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03.06.2022 – Zürich, Tonhalle
Tonhalle-Orchester Zürich
Herbert Blomstedt LeitungAnton Bruckner Sinfonie Nr. 5 B-Dur
In der renovierten Tonhalle war ich inzwischen schon ein Dutzend Male oder so – aber erst heute hörte ich endlich wieder das Tonhalle-Orchester selbst – mit dem gern gesehenen Gast Herbert Blomstedt, der am 11. Juli 95 Jahre alt wird – und hier gerade an vier aufeinanderfolgenden Abenden dieses ca. 80minütige Monstrum dirigiert. Ohne Stuhl auf dem Podest, aber mit Notenpult, auf dem keine Partitur liegt – er stützt sich einfach drei, viermal kurz drauf ab, wenn eine Hand zum Dirigieren ausreicht. Von der Fünften gibt es nur eine Fassung – Bruckner selbst hatte sie nie gehört (bei der Uraufführung wurde massiv eingegriffen und der Dirigent ergänzte für den Choral noch zehn Trompeten auf der Galerie).
Ich kannte die Symphonie noch nicht – und war schwer beeindruckt. Manche Stellen wirkten etwas zusammengeschustert, unmittelbare Brüche, bereits vertraute Motive, die plötzlich wieder auftauchen … aber in Blomstedts Händen wurde daraus dennoch ein klar strukturiertes, in sich stimmiges Ganzes – ein hörbar gemachtes Monstrum, in dessen Verlauf auch der Saal bis an die Grenzen mit Klängen aufgefüllt wurde (die Ohren pfeifen auch zwei Stunden später noch ein klein wenig). Das wäre in der Interimshalle so nicht möglich gewesen – und dennoch verdrückte ich wieder ein stilles Tränchen im Gedenken an den verschwundenen Saal mit seiner so transparenten Akustik, in der ganz anders gearbeitet werden musste, viel vorsichtiger, präziser. Dafür hätte die Musik nicht wie Wärme gehabt, wie ich sie heute geniessen konnte.
Ich mag da auch gar nicht mehr dazu schreiben – wie gesagt: eine erste Begegnung, sehr beeindruckend, und wie immer wen Blomstedt zu Besuch ist, ein Hochgenuss (seinen letzten Auftritt im Juni 2021 habe ich verpasst, der von Juni 2020 fiel aus, aber 2017 bis 2019, stets gegen Ende der Saison, hatte ich ihn schon dreimal gehört).
Hier gibt es ein halbstündiges Gespräch mit ihm über Bruckner und dessen Fünfte (von da hab ich das mit den zehn Trompeten):
https://tonhalle-orchester.ch/news/intro-herbert-blomstedt/--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.deSo klingen die größten Schlagzeuger ohne ihre Band
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gypsy-tail-wind 03.06.2022 – Zürich, Tonhalle Tonhalle-Orchester Zürich Herbert Blomstedt Leitung Anton Bruckner Sinfonie Nr. 5 B-Dur In der renovierten Tonhalle war ich inzwischen schon ein Dutzend Male oder so – aber erst heute hörte ich endlich wieder das Tonhalle-Orchester selbst – mit dem gern gesehenen Gast Herbert Blomstedt, der am 11. Juli 95 Jahre alt wird – und hier gerade an vier aufeinanderfolgenden Abenden dieses ca. 80minütige Monstrum dirigiert. Ohne Stuhl auf dem Podest, aber mit Notenpult, auf dem keine Partitur liegt – er stützt sich einfach drei, viermal kurz drauf ab, wenn eine Hand zum Dirigieren ausreicht. Von der Fünften gibt es nur eine Fassung – Bruckner selbst hatte sie nie gehört (bei der Uraufführung wurde massiv eingegriffen und der Dirigent ergänzte für den Choral noch zehn Trompeten auf der Galerie). Ich kannte die Symphonie noch nicht – und war schwer beeindruckt. Manche Stellen wirkten etwas zusammengeschustert, unmittelbare Brüche, bereits vertraute Motive, die plötzlich wieder auftauchen … aber in Blomstedts Händen wurde daraus dennoch ein klar strukturiertes, in sich stimmiges Ganzes – ein hörbar gemachtes Monstrum, in dessen Verlauf auch der Saal bis an die Grenzen mit Klängen aufgefüllt wurde …. Hier gibt es ein halbstündiges Gespräch mit ihm über Bruckner und dessen Fünfte (von da hab ich das mit den zehn Trompeten): https://tonhalle-orchester.ch/news/intro-herbert-blomstedt/
Schön dass sich die Brucknersche 5te bei Dir gut (ein)gesetzt hat …. diese ist (neben der 7ten) wohl am zugänglichsten und doch verführen die wiederkehrenden Motive auch dazu, den klaren Aufbau und die zahlreichen Verbindungen zu übersehen …. ich habe diese Sinfonie in diversen Aufnahmen/Aufführungen oft gehört und dennoch staune ich nicht selten über neue Aspekte, die mir vorher so nicht aufgefallen sind …. Bruckner bei Blomstedt natürlich in abgesegneten Händen ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)Ja, das ist sicher ein Werk – wie ja eh alle Brucker-Symphonien – das längere Beschäftigung verdient. Die ganzen kontrapunktischen Passagen sind ja auch beeindruckend.
Ich hab davon u.a. auch die Querstand-Einspielung von Blomstedt mit dem Gewandhausorchester – vielleicht mache ich dann damit mal weiter. Mein vorpandemischer Bruckner-Marathon endete bei Nr. 4, mit der ich bisher weniger warm wurde – aber auch schon mit Blomstedt in der Tonhalle gehört habe, das war dann schon ein halber Ohröffner (ich habe ihn ergo gestern zum fünften Mal gehört, das Bruckner-Konzert, bei dem noch ein Mozart-Klavierkonzert mi Till Fellner zu hören war, fand nicht gegen Saisonende sondern im Dezember 2019 statt – das letzte vor der Pandemie (das von Mai/Juni 2020 wurde abgesagt, 2021 habe ich ihn dann wie gesagt verpasst, was schade ist, weil da auch Stenhammar – die Zeite – auf dem Programm stand, ein mir noch völlig unbekannter Komponist, für den Blomstedt sich stark macht).
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gypsy-tail-wind Ja, das ist sicher ein Werk – wie ja eh alle Brucker-Symphonien – das längere Beschäftigung verdient. Die ganzen kontrapunktischen Passagen sind ja auch beeindruckend. Ich hab davon u.a. auch die Querstand-Einspielung von Blomstedt mit dem Gewandhausorchester – vielleicht mache ich dann damit mal weiter. Mein vorpandemischer Bruckner-Marathon endete bei Nr. 4, mit der ich bisher weniger warm wurde – aber auch schon mit Blomstedt in der Tonhalle gehört habe, das war dann schon ein halber Ohröffner ….
Die 4te ein Beginn der Brucknerkathedralen …. aber auch die Sinfonien davor natürlich erforschenswert …
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)Grad rasch meine bisherige Bruckner-Konzert-Kollektion zusammengestellt:
4: TOZ/Blomstedt
5: TOZ/Blomstedt
6: TOZ/Mena
7: TOZ/Haitink, WP/Haitink
8: TOZ/Welser-Möst
9: TOZ/HaitinkFür meine Ohren alles Highlights, von der Vierten und der Sechsten mit Mena abgesehen. Wobei auch das zwei sehr hörenswerte Abende waren!
Hier läuft ja auch der Bruckner-Zyklus mit Järvi (gestern hingen auch Mikrophone über der Bühne, aber eher von der Art „lasst uns das Dokumentieren“, auf der Bühne selbst standen keine), da habe ich im Januar den Auftakt mit der Siebten verpasst, aber das ist – siehe oben – verschmerzbar:
https://www.tonhalle-orchester.ch/saisonschwerpunkte/bruckner-zyklus/
Die kommenden drei habe ich geplant: mit der Achten geht im September die neue Saison los, im Oktober folgt die Sechste, im November die Dritte – und dann im März 2023 die Neunte mit Nagano am Pult der Tonhalle. (Im April 2023 kommt dann auch Zinman wieder vorbei und dirigiert auch wieder die Fünfte von Bruckner, das hab ich aber nicht in mein Wahlabo aufgenommen, fand Zinman beim letzten Hören nicht wirklich überzeugend – Brahms 2 und dann mit dem formidablen Zimerman und dem underrehearsed TOZ Bernsteins „The Age of Anxiety“ … und danach hab ich reden gehört, er leide an einer Krankheit, mit der der Mangel an Präzision ev. zusammenhängen könnte … keine Ahnung, solche Gerüchte soll man nicht streuen, drum bin ich hier zurückhaltend, er ist ja immer noch unterwegs, auch wenn der neun Jahre ältere Blomstedt schon lange fitter wirkt).--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbagypsy-tail-wind03.06.2022 – Zürich, Tonhalle
Tonhalle-Orchester Zürich
Herbert Blomstedt Leitung
Anton Bruckner Sinfonie Nr. 5 B-Dur
In der renovierten Tonhalle (…) verdrückte ich wieder ein stilles Tränchen im Gedenken an den verschwundenen Saal mit seiner so transparenten Akustik, in der ganz anders gearbeitet werden musste, viel vorsichtiger, präziser. Dafür hätte die Musik nicht wie Wärme gehabt, wie ich sie heute geniessen konnte.An dieses (etwas frech von mir zusammenmontierte) Zitat musste ich heute Vormittag denken, als ich Mahlers Dritte mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter Bychkov in der Elbphilharmonie hörte, die ich mittlerweile von -zig Konzerten unterschiedlichster Ensembles und Solisten her kenne. Ich kann dein stilles Tränchen grundsätzlich hoffentlich sehr gut verstehen (wenngleich ich die Tonhalle nie besucht habe): Niemals mehr wollte ich diese wunderbar transparente Akustik der Elphi gegen einen auf stärkere Klangverschmelzung hin angelegten Saal eintauschen – obwohl die Wärme, die du ansprichst, wohl in solcherlei Räumen eher entsteht.
Aber die Mahler-Darbietung war heute beispielhaft für das, was man in Sälen erleben kann, in denen der Gesamtklang eher aufgespreizt wird: Klarheit, Feinheit, Räumlichkeit, Durchhörbarkeit. Dass dies nicht weniger enthusiasmierend wirken kann, diese Erfahrung mache ich in der Elphi bei klassischen Konzerten – und besonders bei Musik des 19. und 20./21. Jahrhunderts – immer wieder.Bychkov setzte auf eher gemessene Tempi und dirigierte die Blockhaftigkeit des ersten Satzes (der in diesem Sinne Bruckner nahesteht) in aller Ruhe und Intensität aus – und dank der Akustik waren diese Blöcke eben auch räumlich umso eindrucksvoller zu unterscheiden und erhielten eine zusätzliche „Anschaulichkeit“.
Aber auch bei den großen Tutti-Höhepunkten der Sinfonie, natürlich nicht zuletzt bei der unfassbar aufgetürmten D-Dur-Apotheose ganz am Ende, verstand Bychkov es meiner Empfindung nach nahezu perfekt, die Möglichkeiten des Saales zu nutzen. Vielleicht habe ich in der Elphi noch nie lautere Orchesterpassagen gehört, ich weiß es nicht. Aber nirgendwo „lärmte“ es, alles war auch hier ausgesprochen austariert – eine beglückende Verknüpfung von Transparenz und Zusammenklang. So etwas wäre in der hiesigen Laeiszhalle (dem „alten“ Konzertsaal Hamburgs) beim besten Willen und Können der Beteiligten schlicht nicht möglich gewesen.
Leichtere Abstriche gab es beim Verhältnis Orchester / Gesang: Hier hätte ich mir etwas mehr Rücksicht zu Gunsten der Altistin Wiebke Lehmkuhl sowie des Frauen- (Rundfunkchor Berlin) und Knabenchors (Hannover) gewünscht, die in dieser Sinfonie ja eh nicht so viel zu singen haben. Speziell Lehmkuhl war für mich heute eine wahre Wonne. Ihr Timbre und ihre extrem ausgeglichenen Register sind eh schon spitze, dazu kommt eine Natürlichkeit und Innigkeit des Singens, die nicht nur interpretatorisch voll überzeugte, sondern mich auch ganz unabhängig von Mahler hätte dahinschmelzen lassen können.
Die Solisten des Orchesters waren dagegen eher durchwachsen – da hätte es an manchen Stellen feiner zugehen können.Ich diskutierte mit meiner Familie danach die Entwicklung des NDR-Orchesters, das ja seit Einweihung der Elphi dessen Residenzorchester ist. Und hier kommt nun erneut die akustische Charakteristik des Großen Saals ins Spiel: Sie „zwingt“ dieses Orchester quasi dazu, sich zu verbessern. Ich konnte seinerzeit der Generalprobe des von größtem medialem Tamtam begleiteten Einweihungskonzertes beiwohnen (unter dem damaligen Chef Hengelbrock) und erinnere mich an einige der hörbaren Schwierigkeiten, die Dirigent und Orchester nicht mal eben so mit gutem Willen und Professionalität lösen konnten.
zuletzt geändert von gruenschnabel
Der Saal hat das Orchester im Laufe der letzten Jahre einerseits diszipliniert: Jede Ungenauigkeit darin ist nicht nur gut zu hören, sondern dummerweise auch hervorragend zu lokalisieren. Andererseits ist es aber nicht nur der Aspekt der Disziplinierung, der positiv festzuhalten ist. Das Bewusstsein für das gemeinsame Atmen und Phrasieren, für eine dynamisch ausgewogene Gestaltung, insbesondere auch bei gemeinsamen Piani und Pianissimi, ist als Teil dieser Gesamtentwicklung des Ensembles auf jeden Fall sehr gewachsen. Zudem nutzt so ein professioneller Klangkörper natürlich auch die anderen Möglichkeiten der Klang(farben)gestaltung, wenn er immer mehr darum weiß, was der Saal bietet. Was da heute an toll geprobten Klangfarbenkombinationen und sublimer Klangentwicklung geboten wurde, wäre vor ein paar Jahren noch nicht im Repertoire des Orchesters gewesen, da bin ich mir sicher.--
soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"Registriert seit: 02.12.2013
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gruenschnabel
gypsy-tail-wind03.06.2022 – Zürich, Tonhalle Tonhalle-Orchester Zürich Herbert Blomstedt Leitung Anton Bruckner Sinfonie Nr. 5 B-Dur In der renovierten Tonhalle (…) verdrückte ich wieder ein stilles Tränchen im Gedenken an den verschwundenen Saal mit seiner so transparenten Akustik, in der ganz anders gearbeitet werden musste, viel vorsichtiger, präziser. Dafür hätte die Musik nicht wie Wärme gehabt, wie ich sie heute geniessen konnte.
An dieses (etwas frech von mir zusammenmontierte) Zitat musste ich heute Vormittag denken, als ich Mahlers Dritte mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter Bychkov in der Elbphilharmonie hörte, die ich mittlerweile von -zig Konzerten unterschiedlichster Ensembles und Solisten her kenne. Ich kann dein stilles Tränchen grundsätzlich hoffentlich sehr gut verstehen (wenngleich ich die Tonhalle nie besucht habe): Niemals mehr wollte ich diese wunderbar transparente Akustik der Elphi gegen einen auf stärkere Klangverschmelzung hin angelegten Saal eintauschen – obwohl die Wärme, die du ansprichst, wohl in solcherlei Räumen eher entsteht. Aber die Mahler-Darbietung war heute beispielhaft für das, was man in Sälen erleben kann, in denen der Gesamtklang eher aufgespreizt wird: Klarheit, Feinheit, Räumlichkeit, Durchhörbarkeit. Dass dies nicht weniger enthusiasmierend wirken kann, diese Erfahrung mache ich in der Elphi bei klassischen Konzerten – und besonders bei Musik des 19. und 20./21. Jahrhunderts – immer wieder. Bychkov setzte auf eher gemessene Tempi und dirigierte die Blockhaftigkeit des ersten Satzes (der in diesem Sinne Bruckner nahesteht) in aller Ruhe und Intensität aus – und dank der Akustik waren diese Blöcke eben auch räumlich umso eindrucksvoller zu unterscheiden und erhielten eine zusätzliche „Anschaulichkeit“. Aber auch bei den großen Höhepunkten der Sinfonie, natürlich nicht zuletzt bei der unfassbar aufgetürmten D-Dur-Apotheose ganz am Ende, verstand Bychkov es meiner Empfindung nach nahezu perfekt, die Möglichkeiten des Saales zu nutzen. Vielleicht habe ich in der Elphi noch nie lautere Orchesterpassagen gehört, ich weiß es nicht. Aber nirgendwo „lärmte“ es, alles war auch hier ausgesprochen austariert – eine beglückende Verknüpfung von Transparenz und Zusammenklang. So etwas wäre in der hiesigen Laeiszhalle (dem „alten“ Konzertsaal Hamburgs) beim besten Willen und Können der Beteiligten schlicht nicht möglich gewesen. Leichtere Abstriche gab es beim Verhältnis Orchester / Gesang: Hier hätte ich mir etwas mehr Rücksicht zu Gunsten der Altistin Wiebke Lehmkuhl sowie des Frauen- (Rundfunkchor Berlin) und Knabenchors (Hannover) gewünscht, die in dieser Sinfonie ja eh nicht so viel zu singen haben. Speziell Lehmkuhl war für mich heute eine wahre Wonne. Ihr Timbre und ihre extrem ausgeglichenen Register sind eh schon spitze, dazu kommt eine Natürlichkeit und Innigkeit des Singens, die nicht nur interpretatorisch voll überzeugte, sondern mich auch ganz unabhängig von Mahler hätte dahinschmelzen lassen können. Die Solisten des Orchesters waren dagegen eher durchwachsen – da hätte es an manchen Stellen feiner zugehen können. Ich diskutierte mit meiner Familie danach die Entwicklung des NDR-Orchesters, das ja seit Einweihung der Elphi dessen Residenzorchester ist. Und hier kommt nun erneut die akustische Charakteristik des Großen Saals ins Spiel: Sie „zwingt“ dieses Orchester quasi dazu, sich zu verbessern. Ich konnte seinerzeit der Generalprobe des von größtem medialem Tamtam begleiteten Einweihungskonzertes beiwohnen (unter dem damaligen Chef Hengelbrock) und erinnere mich an einige der hörbaren Schwierigkeiten, die Dirigent und Orchester nicht mal eben so mit gutem Willen und Professionalität lösen konnten. Der Saal hat das Orchester im Laufe der letzten Jahre einerseits diszipliniert: Jede Ungenauigkeit darin ist nicht nur gut zu hören, sondern dummerweise auch hervorragend zu lokalisieren. Andererseits ist es aber nicht nur der Aspekt der Disziplinierung, der positiv festzuhalten ist. Das Bewusstsein für das gemeinsame Atmen und Phrasieren, für eine dynamisch ausgewogene Gestaltung, insbesondere auch bei gemeinsamen Piani und Pianissimi, ist als Teil dieser Gesamtentwicklung des Ensembles auf jeden Fall sehr gewachsen. Zudem nutzt so ein professioneller Klangkörper natürlich auch die anderen Möglichkeiten der Klang(farben)gestaltung, wenn er immer mehr darum weiß, was der Saal bietet. Was da heute an toll geprobten Klangfarbenkombinationen und sublimer Klangentwicklung geboten wurde, wäre vor ein paar Jahren noch nicht im Repertoire des Orchesters gewesen, da bin ich mir sicher.
@ „gruenschnabel“ : Dank für die detaillierte Beschreibung, man kann sich doch einiges vorstellen …. bin durchaus ein Fan von Bychkov, allerdings war bei der rezenten Aufführung der „Glagolitischen Messe“ von Janacek mit der Prager Philharmonie und dem Wiener Singverein auch eine schwierige Abstimmung insbesondere der Solostimmen gegeben (gespielt wurde im Musikverein Goldener Saal Wien) ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)soulpope
gruenschnabel
gypsy-tail-wind03.06.2022 – Zürich, Tonhalle Tonhalle-Orchester Zürich Herbert Blomstedt Leitung Anton Bruckner Sinfonie Nr. 5 B-Dur In der renovierten Tonhalle (…) verdrückte ich wieder ein stilles Tränchen im Gedenken an den verschwundenen Saal mit seiner so transparenten Akustik, in der ganz anders gearbeitet werden musste, viel vorsichtiger, präziser. Dafür hätte die Musik nicht wie Wärme gehabt, wie ich sie heute geniessen konnte.
An dieses (etwas frech von mir zusammenmontierte) Zitat musste ich heute Vormittag denken, als ich Mahlers Dritte mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter Bychkov in der Elbphilharmonie hörte, die ich mittlerweile von -zig Konzerten unterschiedlichster Ensembles und Solisten her kenne. Ich kann dein stilles Tränchen grundsätzlich hoffentlich sehr gut verstehen (wenngleich ich die Tonhalle nie besucht habe): Niemals mehr wollte ich diese wunderbar transparente Akustik der Elphi gegen einen auf stärkere Klangverschmelzung hin angelegten Saal eintauschen – obwohl die Wärme, die du ansprichst, wohl in solcherlei Räumen eher entsteht. Aber die Mahler-Darbietung war heute beispielhaft für das, was man in Sälen erleben kann, in denen der Gesamtklang eher aufgespreizt wird: Klarheit, Feinheit, Räumlichkeit, Durchhörbarkeit. Dass dies nicht weniger enthusiasmierend wirken kann, diese Erfahrung mache ich in der Elphi bei klassischen Konzerten – und besonders bei Musik des 19. und 20./21. Jahrhunderts – immer wieder. Bychkov setzte auf eher gemessene Tempi und dirigierte die Blockhaftigkeit des ersten Satzes (der in diesem Sinne Bruckner nahesteht) in aller Ruhe und Intensität aus – und dank der Akustik waren diese Blöcke eben auch räumlich umso eindrucksvoller zu unterscheiden und erhielten eine zusätzliche „Anschaulichkeit“. Aber auch bei den großen Höhepunkten der Sinfonie, natürlich nicht zuletzt bei der unfassbar aufgetürmten D-Dur-Apotheose ganz am Ende, verstand Bychkov es meiner Empfindung nach nahezu perfekt, die Möglichkeiten des Saales zu nutzen. Vielleicht habe ich in der Elphi noch nie lautere Orchesterpassagen gehört, ich weiß es nicht. Aber nirgendwo „lärmte“ es, alles war auch hier ausgesprochen austariert – eine beglückende Verknüpfung von Transparenz und Zusammenklang. So etwas wäre in der hiesigen Laeiszhalle (dem „alten“ Konzertsaal Hamburgs) beim besten Willen und Können der Beteiligten schlicht nicht möglich gewesen. Leichtere Abstriche gab es beim Verhältnis Orchester / Gesang: Hier hätte ich mir etwas mehr Rücksicht zu Gunsten der Altistin Wiebke Lehmkuhl sowie des Frauen- (Rundfunkchor Berlin) und Knabenchors (Hannover) gewünscht, die in dieser Sinfonie ja eh nicht so viel zu singen haben. Speziell Lehmkuhl war für mich heute eine wahre Wonne. Ihr Timbre und ihre extrem ausgeglichenen Register sind eh schon spitze, dazu kommt eine Natürlichkeit und Innigkeit des Singens, die nicht nur interpretatorisch voll überzeugte, sondern mich auch ganz unabhängig von Mahler hätte dahinschmelzen lassen können. Die Solisten des Orchesters waren dagegen eher durchwachsen – da hätte es an manchen Stellen feiner zugehen können. Ich diskutierte mit meiner Familie danach die Entwicklung des NDR-Orchesters, das ja seit Einweihung der Elphi dessen Residenzorchester ist. Und hier kommt nun erneut die akustische Charakteristik des Großen Saals ins Spiel: Sie „zwingt“ dieses Orchester quasi dazu, sich zu verbessern. Ich konnte seinerzeit der Generalprobe des von größtem medialem Tamtam begleiteten Einweihungskonzertes beiwohnen (unter dem damaligen Chef Hengelbrock) und erinnere mich an einige der hörbaren Schwierigkeiten, die Dirigent und Orchester nicht mal eben so mit gutem Willen und Professionalität lösen konnten. Der Saal hat das Orchester im Laufe der letzten Jahre einerseits diszipliniert: Jede Ungenauigkeit darin ist nicht nur gut zu hören, sondern dummerweise auch hervorragend zu lokalisieren. Andererseits ist es aber nicht nur der Aspekt der Disziplinierung, der positiv festzuhalten ist. Das Bewusstsein für das gemeinsame Atmen und Phrasieren, für eine dynamisch ausgewogene Gestaltung, insbesondere auch bei gemeinsamen Piani und Pianissimi, ist als Teil dieser Gesamtentwicklung des Ensembles auf jeden Fall sehr gewachsen. Zudem nutzt so ein professioneller Klangkörper natürlich auch die anderen Möglichkeiten der Klang(farben)gestaltung, wenn er immer mehr darum weiß, was der Saal bietet. Was da heute an toll geprobten Klangfarbenkombinationen und sublimer Klangentwicklung geboten wurde, wäre vor ein paar Jahren noch nicht im Repertoire des Orchesters gewesen, da bin ich mir sicher.
@ „gruenschnabel“ : Dank für die detaillierte Beschreibung, man kann sich doch einiges vorstellen …. bin durchaus ein Fan von Bychkov, allerdings war bei der rezenten Aufführung der „Glagolitischen Messe“ von Janacek mit der Prager Philharmonie und dem Wiener Singverein auch eine schwierige Abstimmung insbesondere der Solostimmen gegeben (gespielt wurde im Musikverein Goldener Saal Wien) ….
Interessant, das jetzt gleich als Antwort von dir zu lesen, soulpope: Hattest du bei den Schwierigkeiten den Eindruck, Bychkov hätte anders proben/dirigieren können?
zuletzt geändert von gruenschnabel
Eine deutlich krassere Elphi-Erfahrung mit Orchester/Gesang hatte ich mal 2019 an einem Wagner-Abend, den Marek Janowski dirigierte (ebenfalls NDR Elbphilharmonie Orchester). Nina Stemme sang. Eigentlich eine vielversprechende Kombi, da Janowski und Stemme eh bei Wagner zu Hause sind. Ich weiß bloß nicht mehr, ob es Janowskis Elphi-Debüt war oder nicht. Jedenfalls: Das Orchester hat so laut und klanglich fast ununterbrochen massiv gespielt, dass Stemme (die ja wirklich tough ist und viel Volumen bringen kann) in meinen Ohren sehr unschön dauerangestrengt singen musste, um ihre solistische Rolle ausfüllen zu können. Ganz davon abgesehen, dass es damals (wie ja eh immer) Menschen gab, die das anders gehört haben als ich: Aber manchmal verstehe ich nicht, dass Dirigenten und Orchester sich nicht lieber eine Spur rücksichtsvoller zeigen.
Übrigens stand im Hamburger Lokalkäseblatt wohl eine Konzertbesprechung von Freitag (gleiches Programm wie heute), in der es hieß, der Funke sei bei der 3. Mahler nicht übergesprungen. Das also zum Thema „subjektive Höreindrücke“. Allerdings gab es Freitag wie heute großen Jubel und minutenlange Standing Ovations – das mit dem „Funken“ kommt mir also etwas komisch vor.--
Also wenn Stemme sich anstrengen muss, dann stimmt wirklich etwas nicht mehr!
Danke für den Bericht aus der Elbphilharmonie! Die Tonahlle-Maag war halt zu klein für solche „grossen“ Werke. Aber von den oben erwähnten Bruckner-Aufführungen hörte ich die meisten des Tonhalle-Orchester („TOZ“) dort – und auch Mahler 4 mit Lisa Larsson, die mitten im Orchester platziert war. Das Vermögen von Gastdirigenten (Järvi war schon in der Saison vor seinem Antritt als Chefdirigent mehr denn ein Gast) war sehr unterschiedlich, Welser-Möst hatte grösste Freude an dem Saal (und als ehemaliger Wahlzüricher – er leitete einst das Opernhaus-Orchester – machte er sich auch im Interview mit der NZZ am Sonntag stark für den Erhalt des wunderbaren Saales), Rattle/LSO (mit Mahler 9) war ebenfalls grandios, aber andere Gäste kamen mit der Transparenz und dem vergleichbar kleinen Volumen nicht gut zurecht: Es wurde alles zu laut, was die Abende schnell ermüdend machte. In der Elbphilharmonie wird das aufgrund des grossen Volumens anders sein (eher wie in Jean Nouvels KKL-Saal in Luzern, stelle ich mir vor? Dort hörte ich auch schon Bruckner: die Siebte bei Haitinks allerletztem Auftritt).
Ich muss aber schon betonen: der Tonhalle-Saal, also der „alte“ jetzt restaurierte, ist schon phantastisch, was die Akustik anbelangt. (Die Renovation brachte auch substantielle Verbesserungen mit sich, z.B. endete der Saal-Boden vorher an der Bühnenkante, das wurde jetzt korrigiert und er verläuft – wie es sich aus Gründen der Akustik anscheinend gehört – unter der Bühne weiter.) Es ist halt einfach eine ganz andere Art von Klang – eben einen warmen „Mischklang“ – den man da zu hören kriegt. Und beim üblichen altmodischen Repertoire, so von Haydn bis Wagner, ist das sicher ein nahezu perfekter Saal (kennst du die Laeiszhalle @gruenschnabel? Vermutlich eine müssiger Frage … der grosse Tonhalle-Saal ist ähnlich, nur ein Balkon und wohl etwas weniger hoch und überhaupt etwas kleiner, ca. 1400 statt 2200 Plätze, falls diese rasch ergoogelte Info für die Laeiszhalle denn stimmt).
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Ich saß zwar weit oben (was in der Elphi entfernungsmäßig kaum was bedeutet), aber frontal vor ihr. Das Orchester war hinter ihr platziert. Natürlich sind die Ohren nicht immer in der gleichen Verfassung. Ich weiß aber, dass ich ständig dachte, Janowski müsse doch bitte das Orchester zurücknehmen, damit es nicht so angestrengt klingen möge. Zudem japste ich schon selbst im Geiste nach Luft, weil klanglich so dauerdick aufgetragen wurde und ich den Eindruck hatte, die Streicher seien von Janowski dazu aufgefordert worden, so wenig wie möglich zu atmen. Ich hatte mich sehr auf Stemme gefreut, denn ihr Timbre spricht mich eigentlich wohl an (so gut kenne ich sie allerdings nicht). Ihre Stimme wirkte aber eben nicht frei schwingend auf mich, sondern klang nach anstrengendem Kampf.
gypsy-tail-wind
Danke für den Bericht aus der Elbphilharmonie! Die Tonahlle-Maag war halt zu klein für solche „grossen“ Werke. Aber von den oben erwähnten Bruckner-Aufführungen hörte ich die meisten des Tonhalle-Orchester („TOZ“) dort – und auch Mahler 4 mit Lisa Larsson, die mitten im Orchester platziert war. Das Vermögen von Gastdirigenten (Järvi war schon in der Saison vor seinem Antritt als Chefdirigent mehr denn ein Gast) war sehr unterschiedlich, Welser-Möst hatte grösste Freude an dem Saal (und als ehemaliger Wahlzüricher – er leitete einst das Opernhaus-Orchester – machte er sich auch im Interview mit der NZZ am Sonntag stark für den Erhalt des wunderbaren Saales), Rattle/LSO (mit Mahler 9) war ebenfalls grandios, aber andere Gäste kamen mit der Transparenz und dem vergleichbar kleinen Volumen nicht gut zurecht: Es wurde alles zu laut, was die Abende schnell ermüdend machte. In der Elbphilharmonie wird das aufgrund des grossen Volumens anders sein (eher wie in Jean Nouvels KKL-Saal in Luzern, stelle ich mir vor? Dort hörte ich auch schon Bruckner: die Siebte bei Haitinks allerletztem Auftritt).Ja, dann kann ich mir immer besser vorstellen, was sich bei euch in Zürich da getan hat und wie deine Äußerungen zur Akustik und den Möglichkeiten (vorher/nachher) des Saales einzuordnen sind. Und es scheint mir, als sei das, was nun daraus geworden ist, eine nachvollziehbare Veränderung zu sein.
In der Elphi mit den ca. 2000 „Weinberg“-Plätzen geht wirklich sehr viel Unterschiedliches. Klar, ich habe da auch schon eine ganze Reihe von Nichtklassik-Konzerten mit elektrischer Verstärkung erlebt – da kommen die wahren Stärken des Saales aber eher nicht zum Vorschein. (Dennoch finde ich es richtig, weil es natürlich auch eine gesellschaftliche Relevanz hat, wenn es eine stilistische Vielfalt gibt. Und es ist akustisch in der Regel gut dort.)
Grundsätzlich höre ich es aber so, wie es in der Anfangszeit auch z.T. medial vermittelt wurde: Der Saal ist prädestiniert für Neue Musik. Die Redaktion des NDR-Orchesters hat diesen Umstand in der letzten Saison auch zu einem Hauptaspekt der Programmgestaltung gemacht. Ich habe da schon fantastische Aufführungen erlebt, in denen mir bis dato unbekannte Musik sofort derart „sinnfällig“ zu Gehör gebracht wurde, dass ich den Saal immer und immer wieder innerlich abgefeiert habe. Für die neue Saison rudert die Redaktion offenbar aber wieder etwas zurück, denn die Publikumszufriedenheit ging wohl auch etwas nach unten. Und es soll ja ein „Saal für alle“ sein. Na ja.
Dass ich persönlich auch diese großen (spät)romantischen Schinken dort ausgezeichnet aufgehoben finde, dürfte etwas persönlicherer Art sein. Ich mag auf diese Transparenz nicht mehr verzichten, selbst wenn es von der epochalen Ästhetik her nicht vom entscheidenden Ende her gedacht sein sollte. Aber was sicherlich kein Problem ist, sind große Besetzungen in der Elphi. Die Flexibilität des Saals ist einfach echt toll. Und was ich auch sehr schätze: Der Zuschauerraum wirkt erstens nicht sehr groß – viele Leute, die dort zum ersten Mal sind, wundern sich über die verhältnismäßig intime Atmosphäre. Und zweitens (damit zusammenhängend): Die Sitzblöcke sind alle unterschiedlich groß und unterschiedlich geformt, zudem vom Sitzgefühl her ein bisschen abgeschirmt. Es stellt sich da das Gefühl einer gewissen Privatheit ein (natürlich nicht wie in einer Opernloge), obwohl man schon auch spürt, wie die Konzentration des Publikums insgesamt ist (Husten ist dort übrigens sehr, sehr unangenehm).gypsy-tail-wind
Ich muss aber schon betonen: der Tonhalle-Saal, also der „alte“ jetzt restaurierte, ist schon phantastisch, was die Akustik anbelangt. (Die Renovation brachte auch substantielle Verbesserungen mit sich, z.B. endete der Saal-Boden vorher an der Bühnenkante, das wurde jetzt korrigiert und er verläuft – wie es sich aus Gründen der Akustik anscheinend gehört – unter der Bühne weiter.) Es ist halt einfach eine ganz andere Art von Klang – eben einen warmen „Mischklang“ – den man da zu hören kriegt. Und beim üblichen altmodischen Repertoire, so von Haydn bis Wagner, ist das sicher ein nahezu perfekter Saal (kennst du die Laeiszhalle @gruenschnabel? Vermutlich eine müssiger Frage … der grosse Tonhalle-Saal ist ähnlich, nur ein Balkon und wohl etwas weniger hoch und überhaupt etwas kleiner, ca. 1400 statt 2200 Plätze, falls diese rasch ergoogelte Info für die Laeiszhalle denn stimmt).Hört sich wirklich gut an. Manchmal nehmen Leute solche Projekte in die Hand, die auch wirklich Ahnung haben. Insofern gehöre ich auch hinsichtlich der Elphi, wie du merkst, nicht gerade zu den leidenschaftlichen Meckerern, obwohl die Phase ihrer Planung und Entstehung natürlich von vielen „Merkwürdigkeiten“ geprägt war. Jetzt aber hier solchen Konzerten beiwohnen zu können und zu erleben, dass es wirklich kein elitärer Musentempel geworden ist, macht mir große Freude.
zuletzt geändert von gruenschnabel
Die Laeiszhalle ist von der Kapazität nahezu gleich groß (ca. 2000 Plätze) und lässt sich auch recht flexibel nutzen. Man sieht nicht von allen Plätzen gut und auch die Unterschiede beim Hören sind deutlich größer. In der Elphi kann ich bei Sinfonien oder auch Klavier-Recitals sitzen, wo ich will: Da geht akustisch wirklich jeder Platz. Wenn allerdings Sänger dabei sind, achte ich penibel darauf, nicht hinter ihnen zu sitzen. Da stimmt einfach nicht, was früher propagiert wurde („Jeder Platz gleich gut!“). Ich erinnere aber auch ein Konzert, bei dem ich hinter dem Orchester saß, als Vilde Frang Mendelssohn-Konzert spielte: War auch nicht optimal, die Geige strahlte dann doch in erster Linie nach vorne ab. Edit: Das war wohl doch Strawinsky-Violinkonzert. Jetzt dämmert es mir wieder. Und ich stelle mal ganz unvorsichtig die Vermutung in den Raum, dass ich es besser erinnert hätte, wenn die Geige klanglich präsenter gewesen wäre.--
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gypsy-tail-wind03.06.2022 – Zürich, Tonhalle Tonhalle-Orchester Zürich Herbert Blomstedt Leitung Anton Bruckner Sinfonie Nr. 5 B-Dur In der renovierten Tonhalle (…) verdrückte ich wieder ein stilles Tränchen im Gedenken an den verschwundenen Saal mit seiner so transparenten Akustik, in der ganz anders gearbeitet werden musste, viel vorsichtiger, präziser. Dafür hätte die Musik nicht wie Wärme gehabt, wie ich sie heute geniessen konnte.
An dieses (etwas frech von mir zusammenmontierte) Zitat musste ich heute Vormittag denken, als ich Mahlers Dritte mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter Bychkov in der Elbphilharmonie hörte, die ich mittlerweile von -zig Konzerten unterschiedlichster Ensembles und Solisten her kenne. Ich kann dein stilles Tränchen grundsätzlich hoffentlich sehr gut verstehen (wenngleich ich die Tonhalle nie besucht habe): Niemals mehr wollte ich diese wunderbar transparente Akustik der Elphi gegen einen auf stärkere Klangverschmelzung hin angelegten Saal eintauschen – obwohl die Wärme, die du ansprichst, wohl in solcherlei Räumen eher entsteht. Aber die Mahler-Darbietung war heute beispielhaft für das, was man in Sälen erleben kann, in denen der Gesamtklang eher aufgespreizt wird: Klarheit, Feinheit, Räumlichkeit, Durchhörbarkeit. Dass dies nicht weniger enthusiasmierend wirken kann, diese Erfahrung mache ich in der Elphi bei klassischen Konzerten – und besonders bei Musik des 19. und 20./21. Jahrhunderts – immer wieder. Bychkov setzte auf eher gemessene Tempi und dirigierte die Blockhaftigkeit des ersten Satzes (der in diesem Sinne Bruckner nahesteht) in aller Ruhe und Intensität aus – und dank der Akustik waren diese Blöcke eben auch räumlich umso eindrucksvoller zu unterscheiden und erhielten eine zusätzliche „Anschaulichkeit“. Aber auch bei den großen Höhepunkten der Sinfonie, natürlich nicht zuletzt bei der unfassbar aufgetürmten D-Dur-Apotheose ganz am Ende, verstand Bychkov es meiner Empfindung nach nahezu perfekt, die Möglichkeiten des Saales zu nutzen. Vielleicht habe ich in der Elphi noch nie lautere Orchesterpassagen gehört, ich weiß es nicht. Aber nirgendwo „lärmte“ es, alles war auch hier ausgesprochen austariert – eine beglückende Verknüpfung von Transparenz und Zusammenklang. So etwas wäre in der hiesigen Laeiszhalle (dem „alten“ Konzertsaal Hamburgs) beim besten Willen und Können der Beteiligten schlicht nicht möglich gewesen. Leichtere Abstriche gab es beim Verhältnis Orchester / Gesang: Hier hätte ich mir etwas mehr Rücksicht zu Gunsten der Altistin Wiebke Lehmkuhl sowie des Frauen- (Rundfunkchor Berlin) und Knabenchors (Hannover) gewünscht, die in dieser Sinfonie ja eh nicht so viel zu singen haben. Speziell Lehmkuhl war für mich heute eine wahre Wonne. Ihr Timbre und ihre extrem ausgeglichenen Register sind eh schon spitze, dazu kommt eine Natürlichkeit und Innigkeit des Singens, die nicht nur interpretatorisch voll überzeugte, sondern mich auch ganz unabhängig von Mahler hätte dahinschmelzen lassen können. Die Solisten des Orchesters waren dagegen eher durchwachsen – da hätte es an manchen Stellen feiner zugehen können. Ich diskutierte mit meiner Familie danach die Entwicklung des NDR-Orchesters, das ja seit Einweihung der Elphi dessen Residenzorchester ist. Und hier kommt nun erneut die akustische Charakteristik des Großen Saals ins Spiel: Sie „zwingt“ dieses Orchester quasi dazu, sich zu verbessern. Ich konnte seinerzeit der Generalprobe des von größtem medialem Tamtam begleiteten Einweihungskonzertes beiwohnen (unter dem damaligen Chef Hengelbrock) und erinnere mich an einige der hörbaren Schwierigkeiten, die Dirigent und Orchester nicht mal eben so mit gutem Willen und Professionalität lösen konnten. Der Saal hat das Orchester im Laufe der letzten Jahre einerseits diszipliniert: Jede Ungenauigkeit darin ist nicht nur gut zu hören, sondern dummerweise auch hervorragend zu lokalisieren. Andererseits ist es aber nicht nur der Aspekt der Disziplinierung, der positiv festzuhalten ist. Das Bewusstsein für das gemeinsame Atmen und Phrasieren, für eine dynamisch ausgewogene Gestaltung, insbesondere auch bei gemeinsamen Piani und Pianissimi, ist als Teil dieser Gesamtentwicklung des Ensembles auf jeden Fall sehr gewachsen. Zudem nutzt so ein professioneller Klangkörper natürlich auch die anderen Möglichkeiten der Klang(farben)gestaltung, wenn er immer mehr darum weiß, was der Saal bietet. Was da heute an toll geprobten Klangfarbenkombinationen und sublimer Klangentwicklung geboten wurde, wäre vor ein paar Jahren noch nicht im Repertoire des Orchesters gewesen, da bin ich mir sicher.
@ „gruenschnabel“ : Dank für die detaillierte Beschreibung, man kann sich doch einiges vorstellen …. bin durchaus ein Fan von Bychkov, allerdings war bei der rezenten Aufführung der „Glagolitischen Messe“ von Janacek mit der Prager Philharmonie und dem Wiener Singverein auch eine schwierige Abstimmung insbesondere der Solostimmen gegeben (gespielt wurde im Musikverein Goldener Saal Wien) ….
Interessant, das jetzt gleich als Antwort von dir zu lesen, soulpope: Hattest du bei den Schwierigkeiten den Eindruck, Bychkov hätte anders proben/dirigieren können? Eine deutlich krassere Elphi-Erfahrung mit Orchester/Gesang hatte ich mal 2019 an einem Wagner-Abend, den Marek Janowski dirigierte (ebenfalls NDR Elbphilharmonie Orchester). Nina Stemme sang. Eigentlich eine vielversprechende Kombi, da Janowski und Stemme eh bei Wagner zu Hause sind. Ich weiß bloß nicht mehr, ob es Janowskis Elphi-Debüt war oder nicht. Jedenfalls: Das Orchester hat so laut und klanglich fast ununterbrochen massiv gespielt, dass Stemme (die ja wirklich tough ist und viel Volumen bringen kann) in meinen Ohren sehr unschön dauerangestrengt singen musste, um ihre solistische Rolle ausfüllen zu können. Ganz davon abgesehen, dass es damals (wie ja eh immer) Menschen gab, die das anders gehört haben als ich: Aber manchmal verstehe ich nicht, dass Dirigenten und Orchester sich nicht lieber eine Spur rücksichtsvoller zeigen. Übrigens stand im Hamburger Lokalkäseblatt wohl eine Konzertbesprechung von Freitag (gleiches Programm wie heute), in der es hieß, der Funke sei bei der 3. Mahler nicht übergesprungen. Das also zum Thema „subjektive Höreindrücke“. Allerdings gab es Freitag wie heute großen Jubel und minutenlange Standing Ovations – das mit dem „Funken“ kommt mir also etwas komisch vor.
Es wurde offenbar intensiv geprobt (dies laut einem „Sangesbruder“ aud dem Singverein, mit welchem wir befreundet sind) …. aber womöglich war selbst der grosses aka Goldenen Sall des Wiener Musikvereines zu „klein“ und die Chorstimmen waren schon überdurchschnittlich präsent …. die Tschechischen Philharmoniker nun das Heimteam von Bychkov und der orchestrale Teil schien mir bezüglich Durchhörbarkeit gut abgestimmt …. allerdings war ich auch nicht von der Qualität der (tschechischen) Solisten überzeugt ….aber der Wurm kann auch anders „drinn sein“, denn ebendort hörte ich heuer Mirga Gražinytė-Tyla mit ihrem City of Birmingham Symphony Orchestra und dem Brahmschen Requiem – hier lag der tlws wahrgenommene „Klangbrei“ auch an der Qualität des Orchesters (die Streicher mit einen de facto anämischen Klang, Einsätze wurden verpasst etc) …. interessanterweise wirkten auch einige der Musiker lustlos/ausgebrannt und ich fragte micht, ob auch das Musizieren den COVID-19 Bedingungen/Umständen nun Tribut zollen musste ….
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gypsy-tail-wind03.06.2022 – Zürich, Tonhalle Tonhalle-Orchester Zürich Herbert Blomstedt Leitung Anton Bruckner Sinfonie Nr. 5 B-Dur In der renovierten Tonhalle (…) verdrückte ich wieder ein stilles Tränchen im Gedenken an den verschwundenen Saal mit seiner so transparenten Akustik, in der ganz anders gearbeitet werden musste, viel vorsichtiger, präziser. Dafür hätte die Musik nicht wie Wärme gehabt, wie ich sie heute geniessen konnte.
An dieses (etwas frech von mir zusammenmontierte) Zitat musste ich heute Vormittag denken, als ich Mahlers Dritte mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter Bychkov in der Elbphilharmonie hörte, die ich mittlerweile von -zig Konzerten unterschiedlichster Ensembles und Solisten her kenne. Ich kann dein stilles Tränchen grundsätzlich hoffentlich sehr gut verstehen (wenngleich ich die Tonhalle nie besucht habe): Niemals mehr wollte ich diese wunderbar transparente Akustik der Elphi gegen einen auf stärkere Klangverschmelzung hin angelegten Saal eintauschen – obwohl die Wärme, die du ansprichst, wohl in solcherlei Räumen eher entsteht. Aber die Mahler-Darbietung war heute beispielhaft für das, was man in Sälen erleben kann, in denen der Gesamtklang eher aufgespreizt wird: Klarheit, Feinheit, Räumlichkeit, Durchhörbarkeit. Dass dies nicht weniger enthusiasmierend wirken kann, diese Erfahrung mache ich in der Elphi bei klassischen Konzerten – und besonders bei Musik des 19. und 20./21. Jahrhunderts – immer wieder. Bychkov setzte auf eher gemessene Tempi und dirigierte die Blockhaftigkeit des ersten Satzes (der in diesem Sinne Bruckner nahesteht) in aller Ruhe und Intensität aus – und dank der Akustik waren diese Blöcke eben auch räumlich umso eindrucksvoller zu unterscheiden und erhielten eine zusätzliche „Anschaulichkeit“. Aber auch bei den großen Höhepunkten der Sinfonie, natürlich nicht zuletzt bei der unfassbar aufgetürmten D-Dur-Apotheose ganz am Ende, verstand Bychkov es meiner Empfindung nach nahezu perfekt, die Möglichkeiten des Saales zu nutzen. Vielleicht habe ich in der Elphi noch nie lautere Orchesterpassagen gehört, ich weiß es nicht. Aber nirgendwo „lärmte“ es, alles war auch hier ausgesprochen austariert – eine beglückende Verknüpfung von Transparenz und Zusammenklang. So etwas wäre in der hiesigen Laeiszhalle (dem „alten“ Konzertsaal Hamburgs) beim besten Willen und Können der Beteiligten schlicht nicht möglich gewesen. Leichtere Abstriche gab es beim Verhältnis Orchester / Gesang: Hier hätte ich mir etwas mehr Rücksicht zu Gunsten der Altistin Wiebke Lehmkuhl sowie des Frauen- (Rundfunkchor Berlin) und Knabenchors (Hannover) gewünscht, die in dieser Sinfonie ja eh nicht so viel zu singen haben. Speziell Lehmkuhl war für mich heute eine wahre Wonne. Ihr Timbre und ihre extrem ausgeglichenen Register sind eh schon spitze, dazu kommt eine Natürlichkeit und Innigkeit des Singens, die nicht nur interpretatorisch voll überzeugte, sondern mich auch ganz unabhängig von Mahler hätte dahinschmelzen lassen können. Die Solisten des Orchesters waren dagegen eher durchwachsen – da hätte es an manchen Stellen feiner zugehen können. Ich diskutierte mit meiner Familie danach die Entwicklung des NDR-Orchesters, das ja seit Einweihung der Elphi dessen Residenzorchester ist. Und hier kommt nun erneut die akustische Charakteristik des Großen Saals ins Spiel: Sie „zwingt“ dieses Orchester quasi dazu, sich zu verbessern. Ich konnte seinerzeit der Generalprobe des von größtem medialem Tamtam begleiteten Einweihungskonzertes beiwohnen (unter dem damaligen Chef Hengelbrock) und erinnere mich an einige der hörbaren Schwierigkeiten, die Dirigent und Orchester nicht mal eben so mit gutem Willen und Professionalität lösen konnten. Der Saal hat das Orchester im Laufe der letzten Jahre einerseits diszipliniert: Jede Ungenauigkeit darin ist nicht nur gut zu hören, sondern dummerweise auch hervorragend zu lokalisieren. Andererseits ist es aber nicht nur der Aspekt der Disziplinierung, der positiv festzuhalten ist. Das Bewusstsein für das gemeinsame Atmen und Phrasieren, für eine dynamisch ausgewogene Gestaltung, insbesondere auch bei gemeinsamen Piani und Pianissimi, ist als Teil dieser Gesamtentwicklung des Ensembles auf jeden Fall sehr gewachsen. Zudem nutzt so ein professioneller Klangkörper natürlich auch die anderen Möglichkeiten der Klang(farben)gestaltung, wenn er immer mehr darum weiß, was der Saal bietet. Was da heute an toll geprobten Klangfarbenkombinationen und sublimer Klangentwicklung geboten wurde, wäre vor ein paar Jahren noch nicht im Repertoire des Orchesters gewesen, da bin ich mir sicher.
@ „gruenschnabel“ : Dank für die detaillierte Beschreibung, man kann sich doch einiges vorstellen …. bin durchaus ein Fan von Bychkov, allerdings war bei der rezenten Aufführung der „Glagolitischen Messe“ von Janacek mit der Prager Philharmonie und dem Wiener Singverein auch eine schwierige Abstimmung insbesondere der Solostimmen gegeben (gespielt wurde im Musikverein Goldener Saal Wien) ….
Interessant, das jetzt gleich als Antwort von dir zu lesen, soulpope: Hattest du bei den Schwierigkeiten den Eindruck, Bychkov hätte anders proben/dirigieren können? Eine deutlich krassere Elphi-Erfahrung mit Orchester/Gesang hatte ich mal 2019 an einem Wagner-Abend, den Marek Janowski dirigierte (ebenfalls NDR Elbphilharmonie Orchester). Nina Stemme sang. Eigentlich eine vielversprechende Kombi, da Janowski und Stemme eh bei Wagner zu Hause sind. Ich weiß bloß nicht mehr, ob es Janowskis Elphi-Debüt war oder nicht. Jedenfalls: Das Orchester hat so laut und klanglich fast ununterbrochen massiv gespielt, dass Stemme (die ja wirklich tough ist und viel Volumen bringen kann) in meinen Ohren sehr unschön dauerangestrengt singen musste, um ihre solistische Rolle ausfüllen zu können. Ganz davon abgesehen, dass es damals (wie ja eh immer) Menschen gab, die das anders gehört haben als ich: Aber manchmal verstehe ich nicht, dass Dirigenten und Orchester sich nicht lieber eine Spur rücksichtsvoller zeigen. Übrigens stand im Hamburger Lokalkäseblatt wohl eine Konzertbesprechung von Freitag (gleiches Programm wie heute), in der es hieß, der Funke sei bei der 3. Mahler nicht übergesprungen. Das also zum Thema „subjektive Höreindrücke“. Allerdings gab es Freitag wie heute großen Jubel und minutenlange Standing Ovations – das mit dem „Funken“ kommt mir also etwas komisch vor.
Es wurde offenbar intensiv geprobt (dies laut einem „Sangesbruder“ aud dem Singverein, mit welchem wir befreundet sind) …. aber womöglich war selbst der grosses aka Goldenen Sall des Wiener Musikvereines zu „klein“ und die Chorstimmen waren schon überdurchschnittlich präsent …. die Tschechischen Philharmoniker nun das Heimteam von Bychkov und der orchestrale Teil schien mir bezüglich Durchhörbarkeit gut abgestimmt …. allerdings war ich auch nicht von der Qualität der (tschechischen) Solisten überzeugt ….aber der Wurm kann auch anders „drinn sein“, denn ebendort hörte ich heuer Mirga Gražinytė-Tyla mit ihrem City of Birmingham Symphony Orchestra und dem Brahmschen Requiem – hier lag der tlws wahrgenommene „Klangbrei“ auch an der Qualität des Orchesters (die Streicher mit einen de facto anämischen Klang, Einsätze wurden verpasst etc) …. interessanterweise wirkten auch einige der Musiker lustlos/ausgebrannt und ich fragte micht, ob auch das Musizieren den COVID-19 Bedingungen/Umständen nun Tribut zollen musste ….
Gefällt mir, mit welcher Vorsicht du das erläuterst. Wir wissen ja immer nicht, was sich hinter den Kulissen abgespielt hat und wer genau welche Wechseldynamik auf der Bühne erzeugt.
In jedem Fall können wir festhalten, dass Bychkov uns beide als Orchesterleiter überzeugt hat. Meine Frau fand die Proben mit ihm rein musikalisch auch sehr gut und ausgesprochen geschmackvoll.--
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An dieses (etwas frech von mir zusammenmontierte) Zitat musste ich heute Vormittag denken, als ich Mahlers Dritte mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter Bychkov in der Elbphilharmonie hörte, die ich mittlerweile von -zig Konzerten unterschiedlichster Ensembles und Solisten her kenne. Ich kann dein stilles Tränchen grundsätzlich hoffentlich sehr gut verstehen (wenngleich ich die Tonhalle nie besucht habe): Niemals mehr wollte ich diese wunderbar transparente Akustik der Elphi gegen einen auf stärkere Klangverschmelzung hin angelegten Saal eintauschen – obwohl die Wärme, die du ansprichst, wohl in solcherlei Räumen eher entsteht. Aber die Mahler-Darbietung war heute beispielhaft für das, was man in Sälen erleben kann, in denen der Gesamtklang eher aufgespreizt wird: Klarheit, Feinheit, Räumlichkeit, Durchhörbarkeit. Dass dies nicht weniger enthusiasmierend wirken kann, diese Erfahrung mache ich in der Elphi bei klassischen Konzerten – und besonders bei Musik des 19. und 20./21. Jahrhunderts – immer wieder. Bychkov setzte auf eher gemessene Tempi und dirigierte die Blockhaftigkeit des ersten Satzes (der in diesem Sinne Bruckner nahesteht) in aller Ruhe und Intensität aus – und dank der Akustik waren diese Blöcke eben auch räumlich umso eindrucksvoller zu unterscheiden und erhielten eine zusätzliche „Anschaulichkeit“. Aber auch bei den großen Höhepunkten der Sinfonie, natürlich nicht zuletzt bei der unfassbar aufgetürmten D-Dur-Apotheose ganz am Ende, verstand Bychkov es meiner Empfindung nach nahezu perfekt, die Möglichkeiten des Saales zu nutzen. Vielleicht habe ich in der Elphi noch nie lautere Orchesterpassagen gehört, ich weiß es nicht. Aber nirgendwo „lärmte“ es, alles war auch hier ausgesprochen austariert – eine beglückende Verknüpfung von Transparenz und Zusammenklang. So etwas wäre in der hiesigen Laeiszhalle (dem „alten“ Konzertsaal Hamburgs) beim besten Willen und Können der Beteiligten schlicht nicht möglich gewesen. Leichtere Abstriche gab es beim Verhältnis Orchester / Gesang: Hier hätte ich mir etwas mehr Rücksicht zu Gunsten der Altistin Wiebke Lehmkuhl sowie des Frauen- (Rundfunkchor Berlin) und Knabenchors (Hannover) gewünscht, die in dieser Sinfonie ja eh nicht so viel zu singen haben. Speziell Lehmkuhl war für mich heute eine wahre Wonne. Ihr Timbre und ihre extrem ausgeglichenen Register sind eh schon spitze, dazu kommt eine Natürlichkeit und Innigkeit des Singens, die nicht nur interpretatorisch voll überzeugte, sondern mich auch ganz unabhängig von Mahler hätte dahinschmelzen lassen können. Die Solisten des Orchesters waren dagegen eher durchwachsen – da hätte es an manchen Stellen feiner zugehen können. Ich diskutierte mit meiner Familie danach die Entwicklung des NDR-Orchesters, das ja seit Einweihung der Elphi dessen Residenzorchester ist. Und hier kommt nun erneut die akustische Charakteristik des Großen Saals ins Spiel: Sie „zwingt“ dieses Orchester quasi dazu, sich zu verbessern. Ich konnte seinerzeit der Generalprobe des von größtem medialem Tamtam begleiteten Einweihungskonzertes beiwohnen (unter dem damaligen Chef Hengelbrock) und erinnere mich an einige der hörbaren Schwierigkeiten, die Dirigent und Orchester nicht mal eben so mit gutem Willen und Professionalität lösen konnten. Der Saal hat das Orchester im Laufe der letzten Jahre einerseits diszipliniert: Jede Ungenauigkeit darin ist nicht nur gut zu hören, sondern dummerweise auch hervorragend zu lokalisieren. Andererseits ist es aber nicht nur der Aspekt der Disziplinierung, der positiv festzuhalten ist. Das Bewusstsein für das gemeinsame Atmen und Phrasieren, für eine dynamisch ausgewogene Gestaltung, insbesondere auch bei gemeinsamen Piani und Pianissimi, ist als Teil dieser Gesamtentwicklung des Ensembles auf jeden Fall sehr gewachsen. Zudem nutzt so ein professioneller Klangkörper natürlich auch die anderen Möglichkeiten der Klang(farben)gestaltung, wenn er immer mehr darum weiß, was der Saal bietet. Was da heute an toll geprobten Klangfarbenkombinationen und sublimer Klangentwicklung geboten wurde, wäre vor ein paar Jahren noch nicht im Repertoire des Orchesters gewesen, da bin ich mir sicher.
@ „gruenschnabel“ : Dank für die detaillierte Beschreibung, man kann sich doch einiges vorstellen …. bin durchaus ein Fan von Bychkov, allerdings war bei der rezenten Aufführung der „Glagolitischen Messe“ von Janacek mit der Prager Philharmonie und dem Wiener Singverein auch eine schwierige Abstimmung insbesondere der Solostimmen gegeben (gespielt wurde im Musikverein Goldener Saal Wien) ….
Interessant, das jetzt gleich als Antwort von dir zu lesen, soulpope: Hattest du bei den Schwierigkeiten den Eindruck, Bychkov hätte anders proben/dirigieren können? Eine deutlich krassere Elphi-Erfahrung mit Orchester/Gesang hatte ich mal 2019 an einem Wagner-Abend, den Marek Janowski dirigierte (ebenfalls NDR Elbphilharmonie Orchester). Nina Stemme sang. Eigentlich eine vielversprechende Kombi, da Janowski und Stemme eh bei Wagner zu Hause sind. Ich weiß bloß nicht mehr, ob es Janowskis Elphi-Debüt war oder nicht. Jedenfalls: Das Orchester hat so laut und klanglich fast ununterbrochen massiv gespielt, dass Stemme (die ja wirklich tough ist und viel Volumen bringen kann) in meinen Ohren sehr unschön dauerangestrengt singen musste, um ihre solistische Rolle ausfüllen zu können. Ganz davon abgesehen, dass es damals (wie ja eh immer) Menschen gab, die das anders gehört haben als ich: Aber manchmal verstehe ich nicht, dass Dirigenten und Orchester sich nicht lieber eine Spur rücksichtsvoller zeigen. Übrigens stand im Hamburger Lokalkäseblatt wohl eine Konzertbesprechung von Freitag (gleiches Programm wie heute), in der es hieß, der Funke sei bei der 3. Mahler nicht übergesprungen. Das also zum Thema „subjektive Höreindrücke“. Allerdings gab es Freitag wie heute großen Jubel und minutenlange Standing Ovations – das mit dem „Funken“ kommt mir also etwas komisch vor.
Es wurde offenbar intensiv geprobt (dies laut einem „Sangesbruder“ aud dem Singverein, mit welchem wir befreundet sind) …. aber womöglich war selbst der grosses aka Goldenen Sall des Wiener Musikvereines zu „klein“ und die Chorstimmen waren schon überdurchschnittlich präsent …. die Tschechischen Philharmoniker nun das Heimteam von Bychkov und der orchestrale Teil schien mir bezüglich Durchhörbarkeit gut abgestimmt …. allerdings war ich auch nicht von der Qualität der (tschechischen) Solisten überzeugt ….aber der Wurm kann auch anders „drinn sein“, denn ebendort hörte ich heuer Mirga Gražinytė-Tyla mit ihrem City of Birmingham Symphony Orchestra und dem Brahmschen Requiem – hier lag der tlws wahrgenommene „Klangbrei“ auch an der Qualität des Orchesters (die Streicher mit einen de facto anämischen Klang, Einsätze wurden verpasst etc) …. interessanterweise wirkten auch einige der Musiker lustlos/ausgebrannt und ich fragte micht, ob auch das Musizieren den COVID-19 Bedingungen/Umständen nun Tribut zollen musste ….
Gefällt mir, mit welcher Vorsicht du das erläuterst. Wir wissen ja immer nicht, was sich hinter den Kulissen abgespielt hat und wer genau welche Wechseldynamik auf der Bühne erzeugt. In jedem Fall können wir festhalten, dass Bychkov uns beide als Orchesterleiter überzeugt hat. Meine Frau fand die Proben mit ihm rein musikalisch auch sehr gut und ausgesprochen geschmackvoll.
Ich hörte/sah Bychkov mit dem Concertgebouw Orchestra in Dezember 2016 in Wien mit Mahler 5 und dies bleibt ein unvergessliches Erlebnis …. auch seine Shostakovich Aufnahmen mit den Berliner Philharmonikern schätze ich sehr …. btw ich bin seit COVID-19 vermutlich noch verständnissvoller gegenüber dem Kulturbetrieb und daß hier nicht am Laufband „produziert“ werden kann ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)Ich stelle mir auch vor, dass solche Orchester-Touren enorm energieraubend sind – und ehrlich gesagt, wenn’s nicht grad die Berliner oder Wiener Philharmoniker beim Lucerne Festival sind: ich höre in aller Regel lieber die heimischen Orchester. Zumal das Repertoire ja eh auch überall dasselbe ist (vom ökologischen Unsinn reden wir jetzt mal gar nicht erst). Dass es eine grosse Herausforderung ist, jeden (zweiten) Abend in einem anders klingenden Saal aufzutreten und stets den richtigen Ton zu treffen, liegt auch auf der Hand. LSO/Rattle hatte ich erwähnt, das war noch eine grosse Ausnahme – auch weil ich an sich kein grosser Rattle-Fan bin, und die Konzerte echt spitze waren). Selbst HIP-Ensembles finde ich nicht immer gut, wenn sie vorbeikommen – die landen, wenn sie Pech haben, halt dann in Sälen, in denen sie maximal ein Mezzoforte hinkriegen (Gardiner mit der Matthäuspassion im KKL in Luzern war so ein Fall – beeinduckend, aber bis ich aus dem lauten Alltag in die leise Musik hineinfinden konnte, war die erste Hälfte schon vorbei).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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gypsy-tail-windIch stelle mir auch vor, dass solche Orchester-Touren enorm energieraubend sind – und ehrlich gesagt, wenn’s nicht grad die Berliner oder Wiener Philharmoniker beim Lucerne Festival sind: ich höre in aller Regel lieber die heimischen Orchester. Zumal das Repertoire ja eh auch überall dasselbe ist (vom ökologischen Unsinn reden wir jetzt mal gar nicht erst). Dass es eine grosse Herausforderung ist, jeden (zweiten) Abend in einem anders klingenden Saal aufzutreten und stets den richtigen Ton zu treffen, liegt auch auf der Hand. LSO/Rattle hatte ich erwähnt, das war noch eine grosse Ausnahme – auch weil ich an sich kein grosser Rattle-Fan bin, und die Konzerte echt spitze waren). Selbst HIP-Ensembles finde ich nicht immer gut, wenn sie vorbeikommen – die landen, wenn sie Pech haben, halt dann in Sälen, in denen sie maximal ein Mezzoforte hinkriegen (Gardiner mit der Matthäuspassion im KKL in Luzern war so ein Fall – beeinduckend, aber bis ich aus dem lauten Alltag in die leise Musik hineinfinden konnte, war die erste Hälfte schon vorbei).
Und dann kann`s passieren, daß man (sauteure) Karten für ein Wiener Philharmoniker Konzert vorort hat um dann festzustellen, daß die „A-Mannschaft“ auf Tournee ist und man unter dem Label des Orchesters die „2te Garnitur“ (oder die 3te, falls die Ersatzmusiker als Reservisten ebenfalls auf der Tournee teilnehmen) zu hören bekommt ….
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Schlagwörter: Kammermusik, Klassik, klassische Musik, Konzertberichte, Lied, Oper
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