Re: Steve Coleman und M-Base

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fef

Registriert seit: 05.04.2010

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Ja, ich sehe Ornette Colemans Stärke auch in dieser unkonventionellen, irgendwie „freien“, sehr kreativen, in positivem Sinn „naiven“, ursprünglichen Herangehensweise. Sie war wohl erfrischend gegenüber den eher weniger kreativen Konventionen, die aus Parkers Musik als „Bebop“-Stil abgeleitet wurden. Aber bei Parker war das alles komplett frisch. Er war in der Lage, eine wahnsinnig dichte, bis ins kleinste Detail fabelhaft gestaltete Musik hervorzubringen – natürlich mit einer Menge internalisierten Phrasen, die er aber total kreativ einsetzte. Offenbar setzt Steve Coleman da an: Er spricht viel von „Struktur“. Es scheint um ein spontanes Spiel mit äußerst komplexen Strukturen (rhythmisch, harmonisch, melodisch) zu gehen, das aber wirklich im Feeling funktionieren muss. So verstehe ich es.
In meinen Augen geht diese Sichtweise in eine andere Richtung als die doch ziemlich von den Ideen des Free-Jazz geprägte Jazz-Auffassung der vorhergehenden Jahrzehnte. Ich sehe darin eine neue Linie, die eigentlich eine alte fortsetzt.
Folgende Aussagen Colemans im Zusammenhang mit Dave Holland und Coltrane finde ich dafür bezeichnend: http://www.jazzseite.at/Zur_Musik_von_Steve_Coleman/text_I06.html#I0604

Ob man in diesem extrem gesteigerten Spiel mit Strukturen einen speziellen Wert sieht, ist natürlich Auffassungssache. Manchmal kann ich einem schlichten Song mehr abgewinnen, z.B. stehe ich auf diese alten Jug-Bands (Gus Cannon), Frank Stokes usw.. Aber oft faszinieren mich die dichten, extrem gewandten Sachen schon sehr und ich denke, es gibt in den verschiedensten Musikkulturen der Welt eine besondere Wertschätzung für reich strukturierte Musik – für Beethoven, klassische indische Musik, westafrikanische Trommelmusik usw.. Aber es muss natürlich weniger komplexe Musik keineswegs zwangsläufig weniger wertvoll sein … das ist wohl so eine zwiespältige Sache … Für mich ist auch entscheidend, worin das Kunstvolle einer komplexen Musik liegt. Ich mag gute Grooves, Bewegung, Gewandtheit usw..

Coleman über das Schlagzeug-Solo von Max Roach in Klact-oveseds-tene:
„Max Roach was a king of structure … http://www.jazzseite.at/zuForum/SC-Max.mp3

Ein cooles Schlagzeugsolo von Marvin „Smitty“ Smith:
http://www.jazzseite.at/zuForum/04%20Piste%2004.mp3

Die erste Coleman-CD, die mich schwer beeindruckt hat, war „Rhythm People“ (1990), wobei ich bei ihr meistens mit dem 2. Stück beginne.
Sehr gern hörte ich immer die „Transmigration“ (1991) von „Strata Institute“, am liebsten das letzte Stück „Thebes“.
Die „Deff Trance Beat“-CD (1994) finde ich sehr ausgeglichen, „rund“, von Anfang bis Ende.
Die „Opening of the Way“ (1997) ist relativ hart und mitunter etwas düster, aber die Kombination von Conga-Spieler Angá und Schlagzeuger Rickman hatte es mir angetan.
Ravi Coltrane sagte, Coleman sei live am besten. Daran ist gewiss Wahres: „Resistance is Futile“ (2001) geht echt ab.
Auf der „Alternate Dimension Series I“ (2002) spricht mich das Zusammenspiel von Coleman mit dem Trompeter Jonathan Finlayson besonders an, aber auch die Rhythmusgruppe mit 2 Bässen, Conga, Schlagzeug und Clave.
Auf den beiden „Weaving Symbolics“-CDs (2004/5) gefallen mir nicht alle Stücke, aber viele. Sie sind zum Teil ziemlich avanciert, aber ein „Hit“ ist z.B. „Triad Mutation“: http://www.myspace.com/taoofmadphat (eventuell muss man ein bisschen warten!) – Die beiden anderen Stücke, die es da zu hören gibt, sind auch von diesem Album und ich mag sie auch sehr, obwohl sie schon echt „sophisticated“ sind.
Die neue CD präsentiert meines Erachtens sehr gut Colemans Musik der letzten Jahre – ein wenig eine Art „Alterswerk“ (53 ist er).

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