Das Piano-Trio im Jazz

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  • #12562849  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Tommy Flanagan Trio – The Complete Overseas +3 | Gestern hörte ich diese Compilation von drei EPs aus Schweden – das Format war in Europa ja noch länger aktuell und scheint sich gerade in Schweden vergleichsweise lang gehalten zu haben … meine CD-Ausgabe von DIW (2007) enthält neben den neun Stücken (drei pro EP) noch die drei, die 1985 auf einer Dragon-LP erschienen sind, sowie drei weitere Takes, die beim Soundcheck aufgenommen wurden (zweimal „Chelsea Bridge“, einmal „Dalarna“, die es insgesamt in drei Takes gibt). Ich finde das super … von der Interaktion reiht sich das auch ganz gut zu den Debut-Sessions ein, die ich gestern hörte – dort nimmt Roach als Co-Hausherr ja auch schon oft (aber nicht immer) eine etwas aktivere Rolle ein, auch wenn es lustigerweise Blakey ist, der mit Mingus und Bley, wenn man etwas zuspitzen will, das moderne Klaviertrio erfunden hat … ausgerechnet der Gemütsmensch, der gern laut und dominant war in der neuen Form des Interplays, ein kleiner Treppenwitz vielleicht? Die drei ersten Cover sind die der EPs, meine CD verwendet das erste, bildet aber alle drei EP-Cover (damit der DIW-Ausgabe von 1986 nachempfunden, was quasi die Japan-Ausgae der Dragon-LP mit 12 Tracks war) anderen und auch das grüne Prestige-Cover mit den vielen C sowie das der japanischen Metronome-LP-Ausgabe aus den Siebzigern ab, dazu je ein Portrait der drei (wär’s ein Digipack, würde man heute „eight-fold“ sagen, auch wenn’s nur vier Seiten sind, wir lassen und ja so gerne ein wenig belügen, um mehr zu haben).

    Jetzt springe ich nochmal ein paar Jahre zurück … das ist gar nicht so weit weg von Al Haig, dünkt mich – aber das mag auch damit zu tun haben, dass Kelly sich für den grösseren Teil der Aufnahmen dessen Rhythmusgruppe ausgeborgt hat auf sieben der insgesamt neunzehn Stücke spielt Oscar Pettiford den Bass, sonst Franklin Skeete, Schlagzeug immer Lee Abrams, der auch mal noch Congas einbaut – bleibt aber Trio):

    Wynton Kelly – New Faces–New Sounds | Das Repertoire ist bei den ersten Sessions von Wynton Kelly (25. Juli und 1. August 1951 in den WOR Studios – Pettiford war am ersten Tag dabei, aber auch da spielt auf drei Stücken Skeete, der dann die zweite allein bestritt) ziemlich typisch, nicht unbedingt für Klaviertrios (da gab’s ja noch nicht so viele Erfahrungswerte) aber halt für Bebop-Sessions: „Cherokee“, „Fine and Dandy“, „I Found a New Baby“, aber auch „Born to Be Blue“ und „Goodbye“, etwas Rogers/Hart („“Blue Moon“, „Where or When“), Gershwin („Summertime“), Waller („Foolin‘ Myself“) oder Ellington („Do Nothing Till You Hear from Me“) ist dabei – und Al Haig ist mit „Opus Caprice“ auch vertreten. Abrams swingt zurückhaltend, Skeete walkt ebenso, während Pettiford auf seinen sechs Stücken mit seinem resonanteren, beweglicheren Sound eine etwas aktivere Rolle einnimmt – sein Bass hat dann auch einen anderen Puls, alles wirkt etwas dehnbarer, eine Spur weniger starr im rhythmischen Gefüge, wenn er dabei ist. Es gibt da und dort Latin-Grooves („Summertime“ als eine Art Son ist grandios, schade nur, dass es nach drei Minuten schnöde ausgeblendet wird – die Stücke dauern alle um die drei Minuten hier, keines über dreieinhalb), es gibt ansatzweise den typischen Kelly-Sound, dieses frische Spiel nach vorn, schöne Voicings … aber insgesamt bin ich hier immer etwas enttäuscht, finde das etwas ereignisarm, oft auch etwas dahinplätschernd. Kelly war da allerdings auch erst neunzehn Jahre alt und sein Spiel wurde ja später sehr viel packender … es sind zudem auch gar nicht die Stücke mit Pettiford, die sind, die für mich gut funktionieren. Acht Stücke erschienen 1953 auf einer 10″-Platte, eine 12″-Ausgabe gab es wohl in der Zeit danach nicht (bei jazzdisco.org steht da viel Blödsinn bzw. diverse falsche Katalognummern aus der 1500er-Serie: Sonny Rollins im Village Vanguard, Sonny Clark Trio, „The Cooker“ von Lee Morgan – auf all denen sind angeblich Tracks des Wynton Kelly Trios erscheinen). Falls Discogs da komplett ist, erschienen 1983 in Japan auf einer LP erstmals alle 19 Tracks, dann 1989 dort auf CD wieder und 1991 auch in den USA, was dann die Ausgabe ist, die ich habe. Das Cover hat Gil Mellé gestaltet.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #167: Neuheiten 2025 - 11.11., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #12562943  | PERMALINK

    vorgarten

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    evans, jones, jones, everybody digs bill evans (1958)

    für das format fängt hier vielleicht noch nicht was neues an, aber die mischung ist wild: great american songbook, eine abstrahierte version von „oleo“, ein bernstein-programm, aus dem das peace piece entsteht, funk und blockakkorde und debussy und japonismus. evans hatte, laut selbstaussage, etwas neues zu sagen. die einflüsse konnten als zitatgeber fürs cover gewonnen werden, shearing, jamal, über vermittlung von miles davis. ich mag den mix sehr gerne, das aufgekratzt-übersprudelnde und die feinfühlige reduktion, die nicht nur in den solostücken gelingt, mein lieblingsstück hier ist eigentlich die ballade „what is there to say“. ich höre das album eigentlich auch lieber als die sachen aus dem village vanguard, die aber natürlich eine andere geschichte erzählen.

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    #12562951  | PERMALINK

    hat-and-beard
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    vorgartentiny desk concert von kris davis, robert hurst und johnathan blake, seit gestern online.

    eins meiner wenigen live-konzerte in diesem jahr, aber so gut waren die im januar noch nicht… davis ist jetzt nicht so die geborene entertainerin, aber ich finde es nach wie vor verblüffend, wie ansatzlos sie ihr material radikalisieren kann, hier direkt ab minute 4. und toll auch wie bob hurst die ganzen jazz&hiphop-experimente aus den 90ern noch mit sich herumschleppt und hier einbringt. wäre schön, wenn es dieses trio länger geben würde, die werden besser.

    Danke, faszinierend (und der Nachwuchs stellte fest, dass Blakes Sticks sich schneller bewegen, als man wahrnehmen kann).

    Wer kennt das Album „Run The Gauntlet“? Ist das auch schon so gut?

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    God told me to do it.
    #12562955  | PERMALINK

    vorgarten

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    jamal, crosby, fournier, portfolio of ahmad jamal (1958)

    immer noch eine wundertüte. im spotlight club in washington säbeln die messer durchs steak und auf der bühne fällt das great american songbook vom fleisch. jamal wirft vier albumseiten lang die frage auf, wann es denn jetzt endlich losgeht. die themen wie zitate, man denkt fast, man hört ein großes medley, aber immer wieder hält das klavier die klappe, und bass und schlagzeug leuchten selbst. das ist wirklich ein riskantes manöver, plötzlich geht es um sound und das vergnügen, die skizzen im kopf weiter auszumalen. und so verschafft man sich in lauten räumen gehör, indem man immer leiser wird. ich glaube, ich brauche von jamal aus dieser phase kein weiteres album, und wenn jarrett, peacock und dejohnette auf einer autofahrt gemeinsam darauf kommen, dass dieses hier ihren zugang zur musik verändert hat, verstehe ich das sofort: die zugeschriebenen akkorde können sehen, wo sie bleiben, und aus den kollektiv gefundenen vamps entstehen neue stücke (bei evans ja dann auch, aber er bleibt ja bei den original-akkorden von „some other time“). was aber hier auch anwesend ist: klaviertrio als pausennummer, als zerstreuender „act“, don shirley, hazel scott, intellektuelles entertainment (dem publikum wird etwas zugetraut).

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    #12562957  | PERMALINK

    vorgarten

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    hat-and-beard

    vorgartentiny desk concert von kris davis, robert hurst und johnathan blake, seit gestern online.

    eins meiner wenigen live-konzerte in diesem jahr, aber so gut waren die im januar noch nicht… davis ist jetzt nicht so die geborene entertainerin, aber ich finde es nach wie vor verblüffend, wie ansatzlos sie ihr material radikalisieren kann, hier direkt ab minute 4. und toll auch wie bob hurst die ganzen jazz&hiphop-experimente aus den 90ern noch mit sich herumschleppt und hier einbringt. wäre schön, wenn es dieses trio länger geben würde, die werden besser.

    Danke, faszinierend (und der Nachwuchs stellte fest, dass Blakes Sticks sich schneller bewegen, als man wahrnehmen kann).
    Wer kennt das Album „Run The Gauntlet“? Ist das auch schon so gut?

    ich finde das schon gut, aber das trio hat sich auf diesen langen live-tourneen weiterentwickelt. ich würde aufs zweite album warten (und hoffen, dass es das gibt).

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    #12562965  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    hat-and-beard
    Wer kennt das Album „Run The Gauntlet“? Ist das auch schon so gut?

    Ich finde schon, ja – hab im Sinn, es die nächsten Wochen oder Monate auch mal wieder zu hören, aber ich gehe mal grob chronologisch vor, d.h. es dauert noch eine ganze Weile.

    @vorgarten Welches Jamal-Album in die Liste kommt ist eine meiner grossen Fragen … rein muss er, aber meine liebgewonnene, endlos gehörte Compilation „Ahmad’s Blue“ darf natürlich nicht. Allerdings stammen einige der Stücke dort von „Portfolio“. Also: „Ahmad Jamal Trio Vol. IV“ mit sechs Stücken aus „Portfolio“ angereichert, alles von denselben Mitschnitten … da „Portfolio“ ein Doppelalbum ist, hat das tatsächlich ganz gute Chancen für den Zuschlag (ich denke bessere bei mir als das generell als der grosse Klassiker gehandelte „Ahmad Jamal at the Pershing“ aka „But Not for Me“).

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #167: Neuheiten 2025 - 11.11., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12562997  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Dodo Marmarosa Trio – Piano Moods | Zurück ins Jahr 1947, als sich am 3. Dezember (oder vielleichht doch eher am 12. November, man weiss es nicht so genau) im C. P. MacGregor Studio in Hollywood ein bemerkenswertes Trio einfand. Dodo Marmarosa hatte schon Aufnahmen im damals geläufigen p/g/b-Format gemacht (eine Single mit Barney Kessel/Gene Englund, 1947), und bei einer Session mit Lucky Thompson bereits zwei Trio-Stücke eingespielt (Ray Brown, Jackie Mills, 1946). Doch jetzt wollte er etwas neues ausprobieren und hatte Harry Babasin am Cello sowie Jackie Mills am Schlagzeug dabei. Das Trio – mit Babasin am Bass – bildete damals die Rhythmusgruppe der Band von Boyd Raeburn und ist bestens aufeinander abgestimmt. Das Cello übernimmt – ganz normal, möchte man schreiben – den Bass-Part, das ist also absolut ein Klaviertrio, wie es hier Thema ist … doch ganz normal ist das denn doch nicht, denn in diesem Trio gibt es, vielleicht gerade durch das Cello ausgelöst, Interaktion und dichtes Zusammenspiel, wie man es noch Jahre später in dem Format oft vergebens sucht. Babasin hat eine ähnliche Präsenz und Beweglichkeit, wie sie damals höchstens ein anderer Bassist, der auch gerne Cello spielte, hatte: Oscar Pettiford. Klar spielt Marmarosa genau so ein dichtes, überschwängliches Klavier, dass er eigentlich gar keine Begleiter braucht – die in aller Dichte nehmen die sich ihren Platz, nicht unbedingt solistisch, aber da und dort in die Arrangements eingebunden mit begleiten Drum-Soli und sowas, anderswo kriegt das Cello eine solistische Rolle, wie sie sich Mingus dann in „Body and Soul“ mit Spaulding Givens nehmen würde (noch ein Bassist, der das Cello mochte, aber von anderen spielen liess) … wirklich faszinierend, wieder mal zu hören, was da alles abgeht!

    Fünf Stücke in insgesamt elf Takes gibt es (einmal drei Takes, von den vier anderen je zwei). Welches die Master Takes sind, ist nie so klar, da auf der Single und späteren Dial-Ausgaben wie der LP oben nicht dieselben veröffentlicht wurden. Alle fünf Stücke sind auf der LP, und sie wurde aufgefüllt mit der klassischen Einspielung von „Ornithology“, wo man Marmarosa hören kann, wie er Charlie Parker mit Akkorden „füttert“. Und dazu kommen – rätselhaft – noch zwei Solo-Stücke (glaub ich) von Erroll Garner (von einer Dial-Session in Pasadena Ende April 1947). Welche Takes wo erschienen sind, ist nicht so leicht zu rekonstruieren (Mosaic dokumentiert das in der Dial Modern Jazz Sessions-Box natürlich, aber welche dieser Takes nun den Tracks auf z.B. der Spotlite-CD entsprechen, weiss ich nicht sicher … hab oben einfach mal einen reingestellt als Kostprobe dafür, dass auch ein Trio mit Cello als „normales“ Piano-Trio funktionieren kann. (In den Diskographien steht in der Regel Bass und Cello, aber ich höre – wie die Leute, die die Mosaic-Box zusammenstellten – nur ein Cello.)

    Die Geschichte von Marmarosa ist krass. Er wurde zusammen mit Buddy De Franco in Philadelphia von fünf Matrosen zusammengeschlagen, lag 24 Stunden im Koma und – ich zitiere aus dem Mosaic-Booklet: „According to De Franco, Marmarosa has never been the same since that incident. Eccentricity and mental problems began soon after. The story helps to explain why Dodo would soon disappear and behave unpredictably; he was once found working in a Chinese laundry when he was supposed to be with the Shaw Orchestra.* On another occasion an associate left him at his house and when he returned back home found all the furniture on the lawn. Dodo explained: ‚Well, man, I had to move it out because all the furniture was bugging he sound of the piano.'“ – Marmarosa machte 1950 noch eine Trio-Session für Savoy (vier Stücke mit Thomas Mandrus und Joe Wallace), lebte noch bis 2002, wurde gelegentlich gesichtet und hatte Anfang der Sechziger eine Art kurzes Comeback – war eigentlich ab 1949 aber mehr oder weniger vergessen und wurde in den Neunzigern auch schon mal als verstorben gemeldet.

    Zum Abgang von Marmarosa aus dem Musikbusiness erzählte Artie Shaw, dass die Band den 1940er-Hit „Frenesi“ immer wieder spielen musste, auch im September 1949, als Marmarosa zu Shaw zurückkehrte. Shaw habe der Band also erklärt, dass das Stück einfach immer gespielt werden müsse, denn damit würden sie ihre Miete bezahlen können, und ihre Musikalität würde ihnen schon helfen, das Abend für Abend durchzustehen. „So Dodo […], who was a weird little guy but a marvelous player, said ‚I can dig it, I can dig it!‘ One night we had just played it and somebody called ‚Frenesi‘ again. After the third time in one night, Dodo said, ‚If I have to play that thing once more, I’m leaving.‘ I said, ‚Dodo, I gotta play it.‘ He said okay. So Dodo left, Never saw him again. That was his exit from the music business. I had a grudging respect for him; if I could have done it, I would have left too. I can’t blame him. He could afford to do it; I couldn’t.“ (Shaw hatte immer mal wieder finanzielle Probleme und kehrte daher mit neuen Bands zurück, nachdem er sich – vermeintlich – zur Ruhe gesetzt hatte, in den späten Vierzigern war das auch der Grund, dass er wieder anfing.)

    Marmarosa erzählte allerdings eine andere Geschichte – er sei betrunken gewesen bei einem Auftritt in einem Offiziersclub auf einer Armee-Basis in Chicago, habe Scheiben zerschlagen: „[Shaw] said, ‚You’re subversive,‘ or something like that. ‚I’m going to have to let you go. I don’t want to, but you will get me in trouble if I keep you on the band.‘ […] It was good band, a swinging band.“ (Beides Geschichten aus dem Uptown 2-CD-Set „On the Coast“, die Version von Shaw kommt ursprünglich aus dem Booklet von „Pittsburgh, 1958“, auch auf Uptown.)

    Die Savoy-Session von 1950 fällt noch in die unmittelbare Nähe – sie wurde wie es scheint in Pittsburgh aufgenommen, zwei der vier Stücke erschienen als Single, alle vier dann 1980 auf der Doppel-LP „The Modern Jazz Piano Album“ (Seite A: Bud Powell in einer Combo, Lennie Tristano im p/g/b Trio; Seite B: Herbie Nichols‘ Savoy-Session und Marmarosa; Seite C: George Wallingtons Savoy-Session; Seite D: ein deutlich späteres Quintett von Kenny Clarke mit Horace Silver und John LaPorta, schon 1956 auf der LP „The Jazz Message of“ … Hank Mobley usw. erschienen, als B-Seite, auf der Mobley gar nicht zu hören ist). Jedenfalls klingt Marmarosa hier immer noch recht gut, aber der Überschwang, der sein Spiel früher charakterisierte, ist verschwunden – das wirkt alles eher etwas routiniert, auch die Begleitung macht wenig mehr als den Rahmen ausstecken.

    Inzwischen ist etwas mehr Musik zu greifen. Auf dem Uptown 2-CD-Set „On the Coast“ gibt es (neben Aufnahmen von 1945-47) noch zwei Stücke mit Howard Rumsey’s Lighthouse All Stars von 1952 (vom selben Datum gibt es auch eine LP-Seite auf Vantage, die andere Seite gehört Lorraine Geller mit einer noch grösseren Westküsten-Band). Dann ist bei Uptown schon früher „Pittsburgh, 1958“ erschienen, wo neben einer ausführlichen Trio-Session von 1958 auch Aufnahmen von 1956, 1957 und 1962 zu finden sind. Letztere fallen dann in die „Comeback“-Zeit, als Marmarosa mit Gene Ammons spielte, der gerade auf Abwegen war und versuchte, für Argo aufzunehmen, was sein exklusives Label Prestige nicht goutierte. Zwei Trio-Sessions von Marmarosa gibt es, die eine auf Argo als „Dodo’s Back!“ herausgekommen, die andere auf dem Ammons-Twofer „Jug & Dodo“, zusammen mit den Quartettaufnahmen, die Prestige sich dann von Argo zurückgeholt hat. Und eine Quartett-Session mit Bill Hardman gibt es von 1962 anscheinen auch noch – von der hatte ich noch gar nie gehört.

    Die Dial-Aufnahmen von Ende 1947 sind dann also auch schon quasi vom Ende von Marmarosas guter Zeit, die von 1945-47 dauerte.
    Noch eine Kostprobe:

    Und hier „Mellow Mood“ vom 11. Januar 1946 (für Atomic eingespielt, mit Ray Brown und Mills) – die Rollenverteilung ist auch hier nicht viel anders als mit Babasin, egal ob Bass oder Cello (Brown spielte ja obendrein auch gerne Cello):


    *) Artie Shaw; Marmarosa hat neben Shaw und Raeburn auch mit den Bands von Gene Krupa und Charlie Barnett gespielt; mit Krupa waren er und De Franco, als der Vorfall in Philadelphia geschah.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #167: Neuheiten 2025 - 11.11., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12563011  | PERMALINK

    vorgarten

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    vielen dank, krasse biografie, wusste ich alles gar nicht.

    powell, jones, jones, time waits (1958)

    everybody digs bud powell. dass sich powell und bill evans 1958 die begleiter geteilt haben, ist ja schon irgendwie witzig. in dieses album hatte ich mich im laufe der blue-note-umfrage ein bisschen verliebt, weil da wirklich die post abgeht. vielleicht das heißeste klaviertrio, das ich hier bisher gehört habe, obwohl man ja immer sagt, dass der pianist hier nicht mehr im vollbesitz usw.
    ich verstehe hier auf jeden fall, dass das aus einer anderen tradition kommt, mit den akzenten in den unteren lagen und der synkopierten time. mir macht das aber vor allem energetisch spaß.

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    #12563049  | PERMALINK

    vorgarten

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    garland, chambers, taylor, groovy (1957)

    das ist das einzige garland-trio-album, das ich habe, und ich höre das immer „nur“ wegen des touchs. von garlands unnachahmlich swingenden midtempo-stücken ist eigentlich nur eins dabei, „what can i say (after i say i’m sorry)“, das könnte man trotz des langen chambers-krächz-solos ausschneiden. wahrscheinlich müsste ich da nochmal länger suchen.

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    #12563061  | PERMALINK

    vorgarten

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    peterson, brown, thigpen, oscar peterson plays the harry warren and vincent youmans songbook (1959)

    das nur zum stil-vergleich. viel mehr noten natürlich, aber als trio insgesamt sehr beweglich. auch die kürze der stücke trägt natürlich zur coolness bei.

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    #12563063  | PERMALINK

    lotterlotta
    Schaffnerlos

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    vorgartenin das flanagan-album wollte ich unbedingt auch noch reinhören, ich mag das cover ja sehr (und hab den witz dahinter bis heute nicht verstanden). hier auch blue note: damit bin ich wahrscheinlich alleine, aber hier wäre für mich auch ein (bzw. zwei) kanditat(en) für beste hardbop-klaviertrios. so viel besser und eigener als das album mit zoot sims, oft wirklich mitreißend, rhythmisch beweglich, dunkel, rollend, emanzipiert, mit einer tollen auswahl an standards. es bleibt ein skandal, das hipp sich danach nicht weiter entfalten konnte.

    ….damit bist du ganz sicher nicht allein, von den wenigen frühen piano trio alben in meiner sammlung, wäre eins oder beide in einer trio besten liste vertreten, so ich mich dazu durchringe mit zu machen…..btw. das sims album ist dagegen gepflegte langeweile….

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    Hat Zappa und Bob Marley noch live erlebt!  
    #12563067  | PERMALINK

    vorgarten

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    lotterlotta so ich mich dazu durchringe mit zu machen….

    natürlich ringst du dich dazu durch ;-)

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    #12563079  | PERMALINK

    lotterlotta
    Schaffnerlos

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    ….werde wahrscheinlich eher nur mitlesen, der aufwand ist mir einfach zu hoch, alle scheiben im besitz zu durchforsten um nichts zu übersehen ist halt schon ein mächtiger aufwand, habe in meiner bestandsliste nie die besetzungen erfasst, da muss ich also aus knapp 3000 titeln zuerst die potenziellen trioalben rausfischen(sollte nicht so schwer sein) und auf  die besetzung kontrollieren(schon aufwändiger), um dann alle gegenzuhören(sehr zeitintensiv)! bin bis zu meinem allerletzten arbeitstag am 22.12. unter dauerstrom, dann kommt der weihnachtsstress, danach könnte ich in ruhe anfangen. außerdem steht die ultimative nr. 1 schon fest….

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    #12563085  | PERMALINK

    vorgarten

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    na also ;-)

    flanagan, benjamin, jones, lonely town (1959/1979)

    ein bernstein-songbook für die schublade, bis man es in japan 20 jahre später wieder herauszog. eigentlch erst das zweite trio-album von flanagan nach OVERSEAS (s.o.), wieder mit einem sehr modern spielenden elvin jones. ein kleiner persönlicher klassiker bei mir, was aber auch viel mit dem material zu tun hat. aber bei flanagan gibt es ein interessantes wissen, was songs angeht, z.b. weiß er, dass „it’s love“ auch super als ballade funktioniert, und dass man „lucky to be me“ auch ganz anders spielen kann als bill evans. ein eigenwilliger zugang zu bernstein, durchaus auch die klassik-elemente einbeziehend, aber rätselhaft melancholisch. ich mag das wirklich sehr, auch wenn es eine jazzgeschichtliche obskurität bleibt. und wahrscheinlich kein herzensprojekt der musiker.

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    #12563091  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Teddy Wilson – Columbia Presents Teddy Wilson | Ich habe leider bisher nichts gefunden, wo irgendwer wagt, die erste Piano-Trio-Session zu benennen … aber ich wäre echt überrascht, wenn es vor diesem (halben) Trio-Album (vier 78rpm 10″-Schellack-Platten, acht Stücke, je vier Trio- und vier Solo-Stücke – eins von letzteren, „These Foolish Things“, von einer späteren Session im Januar 1942) schon ein anderes in dem Format gäbe. Am 7. April 1941 nahm Teddy Wilson in Chicago eine Solo-Version von „Smoke Gets In Your Eyes“ auf (von irgendwo musste Monk ja diese Repertoire-Tipps haben), und dann vier Takes von „Rosetta“ im Trio mit der Rhythmusgruppe seiner Band, Al Hall am Kontrabass und J. C. Heard am Schlagzeug. Am 11. April war Wilson wieder im Studio – und das ist dann wohl die erste, wirklich ausgiebig dokumentierte (Solo- und) Piano-Trio-Session des Jazz: 33 Takes (darunter ein paar Breakdowns und ein paar mit Warm-Ups oder Rehearsals davor) sind Teil der 7-CD-Box „Classic Brunswick and Columbia Teddy Wilson Sessions 1934-1942“, die 2017 von Mosaic herausgebracht wurde. Loren Schoenberg, der die Liner Notes geschrieben hat, äussert sich leider nicht spezifisch zum Format der Session. Bill Savory war der „wizard“, der – selbst ausgebildeter Pianist – für die Technik besorgt war und dabei neue Wege ging (Mosaic hat auch eine Box mit Bändern aus seiner Sammlung herausgebracht, die oft wirklich hervorragend klingen). Savory hatte Wilson 1937 kennengelernt und sich mit ihm angefreundet – er hatte in Chicago ein Studio für Columbia eröffnet und der junge Mann sei „a budding genius of acoustics“ gewesen, so Schoenberg.

    Die eineinhalb CDs mit den 33 Tracks vom 11. April gehen mit dreieinhalb Minuten Probe und Diskussion von Wilson und Savory los, sei sprechen über Repertoire, Wilson stimmt ein paar Stücke an – alles maximal entspannt und freundschaftlich. Dann spielen die drei nochmal „Rosetta“, Soundcheck für Savory – das Stück erschien, wie einige der Takes, erstmals in der Mosaic-Box, aber einiges vieles anderes, was damals nicht erschienen ist, landete 1981 auf dem von Henri Renaud herausgegebenen französischen Tripel-Album „The Complete Teddy Wilson Piano Solos“, das 1991 auch als Doppel-CD wieder herauskam. Die erste Hälfte davon gehört Solo-Aufnahmen, von denen Wilson vor allem 1934-36 viele für Columbia machte, die letzte war dann eben „Smoke Gets in Your Eyes“. Von den Trio-Aufnahmen sind immerhin ca. 20 auf dem Tripel- bzw. Doppelalbum zu finden. Die 33 Takes sind nach dem Warm-Up/Re-Take von „Rosetta“ gerade mal sieben Stücken gewidmet: „I Know That You Know“ (ein Rehearsal und zwei Takes), „Love Me or Leave Me“ (zwei Takes, kein Master, nicht auf dem Album), „Them There Eyes“ (drei Takes), „China Boy“ (eine Probe und sieben Takes), „I Surrender Dear“ (ab hier ist Wilson wieder solo; zehn Takes, aber keinen echten Master, das Stück war nicht auf dem Originalalbum), „Body and Soul“ (zwei Takes) und „I Can’t Get Started“ (drei Takes).

    In der Form, auf drei CDs verteilt (die Session vom 7. April am Ende der fünften der Mosaic-Box, die Session vom 11. ist so lang, dass die ganze CD 6 nicht ausreicht, die letzten acht Stücke folgen auf CD 7) ist das zum Hören natürlich eine Herausforderung. Besonders, weil Wilsons Spiel so toll ist, dass fast in jedem Take etwas aussergewöhnliches geschieht. Eine besonders gelungene Modulation, kontrapunktisches Spiel, dass an seine frühe Beschäftigung mit Bach erinnert, kristallklare Phrasen wie sie sein Vorbild Earl Hines gestaltete, ein synkopischer Flow wie bei einem anderen Vorbild, Fats Waller, scheinbar freie Bewegungen und assoziatives, Phrase für Phrase sich logisch entwickelndes Spiel, das aber nie die Strukturen der Stücke verlässt, auf- und abspringende Läufe, die einen schwindlig machen können und die Lücke zwischen Waller und Hazel Scott schliessen, inspiriertes Single-Notes-Spiel … Loren Schoenberg beschreibt manches in den Liner Notes technisch so detailliert, dass ich nicht überall folgen kann. Heisst ich verbringe damit einfach einen äusserst bereichernden Sonntagnachmittag und staune über die Eleganz und den Flow von Wilson.

    Und das Trio? Wir sind im Jahr 1941, der Bass walkt, die Drums sind unaufdringlich – das ist natürlich alles noch ziemlich basic, ein paar Extra-Schläge oder Akzente von Heard, der in der Regel mit Besen spielt, da und dort etwas mehr Punch von Hall, der im Gegensatz zum Leader am Klavier nah an den Changes bleibt. Im rasenden Tempo der Takes von „China Boy“ – inzwischen ist Wilson jeden Augenblick fokussiert – schalten Hall und Heard ein paar Gänge hoch … und „hold on for dear life“ (Schoenberg) im Take 6, wo Wilson am Ende eine Modulation an die andere hängt. Was man hier auch zu hören kriegt ist, wie Motive und Ideen wiederholt und verfeinert werden, wie neue Riffs auftauchen, wie das ganze sich auf einer gegebenen Grundlage aus Ideen und Riffs immer wieder neu zusammensetzt, Wilson quasi (ich leihe mir die passende Metapher von Schoenberg) dieselben Karten immer wieder neu mischt, wie sich mit der Zeit ausgearbeitete Chorusse immer wieder mit neuen, spontan improvisierten abwechseln.

    Schoenberg zeigt auch Parallelen zu Monk auf – der nur fünf Jahre jünger als Wilson war. Nämlich, wenn Wilson manchmal fast gleichmässige Achtel mit starken Akzenten spielt, nicht synkopischen Swing wie damals noch üblich. Und Schoenberg betont neben der schlicht überragenden Beherrschung des Instruments – „He has the ability to gradate the volume and sound of each hand at will“ – den unverwechselbare „Touch“, wie er es beherrsche, „to play with the greatest intensity without losing a glowing, restrained sound from the keyboard. This is where hank Jones, John Lewis, Tommy Flanagan, Ahmad Jamal, the early McCoy Tyner, Fred Hersch, Bill Charlap, Aaron Diehl and others have taken their cues.“ – point taken. Ein Detail, dessen Wichtigkeit Schoenberg betont: von den allesamt umwerfenden zehn Takes von „I Surrender Dear“ hat Wilson gerade jenen für die frz. Box ausgewählt, in dem er sich einen Moment der Unsicherheit gönnt (ich würde nicht so weit gehen, zu behaupten, einen Fehler zu hören): „the only take that has what sounds clearly like an error, from which Wilson extricates himself after a brief struggle (first measures of the second chorus), was the one he chose to issue. For an artist who placed so much an emphasis on an outer sheen of perfection – it’s quite significant.“

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #167: Neuheiten 2025 - 11.11., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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