Antwort auf: The Modern Jazz Quartet

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soulpope
"Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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gypsy-tail-wind 1957-11-07 – Gürzenich, Köln Ein paar Tage später trat das MJQ im Gürzenich in Köln auf, das Konzert erschien 2011 bei Delta in Zusammenarbeit mit WDR/Jazzline in der unverkennbar hässlichen Aufmachung dieser Reihe, die – im Gegensatz zu den Reihen von NDR und SWR weiterhin recht rasch wächst (bei SWR ist noch nicht dichtgemacht worden, wie jüngst die Caterina Valente-CD zeigt, letztes Jahr gab es u.a. eine Mangelsdorff-Doppel-CD, bei NDR kam man über die vier ersten CDs von 2013 leider nicht heraus). Die Laufzeit der CD ist diesmal grosszügig bemessen, die Liner Notes stammen von Karsten Mützelfeldt. Dieser erwähnt, wie das MJQ in Europa sofort Erfolg hatte, während viele in den USA es noch misstrauisch beäugten. Er erwähnt ferner den Auftritt in Baden-Baden 1956 mit Miles Davis und Kurt Edelhagen und die Auftritte mit Davis, Lester Young und Bud Powell. Letzterer war 1956 nicht in seiner besten Verfassung und Mützelfeldt zitiert Dieter Zimmerle (den Gründer/Herausgeber von Jazz Podium): „Wenn es jemandem gelingen konnte, die nach Powells Auftritt spürbare Bedrückung wieder aufzuheben, so waren es die vier Musiker, die danach in des Wortes echtester Bedeutung konzertierten.“ In Europa kam gerade der „anständige“ Charakter, das dufte Erscheinungsbild der Musik wie auch der kontrollierte Charakter ihrer Musik gut an. Doch – das darf man nicht vergessen – waren Lewis‘ Arrangements auch ein Weg aus dem ausgelatschten Trott des Thema-Solo-Solo-Thema-Schemas, das ja heute im Jazz immer noch die Regel ist. Es bot andere Wege, in denen Komposition und Improvisation – manchmal äusserst spontan, wenn Lewis z.B. die Eingangsphrase von Jacksons Solo nutzt, um daraus eine Art Kanon-Begleitung hinter dem Rest des Solos zu gestalten (so zu hören in der Hannoveraner Aufnahme in „Vendome“, dem ersten Stück). Mützelfeldt erwähnt zudem die damals offen geführte Diskussion über die Orte, an denen die Gruppe auftreten wollte. Im Gegensatz zur Tour 1956 bestand Lewis auf kleineren, sonst vor allem der Kammermusik gewidmeten Sälen. Im Gürzenich hatte 1956 das erste Jazzkonzert stattgefunden – mit dem Ensemble von Harald Banter, der auch auf den SDR-Aufnahmen von 1956 zu hören ist (Mützelfeldt suggeriert, dass dort ev. das Jahr falsch sein könnte – wenn die Aufnahmen von 1957 sind, dann wäre auch das Statement von Laurentius zur ersten ARD-Aufnahme in Hannover korrekt – keine Ahnung, da müsste man wohl Zugang zu den SWR-Archiven und zu Presseberichten der damaligen Zeit haben, aber aufgrund der Kopien aus dem SWR-Archiv, die ich zu sehen bekam, gehe ich davon aus, dass dort korrekt gearbeitet wird). Das Düsseldorfer Blatt Spätausgabe, so Mützelfeldt weiter, schrieb über Auftritt des Banter-Ensembles: „Jazz gesellschaftsfähig“. Die Dimension des Bürgerschrecks ist bei einer Gruppe wie dem MJQ tatsächlich nicht mehr gegeben (in Berlin wurde das MJQ dafür 1965 dann von der Bühne gebuht), aber das wiederum ist eine Diskussion für sich. Die über siebzig Minuten aus dem Gürzenich öffnet mit „The Queen’s Fancy“, weiter geht es mit „Bess, Oh Where’s My Bess“ und danach dem ersten von vier Auszügen aus dem Soundtrack zu „Sait-on jamais“, „Three Windows“. Die anderen Stücke daraus sin „One Never Knows“ und ganz zum Ende der CD „Venice“ und „The Golden Striker“. Dazwischen gibt es „God Rest ‚Ye Merry, Gentlemen“, „Bluesology“, „A Night in Tunisia“, „Fontessa“ (diesmal also doch – das Ding live durchzuziehen ist wohl auch für Musiker dieses Kalibers keine einfache Sache), „Woody’n You“ und „Two Degrees East, Three Degrees West“. Alles in allem ein guter Mix aus Barock (und mehr), Balladen, Blues, aus elaborierten Stücken und zupackenden Swingern. Die Aufnahmequalität ist für einen Live-Mitschnitt sehr gut, vielleicht manchmal etwas basslastig. Das Konzert gefällt mir sehr gut; es liegt ja im Jazz auch bei einer so repertoirelastigen Gruppe wie dem MJQ immer eine recht Distanz zwischen den Studio-Produktionen, die gerade bei Atlantic wirklich als Alben konzipiert werden, und dem Konzert, in de auf Stimmungen im Saal eingegangen werden kann, der im Vorhinein bestimmte Weg (so es den überhaupt gibt) auch mal verändert werden kann ….

Bin bei Dir, herausragende Aufnahme ….

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  "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)