Culture Wars, Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism …

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  • #11863947  | PERMALINK

    Anonym
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    Aber auf gar keinen Fall ist eben das hier als Gesprächs-, Austausch-, Verständigungsgrundlage hinreichend:

    hurley Winnetou war nie was anderes als ein fiktiver Abenteuerfilm, bei dem es um Freundschaft, Zusammenhalt etc pp geht.

    Ich finde es deshalb auch nicht überzeugend, alle, die sich dem Thema etwas gründlicher nähern, als „linke Spießer“ zu verunglimpfen.

    Und um das oft Betonte zu untermauern: Natürlich will ich in hundert kalten Wintern kein Karl-May-Buch verbieten! Ich plädiere lediglich für eine Lektüre, die nicht mutwillig auf dem Stand des Zwölfjährigen von damals verharrt, sondern genauer hinschaut und dabei auch die schrägen, merkwürdigen, befremdlichen, verstiegenen Dimensionen dieser faszinierenden Bücher wahrnimmt.

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    #11863951  | PERMALINK

    latho
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    Auf SPON wurde das Ganze passend kommentiert (ich weiß, Paywall). Ich stimme auch mit Tobias Rapp überein, dass Yakari eine tolle Serie ist und Rapp wird überrascht sein zu hören, dass die auch schon älter ist (1973)…

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    #11863975  | PERMALINK

    pfingstluemmel
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    bullitt Oder der Verkauf von ???-Kassetten, wegen der Klischeehaften Darstellung von Indianern?

    Did not age very well. :D

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    #11864021  | PERMALINK

    latho
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    Und jetzt noch ein paar Worte zu den Reizwörtern:

    May:
    May war der Volksschriftsteller des entstehenden Deutschen Reiches, es kann nicht überraschend, dass sich in seinen Büchern Ansichten aus der Zeit wiederfinden: Rassismus, zumindest rassistische Stereotype, Sexismus (wenn Frauen überhaupt vorkamen), Kolonialismus, Frömmelei, auch antisemitisch geprägte Stellen. Und natürlich, dass, was Rapp im oben genannten Artikel schön formuliert: am Ende findet sich immer der Autor selbst, findet sich immer in Deutschland. Allerdings das alles nicht außerhalb seiner Zeit. Wenn ich 19. Jhd. lese, bekomme ich das eben. Das ist dann rassistisch etc., aber ich kann letzten Endes keinem vorwerfen, außerhalb seiner Zeit und deren Moral zu schreiben. Ihm, dem Wunschreisenden, kam man ja, für mich unfassbarerweise, erst in den 00er Jahren des 20. Jhd.s drauf, dass er eventuell seine Abenteuer gar nicht selbst erlebt haben könnte. Ironischerweise, als er selber erstmals seine Schauplätze bereiste: das zerkrümelnde Osmanische Reich (May war entsetzt angesichts des Schmutzes).
    Es ist fraglich, ob May über 100 Jahre nach seinem Tod noch als Jugend- (oder Erwachsenenliteratur) taugt. Das hängt von Eltern und Kindern ab, aber, Eigenversuch, mir hat’s nicht geschadet und ich bin trotzdem Sozialist, Anti-Rassist und Kriegsdienstverweigerer geworden. May als „typisch deutscher“ Schriftsteller, also einer, der irgendwie in den Nationalsozialismus (oder anderer Sünden des alten weißen Mannes) übergeht, taugt – trotz seines Erfolges – sowieso nicht. Dann nehme man lieber Felix „Bambi“ Salten (Pornographie) oder Waldemar „Biene Maja“ Bonsels (wüster Antisemitismus und ausgewachsener Sozialdarwinimus), deren Erzeugnisse in Zeichentrickform auch die linksidentitäre Jugend geprägt hat.
    May selber, der gegen Ende seines Lebens in einem zunehmend kriegsbesoffenen Land immer mehr mystisch-verblasene Gleichnisse über die Notwendigkeit von Frieden schrieb, reiste im letzten Jahr seines Lebens zu einer Veranstaltung in Wien, wo er den Vortrag „Empor ins Reich der Edelmenschen“ hielt, auf einer Veranstaltung der „ultralinken“ Bertha von Suttner (man stelle sich Helene Fischer vor, die auf der Bühne ein glühendes Bekenntnis zur Immigration, sexueller Freizügkeit und gegen die AfD hält). Ein Gast des Vortrags, der sichtlich die Aussage nicht verstanden hatte, war Adolf Hitler. Der, grunddumm wie er war, davon auch später nicht loslassen wollte, sprach er doch davon, sich auf seine Regierungszeit 1933 durch das Lesen des May’schen Werkes vorbereitet zu haben. Will heißen: Kudos an May, als poster child für den alten, weißen Mann des 19. Jhds, den sich die Poststruktualisten aus Bequemlichkeit immer aussuchen, taugt er nur sehr bedingt.

    Indianer:
    Nobody got it right, stelle ich mit zunehmender Lektüre in das Thema fest. Erst waren sie edle Wilde, gelegentlich blutrünstige Teufel (im 19 Jhd.), dann Hindernisse auf dem Weg ins Glück, in Hollywood Kanonenfutter-Staffage (Ausnahmen bestätigen die Regel) und in Deutschland eben, dank May, die zum Zeitpunkt des Schreibens schon arg altmodischen Edelmenschen in Hirschhaut. Dabei waren sie zum größten Teil nomadische Völker, herumziehend, Krieg führend, gar nicht mal so anders als Turkmenen oder Mongolen, alles Kulturen, die irgendwann man mal von seßhaften, technisch fortgeschrittenen Kulturen besiegt und eingehegt wurden. Dank der US-Kultur (und May) kennt man hier die Geschichte der Indianer, während kein Mensch mehr Ahnung hat, was Krim-Tartaren waren.
    Und edle Wilde waren sie allesamt nicht. Die Comanchen zum Beispiel (nicht zufällig bei May die Bösen, bei Dee Brown rausgelassen), waren eigentlich ein steinzeitliches Volk, bis sie die Pferde entdeckten und zu einer reinen Reiterkultur wurden (angeblich ein Grund für ihren Untergang war die fortschreitende Unfruchtbarkeit der ständig auf dem Pferderücken hockenden Männer). Sie drangen nach Süden vor, ins Gebiet des heutigen Texas, mit brutalen Terror-Methoden: bei Überfällen wurden die gefangenen Männer gefoltert, getötet und verstümmelt, die Frauen vergewaltigt, danach im Normalfall getötet, die Kinder entführt – die Lebenden verließen rasch das Land. Die Weißen waren ihnen gegenüber am Anfang wehrlos, die Spanier/Mexikaner wehrten sich, die angelsächsischen Siedler an den Küsten waren zu wenige und auch waffentechnisch den Comanchen unterlegen. Eine Gruppe Comanchen schaffte es, Mitte des 19. Jhds. sogar Corpus Christi einzunehmen (sie verließen die Stadt wieder, weil sie als Nomaden mit der ganzen Sache nichts anfangen konnten). Eine andere Gruppe der südlichen Comanchen nahm vermutlich eine Siedlerin gefangen, die pockeninfiziert war und war kurz darauf praktisch ausgestorben. Will (länglich) sagen: Es gibt auch solche Geschichten. Und das ist eben die Crux: als das, was sie sind, Menschen nicht Projektionsflächen, werden sie selten dargestellt, glücklicherweise gibt es dazu mehr und mehr (amerikanische) Literatur. Und vielleicht ergibt das ja mal ein richtiges Bild. Für Kinder braucht es eben Winnetou. Oder Yakari. Aber keine gelehrten Bücher, keine Grauensliteratur, die 10-Jährigen im wohligen Grauen von den Untaten des „weißen Mannes“ erzählt, sondern Fiction, Fiktion. Und die Kompetenz, das auch als Fiktion zu verstehen.

    Genozid:
    Eines dieser Wörter, das an der grassierenden word inflation leidet, überall ist Genozid, in der Ukraine, in den USA (an Schwarzen und Indianern) und überall sonst, wo viele Menschen sterben. Das ist ungerecht, denn der amerikanisch-polnische Wissenschaftler Raphael Lemkin  hat das ja Mitte der 40er auf der Blaupause der Shoah klar definiert. Ich weiß nicht, warum mass killings oder Massenmord/-tötung nicht ausreichend sind, für mich sind das schwerwiegende Anschuldigungen. Lemkin gibt es darum, dem Verbrechen der Deutschen einen Namen zu geben („a crime without a name“, Churchill), dass die Definition eng ist und bei weitem nicht auf alle Verbrechen zutrifft, die man mittlerweile als Genozid bezeichnet, ist Folge davon. Aber nichts Schlechtes: Ob beispielsweise die Kriegsverbrechen deutscher Kolonialtruppen in Namibia/Deutsch-Südwest-Afrika ein Völkermord waren, ist meines Wissens wissenschaftlich nicht endgültig geklärt, ebensowenig ist der Holodomor in der Ukraine in den 30ern so einfach dazuzuzählen, den Begriff „straticide“ (also Mord an einer Schicht, einer Klasse) macht da mehr Sinn etc pp. Für all diese Verbrechen gibt es Begriffe (nicht zuletzt „Verbrechen“), die ausreichend verdammend sind.
    Kurz: für mich ist die unbeschränkte Verwendung des Begriffs oft Übertreibung, dabei gleichzeitig eine Entwertung des Begriffs. Und das hat Lemkin nicht verdient und die Opfer wahrer Genozide gleich zweimal nicht.

    --

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    #11864043  | PERMALINK

    nicht_vom_forum

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    lathoUnd jetzt noch ein paar Worte zu den Reizwörtern:
    […]

    @.latho: Danke!

    Vielleicht der einzige Punkt, an dem ich mich nennenswert anders positionieren würde: Für die Begriffe „Genozid/Völkermord“ halte ich eine offenere und umfassendere Definition, die nicht nur auf die Deutschen 1940-45 beschränkt ist, für sinnvoll und berechtigt.

    zuletzt geändert von nicht_vom_forum

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    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick
    #11864295  | PERMALINK

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    @latho

    Danke für Deinen Aufschlag zu May, alles richtig – und völlig klar: Bei allem, was sich gegen ihn einwenden lässt, sind sein Pazifismus (der ja sogar dazu führt, dass Old Shatterhand nur ins Knie schießt), seine Bereitschaft zur Kritik an weißer Habgier und sein unmachohaftes, um nicht zu sagen genderfluides Männerbild klare Pluspunkte. Die Frage ist halt nur: Ergibt es Sinn, heute noch neue Geschichten für Kinder auf diese Märchenwelt der Apachen zu gründen, die in Wahrheit eben aus Verfolgung, Tod, Deportation (und, ja, auch das, bizarr grausamer Gegengewalt und erlesenen Foltermethoden) bestand? Es gibt halt nur einen einzigen Grund, heute noch an diese Winnetou-Welt anzudocken: kommerzielle Erwägungen. Nicht verboten! Aber hinterfragenswert.

    Genozid: Auch der Verweis auf andere Völker, die im Lauf der Geschichte ausgerottet wurden, ohne dass groß jemand von Völkermord redet, überzeugt mich nicht. Mich treibt hier weniger die Sorge um, dass der Begriff inflationär verwendet werden könnte, als vielmehr der Verdacht, dass die weitgehende Ausrottung der indigenen Bevölkerung noch immer nicht ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist.

    Zugegeben frivoles und auch überspitztes Gedankenspiel:

    Was würden wir von einem Kinderfilm halten, in dem ein jüdischer Junge und sein arischer Freund allerhand aufregende Abenteuer im Deutschland der 30er/40er-Jahre erleben?

    Ich denke, es ist offenkundig, dass so etwas vollkommen indiskutabel wäre. Weshalb soll hingegen jeder, der bei einem schnuckeligen Apachenfilm ob des realen brutalen Leidens dieser Menschen ein schlechtes Gefühl hat, ein Spielverderber sein?

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    #11864431  | PERMALINK

    pfingstluemmel
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    bullschuetzWas würden wir von einem Kinderfilm halten, in dem ein jüdischer Junge und sein arischer Freund allerhand aufregende Abenteuer im Deutschland der 30er/40er-Jahre erleben? Ich denke, es ist offenkundig, dass so etwas vollkommen indiskutabel wäre.

    Wieso?

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    #11864433  | PERMALINK

    latho
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    nicht_vom_forum

    lathoUnd jetzt noch ein paar Worte zu den Reizwörtern: […]

    @.latho: Danke! Vielleicht der einzige Punkt, an dem ich mich nennenswert anders positionieren würde: Für die Begriffe „Genozid/Völkermord“ halte ich eine offenere und umfassendere Definition, die nicht nur auf die Deutschen 1940-45 beschränkt ist, für sinnvoll und berechtigt.

     
    So wollte ich es auch nicht verstanden wissen: Natürlich ist das eine Definition, die andere Genozide erfasst und nicht nur die Shoa. Sie ist bloß enger als das, was aktuell inflationär verwendet wird.

    bullschuetz@latho
    Danke für Deinen Aufschlag zu May, alles richtig – und völlig klar: Bei allem, was sich gegen ihn einwenden lässt, sind sein Pazifismus (der ja sogar dazu führt, dass Old Shatterhand nur ins Knie schießt), seine Bereitschaft zur Kritik an weißer Habgier und sein unmachohaftes, um nicht zu sagen genderfluides Männerbild klare Pluspunkte. Die Frage ist halt nur: Ergibt es Sinn, heute noch neue Geschichten für Kinder auf diese Märchenwelt der Apachen zu gründen, die in Wahrheit eben aus Verfolgung, Tod, Deportation (und, ja, auch das, bizarr grausamer Gegengewalt und erlesenen Foltermethoden) bestand? Es gibt halt nur einen einzigen Grund, heute noch an diese Winnetou-Welt anzudocken: kommerzielle Erwägungen. Nicht verboten! Aber hinterfragenswert.

    Natürlich. Und kritikwürdig. Aber nicht per se verboten. Wie geschrieben: Ich fände es albern, in einem Kinderbuch Mord und Vertreibung in den Mittelpunkt zu stellen, dazu sind in meinen Augen Kinderbücher nicht geeignet, dazu war auch die Figur Winnetou nicht erfunden oder geeignet.

    bullschuetz
    Genozid: Auch der Verweis auf andere Völker, die im Lauf der Geschichte ausgerottet wurden, ohne dass groß jemand von Völkermord redet, überzeugt mich nicht. Mich treibt hier weniger die Sorge um, dass der Begriff inflationär verwendet werden könnte, als vielmehr der Verdacht, dass die weitgehende Ausrottung der indigenen Bevölkerung noch immer nicht ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist.

    Umgekehrt wird ein Schuh draus: den Begriff „Genozid“ verwenden, um das Morden in und an Völkern zu umfassen. Aber warum, denn es gibt es da genügend Begriffe. Und der Grund für das Morden tritt in den Hintergrund, ebenso wie die staatliche Planung, wenn man beispielsweise die Shoa mit der Versklavung (und dem massenhaften Tod durch Arbeit) in der Karibik gleichsetzt.
    Die Spanier des 15./16. Jhds, die damals da ankamen, waren wahrscheinlich die schlechtmöglichste Begegnung für die Ureinwohner: Seit Jahrhunderten tobte ein erbitterter Kampf gegen die Moslems (Araber, Osmanen etc pp), die wenigen moslemischen Besitzungen auf der Iberischen Halbinsel, die es zeitweise noch gab, waren da unwichtig. Der Kampf spielte sich im Mittelmeer ab und wurde ohne Gnade geführt: Gefangene eines anderen Glaubens wurden versklavt und in den Galeeren innerhalb kürzester Zeit zu Tode gearbeitet – das geschah durch Moslems wie durch Christen (wobei die vor allem die osmanischen, aus den aus Spanien vertriebenen Moslems rekrutierten Piraten die größeren Erfolge hatten), auf der einen Seite vom Sultan sanktionierte Freibeuter, auf der anderen Seite verschiedene christliche Nationen wie Spanien, Genua etc und die Ex-Kreuzritter auf Malta. Als die Spanier in die Karibik kamen, sahen sie also erstmal Heiden und damit billige „Arbeitskraft“. Das macht nichts besser, das entschuldigt die Hidalgos auch vor der Geschichte nicht, aber es erklärt ihr Handeln. Das etwas anderes ist als ein auf Ressentiments gegründetes Wahnkonstrukt, das eigentlich völlig atavistisch war, aber einen industriellen Staat dazu brachte, innerhalb von Rekordzeit Millionen von Menschen zu vernichten – manchmal durch Arbeit, aber im Normalfall, weil man sie einfach von der Erde getilgt sehen wollte. There’s a difference.

    bullschuetz
    Zugegeben frivoles und auch überspitztes Gedankenspiel:
    Was würden wir von einem Kinderfilm halten, in dem ein jüdischer Junge und sein arischer Freund allerhand aufregende Abenteuer im Deutschland der 30er/40er-Jahre erleben?
    Ich denke, es ist offenkundig, dass so etwas vollkommen indiskutabel wäre. Weshalb soll hingegen jeder, der bei einem schnuckeligen Apachenfilm ob des realen brutalen Leidens dieser Menschen ein schlechtes Gefühl hat, ein Spielverderber sein?

    Warum sollte das kein Film/Buch/sonstwas werden, das finde ich vom Thema her nicht so abwegig, solange die Judenverfolgung nicht geleugnet wird.
    Wie geschrieben: Man sollte die Kultur(en) der Indianer nicht als einziges Leiden und Martyrium sehen, die werden auch ihren Spaß gehabt haben. Und über den kann man schreiben.

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    #11864519  | PERMALINK

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    @latho

    „solange die Judenverfolgung nicht geleugnet wird“, das ist der springende Punkt. Wobei „nicht leugnen“ ganz sicher nicht reicht. Jede Geschichte, die das aussparen oder allenfalls am Rande mitlaufen lassen würde, wäre schlimme Geschichtsklitterung und Verharmlosung und hätte nichts als Verrisse verdient.

    Wobei ich natürlich auch das nicht verboten wissen wollte. Aber ein glasklares „so geht’s nicht“ in jeder Rezension hielte ich da für eine Selbstverständlichkeit. Bereits eine so naheliegende Kinderfilmkonvention wie ein Happy-End wäre bei so einem Stoff ja allenfalls in Form einer Auswanderung des jüdischen Kindes vor 1939 denkbar. Dass aber am Ende die zwei Freunde mit ihren Vätern und Müttern lachend beieinanderstehen zum genreüblichen Schlusstableau, ginge halt einfach nicht. Jedenfalls nicht, ohne dass man einem Drehbuchautor, der sowas ausdenkt, den Vogel zeigen müsste.

    Natürlich lässt sich eine Geschichte mit einem Judenkind und einem Arierkind erzählen – aber wenn die Geschichte in den 30er-Jahren spielt, kann man die Reichspogromnacht schlechterdings nicht weglassen, und wenn sie in den 40er-Jahren spielt, wird es unausweichlich eine Geschichte über den Holocaust oder mindestens vor dem Hintergrund des Holocaust werden müssen.

    Was hingegen echt nicht geht: Ein Kinofilm mit Happy-End – Judenkind und Arierkind haben den Bösewicht besiegt, und die gewissen Probleme der Juden im Nationalsozialismus lassen wir jetzt mal aussen vor, und dazu gibt es noch begleitendes Malbuch- und Puzzle-Material bei Ravensburger …

    Kann es wirklich sein, dass wir in dem Punkt ernsthaft uneins sind?

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    #11864527  | PERMALINK

    latho
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    bullschuetz[…]
    Kann es wirklich sein, dass wir in dem Punkt ernsthaft uneins sind?

     
    Nein, so wie du das formulierst, nicht. Aber ich halte das nicht für vergleichbar mit dem Wilden Westen oder wie man das Genre auch immer nennen will.

    --

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    #11864535  | PERMALINK

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    Und wenn Mord und Vertreibung in einem Kinderfilm „albern“ sind, sollte man die Story halt einfach nicht im Nationalsozialismus spielen lassen. Und meiner Meinung auch eher nicht bei den Apatchen um 1850 oder 1860. Denn man muss sonst, wenn man beim mord- und vertreibungsfreien Abenteuer-Idyll bleiben will, eben die prägendste Erfahrung dieser Menschen – verfolgt, umgebracht und deportiert zu werden – ignorieren, aussparen, weglassen, aus dem Raum des Erzählenswerten ausgemeinden.

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    #11864537  | PERMALINK

    pfingstluemmel
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    bullschuetz@latho „solange die Judenverfolgung nicht geleugnet wird“, das ist der springende Punkt. Wobei „nicht leugnen“ ganz sicher nicht reicht. Jede Geschichte, die das aussparen oder allenfalls am Rande mitlaufen lassen würde, wäre schlimme Geschichtsklitterung und Verharmlosung und hätte nichts als Verrisse verdient. Wobei ich natürlich auch das nicht verboten wissen wollte. Aber ein glasklares „so geht’s nicht“ in jeder Rezension hielte ich da für eine Selbstverständlichkeit. Bereits eine so naheliegende Kinderfilmkonvention wie ein Happy-End wäre bei so einem Stoff ja allenfalls in Form einer Auswanderung des jüdischen Kindes vor 1939 denkbar. Dass aber am Ende die zwei Freunde mit ihren Vätern und Müttern lachend beieinanderstehen zum genreüblichen Schlusstableau, ginge halt einfach nicht. Jedenfalls nicht, ohne dass man einem Drehbuchautor, der sowas ausdenkt, den Vogel zeigen müsste. Natürlich lässt sich eine Geschichte mit einem Judenkind und einem Arierkind erzählen – aber wenn die Geschichte in den 30er-Jahren spielt, kann man die Reichspogromnacht schlechterdings nicht weglassen, und wenn sie in den 40er-Jahren spielt, wird es unausweichlich eine Geschichte über den Holocaust oder mindestens vor dem Hintergrund des Holocaust werden müssen. Was hingegen echt nicht geht: Ein Kinofilm mit Happy-End – Judenkind und Arierkind haben den Bösewicht besiegt, und die gewissen Probleme der Juden im Nationalsozialismus lassen wir jetzt mal aussen vor, und dazu gibt es noch begleitendes Malbuch- und Puzzle-Material bei Ravensburger … Kann es wirklich sein, dass wir in dem Punkt ernsthaft uneins sind?

    Seit wann muss sich die Imagination in den Dreck der vermeintlichen Realität ziehen lassen?

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    #11864555  | PERMALINK

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    latho

    bullschuetz[…] Kann es wirklich sein, dass wir in dem Punkt ernsthaft uneins sind?

    Nein, so wie du das formulierst, nicht. Aber ich halte das nicht für vergleichbar mit dem Wilden Westen oder wie man das Genre auch immer nennen will.

    Das ist ein interessanter Gedanke. Ich weiß bloß nicht, ob ich ihn ganz verstanden habe: Im Fall des Wilden Westens ist aus Historie Genre geworden und deshalb Treue gegenüber der geschichtlichen Faktizität kein Thema mehr?

    Da würde ich Dir so halb zustimmen. Denn ich finde ja selber, dass das, was in meinem Nazifilmbeispiel unerträglich wäre, in einem Indianerfilm „eher geht“.

    Aber bei mir bleibt da ein Unbehagen.

    --

    #11864589  | PERMALINK

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    pfingstluemmel Seit wann muss sich die Imagination in den Dreck der vermeintlichen Realität ziehen lassen?

    Die Imagination darf alles mögliche, aber eine begründete Kritik darf es dann eben auch in die Pfanne hauen. Und wenn Imagination sich absichtsvoll in einem historischen Setting verortet (z. B. Apachen,  1860), darf man zum Beispiel fragen, ob die beschriebene Zeit da nicht nur als kitschiger Kolorit ausgebeutet wird.

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    #11864607  | PERMALINK

    pfingstluemmel
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    bullschuetz

    pfingstluemmel Seit wann muss sich die Imagination in den Dreck der vermeintlichen Realität ziehen lassen?

    Die Imagination darf alles mögliche, aber eine begründete Kritik darf es dann eben auch in die Pfanne hauen. Und wenn Imagination sich absichtsvoll in einem historischen Setting verortet (z. B. Apachen, 1860), darf man zum Beispiel fragen, ob die beschriebene Zeit da nicht nur als kitschiger Kolorit ausgebeutet wird.

    Wir reden hier von Kram wie diesem Winnetou-Film und Layla. Natürlich ist das Industrieschmodder ohne jeglichen Anspruch. [EDIT: Wenn man zunächst einen Blick auf die Form werfen würde, erübrigte sich vielleicht so manche inhaltliche „Debatte“.]

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