"Nimm mich so wie ich bin"? – Die Definition von Schlager (und Pop)

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  • #7653879  | PERMALINK

    reino

    Registriert seit: 20.06.2008

    Beiträge: 5,700

    Blitzkrieg BettinaIch versuche mich mal an einer kurzen Zusammenfassung dieser Entwicklung:
    Ursprünglich war „Schlager“ ein Begriff der Melodien aus Operetten bezeichnete, die so populär waren, dass sie von Leuten bei der Arbeit mitgepfiffen wurden etc.
    Nach dem 1. Weltkrieg erfolgte ein Bedeutungswandel, Schlager bezeichnete nun eingängige Lieder in deutscher Sprache, die auch gerne sozialkritisch, subversiv oder humoristisch sein konnten.
    Nachdem seit den Fünfziger Jahren die angloamerikanische Popmusik immer wichtiger wurde, wurde diese auch teilweise als „Schlager“ bezeichnet, sofern sie eingängig und nicht zu rockig war, die Definition der Zwanziger bestand natürlich weiter, auch wenn das Doppelbödige der Weimarer Zeit so gut wie ganz verschwunden war.

    Dazu muß man wahrscheinlich auch sehen, was es sonst überhaupt noch an Unterhaltungsmusik gab. Wenn alles ziemlich ähnlich klingt (irgendwo zwischen Volkslied und Operette) braucht man auch keinen musikalischen Gattungsbegriff. Der Jazz als wichtigster ausländischer Musikimport kam ja erst nach dem ersten Weltkrieg.

    coleporterIch sortiere ja Sachen auch liebend gern in Schubladen ein, aber ich kennzeichne diese in der Regel durch Vergleiche: Das erinnert mich an die Schlager von Friedrich Holländer, das klingt ein bisschen wie Ralph Siegels Output der späten 80er, usw. usf. – so weiß man genau, wovon ich rede.

    Das weiß man eben genau nicht. Friedrich Hollaender hat keine oder nur sehr wenige Schlager geschrieben.

    GefährlicheBohnenIch dachte an Schlager-Folk, vergaß aber die Big Band Komponente. Die Les Hymphries waren qualitativ sehr gut.

    Mir ist Les Humphries nur mit Klavierbegleitung und Rhythmusgruppe erinnerlich. Wir denken da offenbar an unterschiedliche Lieder oder Schaffensphasen.

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    #7653881  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    GefährlicheBohnenDie Les Hymphries waren qualitativ sehr gut.

    So? Falls Du Les Humphries meinst, nein, dessen Kapelle war zwar erfolgreich, aber nicht gut. Fand ich damals schon ziemlich schrecklich.

    PS: Big Band war nicht so ernst gemeint. Durch den Chor klingt es halt so bombastisch.

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    #7653883  | PERMALINK

    coleporter

    Registriert seit: 23.02.2007

    Beiträge: 4,085

    ReinoDas weiß man eben genau nicht. Friedrich Hollaender hat keine oder nur sehr wenige Schlager geschrieben.

    Wie kommst du darauf? Er hat eine ganze Menge Schlager geschrieben – als Beispiele seien hier nur mal „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ und „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“ genannt.

    --

    Es ist viel leichter in dem Werke eines großen Geistes die Fehler und Irrthümer nachzuweisen, als von dem Werthe desselben eine deutliche und vollständige Entwickelung zu geben. (Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Zürich 1988, S.531)
    #7653885  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    sollte mich wundern, wenn das noch keiner gesagt hätte, aber es scheint doch im wesentlichen zwei Bedeutungen zu geben, einmal war es quasi das deutsche Wort für Popsong vor 19?? (1965?), und dann gibt es das Genre mit dem fiesen Kitsch, Jürgen Drews, Hossa Hossa, Roy Black… in den 50er Jahren scheint es mir sonderbar, deutschen Schlager aus der deutschen Popmusik herauszutrennen, man nannte die Lieder halt Schlager, weil sie Popsongs waren… und ab irgendwann gab es dann Schlager im Gegensatz zu frecherer Pop- und Rockmusik… und eine Verbindung/Verwirrung zwischen den beiden Wortbedeutungen kommt vor allem daher, dass es die Schlagersänger waren, die an den deutschen Texten viel stärker festhielten, als der Rest (dass die Schlagersänger nicht an Amerika orientiert waren kann man ja nicht sagen, siehe das Nachsingen englischsprachiger Stücke auf deutsch);

    In „High Society“ werden, wenn ich mich richtig erinnere, die (im Film) von Bing Crosby komponierten Cole Porter Stücke alternativ Schlager, Gassenhauer und Schnulzen genannt (zum Teil abwertend gemeint…) – das ist dann einfach die erste Bedeutung…

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    .
    #7653887  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    Nein, readbeansandrice, so einfach ist es nicht. Zwar hat man in Deutschland damals noch nicht von Popsongs gesprochen, weil man überhaupt noch nicht viele Anglizismen in der deutschen Sprache hatte, aber die englischsprachige Popmusik spielte ja bis Ende der 50er Jahre auch noch eine eher untergeordnete Rolle in Deutschland, wenn man mal von der unmittelbaren Nachkriegszeit absieht, in der der AFN quasi in die Bresche sprang, weil es noch nicht viele „entnazifizierte“ deutsche Eigenproduktionen gab. Ich glaube, einen Unterschied zwischen deutschem Schlager, den es ja bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert gab, und importierter Popmusik (die man allerdings auch erst ab Mitte der 60er Jahre so nannte) – also Swing, Big Band Jazz, Musicals etc. – hat man auch damals schon gemacht. Der deutsche Schlager der 20er, 30er und 40er Jahre bezog allerdings auch seine Inspiration zum Teil von diesen Importen. Etwas mehr oder weniger Eigenständiges war der Schlager aber m.E. immer.

    Diesen Gegensatz, den Du beschreibst, den gab es dann wohl erst ab den 60er Jahren. Oder anders gesagt, der Gegensatz wurde dann auffällig. Und der Schlager wurde zu etwas Reaktionärem, Rückwärtsgewandtem.

    Davon abgesehen hat es im Schlager immer Licht und Schatten gegeben. Ab den 1950er Jahren vielleicht zunehmend Schatten. Aber auch in den 70ern gab es erfreuliche Lichtblicke. Ich bin kein Schlagerexperte. Was ich beschreibe, das ist mein Eindruck.

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    #7653889  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    MikkoNein, readbeansandrice, so einfach ist es nicht. Zwar hat man in Deutschland damals noch nicht von Popsongs gesprochen, weil man überhaupt noch nicht viele Anglizismen in der deutschen Sprache hatte, … importierter Popmusik (die man allerdings auch erst ab Mitte der 60er Jahre so nannte)

    das meinte ich eigentlich – ich vermute (!), dass bis zu irgendeinem Zeitpunkt (in den 60er Jahren nehme ich an) der Satz „Das Lied … ist kein Schlager, schließlich kommt es aus Amerika und der Text ist Englisch“ falsch gewesen wäre…

    vielleicht ist es falsch von zwei Wortbedeutungen zu sprechen, weil sich die beiden Bedeutungen alles in allem abgelöst haben… vielleicht ist es aber schon richtig, dass „Schlager“ erst mit den Jahren zur Genrebezeichnung wurde und vorher im wesentlichen „Lied“ oder „Popsong“ bedeutete (auch wenn letzteres Wort nicht zur Verfügung stand…)?

    --

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    #7653891  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Mikko…Der deutsche Schlager der 20er, 30er und 40er Jahre bezog allerdings auch seine Inspiration zum Teil von diesen Importen. …

    Diesen Gegensatz, den Du beschreibst, den gab es dann wohl erst ab den 60er Jahren. Oder anders gesagt, der Gegensatz wurde dann auffällig. Und der Schlager wurde zu etwas Reaktionärem, Rückwärtsgewandtem.
    ….

    Rückwärtsgewandt ist eine Verengung auf den volkstümlichen Schlager. In der Masse sehe ich die Produktionen eher vorsichtig marktbeobachtend, konservativ. Internationale Trends/Sounds des Pop werden verwurstet, wenn sie fest etabliert sind, um die Stammhörerschaft nicht zu verschrecken. Reaktionär ist etwas anderes. Insoweit gilt das verschleppte „Importieren“ nach wie vor.

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    #7653893  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    Wie gesagt, ich bin kein Experte. Aber auch vor dem 2. Weltkrieg war Schlager nicht einfach nur Synonym für Popsong. Ein Genre war Schlager m.E. schon immer. Nur hat sich die Definition nach und nach verändert. Und auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es populäre Musik in Deutschland, die nicht Schlager war.

    @gollum

    Ich habe das bewusst überspitzt formuliert und den Schlager ab Ende der 60er reaktionär genannt, weil der Bruch da so deutlich wurde. Natürlich war nicht jeder Schlager reaktionär. Und ich meine reaktionär hier auch nicht im politischen Sinn.

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    #7653895  | PERMALINK

    coleporter

    Registriert seit: 23.02.2007

    Beiträge: 4,085

    MikkoUnd auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es populäre Musik in Deutschland, die nicht Schlager war.

    Nenn doch mal ein paar Beispiele.

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    #7653897  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    coleporterNenn doch mal ein paar Beispiele.

    Ich begebe mich da auf dünnes Eis, weil ich das auch erst nachlesen müsste, wozu ich gerade keine Zeit habe. Aber waren nicht Volkslieder einerseits und anspruchvollere Kunstlieder, sowie Jazz und andere importierte Musik auch populär in der Zeit zwischen den Weltkriegen?

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    #7653899  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    ja, Beispiele wären interessant… was ich mich vor allem für die Zeit vor 1950 grad frage: ist Schlagermusik grundsätzlich songorientierte populäre Musik (as opposed to Polkas, Tangos und Märschen)?

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    #7653901  | PERMALINK

    coleporter

    Registriert seit: 23.02.2007

    Beiträge: 4,085

    redbeansandricewas ich mich vor allem für die Zeit vor 1950grad frage: ist Schlagermusik grundsätzlich songorientierte populäre Musik (as opposed to Polkas, Tangos und Märschen)?

    Eher nicht. Einer der ersten so titulierten Schlager war z.B. der Konzertwalzer „An der schönen blauen Donau“. Gerade durch damals sehr beliebte Akkordeon-Orchester wurden auch Tänze wie die von dir genannten zu Schlagern. Tangos und Märsche waren ja auch sehr beliebt als Strickmuster für „songorientierte Schlager“.

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    #7653903  | PERMALINK

    reino

    Registriert seit: 20.06.2008

    Beiträge: 5,700

    coleporterWie kommst du darauf? Er hat eine ganze Menge Schlager geschrieben – als Beispiele seien hier nur mal „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ und „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“ genannt.

    Hollaender hat Hunderte von Chansons geschrieben, darunter auch die oben genannten. Wobei es bei „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ zwei Besonderheiten gibt: Das Lied wurde durch den Film „Der blaue Engel“ zu einem internationalen Hit. Und der Text ist eigentlich nur ein „Schimmel“, gefiel dem Regisseur aber so gut, daß es dabei blieb.

    --

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    #7653905  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Welche Lehren wollt ihr aus so lange vergangenen Zeiten ziehen? Wie Mikko richtig anmerkt, unterliegt der Begriff dem Wandel, für mich der stetigen Erweiterung. Was früher Schlager war, wie die genannten FH-Songs, ist es heute auch noch, aber was früher nicht dazu zählte, kann allein durch „gealterte Popularität“ heute durchaus so wahrgenommen werden. Dass die NDW damals schon in der ZDF-Hitparade lief, war der Angst des ZDF vor Zuschauerschwund und dem Wunsch auf die nächste Generation Publikum geschuldet, nicht der damals einhelligen Einordnung ins Schlagerfach. Heute ist eine Schlagerparty ohne Spider Murphy Gang etc. fast lückenhaft. In 10 Jahren treten vielleicht Xavier Naidoo, Jan Delay und vielleicht sogar Persona non grata Bushido in „Schlager des Jahrzehnts“ auf ;-)

    --

    #7653907  | PERMALINK

    coleporter

    Registriert seit: 23.02.2007

    Beiträge: 4,085

    gollumWelche Lehren wollt ihr aus so lange vergangenen Zeiten ziehen? Wie Mikko richtig anmerkt, unterliegt der Begriff dem Wandel, für mich der stetigen Erweiterung.

    Richtig: Genau das, was negativ „Verwässerung“ genannt wurde.

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