Alles Geschmacksache?

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  • #5105545  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    @otis: Danke, so ausgedrückt kann ich da sogar komplett zustimmen.

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    #5105547  | PERMALINK

    mick67

    Registriert seit: 15.10.2003

    Beiträge: 76,900

    Dick Laurent@otis: Danke, so ausgedrückt kann ich da sogar komplett zustimmen.

    Geht mir auch so!

    Und das ohne die Wörter „geschmäcklerisch“ oder „rummeinen“ zu benutzen.

    --

    #5105549  | PERMALINK

    ah-um

    Registriert seit: 24.02.2006

    Beiträge: 1,398

    latho …solange ich sage, Du magst die Musik, ich nicht und dabei bleibt die Diskussion dann stehen, dann ist das auch in Ordnung. Will ich mich ernsthaft mit der Musik auseinandersetzen, verlege die Diskussion also auf ein Niveau, in dem diskutiert werden kann (anhand von Kriterien wie Einfallsreichtum von Bohlen auf seinen Platten, Abwechselung im Rythmus etc pp), dann bleiben zwar Meinungen bestehen (was auch sonst), aber eine richtige Diskussion ergibt sich jetzt erst.

    Das sehe ich ähnlich. Was mich allerdings wirklich interessieren würde, ist das „etc pp“, also die Aufzählung belastbarer objektiver (oder auch bloß intersubjektiv intelligibler) Kriterien zur Bestimmung künstlerischer Qualität. Mein Verdacht ist nur, dass wir dabei nicht allzuweit kommen (ich habe das oben schon mal skizziert, Stichwort „Ausdruck“).

    Der Verweis auf das Gefühl mag richtig sein, aber man sollte dabei nicht stehen bleiben. Vielmehr könnte es hilfreich sein, über dieses Gefühl zu reflektieren (Ja, das geht! Und man kann das auch verbalisieren.). Möglicherweise kommt dabei ja zum Vorschein, dass auch das Gefühl bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterliegt und dass diese von einem Katalog objektiver Kriterien gar nicht weit entfernt sind (mal angesehen von solchen Fällen wie „der Song, der bei meinem ersten Kuss lief“).

    --

    There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)
    #5105551  | PERMALINK

    ah-um

    Registriert seit: 24.02.2006

    Beiträge: 1,398

    otis
    Will sagen, solange sich Geschmack aus einem relativ verengten Hörwinkel ergibt, wird er vieles nicht goutieren können, was auf breiterer Hörerfahrung beruht. Solange aber der Tütensuppenesser mit dem Dreisternekoch (und der bin sicherlich nicht ich, ist ja auch nur als Beispiel gemeint) diskutiert, kann aus einer solchen Wertediskussion nicht viel werden.

    Zwischen jemandem, der ganz nach seinem Geschmack und Bauch völlig auf Deep Purple, Dylan oder Floyd abfährt und dem, der es mehr mit Howie oder Bohlen hat, gibt es, was dieses Hörverhalten anbelangt, kaum Unterschiede. Und selbiges lässt auch nicht erkennen, ob der eine mehr von Musik versteht als der andere. Auch ließen sich auf dieser Basis kaum Kriterien aufstellen.
    Dieses „Abfahren auf Musik“ oder auch das „sich-berührt-fühlen“ sind nicht diskutabel. Da mag jeder sehen, wie er klar kommt, was er bevorzugt. Um Missverständnissen vorzubeugen, diese Herangehensweise an Musik ist völlig in Ordnung. Hat nichts mit Dummheit oder Nichtwissenwollen zu tun.
    Will man aber über Musik und ihre künstlerische Wertigkeit diskutieren, führt sie zu nichts.
    Qualifiziert man bestimmte Musik also ab oder hebt man andere besonders hervor, dann sollten schon Kriterien herhalten, die in sich stimmig, musik- und genre-gerecht sind und nicht dem Bauchgefühl verhaftet.
    Ich persönlich habe absolut nichts gegen Leute, die Bohlen hören, aber habe was dagegen, wenn sie nach ihren Kriterien Radiohead oder Dylan abqualifizieren.

    Soweit einverstanden, aber der letzte Satz wirft ein paar Fragen auf:
    Was ist mit Leuten, die Radiohead oder Dylan hören, und nach ihren Kriterien Bohlen abqualifizieren?
    Überhaupt: Von welchen Kriterien reden wir überhaupt? Sind Bohlen, Dylan und Radiohead nicht ähnlich genug, um sie nach denselben Kriterien (welche auch immer das sein mögen) beurteilen zu können? Immerhin gehören alle drei zum Bereich der Popmusik.

    --

    There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)
    #5105553  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    Jetzt mal nicht zu viel der Zustimmung. ;-)
    Der Rest bleibt. Und der ist wirklich interessant.
    Kriterien gibt es nämlich. Und diese sind sicherlich nicht eindimensional und immer dieselben, manchmal sind sie sogar so individuell auf ein einzelnes Stück bezogen, wie ein einzelnes Kunstwerk indviduell ist. Also nichts allgemein Gültiges, keine schnelle Werterei, sondern oft nur eine Annäherung und manchmal auch aus völlig verschiedenen Blickwinkeln (siehe The Drift).
    Aber diese Suche nach Kriterien, die macht die Diskussion doch so spannend und eigentlich ergebnisoffen. Diese öffentliche Suche (als eine solche verstehe ich Rezensionen oder Texte über Musik) kann aber auch dazu führen, dass sie den Blick, das Ohr für eine Sache öffnet und man auf diese Weise erst Zugang gewinnt.
    Aber das gelingt nur mit entsprechender Offenheit und ich habe keine Lust darüber zu diskutieren, wenn mir ständig jemand Besserwisserei oder Arroganz vorwirft. Und es muss auch keiner mitdiskutieren, der sich nicht auf diese Schiene begeben will. Und dennoch mag er tief empfindender Musikhörer sein. Das schließt sich, wie gesagt, in keiner Weise aus.

    --

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    #5105555  | PERMALINK

    wolfen

    Registriert seit: 01.10.2004

    Beiträge: 1,716

    Otis:
    Ich hoffe, sie (deine Tocher) hat dir anschließend kräftig ans Schienbein getreten. ;-)

    Ich kenne etliche Gemälde von Caspar David Friedrich. Allerdings habe ich mich persönlich nicht wirklich mit seiner Person, seinem künstlerischen Hintergrund und den Entstehungsumständen seiner Bilder beschäftigt.
    Was ich jedoch weiß: ich möchte die meisten seiner Bilder (als Duplikat natürlich nur) nicht in meiner Wohnung sehen.
    Ich finde sie in aller Regel sogar extrem kitschig. Tiefe Kenntnisse, Entstehungsgeschichte etc. etc. etc. hin oder her, sie treffen nicht meinen Geschmack.
    Deine Tocher hat sich ein Bild angesehen und es kitschig gefunden. Ganz offenbar konnte sie bei der Betrachtung dieses Bildes dem Bild nicht viel oder nichts abgewinnen.
    Was nützt es dir oder ihr, wenn Du ihr in irgendeiner Form die Ohren lang ziehst (wobei ich davon ausgehe, das war nicht wörtlich gemeint) und ihr einen langen und breiten über Caspar David Friedrich erzählst ?
    Wird sie danach dieses Bild (oder andere von C.A.F.) besser finden ? Wird sie es gar plötzlich mögen ?
    Wahrscheinlich wird sie hinterher vielleicht etwas „schlauer“ darüber diskutieren können, sie wird sich vielleicht an sehr niveauvollen Diskussionen darüber beteiligen können. Aber wird sie es plötzlich mögen oder bleibt es immer noch Kitsch für sie ?

    Natürlich ist es gut, wenn man bei Diskussionen über Musik (oder Kunst allgemein) sein ganz persönliches Urteil über bestimmte Dinge mit einem Grundfundus an Wissen untermauern kann.
    Man muss schon in der Lage sein, zu sagen, weshalb einem dieses oder jenes zusagt oder nicht zusagt.
    Aber man muss nicht in der Lage sein, bis in die kleinsten Details vorzudringen und eventuell gar Haarspaltereien zu betreiben.

    Ich kann mir auch Musik genauso schlecht- wie schönreden. Und ich kann mir ein Bild auch schöngucken…mit den Augen der anderen.
    Oh Himmel, ich möchte nicht wissen, wie viele Leute Bilder bei sich zu Hause hängen haben, die sie zum Kotzen finden, die aber künstlerisch sehr wertvoll sein mögen.
    Und ich möchte nicht wissen, wie viele Leute Musik hören, die sie eigentlich aus dem Bauch heraus gar nicht mögen, die ihnen aber in irgend einer Form als toll, wunderbar und künstlerisch wertvoll von anderen Leuten quasi aufs Ohr gedrückt wird.

    Was ich im Grunde deutlich zu machen versuche: nicht alle können auf einem bestimmten Niveau (von eventuell wenigen) mithalten. Ich selbst nehme mich da in keinster Weise aus.
    Und ich habe absolut kein Problem mit Leuten, die irgend etwas kitschig, gut, supertoll, schlecht, grottenübel oder was weiß ich finden und es halbwegs vernünftig und mit ein paar ganzen Sätzen mit ordentlicher Grammatik rüberbringen.
    Rummeinen oder ähnliches geht anders. Ich bin mir sogar sicher, daß es hier im Forum sehr wenige echte Rummeiner gibt, sehr wenige.

    --

    [kicks sagt:] ( schon alleine dass da keine Nüsse drin sind zeigt dass es ein allgemeiner check is )
    #5105557  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    Ja, ich liebe meine Tochter. (PS: Und sie mich auch.)
    Nein, ich schlage sie nicht.
    Nein, sie hat nie Vorträge über CDF über sich ergehen lassen müssen.
    Nein, weder ich, noch sie würden Kopien von CDF-Bildern zu Hause aufhängen.
    Nein, sie muss CDF nun wirklich nicht mögen.
    Ja, sie hätte meinen Post oben aufmerksamer gelesen und vor allem verstanden, was gemeint war.
    Ja, sie möchte mit mir in ein Museum gehen. Auch wenn ich selbst da keine Vorträge halte, sondern nur kucken lasse.
    Vorträge behalte ich mir fürs Forum vor. Alles klar?

    Und ein Letztes: Mit Leuten, die sich Bilder aufhängen, Musik anhören, die sie nicht ausstehen können, habe ich nichts zu tun. Ganz und gar nicht. Bedauernswerte Geschöpfe.

    --

    FAVOURITES
    #5105559  | PERMALINK

    wolfen

    Registriert seit: 01.10.2004

    Beiträge: 1,716

    otisJa, ich liebe meine Tochter. (PS: Und sie mich auch.)
    Nein, ich schlage sie nicht.
    Nein, sie hat nie Vorträge über CDF über sich ergehen lassen müssen.
    Nein, weder ich, noch sie würden Kopien von CDF-Bildern zu Hause aufhängen.
    Nein, sie muss CDF nun wirklich nicht mögen.
    Ja, sie hätte meinen Post oben aufmerksamer gelesen und vor allem verstanden, was gemeint war.
    Ja, sie möchte mit mir in ein Museum gehen. Auch wenn ich selbst da keine Vorträge halte, sondern nur kucken lasse.
    Vorträge behalte ich mir fürs Forum vor. Alles klar?

    Natürlich ist alles klar. Hättest Du vorher ein ganz klein wenig davon in dieser schlichten Direktheit in dein Post einfließen lassen, ich hätte mir einiges an Tipparbeit ersparen können.

    --

    [kicks sagt:] ( schon alleine dass da keine Nüsse drin sind zeigt dass es ein allgemeiner check is )
    #5105561  | PERMALINK

    go1
    Gang of One

    Registriert seit: 03.11.2004

    Beiträge: 5,645

    Wenn alles Geschmackssache wäre, gäbe es keinen Raum für Diskussionen; dann könnte man nur noch „Ich mag es“ oder „Ich mag es nicht“ sagen. Für andere interessant wird es erst, wenn man sich bewusst zu machen versucht, WAS man da mag oder nicht mag. „Geschmack“ ist außerdem zweideutig: Zum einen meint man damit Vorlieben und Hörgewohnheiten, zum anderen ein Unterscheidungsvermögen. „Guter Geschmack“ heißt, das gut Gemachte vom schlecht Gemachten und das Passende vom Unpassenden unterscheiden zu können. Er entsteht durch Erfahrung – dadurch, dass man sich Vieles aufmerksam anhört – und ist auch noch genrespezifisch: Wer etwas von Countrymusik versteht, versteht noch lange nichts von Ambient Techno oder HipHop. „Geschmack“ zu haben heißt auch, sich nicht manipulieren zu lassen. Musik kann einen zum Weinen bringen, aber es ist nicht gut, wenn sie heftig „auf die Tränendrüse drückt“, wenn sie es manipulativ darauf anlegt. Erhabene (oder auch virtuose) Musik kann beeindrucken, aber wenn sie hörbar beeindrucken SOLL – ist man als erfahrener Hörer eben nicht beeindruckt. Musik kann starke Wirkungen haben, aber wenn sie es zu sehr darauf anlegt, ist sie effekthascherisch und nicht gut.

    Wie otis oben schon geschrieben hat, gibt es keine allgemeinen Kriterien, die man immer anwenden könnte. Es kommt immer darauf an, was der jeweilige Song oder der jeweilige künstlerische Zweck verlangt. „Komplexität“ und „Abwechslungsreichtum“ zum Beispiel können eine gute Sache sein, sind aber nicht notwendig. Minimalismus, Monotonie und Wiederholung (die drei R: Repetition, Repetition, Repetition) können auch ganz toll sein (manche Krautrocker sind durch die Stumpfheit hindurch zur „chromblitzenden Brillianz“ gelangt, stand vor kurzem irgendwo im RS). Komplexer ist nicht notwendigerweise gleich besser. Ein einfaches Stück ist mitunter schlicht schön, ein komplexes verschwurbelt, „bloß clever“ oder überladen. Fünf Akkorde sind nicht besser als zwei. Dass Musiker „gut spielen“ können spricht auch nicht per se für oder gegen die Musik, die sie machen. Handwerkliche Fertigkeiten sind ein Vorteil, wenn man sie klug einzusetzen weiß, aber auch geniale Dilettanten machen tolle Musik, wenn sie inspiriert sind und gute Ideen haben. Der Originalität kann es sogar förderlich sein, wenn man sich nicht auf eingeübte Licks zurückziehen kann. Usw.

    Man muss sich halt erst einmal auf die jeweilige Aufnahme einlassen, ihrer inneren Logik nachspüren (nein, ich mache das auch nicht immer, aber ich halte es für eine gute Maxime). Bei einem Tanzstück z.B. liegen die Qualitäten vor allem im Rhythmischen. Wenn der Rhythmus gut ist, fehlt nicht mehr viel, dass der Track gut ist. Das angemessene „Rezeptionsverhalten“ besteht darin, sich zur Musik zu bewegen. Das Tanzstück kann nichts dafür, wenn der Hörer nicht tanzen will und grummelig sitzen bleibt und auf die nächste „schöne Melodie“ wartet…

    Abstrakt gesprochen, kann man frei nach Goethe immer fragen: 1) Was hat der Künstler sich vorgenommen? 2) Ist dieser Vorsatz vernünftig und verständig, befürwortet man ihn oder lehnt man ihn ab? 3) Wie gut ist es gelungen, den Vorsatz auszuführen?

    Having said that, kommt es auch mir am Ende des Tages vor allem anderen darauf an, dass die Musik in mir Gefühle weckt – dann liebe ich sie, andernfalls schätze ich sie bloß.

    Jeder wendet irgendwelche Kriterien an und bewertet die Musik auf dieser Grundlage; das können ja ganz einfache sein (für manchen soll es z.B. am liebsten „angenehm“ klingen, nicht „nerven“, nicht mit Lärm und Geräusch verbunden sein usw. – der mag dann vieles von dem nicht, was ich so höre…). Wenn diese Kriterien überhaupt nicht zu der Musik, ihrer Eigenlogik, passen, die da gerade gehört wird, kann man so begründete Urteile „geschmäcklerisch“ nennen.

    --

    To Hell with Poverty
    #5105563  | PERMALINK

    wolfen

    Registriert seit: 01.10.2004

    Beiträge: 1,716

    Go1Wenn alles Geschmackssache wäre, gäbe es keinen Raum für Diskussionen; dann könnte man nur noch „Ich mag es“ oder „Ich mag es nicht“ sagen. Für andere interessant wird es erst, wenn man sich bewusst zu machen versucht, WAS man da mag oder nicht mag. „Geschmack“ ist außerdem zweideutig: Zum einen meint man damit Vorlieben und Hörgewohnheiten, zum anderen ein Unterscheidungsvermögen. „Guter Geschmack“ heißt, das gut Gemachte vom schlecht Gemachten und das Passende vom Unpassenden unterscheiden zu können. Er entsteht durch Erfahrung – dadurch, dass man sich Vieles aufmerksam anhört – und ist auch noch genrespezifisch: Wer etwas von Countrymusik versteht, versteht noch lange nichts von Ambient Techno oder HipHop. „Geschmack“ zu haben heißt auch, sich nicht manipulieren zu lassen. Musik kann einen zum Weinen bringen, aber es ist nicht gut, wenn sie heftig „auf die Tränendrüse drückt“, wenn sie es manipulativ darauf anlegt. Erhabene (oder auch virtuose) Musik kann beeindrucken, aber wenn sie hörbar beeindrucken SOLL – ist man als erfahrener Hörer eben nicht beeindruckt. Musik kann starke Wirkungen haben, aber wenn sie es zu sehr darauf anlegt, ist sie effekthascherisch und nicht gut.

    Wie otis oben schon geschrieben hat, gibt es keine allgemeinen Kriterien, die man immer anwenden könnte. Es kommt immer darauf an, was der jeweilige Song oder der jeweilige künstlerische Zweck verlangt. „Komplexität“ und „Abwechslungsreichtum“ zum Beispiel können eine gute Sache sein, sind aber nicht notwendig. Minimalismus, Monotonie und Wiederholung (die drei R: Repetition, Repetition, Repetition) können auch ganz toll sein (manche Krautrocker sind durch die Stumpfheit hindurch zur „chromblitzenden Brillianz“ gelangt, stand vor kurzem irgendwo im RS). Komplexer ist nicht notwendigerweise gleich besser. Ein einfaches Stück ist mitunter schlicht schön, ein komplexes verschwurbelt, „bloß clever“ oder überladen. Fünf Akkorde sind nicht besser als zwei. Dass Musiker „gut spielen“ können spricht auch nicht per se für oder gegen die Musik, die sie machen. Handwerkliche Fertigkeiten sind ein Vorteil, wenn man sie klug einzusetzen weiß, aber auch geniale Dilettanten machen tolle Musik, wenn sie inspiriert sind und gute Ideen haben. Der Originalität kann es sogar förderlich sein, wenn man sich nicht auf eingeübte Licks zurückziehen kann. Usw.

    Man muss sich halt erst einmal auf die jeweilige Aufnahme einlassen, ihrer inneren Logik nachspüren (nein, ich mache das auch nicht immer, aber ich halte es für eine gute Maxime). Bei einem Tanzstück z.B. liegen die Qualitäten vor allem im Rhythmischen. Wenn der Rhythmus gut ist, fehlt nicht mehr viel, dass der Track gut ist. Das angemessene „Rezeptionsverhalten“ besteht darin, sich zur Musik zu bewegen. Das Tanzstück kann nichts dafür, wenn der Hörer nicht tanzen will und grummelig sitzen bleibt und auf die nächste „schöne Melodie“ wartet…

    Abstrakt gesprochen, kann man frei nach Goethe immer fragen: 1) Was hat der Künstler sich vorgenommen? 2) Ist dieser Vorsatz vernünftig und verständig, befürwortet man ihn oder lehnt man ihn ab? 3) Wie gut ist es gelungen, den Vorsatz auszuführen?

    Having said that, kommt es auch mir am Ende des Tages vor allem anderen darauf an, dass die Musik in mir Gefühle weckt – dann liebe ich sie, andernfalls schätze ich sie bloß.

    Jeder wendet irgendwelche Kriterien an und bewertet die Musik auf dieser Grundlage; das können ja ganz einfache sein (für manchen soll es z.B. am liebsten „angenehm“ klingen, nicht „nerven“, nicht mit Lärm und Geräusch verbunden sein usw. – der mag dann vieles von dem nicht, was ich so höre…). Wenn diese Kriterien überhaupt nicht zu der Musik, ihrer Eigenlogik, passen, die da gerade gehört wird, kann man so begründete Urteile „geschmäcklerisch“ nennen.

    :wow: :wow: mir fehlen im Moment die Worte.
    Du bist mir unheimlich, im wahrsten Sinne des Wortes.

    --

    [kicks sagt:] ( schon alleine dass da keine Nüsse drin sind zeigt dass es ein allgemeiner check is )
    #5105565  | PERMALINK

    ah-um

    Registriert seit: 24.02.2006

    Beiträge: 1,398

    @ Go1:
    :bier:

    Ich halte es übrigens nicht für ausgeschlossen, dass otis‘ Tochter ihr Urteil noch einmal revidiert, wenn sie über mehr Informationen verfügt. Nach meiner Erfahrung kann man Dinge tatsächlich lieben lernen, nachdem man sie erst einmal verstanden hat. Anders gesagt: Das intellektuelle und das emotionale Urteil fallen nicht dauerhaft auseinander, sondern bedingen sich gegenseitig.

    Im Übrigen halte ich es nicht für völlig verkehrt, sich mit Musik zu beschäftigem, die einem vielleicht gar nicht zusagt. Ein (Werke-)Kanon, so wie ich ihn verstehe, beinhaltet nicht unbedingt die Werke, die man zu mögen hat, sondern die, die man kennen sollte, um mitreden zu können.

    --

    There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)
    #5105567  | PERMALINK

    j-w
    Moderator
    maximum rhythm & blues

    Registriert seit: 09.07.2002

    Beiträge: 40,483

    Ich kann Go1′ Ausführungen nur beipflichten und wünschte ich hätte die Zeit sowas so gut zu formulieren, ich bin sicher, daran hat er/sie ein Weilchen gesessen.

    @ wolfen:
    Bist Du positiv oder negativ geplättet?

    Mir ist ansonsten noch ein Aspekt wichtig, der hier bislang irgendwie zu kurz kam:
    Die Umstände der Wahrnehmung.
    Eine mögliche Ausprägung:
    Ein erster (oder früher) Eindruck, der dazu führt, dass man diesen Eindruck für sich selbst in der Bedeutung höher einschätzt als folgende Momente. Zum Beispiel das erste Hören eines Albums, einer Single, eines Konzerts, eines Künstlers überhaupt. Für mich war „Infidels“ das erste „aktuelle Dylan-Album, das ich wahrnahm und deshalb ist mir ganz besonders ans Herz gewachsen. Genauso „It’s Hard“ von The Who. Beides Alben, die im Gesamtwerk der Künstler zurecht nicht ganz vorn stehen, aber für mich eine persönliche Bedeutung haben, weil sie für mich damals wichtig waren und diese Wichtigkeit eventuell relativiert wird, aber nie ganz verloren geht. Sprich diese Alben werde ich nie verdammen und im Zweifelfalle das Wort für sie ergreifen. Oder Tattoo You von den Stones, wobei ich finde, das hat auch eine zeitlose Qualität.
    Und es gibt diese situative Bedeutsamkeit, losgelöst von dem Kennenlernen eines Künstlers als Musikinteressierter, diese „Liebling, sie spielen unser Lied!“-Momente, Augenblicke, die bedeutsam waren und die mit Musik verbunden sind. Und da muss ich wohl oder übel jedem den persönlichen Geschmack in Verbindung mit solchen Erlebnissen lassen, dass kann man nun wirklich nicht angreifen.

    --

    Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage Blue
    #5105569  | PERMALINK

    sunspot

    Registriert seit: 18.10.2003

    Beiträge: 6,513

    Ah UmIm Übrigen halte ich es nicht für völlig verkehrt, sich mit Musik zu beschäftigem, die einem vielleicht gar nicht zusagt. Ein (Werke-)Kanon, so wie ich ihn verstehe, beinhaltet nicht unbedingt die Werke, die man zu mögen hat, sondern die, die man kennen sollte, um mitreden zu können.

    Warum sollte ich über Werke mitreden wollen, die ich vorn und hinten nicht mag? In der Zeit, die ich mit solch einer akademischen Quälerei verplempern würde, beschäftige ich mich lieber mit Musik, die bei mir zumindest das Potential zum gern gehört werden hat. Damit stelle ich mich dann zwar höchstwahrscheinlich in die Ecke der „dummen“ Musikhörer, aber damit kann ich prima leben. Den Ruf als foreneigene Kulturbanausin dürfte ich beim ein oder anderen eh schon längst weg haben

    --

    #5105571  | PERMALINK

    daniel_belsazar

    Registriert seit: 19.04.2006

    Beiträge: 1,253

    Go1Wenn alles Geschmackssache wäre, gäbe es keinen Raum für Diskussionen; dann könnte man nur noch „Ich mag es“ oder „Ich mag es nicht“ sagen. … Wenn diese Kriterien überhaupt nicht zu der Musik, ihrer Eigenlogik, passen, die da gerade gehört wird, kann man so begründete Urteile „geschmäcklerisch“ nennen.

    @go1: Das ist das Beste, was ich hier bisher gelesen habe, unantastbar und wahr. Damit sollte das Thema erledigt sein.

    :laola0:

    --

    The only truth is music.
    #5105573  | PERMALINK

    whole-lotta-pete

    Registriert seit: 19.05.2003

    Beiträge: 17,435

    Gut, da wir hier schwer im philosophischen Bereich unterwegs sind (auch gemäß dem entsprechenden Forumsabteil), wurde dem Threaderöffner wirklich wenig seiner Fragestellung näher beantwortet. Vielleicht wäre es daher treffender gewesen, gleich danach zu fragen, was jeder so für sich für Kriterien hat oder vermutet zu haben, wonach er Musik beurteilt.

    Ein Brainstorming hierzu ist vielleicht erhellend. Ich versuche gerade, einige Kriterien zu sammeln, um Schlagworte zusammen zu bekommen.

    Da wären: Originaliät, die nicht nur vom Wortstamm her auf Einzigartigkeit, Besonderheit und vielleicht sogar Ursprünglichkeit abzielt. Was noch? Aussagekraft? Da hätten wir sicher einen sehr weit gefassten Begriff. Dem einen sind tiefgreifende Texte wichtig, der andere erkennt in einfachsten Worten die echte Tiefe, wieder anderen bedeuten die Texte nicht viel. Oder man könnte auch sagen: Der Ausdruck eines Musikstückes ist wirklich bei weitem nicht nur im Text zu finden. Dem stimme ich wohl am meisten zu. Technik? Vielleicht nicht so unwichtig, wie es zunächst scheint, aber von verschiedensten Seiten denkbar. Die Virtuosen, Klangzauberer, die begeistern. Aber das können die Schlichten, aufs Wesentliche Reduzierten oft in ganz eigener Weise. Und dann auch noch die umgekehrten, absichtlich schrägen Fälle – Punkrock, Lo-Fi usw, denen nicht weniger Liebe entgegengebracht wird.

    Welche Kriterien könnten noch fehlen? Gefühl? Glaubwürdigkeit, gar der komplette Hintergrund bis zur Aufnahmetechnik, Fanbasis, Herkunft, Biographie? Vielleicht macht es auch Sinn, die Ausschlusskriterien zu sammeln – was darf Musik auf keinen Fall haben, damit ich sie mögen kann? Ergänzt mich bitte, es ist schon spät und das ist nicht mein erstes Bier…

    --

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