Re: Adaption fremder Musikstile oder: "Können Deutsche auch Country"?

Startseite Foren Kulturgut Das musikalische Philosophicum Adaption fremder Musikstile oder: "Können Deutsche auch Country"? Re: Adaption fremder Musikstile oder: "Können Deutsche auch Country"?

#5819339  | PERMALINK

nail75

Registriert seit: 16.10.2006

Beiträge: 45,074

kramerKönntest Du hier bitte ein paar Beispiele nennen?

Gerne. Jazz war von Anfang an eine Musik, die Grenzen überschritten hat und Menschen unterschiedlichster kultureller Hintergründe ansprach.

Das fängt schon in den 1930ern mit Django Reinhart und Stephane Grappelli an. Coleman Hawkins hält sich einige Zeit in London auf und spielt mit den beiden. Später kommen andere Amerikaner wie Dexter Gordon, der in Kopenhagen siedelt und mit dänischen Musikern wie NHOP aufnimmt. Bud Powell hingegen geht nach Paris und arbeitet mit französischen Musikern wie Pierre Michelot und seinem Gönner Francis Paudras. Keith Jarrett formt sein europäisches Quartett mit Jan Garbarek, Jon Christensen und Palle Danielsson.

In England, Skandinavien, Deutschland, Frankreich und in Polen und der Sovietunion bilden sich eigene, miteinander in Verbindung stehende Jazzkulturen heraus. Krystof Komeda wird zur zentralen Figur des polnischen Jazz und bringt international gefeierte Nachfolger wie Tomasz Stanko hervor. Ganelin prägt den Jazz der UdSSR. Mangelsdorff, Brötzmann, Kowald, Weber u.a. den in Deutschland. Garbarek, Vesala, Rypdal, Stenson sind die bekanntesten skandinavischen Vertreter. In England würde ich Surman, McLaughlin (später bei Miles Davis), Mike Westbrook, John Lloyd, Ronnie Scott und Kenny Wheeler bedeutsam nennen. Und das sind nur diejenigen, die mir gerade einfallen.

Mit solchen Thesen, wie oben vertreten, verbaut man sich gezielt und in völlig unnötiger Weise den Blick auf eine unendliche Vielfalt der Musik, die gerade im Austausch lebt. Eines meiner erhellendsten Erlebnisse der letzten Jahre war es Ali Fakah Touré zu hören, der sicherlich kein Amerikaner ist, aber unglaublichen afrikanischen Blues spielt, der einerseits sehr an amerikanischen Blues erinnert und sich dann doch stark unterscheidet. Die Musik (und auch das Leben) ist viel zu vielschichtig und komplex für einfache Doktrinen.

--

Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.