Lesefrüchte

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  • #8674595  | PERMALINK

    hal-croves
    אור

    Registriert seit: 05.09.2012

    Beiträge: 4,617

    Süddeutsche Zeitung, 31. Dezember 1966
    Drei Fragen an Otto Klemperer

    1. Worüber haben Sie 1966 am meisten gelacht?
    Otto Klemperer: Über die Koalition.
    2. Welche Schlagzeile würden Sie 1967 am liebsten in der Zeitung lesen?
    Otto Klemperer: Verbot der NPD.
    3. Und was spricht eigentlich gegen Sie?
    Otto Klemperer: Mein Alter.

    (zitiert nach: Eva Weissweiler, Otto Klemperer – Ein deutsch-jüdisches Künstlerleben, S. 263)

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    "Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=
    Highlights von Rolling-Stone.de
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    #8674597  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    Zitat von Larissa M.
    Gerade fällt mir ein, dass „Das perfekte Promidinner auf VOX näher rückt. ich bin sehr glücklich ,dass man mich dabei haben will. obwohl ich ausdrücklich erwähnt habe, dass ich nicht wirklich diese GALADINNER aussehenden Sachen kochen kann und auch nicht mehr mit meinen „Motorcrosskünsten“ die ich nicht besitze prahlen kann, da die Verletzungsgefahr zu groß ist zwecks Lets Dance. aber an meiner Gastfreundlichkeit wird’s natürlich nicht scheitern. der Champagner wird bereit stehen!!! schaltet ein…ich zeig euch mein TangoHund vielleicht , wenn er nicht wieder mal die Nachbarn besucht und sich vollfrisst . aber nicht, dass ihr jetzt denkt mein Hund kriegt nichts zum essen bei uns. der isst überall. unsre Hunde sind sehr verfressen.

    :liebe:

    (qn: Facebook)

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    #8674599  | PERMALINK

    scorechaser

    Registriert seit: 02.05.2003

    Beiträge: 46,551

    Von ihr könnte man jeden einzelnen Post hier posten. :liebe:

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    "Film is a disease. And the only antidote to film is more film." - Frank Capra
    #8674601  | PERMALINK

    natsume

    Registriert seit: 24.07.2005

    Beiträge: 5,562

    Hier bettelt ein Werbetexter um seine Entlassung:

    „Die besten Rasierer im Fußball-Design für echte Champions.
    Hol‘ dir den ultimativen Fan-Rasierer! Perfekt für Fußballfans,
    die für ihr Team alles geben. Und dabei meisterlich gepflegt
    aussehen wollen: die [zensiert] Fußballrasierer. Für echte
    Männer, die echte Fans sind. Rasier dich wie eine Champion –
    mit der angenehmsten Rasur von [zensiert].“

    (Werbung eines führenden Herstellers von Rasierapparaten, 2014)

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    #8674603  | PERMALINK

    natsume

    Registriert seit: 24.07.2005

    Beiträge: 5,562

    Aus der „Liste der wichtigsten unregelmäßigen Verben im Deutschen“:

    Infinitiv: scheißen | Imperfekt: schiss | Partizip Perfekt: hat geschissen | Imperativ: scheiß(e)/scheißt

    (Pons Großwörterbuch Spanisch-Deutsch, 2001)

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    #8674605  | PERMALINK

    hal-croves
    אור

    Registriert seit: 05.09.2012

    Beiträge: 4,617

    In der Perosi-Woche haben uns einige Blätter genau geschildert, wie der »schlichte Mann im Priesterrock« isst und trinkt. Zugleich bezeichneten sie den schon lauernden Autogrammjägern das Gasthauslocal, in welches sich Perosi, der, wie sie selbst sagten, von niemandem behelligt werden wollte, aus dem Impresariolärm mittags zu flüchten liebte. Die liberalen Reporter feierten wahre Orgien der Zudringlichkeit und schleppten ganze Tonnen Weihrauchs herbei, um dem clericalen Musiker den Wiener Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Zumal die »Neue Freie Presse« ließ nicht ab, in der Beschreibung des »seltenen Anblicks« zu schwelgen, den »ein in aller Form geweihter Priester, der Schützling Leos XIII. und somit des katholischen Clerus der ganzen Welt, als Capellmeister bot«, und rief begeistert aus: »Wir gestehen, dass auch wir hieraus den größten Genuss des Abends gewonnen haben.« Inzwischen schien der Musikalienhändler Gutmann in seinen neuerworbenen Beziehungen zum Clerus völlig aufzugehen und nahm die Gelegenheit wahr, am Schlusse des Concertes coram publico dem Fürsterzbischof Gruscha die Hand zu küssen. »Wir gestehen, dass auch wir aus diesem seltenen Anblick den größten Genuss des Abends gewonnen haben.«

    (Die Fackel: Nr. 3, S. 28-29)

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    "Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=
    #8674607  | PERMALINK

    hal-croves
    אור

    Registriert seit: 05.09.2012

    Beiträge: 4,617

    […]

    Das Blatt hat durch mehr als dreißig Jahre die Vorsehung der Inneren Stadt gespielt, nicht aus Nummern setzte sich sein Dasein zusammen, sondern aus Offenbarungen, und es gibt nach alttestamentarischer Vorstellung keine irdische Möglichkeit, in directe Beziehungen mit den Herausgebern der »Neuen Freien Presse« zu treten, die, wie man sich in scheuer Bewunderung erzählt, selbst mit den Bankdirectoren nur durch Mittelsmänner verkehren sollen. Junge Literaten sind auf ein »Zeichen« angewiesen, und Engagements scheinen ausschließlich durch Träume oder Visionen abgeschlossen zu werden. »Alles in der Natur vollzieht sich nach Maßgabe des dafür in der ‚Neuen Freien Presse‘ verfügbaren Raumes« lautet ein alter physikalischer Grundsatz, und der Begriff der Größe alles Irdischen wird erst durch Messungen an dem Größenwahn der Redacteure jenes Blattes festgestellt. Tritt einmal ein Ereignis ein, ohne dass die »Neue Freie Presse« etwas davon erfährt, dann ist dies immer von gewissen Unregelmäßigkeiten im Weltenraume begleitet, und man hat stets noch gefunden, dass gleichzeitig mit einer Blamage des Blattes irgendwo ein Komet oder Sternschnuppenfall beobachtet wurde. Gewöhnlich pflegt dann noch überdies Herr Benedikt auf das Ereignis, das ihm entgangen, sehr böse zu sein. Das Ende der Präsidenten und Minister der französischen Republik ist z.B. etwas, womit die »Neue Freie Presse« in der Regel Malheur hat. So lange sie leben, geht’s ja noch nothdürftig, sind sie aber einmal todt, dann ist es aus mit der Gunst, und nicht der Correspondent, der die Gelegenheit versäumte, sondern die französische Republik hat sich’s mit der »Neuen Freien Presse« verdorben. Herr Herzl erwies erst, dass er zu Höherem tauge, als er die Ermordung Carnots verschlief, und Herr Berthold Frischauer war es, dem Felix Faure zu früh gestorben ist. Gambetta ist wohl der einzige, mit dem die Sache noch halbwegs glückte; er hatte aber vorher, anlässlich seiner Anwesenheit in Wien, die Redaction – noch heute zehrt sie von dieser Ehre – besucht und den Herren versprochen, gegebenenfalls rechtzeitig ihren Pariser Vertreter zu wecken. […]

    (Die Fackel: Nr. 5, S. 8-9)

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    "Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=
    #8674609  | PERMALINK

    hal-croves
    אור

    Registriert seit: 05.09.2012

    Beiträge: 4,617

    Man erinnert sich des merkwürdigen Vorfalls, über welchen vor einigen Wochen die Tagesblätter berichtet haben. In der Militär-Schwimmschule badete eine Abtheilung von Soldaten in aller Ruhe. Als man abmarschierte, entdeckte man den Abgang von dreien, die gänzlich unbemerkt – ertrunken waren. Es hatte an Sicherheitsmaßregeln gefehlt. Diese Schlamperei kostete den Staat drei Soldaten, drei Menschenleben. – Dieser Tage nun wurde von einem höheren Officier in einem Wiener Artillerie-Regiment – wortwörtlich – folgende Ansprache an die ins Bad abrückenden Soldaten gehalten: »Es soll jeder schau’n, dass er nicht ersauft, weil sonst der Oberlieutenant und der Hauptmann die größten Scherereien hat. Und übrigens liegt es ja auch in Eurem eigenen Interesse.«

    (Die Fackel: Nr. 11, S. 20-21)

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    "Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=
    #8674611  | PERMALINK

    hal-croves
    אור

    Registriert seit: 05.09.2012

    Beiträge: 4,617

    […]

    Cornelius Gurlitt, wohl der erste und unparteiischeste Fachmann der Gegenwart auf dem Gebiete der Architektur, äußert sich in seinem Werk »Die deutsche Kunst des neunzehnten Jahrhunderts, ihre Ziele und Thaten«: »In Wien ist das Parlamentshaus griechisch, in Pest gothisch. In Wien sollte es allgemein ideal, in Pest englisch, d.h. constitutionell ideal werden, in beiden Fällen ist es modern und deutsch. Der Erbauer des Pester Parlaments, Steindl, ist ein Schüler Schmidts und hat trotz seinen Anlehnungen an Barry, Scott, Waterhouse und andere Engländer nicht mit einem Zuge seine Herkunft verleugnet. Pest erweist sich in jedem Zuge künstlerisch als deutsche Stadt, trotz allem magyarischen Sporenrasseln und Schnauzbartstreichen. Denn die Artung des Bauens, die Sprache der Profile, die Auffassung der älteren Kunstweise, der zu erreichenden Ziele, nicht die Aufschriften machen das Wesen der Architektur aus. Und wie die Berliner Malerei der Sechziger Jahre um gleicher Gründe willen französisch ist, so ist und wird wohl noch lange das, was Tschechen, Magyaren, Kroaten und andere Völker des Südostens bauen, deutsch, wienerisch sein, ebenso wie das, was sie malen, nichts Anderes ist, als Münchener Kunst von gestern.« (S. 461.) Und an anderer Stelle (S. 639) sagt Gurlitt: »Das Parlamentshaus in London, wie es Barry in den Vierziger Jahren entwarf und wie es Steindl in Pest ohne viel Geist nachahmte, – –.« […]

    (Die Fackel: Nr. 13, S. 23-24)

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    "Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=
    #8674613  | PERMALINK

    stormy-monday
    We Shall Overcome

    Registriert seit: 26.12.2007

    Beiträge: 21,234

    Danke, Hal. Macht immer wieder Spass, hier mitzulesen.

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    Contre la guerre ...and everybody’s shouting “Which Side Are You On?”
    #8674615  | PERMALINK

    hal-croves
    אור

    Registriert seit: 05.09.2012

    Beiträge: 4,617

    Aus der Länderbank wird mir geschrieben:
    Sie haben in Nr. 11 der ‚Fackel‘ einer Tochter der Länderbank in Liebe gedacht, die, wie man seitdem durch die ‚Arbeiter-Zeitung‘ vernommen hat, in Boryslaw mit einer in Wien angebornen Vordringlichkeit socialdemokratische Siege züchtet. Sie werden mir daher, wie ich hoffe, nicht die Gelegenheit versagen, diesmal einen Schwiegersohn der genannten Bank im Bilde seines Werdens und Strebens vorzuführen.
    Der Mann ist an und für sich herzlich minderwertig; doch gewinnt Herr Marschall durch den Zusammenhang mit dem früheren Generaldirector der Bank, Hofrath Ritter v. Hahn, die Bedeutung eines gegenwärtigen Präsidialsecretärs. Herr Marschall ist der Schwiegersohn des Herrn v. Hahn. Es wäre weit verlockender, diesen Schwiegervater, den die Bank nach hartem Ringen in respectvolle Entfernung von ihren Cassen gebracht hat, einmal aus seiner unverdienten Zurückgezogenheit ans Tageslicht zu geleiten. Doch hieße es den Umfang mehrerer ‚Fackel‘-Nummern missbrauchen, wollte man nur das Typische verflossener Bankdirectoren entsprechend würdigen, deren manchem der Galgenhumor der Actionäre die erschöpfende Grabschrift gewidmet hat: »Er war aus Stein und stahl.« Ich weiß nicht, ob der Nachwuchs einer Thätigkeit zusteuert, die einst mit so lapidaren Worten zu umschreiben sein wird; solchem Nachruf soll durch ein paar Zeilen in der ‚Fackel‘ keineswegs präjudiciert werden ….
    […]

    (Die Fackel: Nr. 14, S. 9)

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    "Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=
    #8674617  | PERMALINK

    obee

    Registriert seit: 30.03.2011

    Beiträge: 1,043

    Vor Kurzem bat mich meine Nachbarin, ihr ein paar deutsche Schriftstücke zu übersetzen, die sie im Nachlass ihres verstorbenen Vaters gefunden hatte. Als französischer Soldat war er 1940 in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und musste in Schlesien in einem Metall-*Betrieb arbeiten. Er konnte 1943 oder 1944 fliehen und sich nach Frankreich durchschlagen. Neben seinem französischen Soldbuch (das er ja für seine Entlassung aus dem Militärdienst in der Heimat brauchte!) hatte er auch diese Verwarnung wegen »grün« geschälter Kartoffeln aufgehoben. Ich kannte diesen (möglicherweise schlesi*schen?) Ausdruck nicht, entnehme dem Text aber, dass der großzügige Um*gang des Küchenkommandos mit dem Schälmesser offenbar als Sabotage angesehen wurde.

    Barbara Bonneau, Gradignan, Frankreich

    http://blog.zeit.de/zeit-der-leser/2014/03/30/ru%CC%88ge-fu%CC%88rs-ku%CC%88chenkommando/

    --

    Once you figure out what a joke everything is, being the Comedian's the only thing that makes sense.
    #8674619  | PERMALINK

    hal-croves
    אור

    Registriert seit: 05.09.2012

    Beiträge: 4,617

    Die Fackel

    NR. 18 WIEN, ENDE SEPTEMBER 1899

    Der Führer der deutschen Socialdemokratie, der noch in hohen Jahren wie einst in jungen für Wahrheit und Gerechtigkeit in ernsten Kämpfen gestritten und gelitten hat, Wilhelm Liebknecht bereitet mir die Freude, mit dem rückhaltlosen Freimuth, der ihm immer eigen war, in meinem Blatte über die Dreyfussache sich zu äußern:

    NACHTRÄGLICHES ZUR »AFFAIRE«.

    I.

    Ueber die »Affaire« soll ich Ihnen schreiben, und ich war auch so leichtsinnig, es zu versprechen, nicht bedenkend, dass es mir gerade jetzt, unmittelbar nach meinen Ferien und vor unserem Parteitag, wo so vieles zu thun ist, an der zur Erfüllung des Versprechens nöthigen Zeit fehlt. Indes versprochen ist versprochen – auch wenn man sich dabei versprochen oder verschrieben hat –, und so will ich denn ohne Umschweife ans Werk gehen – was ich heute nicht erledigen kann, einem andern Tag überlassend.
    Zunächst ein Bekenntnis, das mich sofort mit dem Leser in ein wahrhaftiges Verhältnis setzen wird: Ich glaube nicht an die Unschuld des französischen Hauptmanns Dreyfus.
    Man wird jetzt auch begreifen, warum ich vor dem Ende des Processes in Rennes so zurückhaltend war. Kein anständiger Mensch wird gegen einen Angeklagten, an dessen Schuld gezweifelt wird, Zeugnis ablegen, wenn er nicht dazu gezwungen ist. Und dem Gesindel, das in Frankreich und außerhalb Frankreichs nach der Verurtheilung »des Juden« lechzte, wollte ich keinen Triumph bereiten. Nicht dass ich damit sagen wollte, auf der andern Seite sei bloß reines, sauberes Volk gewesen. Es roch zum Theil sehr stark nach Panama, und der Socialistenhetzer Trarieux, der manchen gewiss unschuldigen Arbeiter ins Gefängnis gebracht hat, und der Socialistenschlächter Gallifet, der in der blutigen Maiwoche 1871, lächelnd, die Cigarrette im Munde, die Proletarier: Männer, Frauen und Kinder, dutzend- und hundertweise über den Haufen schießen ließ, um sich und seinen Cocotten – den liederlichen Weibsbildern, welche die Commune aus Paris zu den Versailler Ordnungshelden gejagt hatte – ein nervenreizendes Schauspiel zu geben – sie sind gewiss um kein Haar breit besser, als die Gesellschaft der Henry, Mercier und Consorten.
    Was letztere betrifft, so muss ich von vornherein einen Umstand betonen, den die Führer der Dreyfus»Campagne« geflissentlich verdeckt haben, nämlich, dass der Process gegen Dreyfus ein Spionenprocess war, und dass in Spionenprocessen selbstverständlich Spione eine hervorragende Rolle spielen, wo nicht die Hauptrolle. Das Spionieren ist aber, wenn als Handwerk betrieben, eines der schmutzigsten Handwerke, die es gibt – und sogar Herr v. Puttkamer musste zugeben, dass ein Spion kein Gentleman sei. Er dachte nur an politische Spione; die militärischen sind indes von der gleichen moralischen Qualität. Ein großes Unrecht war es von Anfang an, dass das Spionendepartement des französischen Generalstabs mit dem gesammten Generalstab, ja mit der gesammten Armeeorganisation zusammengeworfen ward, was ungefähr ebenso gerecht ist, als wenn man das Gesindel des Tausch- Processes mit der preußischen Regierung, der Reichsregierung und überhaupt den deutschen Regierungskreisen für eins erklären wollte.
    Dass diese tolle Ungerechtigkeit nicht ganz ohne Absicht war, erhellt daraus, dass die Führer der »Campagne«, wie das tausendmal ausgesprochen und hunderttausendmal angedeutet ward, von der Voraussetzung ausgiengen, der französische Generalstab habe wissentlich einen Schuldlosen verurtheilt. Eine geradezu monströse Abgeschmacktheit. Das Interesse des Generalstabs konnte doch bloß sein, den Schuldigen zu finden und zu packen. Und dass aus bloßem Judenhass der Jude Dreyfus auf die Teufelsinsel geschickt worden sei, ist eine Annahme, die jeder Psychologie und allem gesunden Menschenverstand ins Gesicht schlägt. Die antisemitische Bewegung war in Frankreich 1894 sehr schwach – ihre Träger galten als lächerliche Personen. Seitdem ist sie etwas stärker geworden, aber wesentlich infolge der »Campagne«; und auch jetzt ist sie nicht annähernd so stark, wie in Deutschland, obgleich – nach französischer Art – weit mehr Spectakel gemacht wird. Mich wird niemand der Sympathie für die Antisemiten verdächtig halten, allein eine so hohe Meinung ich von dem Judenhass der Herren Liebermann v. Sonnenberg, Böckel, Ahlwardt und Genossen auch haben mag, das würde ich ihnen doch nie zutrauen, dass sie, auf der Richterbank sitzend, einen Juden bloß deshalb, weil er ein Jude ist, eines todeswürdigen Verbrechens schuldig erklären und auf die »trockene Guillotine« schicken würden.
    Ich weiß, es gibt »patriotische« Männer, die da vermuthen, als »vaterlandsloser Geselle« schwärme ich für die französischen Officiere, Generale und Kriegsminister. Ach nein. Das ist eine Menschenart, die ich in Frankreich so wenig liebe, wie in Deutschland. Wenn mir aber jemand erzählte: »Auf Drängen des Kriegsministers v. Goßler hat ein preußisches Kriegsgericht einen deutschen Officier jüdischer Nationalität, wissend, dass er unschuldig ist, der Spionage für Frankreich schuldig befunden, bloß weil er ein Jude« – so würde ich den Erzähler für verrückt halten. Und die Urheber der »Campagne«, die so viel darauf pochen, dass bei dem reichen Dreyfus kein »Motiv« vorhanden gewesen sei – als ob Geld das einzige »Motiv« zum Verbrechen wäre! – möchte ich doch daran erinnern, dass die Annahme, sieben französische Officiere unter Anführung des Kriegsministers und unter Mitwirkung des ganzen Generalstabs hätten einen kriegsrichterlichen Ritualmord verübt, – unendlich widersinniger und widernatürlicher ist, als die Annahme, ein reicher Mann könne das Verbrechen der Spionage für das Ausland begangen haben. Von wie vielen reichen und sogar hochgestellten Landesverräthern gibt die Geschichte uns Kunde!
    Also ich glaube nicht an die Unschuld des Dreyfus. Und ich will nun sagen, wie es kam, dass ich an sie nicht glaube.
    Dem Process des Jahres 1894 hatte ich nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Unter der Herrschaft des »bewaffneten Friedens« blüht die internationale Spionage, namentlich zwischen Deutschland und Frankreich so üppig, dass Spionenfänge und Spionenprocesse zu den Alltäglichkeiten, wenn auch nicht zu den Annehmlichkeiten des Lebens gehören. Erst im Herbst 1897, als die »Campagne« durch die bekannte Lazarus-Schrift eröffnet ward, fieng ich an, mich mit der Sache ernst zu beschäftigen. Die Schrift hatte für mich nichts Ueberzeugendes. Wohl aber trieb sie mich vor die Frage: Ist es wahrscheinlich, ist es denkbar, dass ein französischer Officier, der eine einflussreiche Familie und Verwandtschaft hat, wegen eines Landesverraths, den er nicht begangen hat, verurtheilt und fünf Jahre lang eingesperrt werden kann? Ist es wahrscheinlich, ist es denkbar, dass die Regierung, für welche der Verrath angeblich oder vermuthlich begangen wurde, es dulden kann, dass ein Unschuldiger für diesen Verrath fünf Jahre lang gefangen und so behandelt wird, wie Dreyfus behandelt worden ist?
    Auf diese Frage musste ich mit Nein! antworten. Ich kenne etwas von Spionenprocessen; ich habe selbst in Spionensachen mehr als einmal als Richter functioniert, freilich nicht als staatlicher, staatsamtlicher Richter. Ich weiß, dass in solchen Processen meist nur ein Indicienbeweis erbracht werden kann, die Gefahr eines Justizirrthums folglich sehr nahe liegt. Ich weiß aber auch, dass in Bezug auf die Militärspionage der Regierungen eine Art ungeschriebenen Völkerrechts besteht, dessen erster Paragraph lautet: Es wird spioniert auf Mord und Brand, allein keine Regierung hat direct oder indirect etwas mit Spionen zu thun. Und nicht nur keine Regierung, sondern auch kein Organ der Regierung.
    Wird in der Tasche eines ertappten Spions der eigenhändige Brief eines ausländischen Generals oder Ministers gefunden – der Finder drückt (von Friedenszeiten ist die Rede) die Augen zu, und die »hereingefallene« Regierung erklärt, wenn das Missgeschick ruchbar wird, kühn und stolz unter dem Lächeln der Auguren, dass weder sie noch ihre Organe direct oder indirect mit dem Spion etwas zu thun haben.
    Diese Praxis, wie gesagt, ist international. International ist aber auch eine andere Bestimmung dieses ungeschriebenen Völkerrechts, nämlich, dass ein unschuldig der Spionage Angeklagter sofort entlassen wird, wenn die Regierung, für welche der Verrath begangen worden ist, in nichtamtlicher Form das Wort abgibt, dass der Betreffende, so weit sie in Frage kommt, unschuldig ist.
    Im Falle des Hauptmanns Dreyfus ist ein solches nichtamtliches Wort nicht abgegeben worden, – sonst hätte man ihn nicht für fünf Jahre auf die Teufelsinsel geschickt. So fand ich mich zu dem Schlusse gedrängt, dass Dreyfus nicht unschuldig sei. Indes dieser Schluss genügte mir nicht und ich verlegte mich fleißig auf das Studium der »Affaire«. Die deutsche Justiz kam mir zu Hilfe: im November 1897 musste ich eine viermonatliche Gefängnisstrafe antreten, und nun hatte ich die nöthige Muße. Der Zola- Process fiel in meine Strafzeit, und da ich die Erlaubnis hatte, den ‚Temps‘ zu lesen, der alles Material zu Gunsten des Dreyfus mit peinlicher Sorgfalt sammelte und den stenographischen Bericht des Zola-Processes brachte, so gelangte ich in den Besitz des Materials der »Affaire« und gewann eine ziemlich feste Grundlage des Urtheils. Im Gefängnis liest man genau. Außer dem ‚Temps‘ durfte ich noch die ‚Kreuzzeitung‘ und die ‚Vossische Zeitung‘ lesen. So konnte ich den Stand der Affaire in Frankreich und ihre Behandlung in Deutschland – überhaupt im Auslande – beobachten. Hier fiel mir nun zunächst auf, dass die deutsche Presse von Paris aus durchaus falsch unterrichtet wurde. Was z.B. die deutschen Zeitungen über den Zola-Process schrieben, in dem der Hauptheld eine recht lächerliche Rolle gespielt hat, war in groteskem Widerspruch mit den Thatsachen. Und mit der angeblichen Parteilichkeit der französischen Regierung gegen Dreyfus konnte es auch nicht so schlimm sein, denn das Regierungsblatt, der ‚Temps‘, war entschieden für Dreyfus. Dann berührte mich sehr unangenehm das blöde Geschimpfe auf Frankreich, die Franzosen und alles Französische. Wozu dieser Appel an den gemeinsten Chauvinismus? Und was konnte dieses Fischmarktgeschimpfe der Sache des Dreyfus nützen? War es überhaupt nicht geradezu widersinnig, die »Campagne« für einen wegen Landesverraths Verurtheilten in dem Lande zu führen, an das er sein Vaterland verrathen haben sollte? Das war ja der reinste Aberwitz. Ich kam zu der Ueberzeugung, dass die Sache des Dreyfus in schlechten Händen war. Und meine Zweifel an seiner Unschuld wurden wesentlich gestärkt. Gemindert konnten sie nicht werden durch die inzwischen bekannt gewordenen Erklärungen des deutschen Gesandten in Paris aus dem Jahre 1894 und durch die neuen Erklärungen des Staatssecretärs Bülow. Es waren das die conventionellen Formeln, die einfach die conventionelle Lüge aussprachen, dass eine Regierung »weder direct noch indirect« mit Spionen etwas zu thun hat.
    So wenig ich die Führung der »Revisions-Campagne« billigte, so war ich doch für die Revision – wie ich in jedem Falle, wo sich ein Zweifel an der Schuld eines Verurtheilten erhebt, für die Revision einzutreten mich verpflichtet halte.
    Das Geschimpfe auf die »Fälscherbande«, »Verbrecher«, »verkommenen Franzosen«, das an die wüstesten Orgien des 1870/71er Kriegsfanatismus erinnerte, verursachte mir aber einen so großen Ekel, dass ich nach meiner Wiederfreilassung im Gespräche mit Befürwortern der Dreyfus-Sache unter vier Augen äußerte, die Leiter der »Campagne« verdienten Stockschläge für den Schaden, den sie ihrer eigenen Sache zufügten, und für den Vorschub, den sie den Antisemiten und Reactionären aller Art leisteten. Insbesondere die deutsche Presse hat arg gesündigt. Und liberale oder gar demokratische Zeitungen haben eine »Franzosenfresserei« insceniert, die unsere verbohrtesten Junker und Polizeipatrioten mit Neid erfüllen musste und nur in deren Antisemitismus eine Begrenzung fand. Wurde die »Franzosenfresserei« doch dem »Juden Dreyfus« zu Liebe und Ehren betrieben. Aber von der »Campagne« ein andermal. Für heute nur noch kurz über das Ende der »Campagne«, der trotz allem Geschreie eine zweite nicht folgen wird – wenigstens gewiss nicht im gleichen Stil und mit gleichen Waffen.
    Die Revision wurde erreicht – ein Resultat, das jedoch nicht sowohl der »Campagne«, als der Entlarvung des Fälschers Henry durch die bête noire der Revisionisten, den Kriegsminister Cavaignac zu verdanken ist. Der neue Process kam und – Dreyfus ist zum zweitenmale verurtheilt.
    Natürlich heißt es jetzt: ein neuer Justizmord sei begangen. Ist das so sicher? Mit den Einzelheiten des Processes will ich mich nicht beschäftigen. Ich will nur feststellen, dass die Haltung des Angeklagten auch auf seine Vertheidiger einen äußerst ungünstigen Eindruck gemacht hat – ich verweise auf die Berichte der ‚Frankfurter Zeitung‘, die gewiss nicht der Parteilichkeit gegen Dreyfus angeklagt werden kann. Ich stelle weiter fest, dass die Indicienbeweise gegen Dreyfus bei weitem stärker und wuchtiger waren, als allgemein angenommen worden war. Ich stelle ferner fest, dass die Vertheidigung in den letzten Processtagen sich ihrer Schwäche so voll bewusst war, dass sie in letzter Stunde das ganze Vertheidigungssystem plötzlich änderte, was natürlich ebenso verhängnisvoll wirkte, wie eine plötzliche Aenderung des Schlachtplans mitten in der Schlacht.
    Bemerken muss ich allerdings, dass die Schuld des Dreyfus nicht bewiesen wurde, – aber auch nicht seine Unschuld; wobei indes festzuhalten ist, dass es bei Spionenprocessen nur in den seltensten Fällen directe, positive Beweise gibt, weil diese meist in den Händen des Feindes sind.
    »Aber der Feind – in diesem Falle die deutsche Regierung – hat ja die Unschuld des Dreyfus amtlich erklärt.«
    So?
    Am Morgen des Tags, wo das Urtheil in Rennes gefällt werden sollte, kam ein Freund – ich war gerade auf Reisen – zu mir gestürzt: »Dreyfus ist jetzt gerettet – die Reichsregierung hat seine Unschuld bezeugt!« Er reichte mir die ‚Frankfurter Zeitung‘ mit der bekannten Erklärung. Ich las diese, fand nur eine Wiederholung der früheren Erklärungen und sagte dem Freund: »Du irrst Dich! Das ist die Verurtheilung des Dreyfus!«
    Und Dreyfus wurde verurtheilt. Ein Wort der deutschen Regierung hätte ihn gerettet, wenn sie ihn unschuldig wusste, und dieses Wort ist nicht gesprochen worden. Die conventionelle Formel deckte nur die deutsche Regierung, nicht Dreyfus. Und wie mag Hohenlohe und mag Bülow gelacht haben, als sie in den Zeitungen lasen, die Verurtheilung sei angesichts der Erklärung im ‚Reichsanzeiger‘ eine Insulte der deutschen Regierung, des Kaisers und des Reichs! Hätte man die Erklärung in Frankreich für etwas Anderes genommen als eine conventionelle Formel, so hätten die französischen Kriegsrichter und Behörden ihrem Verstand und Wissen ein sehr schlechtes Zeugnis ausgestellt.
    Und hier ein kleines Erlebnis. Ein Reisender besteigt mit seiner Frau und einer Freundin derselben in Paris ein Coupé – Pardon – Pardon! Verzeihung – ein Abtheil* erster Classe des Nachtschnellzugs nach Belgien und Deutschland. Es war vor x Jahren, nicht gar zu lang her. Im Augenblick, wo der Zug sich in Bewegung setzt, springt ein hochgewachsener Herr in das Abtheil und wirft sich, nach flüchtigem Gruß, in die vierte Ecke. Der Mann ist offenbar sehr erregt, bei der Hast seines Kommens nichts Auffallendes.
    Der Fremde sprach kein Wort und hielt die Mütze über das halbe Gesicht herabgezogen, so dass man hätte meinen können, er schlafe, wenn nicht nervöse Bewegungen gegen die Annahme gesprochen hätten.
    Als die erste belgische Station ausgerufen ward, schnellte der Fremde wie ein Gummiball empor, riss das Fenster auf und rief mit zusammengepresster Stimme: »Sind wir in Belgien?« »Ja!« Dieses »Ja!« wirkte wie ein elektrischer Schlag. Der Fremde warf die Mütze ab, sprang mit dem Ruf: »Gott sei Dank! Jetzt bin ich sie los!« in die Luft, wurde verlegen und entschuldigte sich vor uns: »Ich bin ja unter Landsleuten! Französische Spione waren hinter mir her, ich dachte nicht, dass ich ihnen entschlüpfen würde! Und jetzt bin ich in Sicherheit!«
    Und er erzählte mir – mit einer Offenherzigkeit, die sich theils aus der erlittenen Seelenangst, theils aus dem Glauben erklärte, mit Leuten zusammen zu sein, auf deren Sympathie er rechnen könne. (Seine Vertrauensseligkeit ist auch nicht missbraucht worden.) Genug – er war als Freiwilliger nach Paris gegangen, um gewisse militärische »Geheimnisse« näher zu erforschen, und war französischen »Collegen« oder »Kameraden«, die ähnliche Dienste gegen Deutschland leisteten, verdächtig geworden. In der Beichte fiel mir besonders auf, was er über die letzte Unterredung mit einem – Vorgesetzten in Deutschland mittheilte. Er war gewarnt worden: »Was Sie thun, thun Sie auf eigene Gefahr. Wenn Sie gefasst werden – wir haben weder direct noch indirect etwas mit Ihnen zu thun.« – – – – – – – – – – – – – – – –
    Nun – die französische Regierung hat Dreyfus begnadigt. Das war nicht logisch, aber vernünftig. Und wer von der großen »Campagne« her noch etlichen Vorrath von Mitleid und Entrüstung hat, der verwende ihn für die Wiederaufnahme des Essener Meineidsprocesses, in dem Schröder wegen eines Meineids verurtheilt ward, der unmöglich vorhanden sein konnte, oder für den unglücklichen Ziethen, der zweifellos unschuldig ist und seit 15 – ich schreibe: fünfzehn – Jahren im Zuchthaus sitzt, wo der Aufenthalt noch weit weit weniger angenehm ist, als auf der Teufelsinsel.
    Berlin, den 25. September 1899.
    W. Liebknecht.

    Fußnoten

    * In Deutschland, wo jetzt ein patriotischer Feldzug gegen Fremdwörter geführt wird – allerdings mit wenig Geschmack und Sprachkenntnis –, ist das Wort »Coupé« geächtet und muss »Abtheil« gesagt werden. W.L.

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    "Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=
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    hal-croves
    אור

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    »Im Stadtpark«, verkündigte die ‚Neue Freie Presse‘ an dem Abende des 25. d.M. ihren Lesern, »ist heute Vormittag das Denkmal des im October 1896 verstorbenen Tondichters Anton Bruckner enthüllt worden«. Als ich diese Notiz las, fand ich es begreiflich, dass ein Blatt, dessen Musikreferent zwanzig Jahre lang das Wirken des größten österreichischen Tondichters unserer Zeit den Lesern verschwiegen hat, es nöthig erachtet, im Localbericht mitzutheilen, wer Anton Bruckner war. Eine kunstkritische Notiz des Herrn Servaes im Morgenblatt vom nächsten Tage hat mich indes eines Besseren belehrt. Es handelte sich nicht um die Aufklärung schlechtinformierter Leser. Die Localnotiz, die von Bruckner wie von einem Unbekannten gesprochen hatte, war vielmehr der Ausdruck des Hasses, der gegen die Größe Bruckners in der ‚Neuen Freien Presse‘ herrscht, wo Hanslicks ästhetischer Geschmack offenbar als Hausgesetz gilt. Denn auch Herr Servaes fand sich bewogen, den Abgeschmacktheiten, die er über das Denkmal vorzubringen wusste, eine ruppige Bemerkung über Bruckner beizufügen. Man habe, meint er, wohl darum so viel Eile gehabt, jenes Denkmal zu errichten, weil eine spätere Generation vielleicht – vergessen könnte. Herr Servaes mag unbesorgt sein. Man wird des Schöpfers der erhabensten Symphonien, die seit Beethoven erklungen sind, des Weckers tiefster religiöser Inbrunst noch lange gedenken, wenn Tilgners seichte und kleinliche Charakterisierungskunst, die dem Kunstkritiker der ‚Neuen Freien Presse‘ so sehr imponiert, längst niemandem mehr Respect einflößen wird. Eines aber mag Herr Servaes bei diesem Anlasse bedenken: Wenn zwei dasselbe thun, ist es nicht dasselbe. Wenn Hanslick Bruckner gehasst hat, die tiefe Wirkung seiner Musik nicht zu fassen vermochte, so kann man begreifen und bedauern, dass das Verständnis eines feingeistigen Kritikers, der doch in ein reiches Kunstgebiet, das unserer classischen und romantischen Musik, tief wie wenige eingedrungen ist, auch seine Schranken hat. Aber müssen Andere mit Hanslicks Schranken ihre Beschränktheiten rechtfertigen?

    (Die Fackel: Nr. 21, S. 28-29)

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    "Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=
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    hal-croves
    אור

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    Geehrter Herr, ich erlaube mir, Ihnen mitzutheilen, dass ich, im Begriffe, nach Görz zu fahren, am 16. d.M. auf dem Perron des Südbahnhofes mir Nr. 25 Ihrer ‚Fackel‘ gekauft habe und von der Lectüre des Artikels über die Südbahn so befriedigt war, dass ich bereits in Atzgersdorf die Nothleine zog.
    Hochachtungsvoll
    Ein Reisender.

    (Die Fackel: Nr. 26, S. 21)

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    "Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=
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