Startseite › Foren › Fave Raves: Die definitiven Listen › Die besten Alben › Labyrinths – Irrlichts Alben-Faves
-
AutorBeiträge
-
Carrot Flower
Was mich etwas gestört hat, war der Versuch, eine Art festes Szenenbild zu entwerfen, in dem sich ein Protagonist bewegt. Sicher hat man immer auch Bilder im Kopf, wenn man Musik hört, aber mir war das zu starr.Das kann ich nicht so wirklich nachvollziehen. Das ist doch wenig mehr als ein interpretatives Angebot, ein mögliches von vielen möglichen Szenarien. Dass man unendliche viele andere Szenarien entwerfen kann, ist ja klar, aber das ist ja eigentlich kein Problem. Es ist vor allem interessant, Irrlichts Bilder mit den eigenen zu vergleichen. Da habe ich im Detail einiges anders gehört, aber ein glaubwürdiger und nachvollziehbarer Versuch der Deutung war das doch allemal.
--
Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.Highlights von Rolling-Stone.de11 coole Zitate aus „Und täglich grüßt das Murmeltier“
So klingen die größten Schlagzeuger ohne ihre Band
Welches Equipment verwenden eigentlich…Pink Floyd?
Musikalische Orgasmen: 6 Songs voller Höhepunkte
Dies ist (laut Fans und Kritikern) die beste Folge von „Friends“
Studio-Magier: Die 8 besten Musikproduzenten
WerbungDa hast Du Dir ja nochmal richtig Arbeit gemacht, Andrea. Mensch, herzlichen Dank
Carrot FlowerDen gestrigen Abend habe ich mopsfidel mit Portishead und zehn Seiten Papier verbracht, also nun etwas mehr Rückmeldung zu Text und Deutung. Die Kritik wirst du mir nicht übel nehmen, du weißt ja, dass ich deinen Text grundsätzlich sehr gelungen finde und du generell nicht auf meiner To-Hate-Liste stehst. Zudem haben gerade meine Fragezeichen an deinem Text meine Deutung dieses Albums erst herausgekitzelt, merci also!
Wenn Du das so sagst, glaube ich es mal :lol:
Carrot FlowerAls Erstes aber noch die Übersetzung der portugiesischen Verse (gegoogelt, ich kann auch kein Fitzelchen Portugiesisch):
Beachte die Regel der Drei.
Was du gibst, wird zu dir zurückkommen.
Diese Lektion musst du lernen.
Du bekommst nur, was du verdienst.Angesichts der Tatsache, dass der Arbeitstitel von „Silence“ „Wicca“ lautete, sicherlich food for thought. Man muss sich aber nicht mit Hexenkulten beschäftigen, um den Spruch zu deuten; in wohl jeder Kultur gibt es Sprichwörter und Sinnsprüche, die auf eine Art kosmisches Ausgleichs-Gesetz hinauswollen. Damit ein Album zu eröffnen, in dem die Frage danach, was sich Leute antun, Verletzung durch den Anderen und Verlust von Deutungsmustern eine große Rolle spielen, kommt nicht von ungefähr. Aber genug davon, zumindest hier und jetzt.
Was Du da ausgegraben hast ist für mich alles andere als uninteressant. Zumal ich es ja höchst ungewöhnlich finde mit einem solch fast schon unheilvoll anmutendenen Gleichnis (zumindest wenn man es parallel zur Musik wahrnimmt) einen Startpunkt zu setzen. Passt aber.
Carrot FlowerWas mich etwas gestört hat, war der Versuch, eine Art festes Szenenbild zu entwerfen, in dem sich ein Protagonist bewegt. Sicher hat man immer auch Bilder im Kopf, wenn man Musik hört, aber mir war das zu starr. Da hat man dann diese Großstadtszenerie mit einer Person in einer bestimmten Lage, und plötzlich muss jede Stimmung jedes Songs irgendwie in dieses Bild passen. Manches davon wirkt auf mich etwas gezwungen bzw. konstruiert. Ich denke, du hast es so gemacht, um dem Text einen Rahmen zu geben, für mich ist das kein Gewinn.
Ok. Ehrlich gesagt ist es nicht mal so, dass ich das nicht nachvollziehen könnte. Wenn ich mir den Text im Nachhinein so durchlese, erkenne ich schon jetzt vieles, was ich nun ganz anders machen würde – z.T. ganze Ansätze. Der Großteil des Textes entstand innerhalb von zwei Tagen, in welchen ich das Album permanent hörte. Ich gehe einfach mal davon aus, dass es selbst unterbewusst einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf mich hatte – nicht auszuschließen, dass ich mich in meiner Wahrnehmung durchaus in eine Richtung bewegte, die später etwas konstruiert, gekünstelt und übertrieben wirkt..
Eins wöllte ich noch anfügen: Zumindest bei mir entstehen beim Hören nahezu immer Bilder im Kopf, wenn das nicht passiert, lasse ich die Musik liegen. Das ist eigentlich immer jene Musik, die ohne nur den geringsten Anspruch an das eigene Tun geschaffen wurde, – damit meine ich weder die Musik die ich nicht mag, noch generell jene „Musik für die Massen“ (da auch diese beiden Beispiele Bilder hervorrufen können, ob diese mir etwas sagen, mir etwas geben, ist allerdings eine andere Angelegenheit) – Musik, die nichtmal ein Mindestmaß an Herzblut in sich trägt. Kurzum: Musik, die dem Schöpfer nichts bedeutet, sondern nur geschaffen wurde, um die Fans zu unterhalten. Hoffe mein Gedankengang ist nicht allzu verwirrend.
Carrot FlowerSehr schön finde ich dagegen meist die Ausdrücke, mit denen du die Musik direkt beschreibst bzw. Stimmungen einzufangen versuchst („seidigen, fast bedrohlichen Rhythmus“). Das ist sehr eigenständig, und ich kann das ganz gut deuten. Allerdings auch hier eine kleine Kritik: manche Bilder sind etwas windschief oder überladen, aber das passiert schnell, wenn man beim Schreiben gerade selbst emotional ist oder viele Eindrücke auf einmal festhalten will.
Dein abschließender Satz fasst es gut zusammen. In manchen Momenten driftet man mit der Musik in Ebenen ab, die später womöglich tatsächlich überladen wirken. Womöglich hätte ich das Geschriebene nach dem Abschluss für einige Tage liegenlassen und danach „korrekturlesen“ müssen. Mein Kopf, wie auch meine Erfahrung, sagen mir allerdings, dass der Text unter diesen Umständen nie fertig geworden wäre. Eine so unglaublich selbstkritische Person, wie ich es bin, findet dann tatsächlich nie ein Ende, sondern belastet sich unnötig mit tausenden von Fragen, die dann ohnehin nicht beantwortet werden. Der Text war kein Schnellschuss, wohl aber ein erster „Test“, wie man auf meine Schreibe reagieren würde. Ein Probedruchgang vielleicht auch, ich habe nun so unzählig viele Tipps und neue Sichtweisen, dass es eigentlich nur bergauf gehen kann.
Carrot FlowerZur Interpretation: Da höre ich vieles anders als du, das lässt sich hier aber unmöglich en detail darstellen (ich bin aber gern dabei, wenn du den Ball aufnimmst). Zum Beispiel nennst du „The Rip“ verzaubernd, hoffnungsvoll. Für mich ist es bei aller Sanftheit und Schönheit auch leise bedrohlich, schon allein durch die verstimmte Gitarre (wunderbare Idee). Oder „Deep Water“. Ich hab das selbst noch nicht ganz klar, aber drollig oder herzallerliebst kann ich den Track nicht finden – hast du mal auf diesen Chor geachtet? Statt in Barbershop-Manier akzentuiert und dynamisch zu trällern, singen hier Wasserleichen, ganz verschliffen und müde. Zusammen mit all dem bedrohlichen Wasser im Text kein Sonntag mit Segeltörn…
Allerdings, ich hatte mir jedoch auch nicht angemaßt die „Deutungshoheit“ (wie man das hier so schön sagt bzw. schreibt) inne zu haben, die Wiedergabe ist meine, mehr kann sie eigentlich auch nicht sein. Ich habe versucht möglichst viel aus den Texten zu gewinnen und das war letztlich mein Eindruck. Wobei ich ja Deine Alternativen sehr sehr gut finde und mittlerweile geradezu dafür plädiere, dass Du Dich hier auch regelmäßig mit einem Favoriten-Thread einbringst. Das wäre doch was, mir machen Deine Vorschläge wirklich Spaß und die Idee mit den Wasserleichen ist so fern tatsächlich nicht. Muss ich wohl nochmal genauer hören, womöglich habe ich diesem unscheinbaren „Schnipsel“ zu wenig Beachtung geschenkt.
Bei „The rip“ bleibe ich standhaft – für mich ist es ein zentraler Punkt, der die Stimmung ein wenig aus dem Abgrund erhebt. Und für mich ist er auch thematisch weit weniger verzweifelt, aussicht- und trostlos als das Gros der Platte. Womöglich hatte ich allerdings auch hier etwas übersehen, dieses Album hat offensichtlich einen längeren Atem als meine Wenigkeit.
Deine Einladung zum fröhlichen Bällewerfen nehme ich natürlich gerne an – allerdings zu einem späteren Zeitpunkt. Etwas im Stress heute.
Carrot FlowerFür mich am anregendsten war dein Abschnitt über die Wirkung, die das Album auf dich hat, denn das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Zapft dir „Third“ tatsächlich Freude ab, fühlst du dich schlecht, wenn du es hörst? Ich will hier nicht wieder in philosophische Gefilde abdriften (sonst heult nachher wieder einer :lol:), aber mich kann traurige Musik nicht runterziehen, wenn sie so hervorragend und intelligent gemacht ist, und ich unterstelle, dass es dir ebenso geht, sonst würdest du sie nicht freiwillig hören, oder? Kriegst du nicht schlechtere Laune, wenn du das Radio anstellst und irgendwas lieb- und gedankenlos Zusammengeknüppeltes hörst?
Doch, dort auch, allerdings. Ich denke, ein Problem ist, dass Du die Wörter womöglich schlimmer auslegst als ich. In der Tat, für mich ist selbst der Umstand „runterziehend“ nicht allzu tragisch. Die Musik bohrt in Wunden, reinigt aber gewissermaßen auch. Ich definiere Musik als Kenntnisgewinn (ja, schon bevor ich dieses Forum betrat), nicht zuletzt über sich selbst. Genauso ist es für mich spannend zu wissen, warum ein Album eben so auf mich wirkt, wie es wirkt – warum es mich traurig, glücklich, unruhig macht etc. Weswegen es meinen Herzschlag beschleunigt, mich absolut langweilt und mich verstört (ich schrieb dazu ja bereits ausführlicher in Deinem, dafür vorgesehenen, Thread). Warum sollte ich für diesen Gewinn nicht den Weg durch die gefühlstechnische Hölle in Kauf nehmen ? Ist es mir wert.
Und natürlich zieht manche Musik runter – egal wie brilliant sie ist. Das ist doch gerade das „Positive“. Oder würdest Du einen Horrorfilm anschauen – diesen dann auch noch freudig hochhalten – wenn er sich es nicht zum Ziel setzen würde zu verstören, zu verängstigen. Glaube ich nicht. Manche Dinge haben einen Zweck zu erfüllen und „Third“ hat sich etwas bestimmtes zum Ziel gesetzt. Genug persönliches erzählt, abschließend: Ich mag Musik die mich „runterzieht“ (auch emporhebt, so ist es nicht), die mich vielleicht auch in ihrer Form verstört und psychisch an Grenzen bringt. Angst habe ich vor jener Musik, bei der ich nichts fühle. Kalte Ware, nichts kann schlimmer sein.
Könnte noch fortführen, aber mir tun nun gehörig die Finger weh. Komme jetzt grade auch erst vom Arbeiten.
Ach ja: Bin morgen wohl nur in den frühen Stunden und spätabends hier anzutreffen, daher nicht wundern wenn eine Antwort auf sich warten lässt.
Grüße :wave:
--
Hold on Magnolia to that great highway moonDa hast Du Dir ja nochmal richtig Arbeit gemacht
War keine Arbeit; wenn ich sogar einen Silvesterabend dafür opfere, muss es wohl pures Vergnügen gewesen sein!
Nochmal zur „Deutungskulisse“: Natürlich hat man Bilder, Szenerien im Kopf beim Musikhören, und dass diese Großstadtkulisse mit einem einsamen Geist darin eben dein persönliches Kopfkino zu diesem Album ist, würde ich niemals antasten wollen. Die Kritik bezog sich eher auf die Textgestaltung bzw. die Beschränkungen, die ein solch konsistentes Bild der Interpretation auferlegen kann, wenn man sich erst einmal auf ein bestimmtes Bild, womöglich mit einem bestimmten Protagonisten darin, „eingeschossen“ hat. Aber sicher war das für dich beim Schreiben hilfreich, um nicht zig Interpretationsstränge nebeneinander laufen zu lassen.
Zu unseren unterschiedlichen Interpretationen: Da sei janz jelassen, Deutungshoheitsamtsanmaßung würde ich dir nie unterstellen Wenn ich zu anderen Ergebnissen komme, sind das ja auch nur Angebote an dich, weiter zu diskutieren, zumal du einer der wenigen hier bist, die sich auf derlei gern einlassen. Ich hör mir The Rip nochmal an und behellige dich dann gerne wieder!
(„Deep Water“ sprang mir übrigens besonders ins Auge, weil ich auf einer Lyrics-Seite zig Kommentare à la „Urgh – shit – Ukulele, haha“ gelesen habe. Mir schwante jedoch, dass es mit diesem Ausreißer eine gewisse Bewandtnis haben könnt, denn Portishead sind ja eventuell die Strohköpfigsten nicht. Wenn dir noch was dazu einfällt, immer her damit!)
Und natürlich zieht manche Musik runter – egal wie brilliant sie ist. Das ist doch gerade das „Positive“. Oder würdest Du einen Horrorfilm anschauen – diesen dann auch noch freudig hochhalten – wenn er sich es nicht zum Ziel setzen würde zu verstören, zu verängstigen.
Ja, aber dieses Runterziehen ist eben nur eine Art Miterleben bis zu einem gewissen Grad, ebenso wie der Horrorfilm. Es ist eine Inszenierung, du wahrst eine gewisse Distanz – du würdest dir keinen Horrorfilm freiwillig anschauen, wenn du nicht wüsstest, dass du keine Gefahr läufst, deine Eingeweide um den Kopf gewickelt zu bekommen. Das nennt man ja „Angstlust“, und vielleicht gibt es für düstre Musik dann so etwas wie „Trauerlust“. Melancholie halt.
--
the pulse of the snow was the pulse of diamonds and you wear it in your hair like a constellationReichlich verspätet, sorry…
Carrot FlowerWar keine Arbeit; wenn ich sogar einen Silvesterabend dafür opfere, muss es wohl pures Vergnügen gewesen sein!
Das freut
Carrot FlowerNochmal zur „Deutungskulisse“: Natürlich hat man Bilder, Szenerien im Kopf beim Musikhören, und dass diese Großstadtkulisse mit einem einsamen Geist darin eben dein persönliches Kopfkino zu diesem Album ist, würde ich niemals antasten wollen. Die Kritik bezog sich eher auf die Textgestaltung bzw. die Beschränkungen, die ein solch konsistentes Bild der Interpretation auferlegen kann, wenn man sich erst einmal auf ein bestimmtes Bild, womöglich mit einem bestimmten Protagonisten darin, „eingeschossen“ hat. Aber sicher war das für dich beim Schreiben hilfreich, um nicht zig Interpretationsstränge nebeneinander laufen zu lassen.
Jetzt verstanden, Du beklagst demnach die womöglich zwanghaft wirkenden Fragmente, die versucht wurden unter allen Umständen miteinander zur Deckung zu bringen. Kann ich sogar nachvollziehen, womöglich hätte ich mich ab einem gewissen Punkt aus meinem aufgebauten Szenario lösen müssen. Wobei ich ja eigentlich dachte, dass ich die Geschichte, die mit „Hunter“ beginnt, spätestens bei „Plastic“ abgeschlossen hätte. Mit „We carry on“ und besonders „Deep water“ beginnt ein neuer Abschnitt, der allerdings – was womöglich als „aneinanderhängend“ erscheint – durchaus in seiner Thematik an den Ersten anschließen könnte.
Carrot FlowerZu unseren unterschiedlichen Interpretationen: Da sei janz jelassen, Deutungshoheitsamtsanmaßung würde ich dir nie unterstellen Wenn ich zu anderen Ergebnissen komme, sind das ja auch nur Angebote an dich, weiter zu diskutieren, zumal du einer der wenigen hier bist, die sich auf derlei gern einlassen. Ich hör mir The Rip nochmal an und behellige dich dann gerne wieder!
Ja, mach das mal. Erfreue mich immer an Post aus dem Hause der Karrotenblume
Carrot Flower(„Deep Water“ sprang mir übrigens besonders ins Auge, weil ich auf einer Lyrics-Seite zig Kommentare à la „Urgh – shit – Ukulele, haha“ gelesen habe. Mir schwante jedoch, dass es mit diesem Ausreißer eine gewisse Bewandtnis haben könnt, denn Portishead sind ja eventuell die Strohköpfigsten nicht. Wenn dir noch was dazu einfällt, immer her damit!)
Was waren das nur für Lyrics-Seiten ? Puh…
Mit neuen Erkenntnissen im Gepäck werde ich mich sicher in nicht allzu ferner Zukunft wieder melden, „Third“ wurde aber für einige Tage zur Seite gelegt. Rund 25 Durchgänge in 2 Wochen war wohl etwas zuviel des Guten.
Carrot FlowerJa, aber dieses Runterziehen ist eben nur eine Art Miterleben bis zu einem gewissen Grad, ebenso wie der Horrorfilm. Es ist eine Inszenierung, du wahrst eine gewisse Distanz – du würdest dir keinen Horrorfilm freiwillig anschauen, wenn du nicht wüsstest, dass du keine Gefahr läufst, deine Eingeweide um den Kopf gewickelt zu bekommen. Das nennt man ja „Angstlust“, und vielleicht gibt es für düstre Musik dann so etwas wie „Trauerlust“. Melancholie halt.
Das ist richtig. Das schließt meine Aussagen aber nicht zwangsläufig aus. Zumal man dann ebenso anführen muss: Wahrt der Künstler selbst nicht auch eine gewisse Distanz zu seiner Kunst ? Wohl dem Musiker, der selbstzerstörende Musik schafft, diese aber nicht – zumindest etwas – abspalten kann. Insofern der Künstler nicht ausschließlich persönliches über sich erzählt, also seine Lage seinerseits beschreibt, bleibt er doch ein distanzierter Erzähler, oder nicht ?
--
Hold on Magnolia to that great highway moonWerde später noch etwas zu der Scheibe sagen….hab aber schon mal rein gehört…sind ein paar richtig gute Songs dabei….nervt aber zur Zeit.
--
Wenn ich meinen Hund beleidigen will nenne ich ihn Mensch. (AS) „Weißt du, was ich manchmal denke? Es müsste immer Musik da sein. Bei allem was du machst. Und wenn's so richtig Scheiße ist, dann ist wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo es am allerschönsten ist, da müsste die Platte springen und du hörst immer nur diesen einen Moment.“Respekt, Irrlicht. Ich habe mir Deinen Text ausgedruckt und mir dann im Sessel zur Musik zu Gemüte geführt und ich muß sagen, ich beneide dich. Ich versuche es selbst öfters mal aber in punkto Musik sich so gut und ausführlich ausdrücken zu können ist schon eine Gabe. Ich freu mich auf die nächsten Albumrezensionen von Dir.
--
If I'd lived my life by what others were thinkin', the heart inside me would've died.[/FONT] [/SIZE][/FONT][/COLOR]MoontearRespekt, Irrlicht. Ich habe mir Deinen Text ausgedruckt und mir dann im Sessel zur Musik zu Gemüte geführt und ich muß sagen, ich beneide dich. Ich versuche es selbst öfters mal aber in punkto Musik sich so gut und ausführlich ausdrücken zu können ist schon eine Gabe. Ich freu mich auf die nächsten Albumrezensionen von Dir.
Jetzt erst entdeckt (hatte nicht damit gerechnet, dass hier nach Tagen nochmal was nachkommt). Da sage ich natürlich knicksend Danke, freut mich, dass ein weiterer Gefallen an meinem halben Buch gefunden hat
Wobei geradezu zuviel der Ehre, sicher findet sich hier eine Viezahl an Personen, welche mit ihren Qualitäten an mir vorbeiziehen. Nur Mut also, Fave-Threads sind mir hier nach wie vor die liebsten, jeder Beitrag aus diesen Nischen wird begeistert verschlungen.Auf die nächste Rezension bin ich momentan tatsächlich mindestens ebenso gespannt – gerade steht anderes an, aber ein paar Alben wurden bereits ausgeguckt.
--
Hold on Magnolia to that great highway moonWo leuchtet das Irrlicht? Zwei Wochen Pause sind genug. Ich würde hier gerne wieder etwas lesen. Auch weniger monumentale Texte wie der zu P wären willkommen.
--
tolomoquinkolomWo leuchtet das Irrlicht ?
tolomoquinkolomZwei Wochen Pause sind genug. Ich würde hier gerne wieder etwas lesen. Auch weniger monumentale Texte wie der zu P wären willkommen.
Danke. Nun, wie ich schon im Eingangspost schrieb, ist es gerade etwas schwieriger Zeit für Texte zu finden – sicher, ganz ausgebucht bin ich auch nicht, aber ein wenig Ruhe sollte dabei schon da sein. Die jetzt gerade irgendwie fehlt, daher wies ich auch darauf hin, dass es wohl nur einmal pro Quartal eine Albumbesprechung von mir geben wird. Aber: Mit kramer, Mikko, niko und neuerdings auch fincky, Fletcher und Sweetheart sollte das Forum doch gut mit interessanten und lesenwerten Befassungen ausgestatten sein, die die „Wartezeit“ schnell vergessen lassen.
--
Hold on Magnolia to that great highway moonNach schon bald wieder vier Monaten melde ich mich hier mal zurück. Der zweite Text ist so gut wie fertig, ein paar Feinheiten noch, aber doch, im Laufe des morgigen Tages wird der virtuelle Stift zur Seite gelegt. Stellt sich natürlich die Frage, ob da momentan überhaupt Interesse besteht oder die Forumsgemeinde an Plattenvorstellungen vorerst überfressen eine Pause erwünscht (die Favoriten-Threads wurden in letzter Zeit ja überaus zahlreich). Jedenfalls würde ich mich freuen, wenn auch dieses Mal die eine oder andere Diskussion entsteht, das hat mich bei „Third“ wirklich begeistert. Dieses Mal ein Album anderen Stils, ausrichtungstechnisch widerum nicht mal so unterschiedlich.
Gute Nacht zusammen.
--
Hold on Magnolia to that great highway moonLeg mal los!
Björk?;-)--
Je suis Charlie Sometimes it is better to light a flamethrower than curse the darkness. T.P.grandandtLeg mal los!
Björk?;-)Nein, Björk ist es nicht (gute Idee allerdings…)
--
Hold on Magnolia to that great highway moonNa, dann laß ich mich mal überraschen!
(Schulze, Czukay (CAN), Godspeed…) – alles andere wäre eine Überraschung!--
Je suis Charlie Sometimes it is better to light a flamethrower than curse the darkness. T.P.Haha, da hat einer meine Vorlieben aber aufmerksam studiert. Eine Überraschung bleibt es trotzdem.
Ach ja: Zu Czukays „Canaxis“ und Godspeed’s „Lift your skinny fists…“ finden sich im entspr. Song-tüv bereits längere Texte von mir, nur so.
--
Hold on Magnolia to that great highway moonAus der Versenkung
Es gibt sie, diese Alben, die man nach Monaten oder auch Jahren wieder skeptisch aus dem Regal zieht, mit fragendem Blick die Covergestaltung betrachtet und anschließend – noch vor dem eigentlichen ein bzw. auflegen – darüber sinniert, wie es wohl, nach dieser vergangenen Zeit wirken wird, was sich verändert hat, ob die Einschätzung fällt oder Konstanz erfährt. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich – das Werk dürfte gerade frisch veröffentlicht worden sein – eines Tages im Geschäft stand und sofort in diesem mystischen Cover versunken bin (das nebenbei komplett vom Kopf, Arrangeur, Texter und Sänger der Band gestaltet wurde). Zu jener Zeit wendete man sich gerade von den großen Musiksendern ab, suchte seine Erfahrungen in Musik abseits der ständig Umgebenden. Und man erkannte für sich, dass diese düstere, hüllenlose, unberechenbare Musik die ist, die soviel mehr Substanz und Verständnis für die eigene Persönlichkeit aufbringt. „It doesn’t matter if we all die” unbedingt und danach wieder in “New dawn fades” versinken, darüber philosophieren, warum in „Marian“ der Briten The sisters of mercy auch Deutsch gesungen wird, warum man sich bei Nico stets so heimisch fühlt. Warum plötzlich in vieler Musik etwas Entscheidendes fehlte: Tiefe.
Ein Text nach dem anderen wurde verschlungen, Datenbanken durchstöbert, ständig auf der Suche nach etwas, das diese bieten konnte. Und dann war man plötzlich in besagtem Plattenladen und blieb an etwas hängen, was einem nur namentlich bekannt war. Die sollen angeblich die Szene bereichert haben, hui, Legendenstatus gar, aber was heißt das? Aber dieses Cover! Dieses Bild! Es wurde also vorsichtshalber reingehört. Und „Mourning sun“ brauchte keine zwei Minuten um mich zittrig zur Kasse rennen zu lassen, voller Anspannung, schon fast Freudentränen in den Augen – quasi bis heute mein einziger Blindkauf. Ich habe es nie bereut.
Fields of the Nephilim – Mourning sun (SPV Oblivion (2005))
„I started making music to fill a hole in me and the music I had in mind wasn’t there. Most of it is influenced by the whole concept of the Nephilim entity, my own interpretation of philosophy due to my own experience. I don’t think it’s about what we see and face in the physical plain- It’s more about feeling and outlets. I write in way where me lyrics can be interpreted in different layers” (Carl McCoy).
Die 1983 in Stevenage (Mittelengland) gegründete Band bestand letztlich nur 8 Jahre, nach dem Ausstieg des Sängers Carl McCoys – und seiner Gründung der Band Nefilim – verlief sich auch der Rest der vier verbliebenen Mitglieder in eigenen Projekten (The last rites, Rubicon, Noise of destruction), die ursprüngliche Besetzung fand bis dato nie wieder komplett zusammen, zu groß wurden die musikalischen Differenzen der Künstler. So erklingt „Mourning sun“, welches demnach als Soloalbum McCoys zu werten ist und ungewöhnlicherweise auch wieder unter dem unheilvollen Siegel „The Fields of the Nephilim“ veröffentlicht wurde, mehr als isoliert. Eine pechschwarze, scheintote, kristalline Landschaft, in der man sich nur zu leicht verfängt, sich ihr völlig hingibt und dabei versumpft.
“Cover his face so that he may not see the light”
“Heaven will shine no more”“Mourning sun” merkt man seinen langjährigen Reifungsprozess deutlich an, bis an die emotionale Schmerzensgrenze füllte der finstere Cowboy sein Werk mit Gift, Glasssplittern, Weltuntergangslyrik und einer weitläufigen Fläche für Synthesizer und schneidenden, obschon überaus filigranen Gitarrenmelodien. So erklingt bereits „Shroud (Exordium)“ – das trotz seiner fast sechsminütigen Länge lediglich als Intro zu sehen ist – in flackernden, schwarz-roten Farbentönen. Chorale Gesänge, ein Wabbernd und Zischen aus jedem Winkel der steinernen Gemäuer, ein verhuschtes Flimmernd der Stimme, die undurchdringlich und bedrohlich weitaus mehr Silben als ganze Sätze aus der Kehle klirren lässt. Bereits während dieser ersten Sekunden findet man sich in (s)ein abgründiges Endzeitszenario katapultiert. In einer Kirche hat mich sich mit den wenigen Überlebenden verschanzt, um eine letzte Zeremonie, besser, Anrufung abzuhalten. Aus allen Bereichen dröhnt Wehklagen, unsicheres, müdes Keuchen, gar kreischende Neugeborene, ehe grelles Licht seinen Weg in die Hallen findet und sich in allen Fenstern zu spiegeln beginnt. Jede Windung verstärkt die ängstliche Vorahnung, nunmehr haben sich auch die Farbtöne verändert, mit immer energischer werdenden Drums und sakralen Flutlichtern beginnt der schwelgerische Tanz, aus allen Ritzen und Ecken geistert der blanke Wahn. McCoys Vorliebe für Soundtracks und klassische Musik ist unverkennbar.
Um die lyrischen Auswüchse des McCoys zu verstehen, ist ein gewisser bibelfester Background wohl hilfreich. Der ist bei mir nur bedingt ausgeprägt, auch wenn ich versuche mich den Gedankengängen anzunähern. Die Sagen um die Nephilim – jene riesenhaften Mischgeschöpfe aus göttlichen Wesen und Menschenfrauen der altisraelischen Mythologie – dienten McCoy schon in frühen Jahren als Inspirationsquelle und Vorlage („The Nephilim has been the biggest influence on my life“). In den meisten Texten wird der Gang der gefallenen Wächter beschrieben, das lyrische Ich übernimmt dabei selbst den Rednerposten einer eben dieser.
Nachdem das erhabene, aber dennoch gnadenlose Intro mit heftigen Double-Bass-Attacken und ineinander wirbelnden Chören immer weiter die Umgebung entgrast hat, erfolgt der nahezu nahtlose Übergang zu „Straight to the light“. Wie sich „Shroud“ noch auf ein neues elektrostatisch auflädt und in völligem Taumel presswehenartig das zweite Unausdeutbare entfesselt, hat schon beinahe die Faszination einer beigewohnten Bombendetonation. Und so klingt es auch; “I will fly again, I will fly again!” sprudelt es auch dem Feuersturm, die tiefe Stimme haucht, growlt und schreit mit blutiger Kehle gegen die Himmelspforten. Wir haben gebrannt, Tag und Nacht, doch wir wenden uns nun mit glühenden Augen ab, es ist Zeit für uns zu gehn.
In „Straight to the light“ kommt dem Bass eine besondere Rolle zuteil, weit mehr als der eigentlichen Lead-Gitarre. Jener bombardiert gemeinsam mit den stampfenden, peitschenden Trommelhieben den Hörer beständig, während sich die Hintergrundchöre im Refrain rasant erheben, toben, wieder abschwellen, im Klangkosmos versinken. Das ergibt mitnichten einen pflegeleichten Gothrock-Schnickschnack aus der Weichspülebene, sondern eine morbide, erdige Skulptur, die von unzählbar vielen Soundschichten umgeben nur auf den finalen Moment zubrodelt. Und für wenige Momente verbleibt das Gefüge plötzlich im Stillstand: „The sky is burning.No night can fall. Zero dark“ spricht es bedächtig aus der Dunkelheit. Der Druck erhöht sich weiter, wieder mischen sich Stromimpulse und Chöre unter die brachialen Massen (weit weniger erhaben und emporhebend wie bei „This corrision“, hier wird mehr auf die Untermalung von Text und Stimme abgezielt) , bis schlussendlich ein teuflisches, rachesüchtiges Gelächter „The light of the sun. Open your eyes!“ über die Lippen zischt. Der Hexenkessel kocht noch für wenige weitere Momente, ein paar geifernde Krächzer, die echoartig in den Untergrund geistern; das erste Kapitel überstanden, nein, überlebt. Leichte Verbrennungen dennoch.
Feuer und Eis
Wenn man die Bestandteile des Werkes elementar gliedern will, ist schnell zu bemerken, dass ein Wechselspiel zwischen eisigen Gletschern und Feuersalven vorherrscht. Stand man zuvor noch in Flammen, ist „New gold dawn“ nun ein Zurückwerfen auf die Wege verschneiter Bergketten, die sich kilometerweit durch die Landschaft ziehen. Eine tiefe Gitarre stimmt die wippende Melodie an, ehe die kräftige, tiefe – und diesmal fast klare – Stimme wieder das Ruder übernimmt, sich sogleich donnernde Drums in Boot holt, die bis zum ersten Ausbruch trabend ihre Kreise ziehen. Im Quasi-Refrain sägt das Soundbild dynamisch, legt Erdspalten frei, durch die der nun morbide (oder „bone dry“, wie er sie selbst gerne bezeichnet) Gesang viele Stockwerke in die Tiefe hallt. „It’s just another fine day, recall, don’t follow me down, no more. As we rise we form a new gold dawn!”. In diesem Moment stockt das Bild, nur Synthiefetzen, ein Glockenschlag, leichtes Humpeln im Hintergrund und die zermürbende Stimme, die langsam ausholt und sich anschließend wieder in die Fluten wirft. Von Background-Echoes umgeben viele Male „Tomorrow!“ und ein sägendes „Tonight“, dann ist es still an der unteren Polkappe – mehr und mehr lichtet sich das Feld von schweren Elementen, übrig bleibt ein himmlischer Chor, eingebettet in wärmende Klänge, die fast ein wenig an Klaus Schulze oder Popol Vuh denken lassen. „Need time no more“.
Was nun folgt entzieht sich den Klassifizierungen der bisherigen Tracks. Weder Feuer noch Eis, weder Ballade noch stampfendes Donnergrollen, sondern eine verregnete Totemesse ist es, die mich in ihrem Aufbau sofort an Joy Division’s unglaubliches „The eternal“ erinnert. Dunkle, donnernde Wolken ziehen über den Gräbern auf, aus den Ästen zwitschert es leicht, der Regen setzt ein und plötzlich ist die Musik unmittelbarer denn je . Aus dem Nebel steigt die finstere Keyboard-Melodie, obschon beinahe an ein Piano erinnernd. Kannst Du mich jetzt hören? Kannst Du fühlen? Kannst Du mich jetzt sehen? Dann zeige Dich. Weniger Chaosmagie als seherischer Okkultismus ist das „Requiem“ des geräuschlosen Nachtwächters mindestens ebenso düster wie sein Titel. Über Minuten schleppt sich der Hörer mit der Stimme durch die Nacht und lauscht den unbeantworteten Fragen, die gegen Ende hin in schreiendes Klagen umschlagen: Do you know things to come? Don’t you know? Ebenso tragisch wie das großartige “Severance” (Dead can dance; „The serpent’s egg“) treibt auch der gefühlte Totentag abschließend gen Dunkelheit, ein letztes „Which way from here?“ und der Hörer wird wieder von der Träumerei befreit.
„Xiberia“, der fröstelnde und auch eindeutig brutalste Zornpegel des Albums verschüttet leise den Wind und brettert dann zielstrebig los. Schicht auf Schicht liegt die Soundcollage, die Stimme bis zum Anschlag verzerrt, das Produkt eine stampfende Masse, ein beschworenes Kriegsszenario, bei dem der Standort der vielfältigen Geräusche für den Hörer kaum zu erorten ist. Tief in der Arktis werden auch die Kristalle nicht wärmer (oder ist gar gleichnamiges David Sylvian Album gemeint?), die Zeit zählt die Grade nach unten. „Ich will aus Dir atmen, Malaria Messias, noch brenne ich im Eis und meine Haut zerbröckelt“ gurgelt und zischt es durch den Schneesturm. Verzweiflung kennt kein Maß, „Xiberia“ legt die Messlatte hinsichtlich verstörender Darbietung gewaltig hoch. Trotz alledem findet sich ein Weg aus dem eisigen Käfig, nach einem kurzen Sammeln und Durchatmen schleudert sich die Stimme animalisch durch eine ganze Reihe an Glassscheiben. „Yet still alive but frozen for the new day“.
“Xiberia” war jener Titel, an dem ich am längsten zu beißen hatte. Lange fehlte mir die Struktur, auch schlicht too much von allem, bis sich irgendwann die Gesinnung hinter dem Titel erschloss. Der sich turmhochaufbauende Epos, welcher sich an einem gewissen Moment entkräftet wie kein anderer (ich habe noch nie so einen beeindruckenden Schrei vernommen! (Tool’s „The grudge“ mal ausgenommen)), könnte dem folgenden „She“ nicht besser den Weg ebnen. Mit diesem Titel tritt man aus dem Tief heraus, macht sich mit der Sonne im Schlepptau auf den Weg auf in wärmere Gefilde.
„She“ ist die erste „Ballade“, die ich als solche benennen würde. Nie waren die Felder der gefallenen Engel tragischer, melancholischer, himmlischer. Auch dieser Titel handelt von Enttäuschung, diesmal aber mehr aus Sicht des Zwischenmenschlichen. Die Schlüsselzeile folgt schon zu Anfang und es könnte nicht eindeutiger durch die Sphären fragen: „Where’s she? Where’s she?“. „She“ erzählt die Geschichte des ewig Wartenden, der vor Anbeginn der Zeit mit ihr auf den Regen wartete und noch lange auf dessen Eintreten hoffte. Mit dem Regen kamen dann die Tränen, diese wurden zu Eis, nie wieder wolle er das Weinen echoartig durchs Eis kommen hören müssen. „Never close your eyes, just return to life” bittet der “Preacher man” inbrünstig. Kein Crooner, aber so tragisch und glaubhaft hört man modernen Gothic-Rock selten. McCoy versteht es gut seine farbenreichen Klangteppiche zu knüpfen, ohne dabei in seichte Gefilde abzudriften. Fraglos, der Hauch Pathos findet sich immer, auch hier. Dennoch überzeugt und berührt „She“ auf eine ganz besondere Weise, lässt träumen, schwelgen, mitfühlen, Anteil nehmen. Rhythmische Becken, bedächtige, aber nicht zahnlose Schläge auf die Trommeln, klirrende Gitarrenarbeit und ein Paradies für farbenfrohe Soundspielereien und I-Tüpfelchen, die in ihrer Natürlichkeit absolut authentisch und wunderbar sind. Klangschaumbad der emotionalsten Art (und damit „( )“ von Sigur rós nicht unähnlich).
Mit ihr, die nun für ewig zum Licht zurückgekehrt ist, verlässt er auch die Eisregionen des Werkes. Noch knacken die Schollen, brechen fast beim Übertritt, aber er gelingt. Schon beim ersten Erklingen, vielmehr Erblicken der weinenden, roten Sonne hätte man es sich vielleicht gewünscht doch eingebrochen zu sein. Schon von Weitem ziehen die Kinderchöre auf, die allein durch ihre Präsenz emotional über die Klippe springen lassen. Ebenso eine dunkle Vorahnung die beim längsten, letzten, abschließenden, titelgebenden Stück Raum gibt, in dem noch mal alles vereint wird, was die Musik der Fieldies (wie sie in Fankreisen manchmal genannt werden) ausmacht.
Am Ende des Weges
„Mourning sun“ spannt die Fäden gefühlter Stunden zurück hin zu jenem Punkt, der mit „Straight to the light“ ausklang.
[For the first Heaven and the first Earth have passed away]
[Then I saw a new Heaven]Wie kein anderer Titel durchzogen von schneidende Chören und einer Stimme, die die Luft um sich in Brand setzt, ist der Titel ein abgründiger Blick in die kosmische Glaskugel. Gefallen sind die Herrschaaren, mit ihnen Sonne und Himmel, doch es ist der Aufgang einer neuen Welt angebrochen, mit der auch die Nephilim wieder aufsteigen und zum Leben zurückkehren werde. Mit goldenen Flügeln werden sie emporsteigen und den wachenden Posten erneut antreten. Mit „Mourning sun“ erlebt der Hörer die Band von ihrer hymnischen, dennoch giftigen Seite. Klagend ruft es gen Himmel („We’re here“), bevor sich das Schlachtross für einen letzten Kriegszug selbst die Halfter umwirft. Alles oder nichts, Schwefel und Flammen, mit Tragik und Hoffnung durch die Nacht. Über dem Schauplatz liegen sanft Flügel, der Zyklus schließt sich, alles hat sich für das letzte Gericht („Judgement day“) auf Bodennähe begeben um Gebete zu sprechen. Mit brachialem Schlagzeug und hysterischen Gesängen bildet sich um das Epizentrum des Chaos ein leichtbehüllter Kokon, der den Kampf abschwellen lässt. Immer leiser dringen die Laute hindurch, bis nur noch ein Flüstern zu hören ist und die sanften Gesänge wieder zurückkehren. Ein beruhigendes Lächeln göttlicher Aura hallt am Ende der Welt. Newborn.
Übrig bleibt – nein, kein Urteil – der Hinweis, dass die Limited Edition noch einen weiteren Titel beinhaltet. Eine sich wunderbar eingliedernde Coverversion des Zager & Evans Tracks „In the year 2525“. Erst viel später auf das Original dieses so herzlich wirkenden Pop-Songs (was für ein gewaltiger Text!) gestoßen, hätte man hier auch den Ursprung deuten können. Nicht das erste Cover, an u.a. Ennio Morricone und Roxy music hatte sich der dunkle Fürst, der mit T-Rex und Alice Cooper aufwuchs ebenfalls bereits versucht (die Titel sind dem Schreiber dieser Zeilen allerdings unbekannt).
Unsicher bin ich, um zum Schluss zu kommen, wem ich diese Form von Musik ans Herz legen wöllte. „Gothic“-Anhänger schmettern ein verächtliches „aufgesetzter Klischee-Müll“ raus (oder empfinden es nach ASP, Subway to Sally, Zeraphine, Goethes Erben oder Blutengel dann aber als „ doch zuviel des Guten“), alle anderen fürchten wohl um ihre Hauptschlagadern. Eigentlich unbegründet, wo die Musik – abseits von Chaos und Mythos – nicht selten klar erkennbaren Strukturen folgt, schöne Melodien bereit hält, lediglich tiefgehender wirkt als die übliche Platte, die sonst so häufig aufgelegt wird. Allerdings eine absolut gewöhnungsbedürftige, eigenwillige Stimme besitzt. Vielleicht ist meine Wahrnehmung da aber auch schlicht abgehärtet (und ja, ich stelle hier auch Mal ein wohlklingendes, harmonisches, erfreuendes Album vor, nicht das noch falsche Einschätzungen gepflegt werden). Jedenfalls ist „Mourning sun“ auch noch nach Jahren wirkungsvoller als mancher Film, wirkend an ganz bestimmten Wahrnehmungsbereichen. Faszinierend ob seiner Wirkung, Tiefendimension, textlicher Raffinessen, Vielseitigkeit, Erhabenheit. Und dem sensationellen Spagatsprung zwischen Schönklang und völliger Brachialität. Ein essential Meisterwerk.
Noch zu sagen bleibt, dass das Album meines Wissens bisher nicht auf Vinyl erschienen ist, obschon McCoy z.T. großen Wert auf analoge Methoden bezüglich dem Klang legt („Digital is convenient, but I still like a bit of analog touch so I still use it for certain things. Generally digital allows you to compile your music easier. Keep in mind that I come from the old school as far as recording goes.”).
Die letzten Zeilen gebühren einem Statement bezüglich der Image-Frage, die sich immer wieder als Angriffs- und Aufhängepunkt durch Kritiken zieht.
“The dark-man image, I always found it fascinating when I was young.
It just fits my character and personality, it wasn’t like “we need an image”, it was already there. There is a hint of a kind of a Nomad, a rebel or a loner which comes through with songs like “once upon a time in the west” and spaghetti westerns- I think there’s darkness there within those characters and it’s probably what we picked up somewhere along the road”.Glaubhaft.
--
Hold on Magnolia to that great highway moon -
Schlagwörter: Faves, Irrlicht's Faves, Musik-Blog, Portishead, Reviews, Third
Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.