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Fef.. Coleman (trotz des Jazz-Business, das mit ihm nichts anfangen kann) …
wer kriegt aus deiner Sicht die Lorbeeren, die Coleman verdient hat? (Post 23 hier behauptet zB, dass Coleman der eine Jazzer der Gegenwart ist, für den sich noch wer interessiert, prognostiziert, dass Steve Lehman ihn irgendwann ablösen wird… halt ich auch für überzogen… aber die Jahre, in denen eine breite Masse an Wynton M geglaubt hat, scheinen mir auch ganz klar vorbeizusein… am Rande: so ein thread hätte sich hier im Forum wohl ganz anders entwickelt…)
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WerbungDanke für Deinen schönen Post von heute morgen, Fef – und entschuldige, dass ich den so aggressiv aus Dir rausgekitzelt hab! Aber ich dachte mir doch, wir könnten hier durchaus ein wenig diskutieren, und so wird das auch was!
Den Parker-Text von Coleman hab ich noch nicht gelesen, werd ich nachholen!
In Unkenntnis dessen, was Coleman über ihn schreibt glaube ich jedenfalls auch, dass man Parker (fast) ohne theoretischen Ballast verstehen kann, als „natural“, der ganz starke Wurzeln im Blues hatte (und in der Musik aus Kansas City sowie der Musik von Lester Young).
Wenn man mal ein paar Transkriptionen seiner Soli angesehen oder gar zu spielen versucht hat, dann merkt man auch, dass er bei aller Virtuosität durchaus auch gewisse „Licks“ oder halt Eigenheiten oder Marotten hatte, die im ganzen Werk immer wieder auftauchen.Zur Frage in Post #31: gibt’s denn heute jenseits von Norah Jones, Jamie Cullum, Diana Krall, Chris Botti oder Till Brönner überhaupt noch ein „jazz business“? Wie redbeans sehe ich es auch so, dass die grossen Zeiten der Marsalis’schen Macht vorbei sind, wenn auch das Lincoln Center nach wie vor aktiv mitmischt – aber eben ohne dieses enorme Medien-Echo. Daneben sehe ich sonst nur noch den grossen Festival-Zirkus als eine Art Macht, da spielen dann Leute wie Chick Corea, John McLaughlin, Billy Cobham, Herbie Hancock etc mit (also so in etwa all der langweilige Kram, den man am Montreux Jazz [sic!] Festival der letzten Jahre hören konnte, an den zwei, drei Tagen, in denen noch „Jazz“ programmiert worden war.
Und noch was, Fef: kannst Du uns in Kürze erläutern, weshalb Coleman das „Jazz“-Etikett ablehnt? Das ist ja keineswegs was neues, das haben z.B. Mingus und Rahsaan auch gemacht oder auch die Free Jazzer teilweise (als Alternative gab’s z.B. „Great Black Music“ – was natürlich auch wieder ein beschränktes und die Realitäten verfälschendes Etikett war).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy tail wind
Und noch was, Fef: kannst Du uns in Kürze erläutern, weshalb Coleman das „Jazz“-Etikett ablehnt? Das ist ja keineswegs was neues, das haben z.B. Mingus und Rahsaan auch gemacht oder auch die Free Jazzer teilweise (als Alternative gab’s z.B. „Great Black Music“ – was natürlich auch wieder ein beschränktes und die Realitäten verfälschendes Etikett war).das wär mal eine schöne Liste, Jazzmusiker, die ihre Musik anders nennen, und wie (mir fällt spontan grad nur Yusef Lateef – Autophysio-Psychic Music ein)
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.Ja, ich sehe Ornette Colemans Stärke auch in dieser unkonventionellen, irgendwie „freien“, sehr kreativen, in positivem Sinn „naiven“, ursprünglichen Herangehensweise. Sie war wohl erfrischend gegenüber den eher weniger kreativen Konventionen, die aus Parkers Musik als „Bebop“-Stil abgeleitet wurden. Aber bei Parker war das alles komplett frisch. Er war in der Lage, eine wahnsinnig dichte, bis ins kleinste Detail fabelhaft gestaltete Musik hervorzubringen – natürlich mit einer Menge internalisierten Phrasen, die er aber total kreativ einsetzte. Offenbar setzt Steve Coleman da an: Er spricht viel von „Struktur“. Es scheint um ein spontanes Spiel mit äußerst komplexen Strukturen (rhythmisch, harmonisch, melodisch) zu gehen, das aber wirklich im Feeling funktionieren muss. So verstehe ich es.
In meinen Augen geht diese Sichtweise in eine andere Richtung als die doch ziemlich von den Ideen des Free-Jazz geprägte Jazz-Auffassung der vorhergehenden Jahrzehnte. Ich sehe darin eine neue Linie, die eigentlich eine alte fortsetzt.
Folgende Aussagen Colemans im Zusammenhang mit Dave Holland und Coltrane finde ich dafür bezeichnend: http://www.jazzseite.at/Zur_Musik_von_Steve_Coleman/text_I06.html#I0604Ob man in diesem extrem gesteigerten Spiel mit Strukturen einen speziellen Wert sieht, ist natürlich Auffassungssache. Manchmal kann ich einem schlichten Song mehr abgewinnen, z.B. stehe ich auf diese alten Jug-Bands (Gus Cannon), Frank Stokes usw.. Aber oft faszinieren mich die dichten, extrem gewandten Sachen schon sehr und ich denke, es gibt in den verschiedensten Musikkulturen der Welt eine besondere Wertschätzung für reich strukturierte Musik – für Beethoven, klassische indische Musik, westafrikanische Trommelmusik usw.. Aber es muss natürlich weniger komplexe Musik keineswegs zwangsläufig weniger wertvoll sein … das ist wohl so eine zwiespältige Sache … Für mich ist auch entscheidend, worin das Kunstvolle einer komplexen Musik liegt. Ich mag gute Grooves, Bewegung, Gewandtheit usw..
Coleman über das Schlagzeug-Solo von Max Roach in Klact-oveseds-tene:
„Max Roach was a king of structure … http://www.jazzseite.at/zuForum/SC-Max.mp3Ein cooles Schlagzeugsolo von Marvin „Smitty“ Smith:
http://www.jazzseite.at/zuForum/04%20Piste%2004.mp3Die erste Coleman-CD, die mich schwer beeindruckt hat, war „Rhythm People“ (1990), wobei ich bei ihr meistens mit dem 2. Stück beginne.
Sehr gern hörte ich immer die „Transmigration“ (1991) von „Strata Institute“, am liebsten das letzte Stück „Thebes“.
Die „Deff Trance Beat“-CD (1994) finde ich sehr ausgeglichen, „rund“, von Anfang bis Ende.
Die „Opening of the Way“ (1997) ist relativ hart und mitunter etwas düster, aber die Kombination von Conga-Spieler Angá und Schlagzeuger Rickman hatte es mir angetan.
Ravi Coltrane sagte, Coleman sei live am besten. Daran ist gewiss Wahres: „Resistance is Futile“ (2001) geht echt ab.
Auf der „Alternate Dimension Series I“ (2002) spricht mich das Zusammenspiel von Coleman mit dem Trompeter Jonathan Finlayson besonders an, aber auch die Rhythmusgruppe mit 2 Bässen, Conga, Schlagzeug und Clave.
Auf den beiden „Weaving Symbolics“-CDs (2004/5) gefallen mir nicht alle Stücke, aber viele. Sie sind zum Teil ziemlich avanciert, aber ein „Hit“ ist z.B. „Triad Mutation“: http://www.myspace.com/taoofmadphat (eventuell muss man ein bisschen warten!) – Die beiden anderen Stücke, die es da zu hören gibt, sind auch von diesem Album und ich mag sie auch sehr, obwohl sie schon echt „sophisticated“ sind.
Die neue CD präsentiert meines Erachtens sehr gut Colemans Musik der letzten Jahre – ein wenig eine Art „Alterswerk“ (53 ist er).--
Ja, Ornette hat genau wieder diese natürliche Frische (und auch eine ähnliche starke Verwurzelung im Blues) wie Parker!
Das Interview mit Coleman werd ich auch gerne lesen – aber das ist viel Lese-Stoff (werd mir das Interview allerdings eher in der Originalversion lesen).
Vielleicht schaff ich es ja irgendwann mal, mich etwas tiefer mit M-Base und all diesen Dingen zu befassen, ein gewisses Interesse besteht durchaus. Was mich an Colemans Musik halt einfach nicht so anspricht (mal jenseits von der ganze Komplexitätsgeschichte – die ist eher zwiespältig für mich als dass sie mich abstossen würde) ist der häufige Einbezug von Sängerinnen und Rappern. Kann gut sein, dass ich ihn viel besser kennen würde und auch ein paar CDs besitzen würde, wenn das anders wär… aber das ist natürlich mein Problem, nicht das von Coleman!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaQuellen: http://jazztimes.com/articles/26044-steve-coleman-vital-information
http://online.wsj.com/article/SB10001424052748703302604575294532527380178.html
http://www.jjajazzawards.org/p/2010-nominees.html„Jazz“:
– „…ich weigere mich zu akzeptieren, dass „Jazz“ existiert. „Jazz“ ist für mich der nicht-so-kreative Teil, auf den sich die meisten Leute beziehen, wenn sie manche Formen aus der Vergangenheit hören. Ich weiß nicht, ob ich mich klar ausdrücke, aber ich habe die Musik von Leuten wie Duke Ellington, Don Byas, Charlie Parker, Art Tatum, John Coltrane, Muhal Richard Abrams, Henry Threadgill usw. … diese kreative Tradition nie als „Jazz“ angesehen. Es ist mir egal, wie es andere nennen und ich schenk sogar dem, wie diese Leute (d.h. die Musiker) es nennen, keine große Beachtung. Ich sag Dir einfach meine ehrliche Meinung dazu.“ http://www.jazzseite.at/Zur_Musik_von_Steve_Coleman/text_I08.html
– Trane konnte aber nicht das Denkmuster ändern, das besagt: „Du bezahlst dein Geld, gehst in den Club, trinkst ein wenig Wein und genießt ein wenig Jazz.“ Wenn Leute hingingen, um Hank Mobley und Sonny Stitt zu sehen, dann ist es das, was sie bekamen. Sie hatten eine Vorstellung davon, was Jazz sein sollte. Sie sahen ins Downbeat oder Metronome und lasen: „Dieser Typ ist ein Top Jazz-Künstler, der in den Umfragen hoch rangiert. Schau, da gibt es John Coltrane, lasst uns hingehen, um ihn zu sehen.“ Und dann gehen sie hin, um ihn zu sehen, und sie sehen einen Typen, der sich auf die Brust schlägt und „Om“ ausruft, und da ist noch ein Typ, der auf seinem Saxofon kreischt, und sie denken: „Was zum Teufel soll das sein? Was geschah mit dem Finger-schnippenden Zeug, das ich liebte?“ http://www.jazzseite.at/Zur_Musik_von_Steve_Coleman/text_I19.html
– … ich mag Begriffe wie „Jazz“ nicht, denn sie bedeuten für mich nicht viel. Die Leute haben vorgefasste Meinungen davon, was das ist, und wenn man dann passt oder nicht passt, dann kommt ihnen vor, dass sie sagen können: „Oh, das ist nicht die Art, wie Jazz gespielt werden sollte“, oder man spiele keinen Jazz. http://www.jazzseite.at/Zur_Musik_von_Steve_Coleman/text_I05.html--
Die Rapper gefallen mir auch nur selten und wenn, dann Kokayi. Coleman sieht darin anscheinend ein gewisses Ausbalancieren zu seiner Sophistication, ein Element aus der „Volksmusik“, Straßenmusik, eine Art Blues – als Gegengewicht. Mir gefällt es besser, wenn das Ausbalancieren durch die Groove-Elemente seiner Band selbst passiert. (Die Sängerin, Jen Shyu, schätze ich sehr.)
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Also ein „Bauch“-Element, das er selbst instrumental (mit seinen Bands/Kompositionen/Arrangements) nicht hinkriegen kann/will?
Mir scheint das eben auch nicht organisch zu sein – wenn das ganze aber eine Art Kompensation ist, dann spricht das für mich sehr gegen dieses „Konzept“!
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Mir scheint das eben auch nicht organisch zu sein – wenn das ganze aber eine Art Kompensation ist, dann spricht das für mich sehr gegen dieses „Konzept“!
naja, streng genommen, wenn man Funk-Elemente als Hilfeschrei deutet, dann muss man auch an jedem Bossanova… herumkritteln… Rhythm People war eine meiner ersten CDs (so 1995?) hat mich damals enorm beeindruckt (Neutral Zone ist mein Lieblingsstück)… aber mittlerweile höre ich das drumherum auch mehr als ein Korsett… ob die Sache mit dem „intellektuellen Zugang“ Coleman wirklich gerecht wird (was ich oben schrieb) bezweifel ich doch ein bißchen… aber es ist kaum zu leugnen, dass diese Leute bewusster mit der Jazzgeschichte gearbeitet haben als die Generationen vor Ihnen, sich ein gutes Stück ihren Platz darin ausgesucht haben… klingt erstmal super… aber bei Coleman hab ich das Gefühl, es hat ihn auch belastet… viele Konzepte sind super, aber zu ambitioniert… die Rapper find ich teilweise echt nervig (mein zweites Album war Tale of Three Cities – glaub es gibt kein einziges Solo darauf… danach war die Coleman Euphorie erstmal verflogen, damals, war mir für mein knappes Budget zu riskant); was man fairerweisew aber auch sagen muss, ist, dass es ganze ALben ohne Rap und Gesang gibt… Transmigration etwa…
eine Threadumbenennung würd ich auch befürworten, „Steve Coleman“, „Steve Coleman und M-Base“ …(Fef, falls du das auch willst, sag „ja“, wir müssten dann einem mod Bescheid sagen…)
Colemans Sprüche über „Jazz“ find ich nicht so richtig überzeugend, dazu später mehr
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.redbeansandricenaja, streng genommen, wenn man Funk-Elemente als Hilfeschrei deutet, dann muss man auch an jedem Bossanova… herumkritteln…
Nein, denn die guten Sachen gehen halt eher in die „Cool“-Schiene, d.h. das übliche Bild von der Flamme, die dort, wo sie weiss oder blau aussieht (wie eben Bossa… oder Miles) in Wirklichkeit heisser brennt als dort, wo sie gelb oder rot ist, dieses Bild passt dann… und es gibt ja bei den Bossa-Sachen (ich kenn mich auch nur wenig aus) auch keine solchen bewusst reingebrachten „fremden“ Elemente, die den Charakter der Musik prägend ändern sollen.
Das mit der bewussten Positionierung in der Jazz-Geschichte ist allerdings in der Tat grundsätzlich mal ein positiver Punkt. Man liest ja oft genug in Interviews mit Musikern, dass die kaum mehr als ein Halb-Wissen über die Geschichte „ihrer“ Musik besitzen – das find ich immer wieder bedauerlich. Klar muss man nicht alles kennen und sich mit allem auseinandergesetzt haben — das kann dann ja die eigene Kreativität auch einengen, dieses Risiko sehe ich durchaus – aber ich finde halt schon, dass man offen sein sollte und in alle möglichen Richtungen (innerhalb und ausserhalb dessen, was wir „Jazz“ nennen) gehen soll mit einer Offenheit und Neugierde. Und das Risiko, dass das dann die eigene Kreativität einschränkt… das gehört doch zu jeder halbwegs intellektuellen Betätigung dazu. Sonst muss man halt ins Musikantenstadl oder aufs Traumschiff
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ah, ich meinte jetzt einen Bossanova auf einem Dexter Gordon oder Hank Mobley Album, nicht das Original (über das man in diesem Zusammenhang aber natürlich auch reden könnte)…
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.redbeansandriceah, ich meinte jetzt einen Bossanova auf einem Dexter Gordon oder Hank Mobley Album, nicht das Original (über das man in diesem Zusammenhang aber natürlich auch reden könnte)…
Verstehe – ja, da sähe ich das eher… aber ich mag’s ja doch ganz gerne, zumindest bei Gordon, bei Mobley find ich’s eher überflüssig.
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Für mich hat Colemans Musik sehr viel „Bauchelement“ und „cool“ ist so eine Sache: Er ist insofern eher „cool“, als er weniger auf expressive Klangfarben setzt (völlig im Gegensatz zu den Free-Jazzern). Allerdings: Wenn man z.B. das 1. Stück der neuen CD hört, dann kommt da einem schon eine ordentliche Wucht an Sound entgegen. In jungen Jahren wirkte seine Musik gewiss wesentlich cooler. Aber auch damals spielte er durchaus auch mit schneidendem Ton, z.B. im Laufe des folgenden Stückes: http://www.m-base.org/rhythm_people_mp3_files/aint_goin_out.mp3
Ich sehe den schwierigen Punkt darin, dass Coleman zunächst einmal ganz stark auf der rhythmischen Ebene innovativ war, und für die Rhythmik haben wir wenig Background. Er hat sich bereits in jungen Jahren mit westafrikanischer Musik beschäftigt und von daher kommt meines Erachtens etwas, mit dem Chano Pozo Dizzy Gillespie faszinierte: Das Übereinanderlegen von Patterns (Multi-Rhythmus statt dem Mono-Rhythmus des Jazz, sagte Gillespie, Autobiographie). Ich sehe es so, dass der traditionelle Jazz-Rhythmus eher ein vielfältiges Durchbrechen eines geradlinigen Beats ist – bis zur völligen Auflösung. Eine andere Methode, rhythmische Dichte herzustellen, ist in meinen Augen das Übereinanderlegen ziemlich konstanter, sich reibender Patterns. Das macht ja Coleman – allerdings in sehr eigener Art: mit oft ausgesprochen „ungeraden“ Zyklen, während die afrikanischen angeblich meistens auf 2 und 3 beruhen. Ich denke, dass diese verschiedenen übereinandergelagerten „ungeraden“ Rhythmen für den Jazz deshalb bedeutend sind, weil sie eine gewisse Indifferenz erzeugen, einen schwebenden, fließenden Zustand, der der „freien“, flüssigen Art des Improvisierens im Jazz förderlich ist. Die afrikanischen sind im Verhältnis dazu eher starr. Ich finde, das ist ein konstantes Problem von Latin-Jazz, Fusion usw.: Die Rhythmen wirken im Verhältnis zu den Jazz-Improvisationen steif und die Improvisationen im Verhältnis zu den Rhythmen seltsam abgehoben. Bei Colemans Rhythmen entsteht eine fließende Vielschichtigkeit, die dem Improvisator viele Ebenen bietet, auf die er springen kann. Coleman ist darin wahnsinnig gut. Er tanzt und spielt mit den Rhythmen virtuos. Und das ist in meinen Augen (vor allem in seinen jungen Jahren) zunächst einmal der stärkste Punkt. Coleman ist ein Box-Fan (wie viele Jazzer früher) und hat einen Artikel über die Parallelen von Boxen und Improvisieren geschrieben: http://www.m-base.com/sweet_science.html Auszüge in Deutsch: http://www.jazzseite.at/Zur_Musik_von_Steve_Coleman/text_I13.html
Mich fasziniert das Spiel mit Körperbewegung, Gewandtheit, Tanz, Rhythmus … und ich hab fand von da her begonnen, den Jazz anders zu sehen: Ich fand das auch bei Armstrong, natürlich extrem bei Parker usw.. Ich begann Improvisatoren als Tänzer zu sehen: Da gibt es die schlanken, drahtigen, die durch Gewandtheit und Eleganz bestechen (Coleman) und dann gibt es massige, schwere, mächtige, die mit ihrer Kraft und Wucht beeindrucken (Coltrane) usw. …Um auf „cool“ zurückzukommen: Coleman bezeichnet Miles Davis als „Farben-Spieler“. Ich denke, Davis spielte virtuos mit Stimmungen (vor allem mithilfe von Klangfarben) und damit erreichte er perfekt die „Seelen“ der Hörer. Coleman liegt auf einer anderen Linie: Soweit sein Ton (vor allem in jungen Jahren) „cool“ war, war er es nicht deshalb, weil er sanft wie Lester Young oder „Birth of the Cool“ sein wollte, sondern weil es um affenartige Gewandtheit ging.
Später gewannen andere Aspekte an Bedeutung und heute ist er nicht mehr so schnell, wirkt weniger „cool“ – mehr „seelenvoll“, avancierter …--
Spannend, was Du über die Rhythmik schreibst – langsam krieg ich echt Lust, mal was von Coleman genauer zu hören! Kann ja mal mit den MP3 von seiner Website anfangen…
Zur „Monorhythmik“ des Jazz: das ist ein wenig übertrieben, auch wenn Du wohl im grossen ganzen schon recht hast damit. Aber Elvin Jones hat ab ca. 1960/61 bei Coltrane auch ständig mehrere Rhythmen übereinandergespielt, und ich denke auch Mingus‘ Musik wurde diesbezüglich von Dannie Richmond belebt. Das zieht sich auch in den „Free Jazz“ rein: Rashied Ali, Sunny Murray, Andrew Cyrille… und im Mainstream später wurde das ja schon auch hie und da aufgegriffen (ich denke z.B. an einen Drummer, den Du oben als Coleman-Sideman erwähnt hast, der aber u.a. auch mit Art Farmer oder Dave Holland tolle Aufnahmen gemacht hat: Marvin „Smitty“ Smith! Und mit Jeff „Tain“ Watts gibt’s sogar einen solchen Drummer in der eben wieder mal mit $$ vollgepumpten „first family of jazz“).
Aber das ist wohl eine andere Art von Polyrhythmik, als die, die Du meinst?
Ich frag jetzt einfach mal so blöd…--
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Im Free Funk Abschnitt (S. 562f.) werden dann neben Ornette Colemans elektrischen Bands, Ronald Shannon Jacksons Decoding Society, James Blood Ulmer, Jamaaladeen Tacuma, Defunkt und den Slickaphonics auch Steve Coleman, Greg Osby und Gary Thomas erwähnt, aber das ist’s dann auch schon – hier die kurze, detailliertere Passage über Osby und Coleman:Die Bands von Steve Coleman und Greg Osby durchbrechen die Starrheit und die Symmetrie von Funk- und Rock-Rhythmen, indem sie diese mit komplexen, winkelreichen Linien „öffnen“. Überhaupt haben die Gruppen des Free Funk den Jazz Rock kommunikativer und interaktiver gemacht, indem sie ihn mit Elementen des freien Jazz verbinden und differenzieren. Weil das so ist, sind diese Gruppen des Free Funk oft mehr integriert und „together“ als gewöhnliche Jazz Rock-Bands. Andererseits zeigte sich im Verlauf der zweiten Hälfte der achtziger Jahre immer deutlicher: Der Rock-Beat ist nur beschränkt „emanzipierbar“. Ansonsten verliert er gerade das, was ihn auszeichnet, seinen groove, seine körperliche Direktheit und motorische Kraft.
Joachim Ernst Berendt: Das Jazz Buch. Überarbeitet und fortgeführt von Günther Huesmann. Frankfurt am Main 1991, S. 563
In der Auswahldiskographie gibt’s dann an M-Base relevanten Sachen:
Geri Allen: Open on All Sides in the Middle (Minor Music)
Geri Allen: Twilight (Minor Music)
Steve Coleman: World Expansion (JMT)
Robin Eubanks: Different Perspectives (JMT)
Dave Holland: The Razor’s Edge (ECM)
Greg Osby and Sound Theatre (JMT)
Marvin „Smitty“ Smith: Keeper of the Drums (Concord)
Gary Thomas: Code Violations (Enja)
Cassandra Wilson: Days Aweigh (JMT)Das Thomas-Album ist kein gutes Beispiel (mit Dennis Chambers, Anthony Cox u.a., die nicht in die M-Base Ecke gehören), und Holland hab ich nur zur Info reingetan, weil da Eubanks, Coleman und Smitty mitspielen (Eubanks war ja ewig dabei… ist er’s noch? Momentan scheint Holland eher mit der Gruppe mit Moran, Potter und Harland unterwegs zu sein, dem „Overtone Quartet“).
Was sofort auffällt ist, wie viel dieser Musik auf Stefan Winters JMT-Label ihren Platz fand! Seit einigen Jahren wird der JMT-Katalog ja auf Winter & Winter (Winters neuem Label, das auch schon einen ganz hübschen Katalog hat, mittlerweile) neu aufgelegt, nur leider zu den üblichen exorbitanten Preisen, daher hab ich davon gar nichts (wüsste ehrlich gesagt abgesehen vom nicht M-Baser Paul Motian auch kaum, wo ich da beginnen müsste):
JMT Edition (Winter & Winter)--
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Schlagwörter: Altsaxophon, M-Base, Steve Coleman
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