The Necks – minimal jazz from down under

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  • #9097039  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

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    FriedrichHui, da würde ich gerne hingehen, weiß aber noch nicht, ob ich Zeit habe.

    ist ausverkauft, soweit ich weiß.

    FriedrichEine Single von The Necks? Das liest sich wie Schuld & Sühne – kurz und knapp oder so. ;-) Kaum vorstellbar, wie man deren ausschweifende Exkurse auf Popsong-Länge runterbrechen kann. Aber im Stream hört man dann ja auch, dass die Aufnahme ausgeblendet wird. Schade eigentlich, denn es wäre doch reizvoll, mal zu hören, was The Necks machen, wenn sie wirklich nur 3 Minuten Zeit hätten.

    Wie kommt es denn dazu, dass The Necks eine Split-Single mit einer Punk Band mit dem schönen Namen The Hard Ons veröffentlichen?

    die hard-ons sind wohl eine sehr erfolgreiche band in australien, wie weit dass dann noch punk ist, weiß ich nicht ;-) jedenfalls sind sie necks-fans und diese single ist eine von vieren, die sie zu irgendeinem runden band-geburtstag herausgeben.
    ich finde den necks-beitrag total super und für 5 minuten (immerhin!) sehr adäquat. aber es gab ja auch schon mal veröffentlichungen mit kürzeren stücken, da klingen sie dann halt wie irgendein elektrifiziertes pianotrio. das potential hat man sich dann halt dazugehört, wie bei dieser single auch. ;-)

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    #9097041  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    vorgartenist ausverkauft, soweit ich weiß.

    Tja, dann hat man mir die Entscheidung wohl schon abgenommen. :-(

    vorgartenich finde den necks-beitrag total super und für 5 minuten (immerhin!) sehr adäquat. aber es gab ja auch schon mal veröffentlichungen mit kürzeren stücken, da klingen sie dann halt wie irgendein elektrifiziertes pianotrio. das potential hat man sich dann halt dazugehört, wie bei dieser single auch. ;-)

    Der Gedanke The Necks in 3 minutes löst bei mir so eine Fantasie aus: Der erste spielt ein kleines Motiv, der zweite reagiert sofort darauf, der dritte kommt mit einer Idee dazu, der erste spielt eine Variation, die anderen müssen mitziehen, dann muss man auch schon dran denken, wie man das ganze sauber ins Ziel bringt und fertig! Volles Risiko! Und dann noch mal! Oft sind es ja die Beschränkungen, die die Kreativität beflügeln. Das ist Punk! ;-)

    Nur so eine Fantasie … Vielleicht sollte ich eine Band gründen? ;-)

    Aber vielleicht ist gerade das nicht das Ding der Necks.

    --

    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #9097043  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    jazzfest berlin, 7.11.2015, kaiser-wilhelm-gedächtniskirche

    samstag nachmittag, im blauen licht der egon-eiermann-kirche, kaum etwas dringt vom shoppingwahnsinn des tauentziehn, wo schon die ersten weihnachtsmarkthütten aufgebaut werden, ins innere. drinnen allerdings ist der ganze raum mit jazzfest-berlin-besuchern vollgestopft, in der jeder nische sitzt jemand, einige haben die stühle bis zur kanzel gestellt und umgedreht, damit sie die necks auch sehen können, durch das ganze blau hindurch. abrahams, swanton und buck sitzten auf der orgelempore, die schlank in den raum hineinragt. was abrahams auf der karl-schuke-orgel 60 minuten fabriziert, kann man aber ohnehin nicht nachverfolgen, er sitzt wie eingebaut vor dem riesenkasten und zieht register. interessante klangfarben sind vorinstalliert: schalmei, nachthorn, rauschquinte, vox humana, spanisch cornett. abrahams, mit dem ich hinterher kurz reden konnte, hat den ganzen april hindurch sich mit der orgel vertraut gemacht, in den letzten tagen nochmal sehr intensiv. es ist das vierte mal überhaupt, dass die necks mit orgel live improvisieren. und das erste mal in einer kirche.

    in den ersten 10 minuten passiert erstmal nichts. lauter kleine ideen in verschiedenen farben, manchmal steigt der bass kurz ein. aber abrahams gibt alles sofort wieder auf, sucht, verwirft, entwickelt nichts. die aufmerksamkeit geht von der musik weg. man schätzt die geringen rot-, grün- und gelbwerte im überwältigenden blau der glasfensterstein. ein außen wird überdeutlich inszeniert, aber eigentlich dringt nichts hindurch. im alterraum der große goldene christus, schwer in der luft hängend wie der orgelsound, der, hoppla, plötzlich angeschwollen ist. abrahams ist dazu übergegangen, schnelle arpeggien zu wiederholen, während swanton sie auf eine harmonische reise schickt und buck mit rasseln und hölzern klappert, als wäre bei ihm wind aufgezogen. die musik beißt sich fest, wird fett, kreiselt, dröhnt. an den füßen merkt man die bodenerschütterung durch die u-bahn. ein höhepunkt wird in 30 minuten aufgebaut, vorhersehbar und doch wieder nicht. der sound ist markerschütternd und seine quelle nicht mehr analysierbar. irgendwann glaube ich, dass hinter mir ein flugzeug startet. dann, im größten krach, spielt abrahams plötzlich ein lupenreines prog-rock-solo (soweit ich das beurteilen kann). jedenfalls völlig irre, im angefülltesten moment plötzlich die große rockgeste. irgendwie aber auch nachvollziehbar, so eine bewegung ins weltliche. dann ein traumhaft schönes verblassen, über weitere 20 minuten, am ende minutenlang nur noch einzelne basstöne und ein bisschen geraschel von den drums. abrahams großes gerät schweigt. dann, auf den punkt genau, wenn man sich sicher ist, dass die musik aus ist, hebt er plötzlich nochmal an, eine coda, orgel solo, kirchenorgel-solo sogar, damit man wieder weiß, wo man ist. geht hin, ihr gläubigen gedanken. zwischendruch setzt – wie immer – die erinnerung aus. man hat noch eine passage von vor wenigen minuten im ohr, hört dann in die aktuelle bewegung hinein und bringt beides nicht zusammen.

    ein set, das war’s. ist das nachthorn zum einsatz gekommen? oder war es der holzblock des drummers mit resonanz der u-bahn? wieviel rot und grün und gelb gab es in der mischung der klangfarben? verwirrt stolpert man aus der kirche und steht vor zugenagelten weihnachtshütten.

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    #9097045  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    Haha, ja der Ku-Damm an einem Samstagnachmittag ist ein hysterisches Paralleluniversum und eine Kirche mittendrin ein Paralleluniversum im Paralleluniversum und so wie Du es beschreibst, erschufen The Necks darin sogar noch eine weitere Verschachtelung.

    Ich kam zu spät und ohne Eintrittskarte und wurde damit bestraft, dass man mir den Zutritt verwehrte.

    :-(

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    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #9097047  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    ich hoffe ja sehr, dass es davon mal einen mitschnitt geben wird. tatsächlich fühlte man sich wie in einer schachtel in einer schachtel und würde gerne mal von einem anderen standpunkt nachhören, was die da eigentlich gemacht haben.

    die necks mal wieder im studio, deshalb kontrastprogramm zum jüngsten live-erlebnis. wie schon OPEN ist VERTIGO ein dezidiert fabriziertes werk, kunstvoll geschichtet und zusammengeb(r)aut, gegen (fast) jede idee von einer großen bewegung, die man zumindest live mit ihnen assoziiert.

    vertigo, schwindel: man denkt, dass sich alles bewegt, und in wirklichkeit bewegt sich nichts. schwer zu beschreiben, was hier passiert. großer soundreichtum (allein abrahams ist auf klavier, e-piano und orgel zu hören, die ganzen elektronischen verfremdungen nicht eingerechnet), großer abwechslungsreichtum: kaum ein eindruck bleibt länger bestehen. zumindest drei unterschiedliche frequenzen arbeiten gegeneinander: es gibt lang gehaltene drones, von der orgel und dem gestrichenen bass, manchmal klingt beides zusammen wie eine tampura. dann gibt es hektische bewegungen, arpeggien, perkussionsgeraschel, die ebenfalls phasenweise länger durchgehalten werden, aber einem anderen rhythmus folgen. schließlich gibt es erruptive kracheinlagen (buck auf schlagzeug und e-gitarre), die so jäh auftauchen, als ob man ein anderes stück tape mit völlig anderer musik versehentlich einmontiert hat. diese drei ebenen aber nicht in verdichtung, sondern als phasen, die auftauchen und wieder verschwinden. zwischendurch nur ganz wenig material, nach der hälfte sogar nur e-piano mit pausen dazwischen (zeit, die platte umzudrehen, VERTIGO geht auch nur 43 minuten, also tatsächlich: vinyl).

    die sounds bleiben durchgehend interessant, düster, latent krautrockig. sie entwickeln sich nur nicht. es ist aber auch keine collage. eher wie ein mittlerer raum, mit vielen türen zu band-proberäumen, deren bewohner alle was mit dem grunddröhnen des hauses machen, und es wird mal die eine, mal die andere tür aufgemacht, mal eine offengelassen, mal nur kurz hineingelugt.

    ein reifes, noch mal völlig anderes werk der necks. mit minimalismus hat das nichts mehr zu tun. man hört das auch weniger trance-haft, sondern – je nach schwindel – wahrscheinlich jedesmal völlig anders.

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    #9097049  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    vorgarten

    zwei nächte, WHITE und BLACK. leider konnte ich bislang nur BLACK hören. ein hörspiel mit gläserklirren, schritten durch die nacht, hysterischem frauengelächter, markanten gangsterstimmen. eine riff-figur im klaviertieftonbereich, die swanton auf dem bass ergänzt. dazu ein träger groove. über 60 minuten lang. von 1996. hoffe, dass ich mir das weiße komplement beim anstehenden live-auftritt besorgen kann – es soll ganz anders sein.

    es hat jetzt doch noch eine weitere gelegenheit gebraucht, bis ich mir SILENT NIGHT als doppel-cd besorgen konnte. WHITE scheint mir tatsächlich das musterbeispiel eines minimalistisch aufgebauten, immer drängender insistierenden grooves zu sein, der den prozess seiner entstehung durch hypnose verschleiert. angefangen hatte das alles mit einem bass-riff im ungeraden metrum, irgendwann verfestigte sich allerdings ein 3/4-beat, mit besen und hi-hat gezimmert, den der bass mit manchmal nur einem wiederholten ton nach vorne drückt. abrahams verfertigt diverse umspielungen, triller im klavierhochbereich, kreiselförmige bewegungen auf der orgel, irgendwann auch ein bisschen elektronischen zirpen und samples von straßengeräuschen. schließlich steigt aber auch er mit einem tiefen ostinato in den groove ein. in den letzten 10 der 54 minuten werden die sounds über dem beat unscharf und dünnen sich schließlich aus, bis nur noch die bassdrum pocht. ruhestörung in der SILENT NIGHT.

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    #9097051  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    Friedrich
    Eine Single von The Necks? Das liest sich wie Schuld & Sühne – kurz und knapp oder so. ;-) Kaum vorstellbar, wie man deren ausschweifende Exkurse auf Popsong-Länge runterbrechen kann. Aber im Stream hört man dann ja auch, dass die Aufnahme ausgeblendet wird. Schade eigentlich, denn es wäre doch reizvoll, mal zu hören, was The Necks machen, wenn sie wirklich nur 3 Minuten Zeit hätten.

    die hard-ons sind eine pop-punk-band aus australien, die ihren 30. geburtstag mit vier split-singles feiern. die erste davon teilen sie mit den necks, von denen sie große fans sind. und so folgt auf das vergiftet süßliche hommagelied auf den australischen tv-veteranen „graham kennedy“ 5 minuten 41 sekunden necks auf der b-seite.

    zum einsatz kommt: eine kirchenorgel. an- und abschwellende akkorde, von ebensolchen wellen eines ridebeckens getragen, ein basston mit gespieltem echo. alles ein akkord. stasis. am höhepunkt des anschwellens ein kleines melodiefragment. danach flirrt der akkord in arpeggien davon und der song wird ausgeblendet. ein einmal auf- und zugeklappter raum. HALL.

    --

    #9097053  | PERMALINK

    kory

    Registriert seit: 09.09.2007

    Beiträge: 245

    Grüßä!

    Höre „Vertigo“ auch gerade. Wunderbares Bild mit den geöffneten oder geschlossenen Türen zu Proberäumen anderer Bands.
    Musste außerdem bei „abrahams großes gerät schweigt.“ laut loslachen – man sieht’s mir nach.

    Finde es für den Moment deutlich unkonventieller als ihr ansonsten ja nicht gerade konventionelles Oevre. Mehr Noise, mehr Wüste, mehr Experiment. Mehr ein loses Aufsammeln zerbrochener Fensterscheibensplitter als eine anstehende Mosaikarbeit.

    Ich mach mal ein bisschen lauter.

    #9097055  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    Kory
    Finde es für den Moment deutlich unkonventieller als ihr ansonsten ja nicht gerade konventionelles Oevre. Mehr Noise, mehr Wüste, mehr Experiment. Mehr ein loses Aufsammeln zerbrochener Fensterscheibensplitter als eine anstehende Mosaikarbeit.

    ja, das ist schon deutlich anders als alles zuvor. ich höre das auch mit zunehmender faszination. was so eher krachige, experimentellere studioarbeiten angeht, mag ich aber MINDSET immer noch am liebsten. kennst du das (gibts auch auf vinyl)?

    --

    #9097057  | PERMALINK

    kory

    Registriert seit: 09.09.2007

    Beiträge: 245

    vorgartenja, das ist schon deutlich anders als alles zuvor. ich höre das auch mit zunehmender faszination. was so eher krachige, experimentellere studioarbeiten angeht, mag ich aber MINDSET immer noch am liebsten. kennst du das (gibts auch auf vinyl)?

    Si Señor.

    http://dreikommaviernull.blogspot.de/2012/02/2011-3-necks-mindset.html

    Muss ich auch mal wieder auflegen.

    Ich finde es beachtlich, dass sie manchmal nur CDs und manchmal zusätzlich LPs veröffentlichen. Glaubst Du, sie schreiben Material so, dass sie es als LP herausbringen können, oder glaubst Du eher, dass sie etwas aufnehmen und hinterher nach einer möglichen Stelle zum Plattenwechsel suchen? Und wenn es dann keine passende Stelle gibt, dann bekommt man es als CD? Und wo das gesagt ist: wie nehmen die überhaupt auf? Mehrere Sessions, bis die eine beseelte Version dabei ist? Oder ein One-Shot-Ansatz, weil sie es sowieso immer und überall können?

    Fragen, fragen, fragen, fragen, fra

    #9097059  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    ich kenne diesbezüglich keine aussagen der herren, kann also nur spekulieren. aber es gibt ja sehr deutliche, quasi das medium reflektierende unterschiede im necks-live-konzept und den studioalben. als das erste rauskam, SEX (1989), gab es ja erst seit ein paar jahren das cd-format und damit war im prinzip das live-konzept dokumentierbar. auf den studioalben haben sie dann mit längen, overdubs, collagen gearbeitet. ich glaube, dass sie sich da jedesmal vorab fragen, was sie überhaupt machen wollen, wenn sie es schon nicht live einspielen. so sehe ich die vinylsachen als spiel mit selbst gewählten begrenzungen. bei VERTIGO ist das besonders orginell, weil man das e-piano-zischenspiel mit den pausen zum platte-umdrehen eben auch (so wie ich) hervorragend an einem stück hören kann.

    --

    #9097061  | PERMALINK

    kory

    Registriert seit: 09.09.2007

    Beiträge: 245

    vorgartenich kenne diesbezüglich keine aussagen der herren, kann also nur spekulieren. aber es gibt ja sehr deutliche, quasi das medium reflektierende unterschiede im necks-live-konzept und den studioalben. als das erste rauskam, SEX (1989), gab es ja erst seit ein paar jahren das cd-format und damit war im prinzip das live-konzept dokumentierbar. auf den studioalben haben sie dann mit längen, overdubs, collagen gearbeitet. ich glaube, dass sie sich da jedesmal vorab fragen, was sie überhaupt machen wollen, wenn sie es schon nicht live einspielen. so sehe ich die vinylsachen als spiel mit selbst gewählten begrenzungen. bei VERTIGO ist das besonders orginell, weil man das e-piano-zischenspiel mit den pausen zum platte-umdrehen eben auch (so wie ich) hervorragend an einem stück hören kann.

    Verstehe ich das richtig, dass Du davon ausgehst, dass sie Alben nicht live einspielen? O.o

    Ich habe die Platte jetzt ein paar Mal gehört (auch auf der unerträglich langen Zugfahrt ins ehemalige Reich von Franz-Josef Strauß), und manchmal weiß ich tatsächlich nicht, was dort GENAU zu hören ist, also in Sachen Instrumentarium. Interessanterweise nehme ich die Platte grundlegend in zwei Teilen wahr, und das tat ich auch schon, als ich sie via Bandcamp-MP3 hörte – ehrlich gesagt grinste ich schon in mich hinein, als das Solo-Piano kam und ich auf die erste totale Stille wartete, an der sie den cut machen konnten. Der zweite Teil erscheint mir dunkler und durch diese kurzen Schläge (die durch was auch immer verursacht werden) fast schon bedrohlich, wenngleich grundlegend flüssiger. Das ist eine faszinierende Platte. Ich weiß nie so genau, wie und was sie mit ihrer Musik da genau machen, und ich kann nicht sagen, dass sie es mir dieses Mal einfacher machen.

    Und es ist immer so ein unfassbarer Skandal infernalischen Ausmaßes, dass ich immer noch ganz viele ihrer Alben noch nicht kenne. Ich glaube, ich schenk‘ mir ein paar Platten selbst zu Weihnachten.

    P.S.: Die Vinylversion hat übrigens eine wunderbare Endlos-Auslaufrille. Ich liebe sowas. :sonne:

    #9097063  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    Kory
    Und es ist immer so ein unfassbarer Skandal infernalischen Ausmaßes, dass ich immer noch ganz viele ihrer Alben noch nicht kenne. Ich glaube, ich schenk‘ mir ein paar Platten selbst zu Weihnachten.

    mach das. meine dringendsten empfehlungen sind PIANO BASS DRUMS, AETHER, die vierer-cd ATHENAEUM, HOMEBUSCH, QUAY & RAAB und TOWNSVILLE. es gibt ja jetzt auch eine NECKS BOX.

    KoryP.S.: Die Vinylversion hat übrigens eine wunderbare Endlos-Auslaufrille. Ich liebe sowas. :sonne:

    das ist dann sozusagen der schwindel der platte selbst ;-)

    --

    #10007143  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714



    funkhaus berlin, 22.11.2016

    die necks sind auf geburtstags-europatournee (30 jahre), heute abend findet der abschluss in warschau statt, gestern sind sie in berlin, im großen sendesaal 1 des früheren ddr-rundfunkgebäudes in der nalepastraße, aufgetreten. der rundfunk-komplex, erbaut nach entwürfen von bauhaus-schüler und gropius-mitarbeiter franz ehrlich 1951, liegt im peripheren, industriellen nirgendwo im stadtteil oberschöneweide, der von den berlinern auch gerne „oberschweineöde“ genannt wird. seit 2015 gehört das alles einem privatinvestor, der mal bei der deutschen bank gearbeitet hat, und der dort ein internationales musikzentrum aufbauen will. als aufnahmeort (viele jazz- und klassikaufnahmen entstehen in den kleineren studios) wird insbesondere der sendesaal 1 wegen seiner akustik gerühmt, von bahrenboim undsoweiter gibt es dazu äußerst schmeichelhafte und zitierfähige aussagen. der komplett holzverkleidete saal ist auf einer seite von der tribüne bestimmt, auf der anderen befindet sich, in einer von sanft abfallenden terrassen gerahmten vertiefung, die bühne, bei hellem licht sieht sie so aus:

    gestern also piano, bass & schlagzeug, um sie herum, direkt auf den holzböden, ein zusammengedrängter teil des publikums, auf der tribüne, ebenfalls unbestuhlt, ca. weitere 300 zuschauer; im schnitt etwa 30 jahre jünger als die besucher des jazzfestes vor drei wochen. und auch deutlich internationaler. die necks wurden nicht als jazzband angekündigt, sondern als „das aufregendste ambient-trio der welt“ (rolling stone).

    drei ältere herren in freizeitkleidung nehmen in der mitte platz. abrahams hat wie üblich die beiden anderen im rücken, es ist keine visuelle abstimmung nötig. er fängt einfach an, arpeggien in dur, sehr nah am kitsch. aber ausgehalten. minutenlang. die veränderungen erfolgen, wie üblich, knapp unter der wahrnehmungsschwelle. swanton streicht im akkord mit. buck rasselt dagegen an und setzt für 20 minuten einen regelmäßigen schlag auf das ridebecken. dann plötzlich zwei. ich werde in meinen erwartungen abgeholt, good old necks magic. die mit dieser band scheinbar unvertrauten jungen menschen hören irgendwann auf zu quatschen und fangen an zu kuscheln und trauen ihren ohren. ich kenne die tricks: gleich wird swanton den bogen wegstecken und zupfen. dann wird er die oktave wechseln. und bucks wird statt zwei regelmäßigen schlägen auf das ridebecken drei, dann kurz auch mal (ein necks-gag) vier setzen. alles wird sich verdichten, dissonanter werden, an intensität zunehmen. am ende wird nur noch die rassel von buck übrig bleiben. und dann gibt es großen aufwachapplaus. für einen kurzen moment habe ich die absurde idee, genau dieses set schon einmal gehört zu haben. ist das spektrum der möglichkeiten etwa doch begrenzt? bin ich ihnen auf die schliche gekommen? oder ist das konzept: eine jubiläumstour, die gleiche ausgangspunkte aufgreift wie in früheren sets? aber das ist unsinn. natürlich haben sie mich wieder völlig übertölpelt. wann genau sind sie von dur nach moll gewechselt? ich habe es nicht mitgekriegt.

    nach der pause fangen swanton (ein flageolet-ton) und buck (rasseltrommel, die scheinbar zufällig über diverse apparaturen klappert, die er auf den trommeln verteilt hat) an. fast unmerklich steigt abrahams nach minuten ein, er wird das ganze set quasi mit der klangwolke verschmelzen, in der genau entgegengesetzten geste zum ersten set, das er dominiert hat. es sind die figuren von swanton, die jetzt für druck sorgen. und das geklappere von buck, aus dem allmählich ein quasi-beat wird, verkompliziert noch durch hi-hat und gegenläufige bassdrum, poly-a-rhytmisch sozusagen. das hebt irgendwann so grundsätzlich ab, dass mir heute morgen die erinnerung daran fehlt. alles schwimmt in einem strukturierten fluss, aber affiziert hat mich vor allem die materialität der musik, das schaben, klappern, streichen, trillern, die gefühlte ballung von sich in bewegung befindenden teilchen, entschieden ineinander verliebt. halb wache ich wieder auf, habe die spannung des raums förmlich vor augen, die positionswechsel auf hartem holzboden, die abgesunkenen fotografen-arme. massive wellen von staub wabern durchs scheinwerferlicht, der staub der alten ddr als in bewegung versetzte verliebte teilchen. die necks hören nicht mehr auf. niemand mag den letzten ton haben. zum schluss bewegt buck einhändig eine schnur mit riesigen holzblöcken und einer schellenkette, die noch dagegen schlägt. an den tatsächlichen schluss erinnere ich mich nicht mehr.

    nüchterner abgang unter stehenden ovationen. für mich gehörte das zum tollsten, was ich von dieser band je gehört habe, was wohl überprüft werden kann, genug professionelle audio/visuelle aufnahmetechnik war vorhanden. ob sie die teilchen haben einfangen können? ich bin sicher, dass sich der staub im raum immer noch nicht gelegt hat.

    edit. the necks vertreiben den konzertvideomittschnitt mittlerweile auf einem usb-stick über ihren onlineshop:
    https://www.discogs.com/de/The-Necks-Live-In-Berlin/release/13342290
    https://shop.thenecks.com/product/the-necks-live-in-berlin-video-usb

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    #10007179  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,340

    Klingt mal wieder super … ich hab ja leider weiterhin nur ein bereits länger zurückliegendes Konzerterlebnis mit The Necks zu verbuchen und wäre gar nicht abgeneigt, sie mal wieder zu hören. Allerdings gibt es hier keine Spielstätte, die über das Praktisch-Rudimentäre hinausgehen würde und die sich als Raum für ein solches Konzert anböte (d.h. die Konzerte sind dann auch nach zwei Stunden um, weil die Stimmung, die anderes ermöglichen würde, gar nicht aufkommen kann, der Laden eh leer bleibt beim saturiert-desinteressierten Publikum).

    Was Du zum materiellen Charakter der Musik – oder des Spiels – schreibst, finde ich sehr interessant. Ich hatte ähnliche Erlebnisse, die auch mit dem Sich-Verlieren parallel laufen, dem Fluss der Ereignisse, in den man quasi abtaucht, um dann unvermittelt wieder nach oben gespült zu werden und sich zu fragen: Wie kam ich jetzt, oder wie kam die Musik jetzt plötzlich hierhin. (Konkret war das beim Trio BraffOesterRohrer der Fall, wo auch der Rahmen völlig stimmte, die drei quasi als ein Knäuel und ohne Abstand in einem kleinen, passenden Raum spielten, in dem alles die Schwingungen aufgriff, in dem auch die Musik selbst irgendwie davongetragen wurde, sich ein Sog entwickelte, der alles mitriss – und aus dem man dann irgendwie ausgespuckt wurde, als die Musik endete, sich fragend, wo man denn gerade war.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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