve-Albums „The Modern Jazz Society Presents a Concert of Contemporary Music“ mit, auf dem Lewis, Heath/Kay, sowie die Solisten Lucky Thompson, Tony Scott (noch als Anthony Sciacca), J.J. Johnson, Aaron Sachs und Stan Getz, zudem Gunther Schuller (der Mastermind hinter Third Stream) am Horn, Janet Putnam an der Harfe und zwei klassischen Bläsern (Flöte und Fagott) zu hören sind. Das Album funktioniert für meine Ohren sehr gut und das hat wohl nicht wenig mit Lewis‘ Klavierspiel und seinem Ideenreichtum als Komponist und Arrangeur zu tun – drei Stücke hat Lewis für das Album geschrieben (das oben schon bei der MJQ-Aufnahme erwähnte „Sun Dance“, zudem „Midsömmer“ und „Little David’s Fugue“, zwei ältere Lewis-Stücke („Django“ und „The Queen’s Fancy“) hat Schuller neu arrangiert.

    Im Juni und Oktober 1956 folgten die Aufnahmen für das Columbia-Album „The Birth of Third Stream“, das Musik von Schuller, Lewis, Giuffre und J.J. Johnson enthält. Lewis‘ Beitrag heisst „Three Little Feelings“ und als Solisten an der Trompete und am Flügelhorn (sein Plattendebut auf dem Instrument) hören wir niemand geringeren als Miles Davis (der auf Johnsons „Poem for Brass“ neben Joe Wilder ebenfalls zu hören ist, für Schullers „Symphony for Brass and Percussion“ holte man rasch Dimitri Mitropoulos ins Studio, die anderen Werke dirigierte jeweils Schuller).
     
    Am 12. September 1957 ging Milt Jackson mit einem der grossen Stars von Atlantic ins Studio, Ray Charles – das gemeinsame Album heisst „Soul Brrothers“, Charles greift darauf auch zum Altsaxophon und Jackson spielt neben Vibraphon und Klavier auch mal die Gitarre. Unbedingt hörenswert, ebenso wie ihr zweites Album von 1958. Percy Heath war auch hier wieder mit dabei, ebenso wie Connie Kay, der ja für Atlantic wie erwähnt schon bei vielen R & B-Sessions getrommelt hatte.
     

    1957-10-19 – Opera House, Chicago, IL
    Verve

    Im Jahr 1957 brachte Norman Granz auf seinem Label Verve eine ganze Reihe von Alben heraus, die „At the Opera House“ hiessen und in der Chicago Opera, dem Civic Opera House ebenfalls in Chicago sowie dem Shrine Auditorium in Los Angeles aufgenommen wurden. Die Konzerte liefen wohl unter dem Banner von „Jazz at the Philharmonic“, der Konzertserie, mit der Granz 1944 begann, den Jazz in die grossen Konzertsäle der USA – und später auch Europas – zu bringen, in denen er auf nicht-segregierten Zuschauerräumen bestand – und damit mehr als nur eine Schranke niederriss.

    Das MJQ teilte sich seine Verve-LP „At the Opera House“ mit dem Trio von Oscar Peterson (in dem Ray Brown am Bass zu hören war, der ursprüngliche Bassist der einstigen Gillespie-Rhythmusgruppe). Wir hören vom MJQ nur um die zwölf Minuten, in denen drei kürzere Stücke Platz finden. Nach einer kurzen Bandpräsentation von Norman Granz geht es mit dem „D and E Blues“ los, in dem Jackson und Lewis tolle Blues-Soli spielen – so direkt und gerade heraus ist das ganze Set, vielleicht, so mutmasst Alun Morgan in seinen Liner Notes, habe Lewis die Vibes in Chicago gespürt und sich für einen solchen Auftritt entschieden, nicht einen, in dem „Midsömmer“ oder „Fontessa“ erklingen. Weiter geht es dann mit „Now’s the Time“, in langsamem Tempo – und das kommt gut. Heaths Bass grummelt (die Qualität der Aufnahme zumindest im Avid-Set, in dem ich sie habe, ist sehr mittelprächtig), Kay verschwindet immer wieder fast ganz im Mix – aber das nichts, denn Jackson und Lewis sind einmal mehr in Laune, den Blues zu spielen. Irgendwann gegen Mitte sind auch Bass und Drums ganz gut zu hören, Kay an den Sticks – und das „Ding Ding Ding“ auf dem Ride klingt in der Tat mal wieder grossartig. Den Ausklang macht dann eine schöne Version von Monks Ballade „‚Round Midnight“.

    „D and E Blues“ stammt von der ersten Savoy-Session, „Round Midnight“ von der zweiten, letzteres hatte die Band auch in Newport gespielt, eine Atlantic-Version von „Now’s the Time“ von 1958 ist verloren, es gibt keine weitere vom MJQ.

    Auch diese Aufnahme gab es natürlich im EP-Format – die obige stammt gemäss Discogs aus den Niederlanden.
     

    1957-10-27 – Donaueschingen
    MPS

    Acht Tage nach dem mitgeschnittenen Auftritt aus Chicago trat das MJQ in Donaueschingen auf – Seite 2 der obigen Pausa/MPS-LP präsentiert vier Stücke. Ich kenne die Aufnahme allerdings nicht. Auf der LP sind zu hören: „Three Windows“, „The Golden Striker“, „Cortege“ und „J.B. Blues“ (Joachim [Ernst] Berendt?), auf einem italienischen Bootleg erschienen dieselben Stücke sowie „The Rose Truc“, zusammen mit drei am 19. Januar 1958 in San Remo mitgeschnittenen Stücken („I’ll Remember April“, „A Night In Tunisia“ und „Django“). Das Cover oben ist gemäss Discogs jenes der Japan-Ausgabe – mit dem MJQ auf dem Cover. Die deutsche bzw. die europäischen Ausgaben sahen etwas weniger hübsch aus (klick).
     

    1957-10-28 – NDR Studio, Hannover

    Im Oktober und November 1957 tourte das MJQ wieder in Europa – diesmal sind etwas mehr Aufnahmen vorhanden (ich habe bisher noch nicht nach unveröffentlichtem/zirkulierenden Material gesucht, das auch noch herumschwirrt, bin nicht sicher, ob es das schon von so früh gibt oder erst aus den Sechzigern). Bei Moosicus erschien 2013 als Teil der „NDR 60 Years Jazz Edition“ eine CD mit einer halben Stunde aus Hannover, in der ein Teil des Konzertes im Beethoven-Saal nachgestellt wurde – hübsche Aufmachung, viele Photos, ein ansprechender Text im Booklet (Martin Laurentius – aber ARD-Studioaufnahmen gab es doch schon 1956 beim SDR, siehe oben, oder war der SDR nicht Teil der ARD? Laurentius schreibt, die Aufnahme aus Hannover sie die erste – sie ist klanglich nicht ganz so toll wie jene vom SDR). Aber leider ist die CD schon gar kurz geraten (angesichts der unzähligen Schätze allein aus all den NDR Jazzworkshops schade, dass man nicht noch etwas passendes dazugesellen mochte). Los geht es mit „Vendome“ (auch da fehlt natürlich immer ein Akzent) – nach dem ersten Stück, in dem schön der Kontrast zwischen feinziseliertem und zupackendem Spiel deutlich wird, verknurrt ein grummliger, kaum des Englischen mächtigen Typ Lewis dazu, die gespielten Stücke kurz zu erläutern … Es geht dann mit „Venice“ weiter, dem zauberhaften Tongemälde, das eben in „Sait-on jamais“ in einer Nachtclubszene als Hintergrundmusik lief. Die Ansagen muss Lewis dann ein paar Mal ansetzen, irgendwie witzig, dass man die bei der CD komplett drinliess, eben inkl. Anweisungen des Produzenten. Es gibt hier auch zupackende Stücke wie „All the Things You Are“ und „Bluesology“, daneben ein Balladen-Medley mit Vernon Dukes „Autumn in New York“ und Joe Myrows „Autumn Nocturne“, zum Ausklang dann mit „The Golden Striker“ noch ein Ausschnitt aus dem Soundtrack zu „Sait-on jamais“. Ein schönes kurzes Set, das die ganze Bandbreite der Band dokumentiert (im Gegensatz zu jenem aus Chicago oben).
     

    1957-11-07 – Gürzenich, Köln

    Ein paar Tage später trat das MJQ im Gürzenich in Köln auf, das Konzert erschien 2011 bei Delta in Zusammenarbeit mit WDR/Jazzline in der unverkennbar hässlichen Aufmachung dieser Reihe, die – im Gegensatz zu den Reihen von NDR und SWR weiterhin recht rasch wächst (bei SWR ist noch nicht dichtgemacht worden, wie jüngst die Caterina Valente-CD zeigt, letztes Jahr gab es u.a. eine Mangelsdorff-Doppel-CD, bei NDR kam man über die vier ersten CDs von 2013 leider nicht heraus). Die Laufzeit der CD ist diesmal grosszügig bemessen, die Liner Notes stammen von Karsten Mützelfeldt. Dieser erwähnt, wie das MJQ in Europa sofort Erfolg hatte, während viele in den USA es noch misstrauisch beäugten. Er erwähnt ferner den Auftritt in Baden-Baden 1956 mit Miles Davis und Kurt Edelhagen und die Auftritte mit Davis, Lester Young und Bud Powell. Letzterer war 1956 nicht in seiner besten Verfassung und Mützelfeldt zitiert Dieter Zimmerle (den Gründer/Herausgeber von Jazz Podium): „Wenn es jemandem gelingen konnte, die nach Powells Auftritt spürbare Bedrückung wieder aufzuheben, so waren es die vier Musiker, die danach in des Wortes echtester Bedeutung konzertierten.“ In Europa kam gerade der „anständige“ Charakter, das dufte Erscheinungsbild der Musik wie auch der kontrollierte Charakter ihrer Musik gut an. Doch – das darf man nicht vergessen – waren Lewis‘ Arrangements auch ein Weg aus dem ausgelatschten Trott des Thema-Solo-Solo-Thema-Schemas, das ja heute im Jazz immer noch die Regel ist. Es bot andere Wege, in denen Komposition und Improvisation – manchmal äusserst spontan, wenn Lewis z.B. die Eingangsphrase von Jacksons Solo nutzt, um daraus eine Art Kanon-Begleitung hinter dem Rest des Solos zu gestalten (so zu hören in der Hannoveraner Aufnahme in „Vendome“, dem ersten Stück). Mützelfeldt erwähnt zudem die damals offen geführte Diskussion über die Orte, an denen die Gruppe auftreten wollte. Im Gegensatz zur Tour 1956 bestand Lewis auf kleineren, sonst vor allem der Kammermusik gewidmeten Sälen. Im Gürzenich hatte 1956 das erste Jazzkonzert stattgefunden – mit dem Ensemble von Harald Banter, der auch auf den SDR-Aufnahmen von 1956 zu hören ist (Mützelfeldts Text suggeriert, dass dort ev. das Jahr falsch sein könnte – wenn die Aufnahmen von 1957 sind, dann wäre auch das Statement von Laurentius zur ersten ARD-Aufnahme in Hannover korrekt – keine Ahnung, da müsste man wohl Zugang zu den SWR-Archiven und zu Presseberichten der damaligen Zeit haben, aber aufgrund der Kopien aus dem SWR-Archiv, die ich zu sehen bekam, gehe ich davon aus, dass dort korrekt gearbeitet wird). Das Düsseldorfer Blatt Spätausgabe, so Mützelfeldt weiter, schrieb über Auftritt des Banter-Ensembles: „Jazz gesellschaftsfähig“. Die Dimension des Bürgerschrecks ist bei einer Gruppe wie dem MJQ tatsächlich nicht mehr gegeben (in Berlin wurde das MJQ dafür 1965 dann von der Bühne gebuht), aber das wiederum ist eine Diskussion für sich.

    Die über siebzig Minuten aus dem Gürzenich öffnen mit „The Queen’s Fancy“, weiter geht es mit „Bess, Oh Where’s My Bess“ und danach dem ersten von vier Auszügen aus dem Soundtrack zu „Sait-on jamais“, „Three Windows“. Die anderen Stücke daraus sin „One Never Knows“ und ganz zum Ende der CD „Venice“ und „The Golden Striker“. Dazwischen gibt es „God Rest ‚Ye Merry, Gentlemen“, „Bluesology“, „A Night in Tunisia“, „Fontessa“ (diesmal also doch – das Ding live durchzuziehen ist wohl auch für Musiker dieses Kalibers keine einfache Sache), „Woody’n You“ und „Two Degrees East, Three Degrees West“. Alles in allem ein guter Mix aus Barock (und mehr), Balladen, Blues, aus elaborierten Stücken und zupackenden Swingern. Die Aufnahmequalität ist für einen Live-Mitschnitt sehr gut, vielleicht manchmal etwas basslastig. Das Konzert gefällt mir sehr gut; es liegt ja im Jazz auch bei einer so repertoirelastigen Gruppe wie dem MJQ immer eine rechte Distanz zwischen den Studio-Produktionen, die gerade bei Atlantic wirklich als Alben konzipiert werden, und dem Konzert, in de auf Stimmungen im Saal eingegangen werden kann, der im Vorhinein bestimmte Weg (so es den überhaupt gibt) auch mal verändert werden kann.
     

    1957-11-10 – Jahnhalle, Pforzheim

    Auch in Süddeutschland war das MJQ wieder unterwegs und auf der bereits im Post über die Aufnahmen von 1955/56 erwähnten CD von Jazzhaus finden sich zwei Stücke vom Konzert, das das MJQ damals in der Jahnhalle in Pforzheim gab, „Sun Dance“ und „Cortège“ (für einmal dankenswerterweise mit dem accent grave geschrieben, merci bien). „Sun Dance“ ist einmal mehr super, Jackson soliert, während Lewis begleitet und aus den Riffs gleich sein Solo bildet. In „Cortège“ ist der Triangel da, aber völlig ohne zu übersteuern. Schade gibt es von diesem Auftritt bloss zwei Titel zu hören.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #10280439  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-wind„Sait-on jamais“ ist der Originaltitel des Filmes, für den Regisseur Roger Vadim zeichnete. Den Titel greift Lewis auch mit dem Stück „One Never Knows“ auf, aber die englische Fassung hiess „No Sun in Venice“. Es scheint sich um einen nicht sehr guten späten Noir mit Postkartenansichten aus Venedig zu handeln … Vadim halt – vielleicht kennt @vorgarten ihn und kann ein paar Sätze schreiben?

    da muss ich leider passen, obwohl das im trailer alles ganz hübsch aussieht (und klingt):

    tolle texte, natürlich, ich habe sogar einen neuen versuch gestartet mit FONTESSA, aber es will zwischen mir und dem mjq einfach nicht klicken, ich würde immer gerne entweder das vibrafon oder das klavier rausschmeißen, beides zusammen macht mich wahnsinnig, auch wenn es oft toll arrangiert ist (auch – recht schematisch – bei dem stück im trailer wieder). was ja zeigt, dass ich überhaupt nicht verstanden habe, worum es der band geht.

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    #10280527  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    vorgarten
    tolle texte, natürlich, ich habe sogar einen neuen versuch gestartet mit FONTESSA, aber es will zwischen mir und dem mjq einfach nicht klicken, ich würde immer gerne entweder das vibrafon oder das klavier rausschmeißen, beides zusammen macht mich wahnsinnig, auch wenn es oft toll arrangiert ist (auch – recht schematisch – bei dem stück im trailer wieder). was ja zeigt, dass ich überhaupt nicht verstanden habe, worum es der band geht.

    Ha ha – ich habe oft einen ähnlichen Reflex, v.a. bei Gitarre/Piano-Quartetten … aber das MJQ funktioniert für mich bei dieser neuerlichen Annäherung nach vielen Jahren gerade wirklich prächtig. Ich finde Lewis ja eh einen eindrücklichen Pianisten, ohne dass ich viele Alben hätte … weil er irgendwie besser ist als die Alben, dünkt mich. Als es vor ein paar Jahren diese billigen Euro-Ausgaben einer japanischen WEA/Warner-Reihe gab, waren auch ein paar Sachen von Lewis dabei, nicht nur fraglos tolle Dinge wie „Jazz Abstractions“ und „The Wonderful World of Jazz“ (die ich nach wie vor in einer alten Ausgabe habe – mit Bonustracks v.a. von – ha! – der Quartett-Besetzung mit Jim Hall), sondern auch „The John Lewis Piano“ oder „Improvised Meditations & Excursions“. Die sind zwar schon toll, aber da fehlt dann irgendwie doch wieder was … und klar, ich höre Milt Jackson auch gerne in anderen Settings bzw. greife, wenn ich ihn hören will, eher nicht zu MJQ-Alben sondern zu seinen Aufnahmen mit Lucky Thompson, den Alben mit Cannonball oder Coltrane, den Kosei-Nenkin-Aufnahmen mit Teddy Edwards … (aber auch eher nicht zu den Atlantics aus der gerade erwähnten Euro-Japan-Serie, die da wären: „Bags & Flutes“, „Bags‘ Opus“, „The Ballad Artistry of Milt Jackson“, „Vibrations“ … und um nochmal gegen die Hipster hinter der Impulse 2-on-1-Serie zu zündeln: warum gaben die uns das brave „Statements“ und das überflüssige „Jazz’n’Samba“, statt der 1969er Live-Aufnahmen („That’s The Way It Is“ und „Just The Way It Had To Be“)?

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    #10280533  | PERMALINK

    soulpope
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    gypsy-tail-wind 1957-11-07 – Gürzenich, Köln Ein paar Tage später trat das MJQ im Gürzenich in Köln auf, das Konzert erschien 2011 bei Delta in Zusammenarbeit mit WDR/Jazzline in der unverkennbar hässlichen Aufmachung dieser Reihe, die – im Gegensatz zu den Reihen von NDR und SWR weiterhin recht rasch wächst (bei SWR ist noch nicht dichtgemacht worden, wie jüngst die Caterina Valente-CD zeigt, letztes Jahr gab es u.a. eine Mangelsdorff-Doppel-CD, bei NDR kam man über die vier ersten CDs von 2013 leider nicht heraus). Die Laufzeit der CD ist diesmal grosszügig bemessen, die Liner Notes stammen von Karsten Mützelfeldt. Dieser erwähnt, wie das MJQ in Europa sofort Erfolg hatte, während viele in den USA es noch misstrauisch beäugten. Er erwähnt ferner den Auftritt in Baden-Baden 1956 mit Miles Davis und Kurt Edelhagen und die Auftritte mit Davis, Lester Young und Bud Powell. Letzterer war 1956 nicht in seiner besten Verfassung und Mützelfeldt zitiert Dieter Zimmerle (den Gründer/Herausgeber von Jazz Podium): „Wenn es jemandem gelingen konnte, die nach Powells Auftritt spürbare Bedrückung wieder aufzuheben, so waren es die vier Musiker, die danach in des Wortes echtester Bedeutung konzertierten.“ In Europa kam gerade der „anständige“ Charakter, das dufte Erscheinungsbild der Musik wie auch der kontrollierte Charakter ihrer Musik gut an. Doch – das darf man nicht vergessen – waren Lewis‘ Arrangements auch ein Weg aus dem ausgelatschten Trott des Thema-Solo-Solo-Thema-Schemas, das ja heute im Jazz immer noch die Regel ist. Es bot andere Wege, in denen Komposition und Improvisation – manchmal äusserst spontan, wenn Lewis z.B. die Eingangsphrase von Jacksons Solo nutzt, um daraus eine Art Kanon-Begleitung hinter dem Rest des Solos zu gestalten (so zu hören in der Hannoveraner Aufnahme in „Vendome“, dem ersten Stück). Mützelfeldt erwähnt zudem die damals offen geführte Diskussion über die Orte, an denen die Gruppe auftreten wollte. Im Gegensatz zur Tour 1956 bestand Lewis auf kleineren, sonst vor allem der Kammermusik gewidmeten Sälen. Im Gürzenich hatte 1956 das erste Jazzkonzert stattgefunden – mit dem Ensemble von Harald Banter, der auch auf den SDR-Aufnahmen von 1956 zu hören ist (Mützelfeldt suggeriert, dass dort ev. das Jahr falsch sein könnte – wenn die Aufnahmen von 1957 sind, dann wäre auch das Statement von Laurentius zur ersten ARD-Aufnahme in Hannover korrekt – keine Ahnung, da müsste man wohl Zugang zu den SWR-Archiven und zu Presseberichten der damaligen Zeit haben, aber aufgrund der Kopien aus dem SWR-Archiv, die ich zu sehen bekam, gehe ich davon aus, dass dort korrekt gearbeitet wird). Das Düsseldorfer Blatt Spätausgabe, so Mützelfeldt weiter, schrieb über Auftritt des Banter-Ensembles: „Jazz gesellschaftsfähig“. Die Dimension des Bürgerschrecks ist bei einer Gruppe wie dem MJQ tatsächlich nicht mehr gegeben (in Berlin wurde das MJQ dafür 1965 dann von der Bühne gebuht), aber das wiederum ist eine Diskussion für sich. Die über siebzig Minuten aus dem Gürzenich öffnet mit „The Queen’s Fancy“, weiter geht es mit „Bess, Oh Where’s My Bess“ und danach dem ersten von vier Auszügen aus dem Soundtrack zu „Sait-on jamais“, „Three Windows“. Die anderen Stücke daraus sin „One Never Knows“ und ganz zum Ende der CD „Venice“ und „The Golden Striker“. Dazwischen gibt es „God Rest ‚Ye Merry, Gentlemen“, „Bluesology“, „A Night in Tunisia“, „Fontessa“ (diesmal also doch – das Ding live durchzuziehen ist wohl auch für Musiker dieses Kalibers keine einfache Sache), „Woody’n You“ und „Two Degrees East, Three Degrees West“. Alles in allem ein guter Mix aus Barock (und mehr), Balladen, Blues, aus elaborierten Stücken und zupackenden Swingern. Die Aufnahmequalität ist für einen Live-Mitschnitt sehr gut, vielleicht manchmal etwas basslastig. Das Konzert gefällt mir sehr gut; es liegt ja im Jazz auch bei einer so repertoirelastigen Gruppe wie dem MJQ immer eine recht Distanz zwischen den Studio-Produktionen, die gerade bei Atlantic wirklich als Alben konzipiert werden, und dem Konzert, in de auf Stimmungen im Saal eingegangen werden kann, der im Vorhinein bestimmte Weg (so es den überhaupt gibt) auch mal verändert werden kann ….

    Bin bei Dir, herausragende Aufnahme ….

    --

      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #10280539  | PERMALINK

    soulpope
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    gypsy-tail-wind

    vorgarten tolle texte, natürlich, ich habe sogar einen neuen versuch gestartet mit FONTESSA, aber es will zwischen mir und dem mjq einfach nicht klicken, ich würde immer gerne entweder das vibrafon oder das klavier rausschmeißen, beides zusammen macht mich wahnsinnig, auch wenn es oft toll arrangiert ist (auch – recht schematisch – bei dem stück im trailer wieder). was ja zeigt, dass ich überhaupt nicht verstanden habe, worum es der band geht.

    … und und nochmal gegen die Hipster hinter der Impulse 2-on-1-Serie zu zündeln: warum gaben die uns das brave „Statements“ und das überflüssige „Jazz’n’Samba“, statt der 1969er Live-Aufnahmen („That’s The Way It Is“ und „Just The Way It Had To Be“)?

    Mit einem wunderbaren Teddy Edwards an der Arbeit ….

    --

      "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)
    #10280551  | PERMALINK

    vorgarten

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    gypsy-tail-windHa ha – ich habe oft einen ähnlichen Reflex, v.a. bei Gitarre/Piano-Quartetten … aber das MJQ funktioniert für mich bei dieser neuerlichen Annäherung nach vielen Jahren gerade wirklich prächtig.

    ja, mein altes thema. was mich z.b. immer davon abgehalten hat, wes montgomery zu hören, weil er einfach nichts (oder kaum was?) ohne pianisten eingespielt hat, warum auch immer.

    neutrale nachfrage: warum ist jacksons JAZZ ‚N‘ SAMBA „überflüssig“? (bin ich mal drauf gestoßen, weil es eine der wenigen zusammentreffen von connie kay und tommy flanagan dokumentiert, jazz-eleganz-gipfel, dachte ich, aber da ist natürlich dummerweise noch ein vibrafon dabei, hätte man sich beim leader ja denken können…)

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    #10280569  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    vorgarten

    gypsy-tail-windHa ha – ich habe oft einen ähnlichen Reflex, v.a. bei Gitarre/Piano-Quartetten … aber das MJQ funktioniert für mich bei dieser neuerlichen Annäherung nach vielen Jahren gerade wirklich prächtig.

    ja, mein altes thema. was mich z.b. immer davon abgehalten hat, wes montgomery zu hören, weil er einfach nichts (oder kaum was?) ohne pianisten eingespielt hat, warum auch immer.
    neutrale nachfrage: warum ist jacksons JAZZ ‚N‘ SAMBA „überflüssig“? (bin ich mal drauf gestoßen, weil es eine der wenigen zusammentreffen von connie kay und tommy flanagan dokumentiert, jazz-eleganz-gipfel, dachte ich, aber da ist natürlich dummerweise noch ein vibrafon dabei, hätte man sich beim leader ja denken können…)

    Das war pure Polemik, ich finde beide Alben einfach „hübsch“, und klar, sehr elegant, überflüssig sicherlich nicht, aber auch weit davon entfernt, zu Jacksons besten zu zählen … wohingegen ich mir bei einem Club-Mitschnitt mit Teddy Edwards und Ray Brown, aus der Zeit, als diese Art Jazz längst im schwarzen Loch versunken ist, einiges mehr verspreche.

    Was Montgomery betrifft: das ist natürlich sehr schade. Er wird nie mein Lieblingsgitarrist sein, aber viele seiner Alben sind schon ziemlich toll. Du könntest ja mal nach dem Orgeltrio mit Mel Rhyne suchen („Boss Guitar“, „Portrait of Wes“ und „Guitar on the Go“ – daraus fehlen übrigens in der „kompletten“ Riverside-Box ein paar Stücke, Orrin Keepnews at his best halt, wieder mal).

    --

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    #10280617  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    The Modern Jazz Quartet 1958 – Sommer mit Sonny im Music Inn
     
    Im Januar 1958 wurde das MJQ wie schon erwähnt in San Remo mitgeschnitten, im April nahm Jackson sein zweites Album mit Ray Charles auf (Percy Heath mit dabei), vom Juni gibt es dann TV-Aufnahmen des MJQ (KABC-TV, Stars Of Jazz #101), die ich leider ebensowenig wie die San Remo-Aufnahme kenne. Im August fand das MJQ sich dann zum dritten mal im Music Inn in Lenox ein, und die Toningenieure von Atlantic waren einmal mehr dabei.
     

    1958-08-03 – Music Inn, Lenox, MA
    1958-08-31 – Music Inn, Lenox, MA

    Atlantic

    Wie beim „Modern Jazz Quartet“-Album vom Vorjahr standen Stücke auf dem Programm, die bei den vielen Konzerten der vergangenen Monate vertraut geworden waren. Los geht es mit einem Medley aus „Stardust“, „I Can’t Get Started“ und „Lover Man“, in dem Milt Jackson solistisch im Zentrum steht, während Lewis einmal mehr tolle Begleitungen spielt und vermutlich für die gelungenen Überleitungen zwischen den Stücken verantwortlich zeichnet. Jackson beweist einmal mehr, was für ein toller Balladenkünstler er war. Weiter geht es mit einem der liedhaftesten Stücke Charlie Parkers, „Yardbird Suite“, das Thema präsentiert das Quartett zunächst gewissermassen pointillistisch im Wechsel, dann kriegt Jackson ein paar Takte Stoptime (ohne Bass, mit durchlaufenden Becken von Kay), bevor die ganze Band einsetzt und schliesslich Lewis übernimmt und eins seiner typisch sparsamen Soli spielt. Es folgt „Midsömmer“, auch einst für das Third Stream-Album „The Modern Jazz Society Presents“ arrangiert und bereits beim TV-Auftritt gespielt. Auf dem zweiten Music Inn-Album findet sich die offizielle Premiere des Stückes in der MJQ-Fassung. Das Stück ist vom Arrangement her recht sparsam, lässt im langsamen Tempo viel Raum für stimmungsvolle Beiträge von Jackson und Lewis, Heath/Kay sind dabei exzellent, wobei die Arbeit von Rhythmusgruppen ja gerade bei Balladen nicht besonders oft auffällt (und die Atlantic-Crew hat allmählich auch den Triangel aufnahmetechnisch etwas besser im Griff … noch nicht gut, aber besser – befremdlich, das). Die Rhythmusgruppe ist auch im folgenden, schnelleren „Festival Sketch“ wieder toll, einem etwas zerklüfteten Thema, in dem Bebop-Versatzstücke auf Blues-Klischees und Barock-Phrasen stossen und in dem Jackson einmal mehr glänzt.

    Die letzten beiden Titel sind zusammen über eine Viertelstunde lang und präsentieren den auf dem Cover angekündigten Gast. Bei der Fülle an herausragenden Alben, die dieser in den Fünfzigern und frühen Sechzigern eingespielt hat, blieb dieses Album bei mir stets aussen vor, ich höre es heute zum allerersten Mal (wie andere aus der Mosaic-Box, die noch nicht so lange im Regal steht – von den 13 1/3 Alben hatte ich davor bloss vier oder fünf). Tenorsaxophonist Sonny Rollins stiess für ein Konzert im Music Inn zur Gruppe – zum ersten Mal seit der gemeinsamen Prestige-Session fünf Jahre zuvor. Doug Ramsey berichtet in den Liner Notes zur Mosaic-Box über ein Gespräch mit Rollins von 2011:

    Doug Ramsey
    When I quote Gunther Schuller’s observation that „Sonny was in one of his more whimsical and sardonic moods that night,“ Rollins laughed at length. „Well, that’s great,“ he told me, still chuckling. „I haven’t heard that records in years and years. I usually shrink when I hear my own recordings, but I remember that the last time I heard it I didn’t shrink so much.

    „When Milt first came to New York, we played at Minton’s Playhouse. We hung out a lot. I knew Percy maybe even a little better than the others, we played together so much, and I was close fiends with Connie Kay. I heard John with Charlie Parker and he accompanied Lester Young, so that’s when I became aware of his soloing. And he’s a great writer. It was great fun just to be playing with musicians of that caliber,“ he said. „Considering the success that they’d been having around that period, it was a real boon for them to ask me to do something with them.“

    Das Zitat von Schuller stammt wohl aus den Liner Notes zum Album, die Ramsey dann auch noch ausführlich zitiert:

    Gunther Schuller
    On both tracks, we hear [Rollins] fooling around with little motives, toying with them and his instrument–almost as a cit will with a mouse–spoofing and kidding, at time facetious and at others pleasantly jocose. Sonny’s unwavering insistence on being funny produces very interesting by-play of reactions in the Quartet. Milt and Connie buckle down to some real, and great swinging–Milt especially in his own BAGS‘ GROOVE and Connie in A NIGHT IN TUNISIA. Percy occasionally joins the fun, as in BAGS‘ GROOVE, where he plays, for instance, a typical ‚ooom-pah‘ bass line which could be, except for its funky swing, straight out of some hotel band.

    […]

    John’s reactions are more complex. In BAGS‘ GROOVE, when Rollins enters with humorously disjointed parodies of Milt’s theme, John prods him soberly with beautiful understated chords. After three choruses he realizes that Rollins will not be swayed, and ‚joins in‘ with little discordant semi-tome ‚bleeps,‘ which he later develops into a relentlessly building, insinuating rhythmic figure, which Sonny finally can no longer resist. He almost becomes serious for a few choruses, only to return eventually to the prevailing punning mood.“

    Der Moment in „Bags‘ Groove“, in dem Lewis seine Begleitung quasi auf Anfang zurücksetzt, ist wirklich toll – hier kriegt man die Kommunikationsform Jazz vorgeführt – selbst in einem Standard-Blues, den alle einfach runterleiern könnten, bleibt nichts ohne Folge, ohne Reaktion, und die Reaktion führt dann unter Umständen zu einer Art Rückkoppelung. Rollins leiert hier wohl auch irgendwie ziemlich, man kann das „sardonic“ nennen und gut finden, aber kohärent ist hier wohl eher die Gesamtperformance, nicht sein Solo, das mehr schlecht als recht funktioniert. Jackson legte davor schon mit einem seiner tollen Blues-Soli vor, Lewis folgt und setzt einmal mehr ganz unten an, spielt sparsam, greift nun seinerseits das Lick aus dem Thema auf und variiert es – aber er wäre nicht John Lewis, käme dabei nicht ein Muster an Kohärenz heraus.

    „A Night in Tunisia“ ist schneller und etwas kürzer, das Thema wird von Milt Jackson präsentiert, Rollins gesellt sich zur Begleitung und teilt sich das Interlude so halbwegs mit Jackson und hebt dann im Break zum ersten Solo an. Rollins‘ Solo finde auch hier nicht gerade überragend, aber allein sein Ton und seine Phrasierung, dieses „in Stein gemeisselte“ – das beeindruckt mich eigentlich immer. Jackson folgt, Kay kickt hier in der Tat ziemlich. Das ganze ist halt – wie so oft, wenn jemand in den ziemlich hermetischen MJQ-Raum vordringt – eher ein lockerer Jam, doch auf hohem Niveau.
     

    1958-10 – SWF Studio, Baden-Baden

    Auf der CD mit Aufnahmen des SWF und des SDR finden sich zum Abschluss drei Titel, die im Oktober 1958 im Studio eingespielt wurden – die zwei Standards „I Can’t Get Started“ und „Tenderly“ sowie „J.B. Blues“, natürlich Joachim-Ernst Berendt gewidmet. Berendt war es, der Jackson um ein Solo bat, dabei Coleman Hawkins‘ „Picasso“ erwähnend, wie Karl Lippegaus in seinem kurzen Begleittext schreibt. „I Can’t Get Started“ gehört hier zunächst Lewis, der es solo vorstellt, bevor Jackson und die Rhythmusgruppe einsetzen. Jackson setzt gleich zum Solo an, es entspinnt sich ein Dialog mit Lewis und nach drei Minuten ist das leider auch schon wieder vorbei. Es folgt, auch wieder drei Minuten kurz, Jacksons sehr schöne Solo-Version von „Tenderly“. Den Abschluss macht dann der funky „J.B. Blues“, der mit gut fünf Minuten etwas mehr Raum bietet. Nach einem Piano-Intro ist es auch Lewis, der sein Thema präsentiert. Jackson spielt dann das erste Solo, doch auch solistisch bleibt Lewis hier mit einem grossartigen Beitrag der Star.
     
    Im September nahm Milt Jackson für Atlantic ein gutes Album mit Coleman Hawkins auf, „Bean Bags“ – mit Connie Kay am Schlagzeug. Im Oktober stand er mit Cannonball Adderley im Studio und ihr gemeinsames Album „Things Are Getting Better“ zählt meines Erachtens zu den Höhepunkten von beider Diskographie. Mit Wynton Kelly, Percy Heath und Art Blakey ist die Band rundum exzellent besetzt. Ein weiterer Glanzpunkt in Jacksons Disographie entstand nach Weihnachten noch, „Bags‘ Opus“ für United Artists, mit Benny Golson, Art Farmer, Tommy Flanagan (der schon auf dem Album mit Hawkins dabei war), Paul Chambers und Connie Kay. Im Januar 1959 folgten die Aufnahmen für „Bags and Trane“, das Album mit John Coltrane (mit Hank Jones, Chambers und Kay) … doch zum Jahr 1959 dann im nächsten Post, nach einer vermutlich längeren Pause.

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    soulpope
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    soulpope

    gypsy-tail-wind

    vorgarten tolle texte, natürlich, ich habe sogar einen neuen versuch gestartet mit FONTESSA, aber es will zwischen mir und dem mjq einfach nicht klicken, ich würde immer gerne entweder das vibrafon oder das klavier rausschmeißen, beides zusammen macht mich wahnsinnig, auch wenn es oft toll arrangiert ist (auch – recht schematisch – bei dem stück im trailer wieder). was ja zeigt, dass ich überhaupt nicht verstanden habe, worum es der band geht.

    … und und nochmal gegen die Hipster hinter der Impulse 2-on-1-Serie zu zündeln: warum gaben die uns das brave „Statements“ und das überflüssige „Jazz’n’Samba“, statt der 1969er Live-Aufnahmen („That’s The Way It Is“ und „Just The Way It Had To Be“)?

    Mit einem wunderbaren Teddy Edwards an der Arbeit ….

    Übrigens ist „That’s The Way It Is“ (noch) via Japan erhältlich …. :

    http://www.cdjapan.co.jp/product/UCCU-5636

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    gypsy-tail-wind
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    soulpope
    Übrigens ist „That’s The Way It Is“ (noch) via Japan erhältlich …. :
    http://www.cdjapan.co.jp/product/UCCU-5636

    Okay Du Schuft … gerade mit Blomstedt/Bruckner, Jack Wilson, „European Encounter“ und mehr Bags bestellt :bye:

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