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Hm, das mit der Unfähigkeit des Publikums, Neues auszusortieren und sich unter all dem tollen Stoff was auszusuchen, ist ja nicht neu … in den Anfangszeiten von Org gehörte ich zu einer sehr kleinen Gruppe, die all den „was ist das beste Remaster von ‚Blue Traim'“-Leuten versuchten, Neuheiten schmackhaft zu machen … aber vielen ist ja schon die AACM, sind die Siebziger nicht mehr zugänglich. Da steht man auf verlorenem Posten.
Die ziemlich lebendige Festivalszene wird dann gewissermassen wieder von einer anderen Fundi-Gruppe (nicht ganz so überaltert, aber auch schon in die Jahre gekommen) beherrscht. Von denen sind wohl recht viele an Tonträgern wenig bis gar nicht interessiert. Das ist nicht weiter verwerflich, denn Tonträger werden in der Regel von den Musikern als defizitäres Geschäft selbst getragen (produziert), um überhaupt Auftrittsmöglichkeiten zu generieren. Dennoch: bei wesentlich besseren Verkaufszahlen (und wesentlich höheren Preisen für Streaming) wäre auch das wieder anders.
Wo ich aber selbst die grosse Herausforderung sehe – selbt oder gerade bei jemandem wie mir mit grossem Interesse an Tonträgern und dem Willen, grossen Zeitaufwand zu treiben, um mich zu informieren: Es gibt (Grund steht oben) eine so unübersichtliche Menge von Neuheiten, von Labeln, von selbstverlegten Dingen, von Crowdfundings … und mit dem Verschwinden der Plattenindustrie verschwindet eben auch der Faktor im ganzen Gefüge, der früher den Blick von viel zu vielen gelenkt hat (was wiederum sicherlich auch mit dem Desinteresse vieler an gegenwärtigem Jazz zu tun hat). Ich könnte jetzt Kant hervorholen, aber – verzeiht den kulturpessemistischen Seufzer – mich dünkt die allermeisten haben leider längst entschieden, dass ein selbständiges Leben eben doch viel zu anstrengend ist.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHighlights von Rolling-Stone.deAmazon Prime Video: Die wichtigsten Neuerscheinungen im Februar
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Deine Beiträge zu lesen, ist ja praktisch immer ein großes Vergnügen. Wollte ich nur gerade mal anmerken. Danke.
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Es gab ja einige Kommentare in diese Richtung, dass Jazz-Neuheiten heutzutage zu wenig Berücksichtigung finden. Ich sehe das ein wenig anders, denn es gibt ganz ganz selten eine Neuveröffentlichung, auf die sich viele gleichzeitig in der ersten Verkaufswoche einigen können (Ausnahmen wie Kamasi Washingtion sind da extrem selten). Bei Coltrane und dem für heutige Verhältnisse enormen Werbeaufwand konnte man relativ einfach Top 10 Notierungen in den Charts erreichen. Das war in den 90ern bei einem deutlich fantastischeren Fund wie „Stellar Regions“ nicht möglich.
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Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...ihr habt sicher beide recht. ich würde noch die katastrophale situation des jazz-journalismus für solche phänomene (allgemeine ignoranz/einzel-hype) teilverantwortlich machen. wenn sich eine größere menge von menschen tatsächlich mal gleichzeitig für ein jazzalbum interessiert, hat das ja meistens damit zu tun, dass die nicht-jazz-medien (von pitchfork bis spon) vereinzelt auch mal jazz besprechen. oft tun sie es ja auch ganz ordentlich, aber interessante hintergrundberichte zu aktuellen/neuen „szenen“ z.b. kriegt momentan höchstens the wire hin (und wäre in deutschland überhaupt nicht denkbar).
meine these seit jeher: das interesse an jazz ist eigentlich groß, aber wenn man ihn nicht differenziert vermittelt, ist er als gesamtkategorie abschreckend.
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Ich stimme deiner These zu. Am ehesten könnte das noch der Spex in Deutschland gelingen, nur hat sie natürlich nicht mehr die Relevanz.
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Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...atomAm ehesten könnte das noch der Spex in Deutschland gelingen, nur hat sie natürlich nicht mehr die Relevanz.
nein, hat sie nicht. ich finde sie seit der groß/raffeiner-phase quasi unlesbar, was an der qualität fast aller musiktexte liegt (fand ich bei der spex noch nie so extrem), aber vor allem, weil sie gerade kein intellektuelles, debattenorientiertes, politisches medium sein will.
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Unlesbar vielleicht nicht aber die enorme Bruchstelle sehe ich ebenfalls an deiner skizzierten Stelle.
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Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...atomDas war in den 90ern bei einem deutlich fantastischeren Fund wie „Stellar Regions“ nicht möglich.
Das liegt aber auch am Material. Bei den Stücken auf Both Directions At Once ist kaum zu erwarten, dass der Gelegenheitshörer erschreckt abschaltet. Stellar Regions ist dagegen schon eher was für Eingeweihte.--
Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away. Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dicknicht_vom_forum
atomDas war in den 90ern bei einem deutlich fantastischeren Fund wie „Stellar Regions“ nicht möglich.
Das liegt aber auch am Material. Bei den Stücken auf Both Directions At Once ist kaum zu erwarten, dass der Gelegenheitshörer erschreckt abschaltet. Stellar Regions ist dagegen schon eher was für Eingeweihte.
Da bin ich nicht sicher, ob das nicht wieder nur am Marketing und dem in den Köpfen eingepflanzten Bild liegt, denn die Musik auf „Stellar Regions“ ist doch sehr direkt, schnörkellos, lyrisch – und obendrein von fast schon kontemplativer Ruhe. Blöd gesagt: die ECM-Werbemaschinerie hätte das Ding als tolles neues Meditations-Album an die New Age-Gemeinde verticken können und davon hunderttausende Exemplare abgesetzt … bei Impulse hingegen gab man sich Mitte der 90er mit der damaligen Serie in edlen Digipacks und zugehörigen Werbe-Materialen Mühe, ein elitäres, fast esoterisches Image zu pflegen. Ich fand beim Räumen vor ein paar Wochen zwei „Flyer“ im 7-Inch-Format, ein rundes – einem Plattenlabel nachempfundenes – Loch im Deckel der Umschlagmappe, darin ein paar lose Blätter, alles im edlen schwarz-orangen Design (hat Creed Taylor eigentlich gegen „Orange is the New Black“ geklagt?) und die Pappe des Umschlags edel aufgerauht). Man vermarktete immer noch die Zukunft des Jazz und das New Thing, brachte zahlreiche Alben von Shepp und Sanders neu heraus, neben Coltrane und den Klassikern fürs breite Publikum (Webster, Terry, Hampton) … das ist nicht die Positionierung, mit der man sich neue Hörer erschliesst, sondern man sprach halt die „Eingeweihten“ an – das alles fühlte sich nahezu kultisch an für mich, damals (ich war 14, 15, 16 …)
(editiert, sorry für die halben Sätze und Fehler – sollte jetzt alles verständlich sein )
zuletzt geändert von gypsy-tail-wind--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaIch sehe das ähnlich, man hat damals kaum Marketing gemacht. „Stellar Regions“ wäre heutzutage mit identischen Werbeaufwand, den „Both Directions“ bekommen hat ebenfalls so erfolgreich gewesen. Das Material gibt da nicht den Ausschlag.
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Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...gypsy-tail-wind
nicht_vom_forum
atomDas war in den 90ern bei einem deutlich fantastischeren Fund wie „Stellar Regions“ nicht möglich.
Das liegt aber auch am Material. Bei den Stücken auf Both Directions At Once ist kaum zu erwarten, dass der Gelegenheitshörer erschreckt abschaltet. Stellar Regions ist dagegen schon eher was für Eingeweihte.
Da bin ich nicht sicher, ob das nicht wieder nur am Marketing und dem in den Köpfen eingepflanzten Bild liegt, denn die Musik auf „Stellar Regions“ ist doch sehr direkt, schnörkellos, lyrisch – und obendrein von fast schon kontemplativer Ruhe. Blöd gesagt: die ECM-Werbemaschinerie hätte das Ding als tolles neues Meditations-Album an die New Age-Gemeinde verticken können und davon hunderttausende Exemplare abgesetzt
Dass wir hinsichtlich Marketing (und auf der positiven Seite: Information über und Zugänglichkeit von obskurer Musik) inzwischen in anderen Zeiten leben als in den 90ern: Keine Frage. Mein Einfwurf war auch nicht als Widerspruch gedacht sondern als Ergänzung. Trotzdem glaube ich, dass Nicht- oder Mainstream-Jazz-Hörer mit Both Directions schneller warm werden würden als mit Stellar Regions. Und was „direkt, schnörkellos, lyrisch“ betrifft: Ich glaube, da haben wir streckenweise andere Vorstellungen als der durchschnittliche Kamasi-Washington-Hörer.--
Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away. Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dicknicht_vom_forumUnd was „direkt, schnörkellos, lyrisch“ betrifft: Ich glaube, da haben wir streckenweise andere Vorstellungen als der durchschnittliche Kamasi-Washington-Hörer.
Vermutlich schon … aber mein mangelndes Einfühlungsvermögen in halb-/viertel-/nullmusikalische Köpfe mag ich nicht als Mangel anschauen
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbanicht_vom_forumUnd was „direkt, schnörkellos, lyrisch“ betrifft: Ich glaube, da haben wir streckenweise andere Vorstellungen als der durchschnittliche Kamasi-Washington-Hörer.
war bei mir z.b. anders. bin mit EXPRESSION bei coltrane eingestiegen und habe mich dann in „india“ aus dem village vanguard verliebt – das hätte mit dem BALLADS-album z.b. nicht geklappt. (analog miles: vor allem ROUND MIDNIGHT war mir am anfang völlig fremd, obwohl es natürlich zugänglicher scheint als ON THE CORNER). der zugang zu modalen, spirituellen, hymnischen sachen fällt, glaube ich, vielen am anfang leichter als zu viel stärker formalisierten und an die jazztradition gebundeneren hard- oder postbop-sachen. ich fand gerade den vergleich kamasi 2018/ coltrane 1964 sehr spannend – das funktioniert musikalisch schon sehr unterschiedlich.
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vorgarten
nicht_vom_forumUnd was „direkt, schnörkellos, lyrisch“ betrifft: Ich glaube, da haben wir streckenweise andere Vorstellungen als der durchschnittliche Kamasi-Washington-Hörer.
war bei mir z.b. anders. bin mit EXPRESSION bei coltrane eingestiegen und habe mich dann in „india“ aus dem village vanguard verliebt – das hätte mit dem BALLADS-album z.b. nicht geklappt. (analog miles: vor allem ROUND MIDNIGHT war mir am anfang völlig fremd, obwohl es natürlich zugänglicher scheint als ON THE CORNER). der zugang zu modalen, spirituellen, hymnischen sachen fällt, glaube ich, vielen am anfang leichter als zu viel stärker formalisierten und an die jazztradition gebundeneren hard- oder postbop-sachen. ich fand gerade den vergleich kamasi 2018/ coltrane 1964 sehr spannend – das funktioniert musikalisch schon sehr unterschiedlich.
Ich würde das auch nicht verallgemeinern. Jemand mit Hiphop oder Drum’n’Base-Affinität findet bestimmt anders Zugang zu Jazz als jemand der mit Abba oder den Pet-Shop-Boys musikalisch sozialisiert wurde. Und dann gibt es noch die Leute, bei denen gerade ein starker Kontrast zu dem sonst bevorzugten gut funktioniert…
Was mir zum Thema Marketing/Musikkonsum noch auffiel: Es hat natürlich auch (schon bei der Frage, ob überhaupt ein Artikel in einer Zeitung erscheint) Auswirkungen, dass es inzwischen Streaming gibt. So kann man inzwischen mit einer Empfehlung/einem Artikel wesentlich leichter einen musikalischen[1] Mehrwert für den Leser erzeugen, der unkompliziert und quasi kostenfrei reinhören kann als vor 20 Jahren als der Zugang zu neuen Jazz-Platten abseits der Großstädte schwierig und auf jeden Fall mit Kosten verbunden war.
[1] Auch wenn man das nicht scharf trennen kann, geht es mir hier um nicht um den wirtschaftlichen Nutzen für das Label sondern um den Nutzen für den Leser.
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Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away. Reality denied comes back to haunt. Philip K. DickJohn Coltrane – 1963: New Directions
(3 CD / 5 LP)
The complete 1963 recordings, including:
• The Lost Album
• John Coltrane & Johnny Hartman
• Selflessness
• Live At Birdland
Trackliste von CD Japan:
DISC 11 VILIA (TAKE 3)
2 VILIA (TAKE 5)
3 UNTITLED ORIGINAL 11383 (TAKE 1)
4 NATURE BOY
5 IMPRESSIONS (TAKE 1)
6 IMPRESSIONS (TAKE 2)
7 IMPRESSIONS (TAKE 3)
8 IMPRESSIONS (TAKE 4)
9 UNTITLED ORIGINAL 11386 (TAKE 1)
10 UNTITLED ORIGINAL 11386 (TAKE 2)
11 UNTITLED ORIGINAL 11386 (TAKE 5)
12 ONE UP. ONE DOWN (TAKE 1)
13 ONE UP. ONE DOWN (TAKE 6)
DISC 2
1 SLOW BLUES
2 THEY SAY IT’S WONDERFUL
3 LUSH LIFE / Johnny Hartman
4 MY ONE AND ONLY LOVE / Johnny Hartman
5 AUTUMN SERENADE / Johnny Hartman
6 DEDICATED TO YOU / Johnny Hartman
7 YOU ARE TOO BEAUTIFUL / Johnny Hartman
8 AFTER THE RAIN
9 DEAR OLD STOCKHOLM
10 I WANT TO TALK ABOUT YOU (LIVE AT THE NEWPORT JAZZ FESTIVAL. NEWPORT. RI. 7/7/1963)
DISC 3
1 MY FAVORITE THINGS (LIVE AT THE NEWPORT JAZZ FESTIVAL. NEWPORT. RI. 7/7/1963)
2 IMPRESSIONS (LIVE AT THE NEWPORT JAZZ FESTIVAL. NEWPORT. RI. 7/7/1963)
3 THE PROMISE (LIVE AT BIRDLAND JAZZCLUB. NEW YORK CITY. NY. 10/8/1963)
4 I WANT TO TALK ABOUT YOU (LIVE AT BIRDLAND JAZZCLUB. NEW YORK CITY. NY. 10/8/1963)
5 AFRO-BLUE (LIVE AT BIRDLAND JAZZCLUB. NEW YORK CITY. NY. 10/8/1963)
6 YOUR LADY
7 ALABAMA—
Reissues, die die Welt nicht braucht … aber wenn man das nicht alles schon hat, ist das natürlich phantastische Musik, auch die abgelegeneren Kleinigkeiten (besonders das Newport-Set) … und die Packung sieht hübsch aus (wohl ähnlich wie die Deluxe-Ausgabe der 1963er Studio-Session)
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba -
Schlagwörter: Free Jazz, Hard Bop, Jazz, John Coltrane
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