Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Objektivität vs. Subjektivität bei der Bewertung von Musik
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Diese Diskussion wurde aus dem Thread zum aktuellen Album von Bill Callahan „Dream River“ ausgelagert. (gez. Mikko)
@Monroe Stahr 3053928 wrote:
Es gibt natürlich objektive Maßstäbe für musikalische Qualität.
Echt? Welche?
Deine Antwort interessiert mich ernsthaft brennend. Vorab in Kürze mein Standpunkt: Dass halt alles „subjektiv“ sei und „Geschmackssache“, halte ich für ganz falsch. Ein Beispiel: Literaturwissenschaft funktioniert ja nicht so, dass jeder bloß seine Privatmeinung verkündet und die Forschungs-Community dazu sagt: „Die Geschmäcker sind halt verschieden.“ Sondern im Diskurs ergibt sich mit der Zeit sowas wie eine Mehrheitsmeinung – und wer die nicht vertritt, muss eben einen etwas görßeren Argumentationsaufwand betreiben, um ernst genommen zu werden. Hat er supergute Argumente und einen langen Atem, wird er irgendwann Leute finden, die seinen Standpunkt einleuchtend finden, und so kann sich mit der Zeit die Mehrheitsmeinung (also wer bedeutend ist und wer nicht so wichtig) auch wieder ändern. Ich nenne das „intersubjektiv“ – im Gegensatz zu „objektiv“, aber auch im Gegensatz zu „subjektiv“ (jeder hat seine Meinung und schert sich nicht weiter über die der anderen).
Aber falls Du objektive Kriterien zur Beurteilung musikalischer Qualität auf der Pfanne hast, bin ich natürlich interessiert. Denn damit ließe sich die gesamte Geisteswissenschaft komplett revolutionieren.
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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bullschuetzEcht? Welche?
keine Ahnung (und auch kein Interesse). Aber es gibt ja Musikwissenschaftler, Musiktheoretiker und genügend Leute, die musikalisches Handwerk beurteilen. Und dann passiert genau das, was du oben beschrieben hast – im Laufe der Zeit bilden sich Kriterien (die können wir auch gerne intersubjektiv nennen), nach denen etwas beurteilt wird.
Nur bezogen auf Forumsdiskussionen sind mir diese Kriterien völlig egal (und ich glaube auch nicht, dass hier besonders viele Leute in der Lage sind, diese Kriterien sinnvoll anzuwenden), daher stören mich diese „gut/schlecht“ Formulierungen oder Sätze mit „musikalischer Substanz“ oder Aussagen über Songwriting (das auch gerne mal unter der Produktion leidet). Ich finde das völlig ok, wenn jemand von Callahans Stimme (schlimm), seinem Gitarrenspiel (egal) oder den Texten (keine Ahnung) bewegt wird, nur muss man das alles nicht so pseudotheoretisch aufblähen (was ich letztlich mit „unfundiert“ gemeint habe, es sind keine vernünftigen Kriterien dahinter!).
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Monroe StahrIch finde das völlig ok, wenn jemand von Callahans Stimme (schlimm), seinem Gitarrenspiel (egal) oder den Texten (keine Ahnung) bewegt wird, nur muss man das alles nicht so pseudotheoretisch aufblähen (was ich letztlich mit „unfundiert“ gemeint habe, es sind keine vernünftigen Kriterien dahinter!).
Was auch immer damit gemeint ist. Musikrezeption baut doch zu weiten Teilen immer auf Interpretationen (Theorien), auf dem Stoff Musik, aus dem sich der Hörer dann seine eigenen Gedanken erschafft. Was ist denn also nun bitte „pseudotheoretisch“? Ich kann in diesem Thread nichts davon finden. Mir erschließt sich aber auch nicht, wie ein Text gestaltet sein muss, um Dir nicht entweder zu faktenorientiert-aufgesetzt oder eben pseudotheoretisch-aufgebläht zu sein.
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Hold on Magnolia to that great highway moonbullschuetzEin Beispiel: Literaturwissenschaft funktioniert ja nicht so, dass jeder bloß seine Privatmeinung verkündet und die Forschungs-Community dazu sagt: „Die Geschmäcker sind halt verschieden.“ Sondern im Diskurs ergibt sich mit der Zeit sowas wie eine Mehrheitsmeinung – und wer die nicht vertritt, muss eben einen etwas görßeren Argumentationsaufwand betreiben, um ernst genommen zu werden. Hat er supergute Argumente und einen langen Atem, wird er irgendwann Leute finden, die seinen Standpunkt einleuchtend finden, und so kann sich mit der Zeit die Mehrheitsmeinung (also wer bedeutend ist und wer nicht so wichtig) auch wieder ändern.
Eine sehr idealistische Auffassung. Eine Freundin, die sich seit Jahrzehnten am akademischen Betrieb abrackert, nennt Professoren „Kaninchenzüchter“. Die bauen sich ihre Kaninchenställe, in denen sie ihre Kaninchen (Studenten) halten, und konstituieren auf diese Weise eine Art Hausmacht – wie in der Politik. Argumente sind denen völlig schnurz; wer eine Mehrheitsmeinung erschüttern will, braucht selber einen imponierenden Kaninchenstall.
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Und da jemand in einigen vorhergehenden Kommentaren „subjektiv“ und „objektiv“ mit ins Spiel brachte: Das Schöne ist (unter ästhetischen Gesichtspunkten betrachtet) immer beides. Es wird subjektiv, sinnlich erfahren, beansprucht jedoch Allgemeingültigkeit, die über das subjektive hinausgeht, also unabhängig davon, was ich beim hören erlebt habe (z.B. Sonnenuntergang etc.). Das Schöne ist, was immer gleich gefällt, unabhängig, ob ich 13 oder 83 bin.
Eine gewisse Reife, lange Übung, Unterscheidungsfähigkeit (a dispassionate mind) ist bei der ernsthaften, ästhetischen Bewertung von Musik jedoch unumgänglich.
Was bleibt uns anderes, als im Bereich der Kunst sinnblidlich, metaphorisch, begeistert, trunken und dennoch ausdrücklich zu sprechen?
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Mr. Badlands(a dispassionate mind)
Im Sinne von Unvoreingenommenheit – ja. Aber die Hauptbedeutung, nämlich Leidenschaftslosigkeit, ist das Gegenteil dessen, was einen Musikliebhaber, einen Aficionado ausmacht.
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Hal CrovesIm Sinne von Unvoreingenommenheit – ja. Aber die Hauptbedeutung, nämlich Leidenschaftslosigkeit, ist das Gegenteil dessen, was einen Musikliebhaber, einen Aficionado ausmacht.
Stimme Dir vollkommen zu! :bier:
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:bier:
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=bullschuetz Ein Beispiel: Literaturwissenschaft.
Was man doch für einen kompletten Unsinn studieren kann. Man kann versuchen, die Bedeutung eines Künstlers herauszuarbeiten. Ist aber verdammt schwer. Wer hatte zum Beispiel mehr Einfluss: Bruce & Bongo oder Kafka? Und Musik ist für mich nur subjektiv erfahrbar. Natürlich gibt es einen gewissen Kanon der zeitgenössischen Musik – aber die Stones mag ich zum Beispiel so gar nicht und halte sie auch für unglaublich überschätzt. Aber das ist doch jetzt nicht objektivierbar. Und komm mir nicht mit der Mehrheits-Meinung…
--
Do you believe in Rock n Roll?
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
captain kiddWas man doch für einen kompletten Unsinn studieren kann. Man kann versuchen, die Bedeutung eines Künstlers herauszuarbeiten. Ist aber verdammt schwer. Wer hatte zum Beispiel mehr Einfluss: Bruce & Bongo oder Kafka? Und Musik ist für mich nur subjektiv erfahrbar. Natürlich gibt es einen gewissen Kanon der zeitgenössischen Musik – aber die Stones mag ich zum Beispiel so gar nicht und halte sie auch für unglaublich überschätzt. Aber das ist doch jetzt nicht objektivierbar. Und komm mir nicht mit der Mehrheits-Meinung…
Ich denke, die Diskussion jetzt gehört nicht in diesen thread. Nur noch ein paar Anmerkungen: Ich hatte vom philosphischen Standpunkt der Ästhetik heraus geschrieben. Ein Freund von mir hat den Doktor der Philosophie und mir dies mal sehr anschaulich erklärt. Es gibt sehr wohl das Subjektive & das Objektive bei der Bewertung von Musik. Der Einfluss, den ein Künstler hatte, ist wieder ein anderes Thema und hat damit nichts zu tun.
Wie dem auch sei, selbst die Ästheten müssen diskutieren, streiten…eben wegen des Paradoxums der Subjektivität & gleichzeitigen Objektivität.
Und nochmal: Was bleibt uns anderes, als im Bereich der Kunst sinnblidlich, metaphorisch, begeistert, trunken und dennoch ausdrücklich zu sprechen? Ich denke man sollte hier niemanden für seinen Schreibstil maßregeln eben aus diesen genannten Gründen. Die Gedanken sind frei ;-).
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Mr. BadlandsEin Freund von mir hat den Doktor der Philosophie
Was man doch für…. ;-). Volle Unterstützung, in Sachen Freiheit der Gedanken. Ob sich dann jeder die Freiheit nehmen sollte, diese Gedanken auch zu äußern, ist dann aber eine andere Geschichte.
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Do you believe in Rock n Roll?
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
captain kiddVolle Unterstützung, in Sachen Freiheit der Gedanken.
Bist du in einer Hippiekommune aufgewachsen?
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Nein, aber „Die Gedanken sind frei, kein Mensch kann sie wissen“ stimmt ja. Und man selbst ja auch oft genug nicht. Oder weißt du immer genau, wo deine Gedanken herkommen? Jeder denkt, was er denkt – aber er muss es eben nicht ungedingt äußern….
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Do you believe in Rock n Roll?
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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captain kiddJeder denkt, was er denkt – aber er muss es eben nicht ungedingt äußern….
Das in der Rezeption zu unterscheiden und zu filtern liegt ja an dir. Aber wenn die Gedanken schon frei sein dürfen, dann müssen sie allerdings auch die Fähigkeit zur Differenzierung zulassen. Diese derart verallgemeinernde und oberflächliche Aburteilung von Literatur- und Geisteswissenschaften („wie kann man nur sowas studieren“) ist doch genau das Gegenteil von Gedankenfreiheit. Objektiv wie subjektiv.
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Nein. Es geht darum, ob solche Studienfächer von der Allgemeinheit finanziert werden müssen oder nicht. Und nur zur Information, ich bin auch „Geisteswissenschaftler“ – trotzdem halte ich manche Studienfächer für äußerst albern. Und der Gedanke „wie kann man nur sowas studieren“ ist eben ein Gedanke und somit in seiner Existenz geschützt – die Äußerung dieses Gedankens jedoch nicht.
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Do you believe in Rock n Roll? -
Schlagwörter: Waffel (einen an der)
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