Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Adaption fremder Musikstile oder: "Können Deutsche auch Country"?
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nail75Das Prinzip der menschlichen Kultur basiert gerade auf Austausch, Überschreitung von Grenzen und Neuentwicklungen durch „Kulturtransfer“.
Aber gerade durch die Reduzierung qua Landesgrenze schränkt man eine qualitative Auswahl doch unnötig ein. Auf die Frage nach den besten Countrymusikern würde doch niemand auf die Idee kommen deutsche Künstler zu nennen.
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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ich finds jedenfalls toll, wie die Rolling Stones, völlig unbeeinflußt von Blues und Rock, ihre englischen Volksweisen trällern…
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kramerKönntest Du hier bitte ein paar Beispiele nennen?
Gerne. Jazz war von Anfang an eine Musik, die Grenzen überschritten hat und Menschen unterschiedlichster kultureller Hintergründe ansprach.
Das fängt schon in den 1930ern mit Django Reinhart und Stephane Grappelli an. Coleman Hawkins hält sich einige Zeit in London auf und spielt mit den beiden. Später kommen andere Amerikaner wie Dexter Gordon, der in Kopenhagen siedelt und mit dänischen Musikern wie NHOP aufnimmt. Bud Powell hingegen geht nach Paris und arbeitet mit französischen Musikern wie Pierre Michelot und seinem Gönner Francis Paudras. Keith Jarrett formt sein europäisches Quartett mit Jan Garbarek, Jon Christensen und Palle Danielsson.
In England, Skandinavien, Deutschland, Frankreich und in Polen und der Sovietunion bilden sich eigene, miteinander in Verbindung stehende Jazzkulturen heraus. Krystof Komeda wird zur zentralen Figur des polnischen Jazz und bringt international gefeierte Nachfolger wie Tomasz Stanko hervor. Ganelin prägt den Jazz der UdSSR. Mangelsdorff, Brötzmann, Kowald, Weber u.a. den in Deutschland. Garbarek, Vesala, Rypdal, Stenson sind die bekanntesten skandinavischen Vertreter. In England würde ich Surman, McLaughlin (später bei Miles Davis), Mike Westbrook, John Lloyd, Ronnie Scott und Kenny Wheeler bedeutsam nennen. Und das sind nur diejenigen, die mir gerade einfallen.
Mit solchen Thesen, wie oben vertreten, verbaut man sich gezielt und in völlig unnötiger Weise den Blick auf eine unendliche Vielfalt der Musik, die gerade im Austausch lebt. Eines meiner erhellendsten Erlebnisse der letzten Jahre war es Ali Fakah Touré zu hören, der sicherlich kein Amerikaner ist, aber unglaublichen afrikanischen Blues spielt, der einerseits sehr an amerikanischen Blues erinnert und sich dann doch stark unterscheidet. Die Musik (und auch das Leben) ist viel zu vielschichtig und komplex für einfache Doktrinen.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.atomAber gerade durch die Reduzierung qua Landesgrenze schränkt man eine qualitative Auswahl doch unnötig ein. Auf die Frage nach den besten Countrymusikern würde doch niemand auf die Idee kommen deutsche Künstler zu nennen.
Ich reduziere bestimmt nicht basierend auf Landesgrenzen und Musiker tun das übrigens überhaupt nicht.
Ich habe auch nie behauptet, dass es viele Deutsche gibt, die gute Countrymusik machen. Übrigens gibt es in keinem Land mehr schlechte Countrymusik in den USA und zwar in endlosen Massen. Künstler wie Merle Haggard oder George Jones überleben nur in winzigen Nichen, jedenfalls nicht im Radio, wo Schlager-Country alles überwuchert hat.Mir geht es lediglich darum, darauf hinzuweisen, dass eine doktrinäre Herangehensweise („deutsche Countrymusik kann nicht gut sein“) kontraproduktiv ist. Ob deutsche Countrymusiker im Einzelfall gut sind oder nicht, kann man dann entscheiden. Jedenfalls ist es prinzipiell immer möglich, dass sich – manchmal wie aus dem Nichts – Künstler finden, die es schaffen einen eigentlich fremden Stil sinngebend in die eigene Kultur zu übertragen. Dafür gibt es verschiedene Beispiele, nicht zuletzt die Rolling Stones und andere Bands der 1960er.
Genauso kann natürlich „deutsche Popmusik“ gut sein, auch wenn die Formen aus England oder den USA stammen. Ich bin der Meinung, dass sich sehr langsam in den letzten Jahren eine eigenständige deutschsprachige (!) Popmusik herausbildet, die quasi selbstragend ist, und auf einer Verbindung fremder (aber überall präsenter) und originär deutscher Einflüsse basiert. Wie immer man zu Bands wie Juli, Silbermond, den Helden, Tokio Hotel usw. stehen mag, sie repräsentieren etwas Neues, nämlich Musik von jungen Künstlern, die aus verschiedenen Quellen schöpfen, um ihre Musik zu schaffen.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Du kannst aber vom Jazz doch nicht auf deutschen Country schließen! Die Sprache des Jazz ist international, die des Country eben nicht. Die Tatsache, dass sehr viele Jazzmusiker nach Eurpoa gekommen sind und teilweise, so wie Gordon und Cherry, auch hier gelebt haben, hatte eben auch einen finanziellen und politischen Hintergrund, dabei ging es sicherlich nicht in erster Linie um den musikalischen Austausch, dessen Ergebnisse bis auf wenige Ausnahmen nicht selten zweifelhaft oder durchschnittlich sind.
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Dick Laurentich finds jedenfalls toll, wie die Rolling Stones, völlig unbeeinflußt von Blues und Rock, ihre englischen Volksweisen trällern…
Rock’n’Roll besteht nun mal aus einer Summe unterschiedlichster Stile. Die gegenseitige Befruchtung bzw. ein Austausch zwischen US-amerikanischen und britischen Stilen und Nuancen fand immer relativ zeitgleich und im direkten Ausstausch statt.
Bei einer direkten und einseitigen Adaption einer uramerikanischen Tradition mit etwa 50 Jahren Verspätung macht das für mich schon einen großen Unterschied.--
Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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atomRock’n’Roll besteht nun mal aus einer Summe unterschiedlichster Stile. Die gegenseitige Befruchtung bzw. ein Austausch zwischen US-amerikanischen und britischen Stilen und Nuancen fand immer relativ zeitgleich und im direkten Ausstausch statt.
Bei einer direkten und einseitigen Adaption einer uramerikanischen Tradition mit etwa 50 Jahren Verspätung macht das für mich schon einen großen Unterschied.Ich glaube Dick ging es auch nur darum, nochmal seine Antipathie gegenüber den Stones zu formulieren. Den Unterschied dürfte er ansonsten verstanden haben.
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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atomRock’n’Roll besteht nun mal aus einer Summe unterschiedlichster Stile. Die gegenseitige Befruchtung bzw. ein Austausch zwischen US-amerikanischen und britischen Stilen und Nuancen fand immer relativ zeitgleich und im direkten Ausstausch statt.
Bei einer direkten und einseitigen Adaption einer uramerikanischen Tradition mit etwa 50 Jahren Verspätung macht das für mich schon einen großen Unterschied.Weder du noch ich erwarten ja auch großartigen deutschsprachigen Country, ich wäre ja schon froh, wenn es großartigen amerikanischen Country gäbe. Trotzdem rechtfertigt das doch nicht eine Aussage wie „Man soll solche Stilrichtungen dort lassen, wo sie hingehören“. Diese Aussage liest sich wirklich wie das Ende einer jeden künstlerischen Entwicklung.
Und nochmal weitergedacht: Wenn es keinen deutschen Country geben darf, darf es dann deutsche Country-Hörer geben? Ist unser deutsches Gehirn überhaupt in der Lage, diesen angemessen zu rezipieren, oder sollten wir besser bei einheimischen Volksmusikklängen bleiben. Falls wir es aber Hören dürfen, warum nicht nachspielen, warum nicht verändern und damit entwickeln? Die Wertung darf da ja gerne erstmal aussen vor bleiben…--
atomRock’n’Roll besteht nun mal aus einer Summe unterschiedlichster Stile. Die gegenseitige Befruchtung bzw. ein Austausch zwischen US-amerikanischen und britischen Stilen und Nuancen fand immer relativ zeitgleich und im direkten Ausstausch statt.
Bei einer direkten und einseitigen Adaption einer uramerikanischen Tradition mit etwa 50 Jahren Verspätung macht das für mich schon einen großen Unterschied.Ich bin nicht der Meinung, dass da ein wirklicher Unterschied zwischen englisch-amerikanischem und amerikanisch-deutschen/französischen Austausch besteht. Gewisse kulturelle Gemeinsamkeiten (Sprache, ähnliche Folktraditionen) erleichterten in England sicherlich die Aufnahme von Blues, Country usw, aber der Prozess ist derselbe. Man macht es sich jedenfalls viel zu leicht, wenn man von einer anglo-amerikanischen Musikkultur in der Pop/Rockmusik ausgeht und dieselbe im Jazz leugnet, weil man dann auch Kontinentaleuropa einbeziehen müsste.
Zeitnah ist übrigens sehr relativ. Die europäische Rezeption des Jazz und die englische Rezeption von Blues, R&B und R&R geben sich vom zeitlichen Ablauf nicht viel.--
Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.atomRock’n’Roll besteht nun mal aus einer Summe unterschiedlichster Stile. Die gegenseitige Befruchtung bzw. ein Austausch zwischen US-amerikanischen und britischen Stilen und Nuancen fand immer relativ zeitgleich und im direkten Ausstausch statt.
Bei einer direkten und einseitigen Adaption einer uramerikanischen Tradition mit etwa 50 Jahren Verspätung macht das für mich schon einen großen Unterschied.Ist es wirklich vom zeitlichen Abstand abhängig, atom ? Ich tendiere zu nein. Jedenfalls liebe ich es, wenn Texaner uralte böhmischen Polkas adaptieren – nur um mal ein extremes Beispiel zu nennen. Du kennst die entsprechenden Trikont-Scheiben sicherlich auch.
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Dick Laurent
Und nochmal weitergedacht: Wenn es keinen deutschen Country geben darf, darf es dann deutsche Country-Hörer geben? Ist unser deutsches Gehirn überhaupt in der Lage, diesen angemessen zu rezipieren, oder sollten wir besser bei einheimischen Volksmusikklängen bleiben. Falls wir es aber Hören dürfen, warum nicht nachspielen, warum nicht verändern und damit entwickeln? Die Wertung darf da ja gerne erstmal aussen vor bleiben…Sehr richtig und in dieser Hinsicht scheinen wir einer Meinung zu sein. WD hat ja schon mehrfach angedeutet, dass man englische bzw. amerikanische Musik nicht angemessen rezipieren kann, wenn man das Land nicht kennt. Das ist nicht ganz falsch, allerdings vergisst er dabei, dass er selbst dabei kulturelle Grenzen überschreitet, denn er ist nunmal Deutscher und wird im Leben niemals zum Amerikaner oder Briten mutieren. Er selbst ist also der Beweis für die Möglichkeit des kulturellen Austauschs, der Möglichkeit, dass sich ein Kulturfremder durch Beschäftigung mit der Materie die Grundsätze der fremden Kultur erschließt.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Dick LaurentUnd nochmal weitergedacht: Wenn es keinen deutschen Country geben darf, darf es dann deutsche Country-Hörer geben? Ist unser deutsches Gehirn überhaupt in der Lage, diesen angemessen zu rezipieren, oder sollten wir besser bei einheimischen Volksmusikklängen bleiben. Falls wir es aber Hören dürfen, warum nicht nachspielen, warum nicht verändern und damit entwickeln? Die Wertung darf da ja gerne erstmal aussen vor bleiben…
Natürlich „darf“ es deutschen Country geben, aber er ist eben überflüssig und ich würde ihn mir nicht freiwillig anhören. Natürlich „darf“ ein Deutscher Country hören, um ihn zu schätzen, einzuordnen und zu verstehen bedarf dann allerdings intensiver Auseinandersetzung mit der Musik und ihrer Wurzeln. Was stellst Du Dir denn unter einer Weiterentwicklung des Country durch deutsche Musiker vor? Und warum hat diese Weiterentwicklung oder Integration noch nicht stattgefunden? Warum ist gute deutsche Countrymusik schlicht nicht existent? Mir sind nur platte eingedeutschte Kopien bekannt und die halte ich für höchst überflüssig bis sehr ärgerlich, so why bother?
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Dick LaurentUnd nochmal weitergedacht: Wenn es keinen deutschen Country geben darf, darf es dann deutsche Country-Hörer geben? Ist unser deutsches Gehirn überhaupt in der Lage, diesen angemessen zu rezipieren, oder sollten wir besser bei einheimischen Volksmusikklängen bleiben.
Natürlich funktioniert die Rezeptionen einer außerhalb der eigenen Kultur entstandenen und womöglich in einer anderen Zeit entstanden Musik immer unter anderen Voraussetzungen, dennoch kann man sich dieser durch Bildung und Beschäftigung mit dieser Materie immer etwas nähern.
Dick LaurentFalls wir es aber Hören dürfen, warum nicht nachspielen, warum nicht verändern und damit entwickeln? Die Wertung darf da ja gerne erstmal aussen vor bleiben…
Für mich ist die zeit- und kulturversetzte Imitation einer lokal und traditionell verorteten Musik nicht besonders reizvoll. Wie eine deutsche Weiterentwicklung von Country aussehen soll, möchte ich mir lieber nicht vorstellen.
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Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...nail75Ich bin nicht der Meinung, dass da ein wirklicher Unterschied zwischen englisch-amerikanischem und amerikanisch-deutschen/französischen Austausch besteht. Gewisse kulturelle Gemeinsamkeiten (Sprache, ähnliche Folktraditionen) erleichterten in England sicherlich die Aufnahme von Blues, Country usw, aber der Prozess ist derselbe. Man macht es sich jedenfalls viel zu leicht, wenn man von einer anglo-amerikanischen Musikkultur in der Pop/Rockmusik ausgeht und dieselbe im Jazz leugnet, weil man dann auch Kontinentaleuropa einbeziehen müsste.
Zeitnah ist übrigens sehr relativ. Die europäische Rezeption des Jazz und die englische Rezeption von Blues, R&B und R&R geben sich vom zeitlichen Ablauf nicht viel.Ich bezog das in meinen Beispielen immer in Hinsicht auf dt. Country. Hier kann beim besten Willen nicht von einem Austausch die Rede sein oder kannst du mir einen dt. Künstler nennen, der die amerikanische Szene beeinflusst hat?
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Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...Ich geh jetzt ins Bett, wenn auf meine Fragen niemand antwortet
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