Jazz & Brasil

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  • #11148627  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    vorgarten

    gypsy-tail-wind
    Aber wo ist das 1988er Video mit João Macello? Oder hab ich da was missverstanden?

    das von mir oben verlinkte video zeigt erst den filmausschnitt, dann den 1988er auftritt.

    Nein, da ist nur das bekannte 3minütige Skihüttenfilmchen, drum frag ich ja :-)

    Hattest Du das hier verlinken wollen?

    Davon gibt es mehr:

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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    #11148629  | PERMALINK

    vorgarten

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    hab es jetzt korrekt verlinkt.

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    #11148639  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Alles klar, wollte nicht nerven, kannte das von 1988 noch nicht und musste erst mal rasch suchen gehen – danke!

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #11161179  | PERMALINK

    friedrich

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    @vorgarten
    sorry, wenn das jetzt ein bisschen snappy rüberkam, ich hatte niemeyer und die sinnlichkeit des betons ja selbst ins spiel gebracht (auch wenn ich vom herausfordernden dialog mit der landschaft geschrieben habe, nicht von organisch sich in die natur einfügender architektur).

    War ja auch eine gezielte Provokation von mir. Da kann ich keine andere Reaktion erwarten.

    Entschuldigung, wenn das alles hier etwas besserwisserisch und trotzig rüberkommt und etwas abschweifend und lang ist. Aber was soll‘s? Ist ein guter Anlass, den Fokus hier mal etwas weiter einzustellen und sich Gedanken zu machen.

    Ich bin manchmal etwas genervt, wenn Architektur / Stadtplanung der „Moderne“ ungetrübt gelobt wird. Nicht, dass sie keine beeindruckenden Bauten hervorgebracht hat. Aber oft wird gerne übersehen, dass sie auch schwere Probleme verursacht hat. Funktionstrennung von Wohnen, Arbeit, Einkaufen, Kultur und Verkehr, die Abschaffung traditioneller urbaner Typologien wie Parzelle, Häuserblock, Straßenraum und Platz haben sich nicht bewährt. Dabei geht es nicht um Ästhetik und Geschmack, ob die Bauwerke schwungvolle Formen haben oder nicht, es geht darum, ob und wie man Stadt als Organismus begreift, Gebäude als Zellen dieses Organismus und wie sich deren Bewohner an der Gestaltung dieses Organismus beteiligen und darin einrichten können. Dass die Architektur von Niemeyer ästhetisch elegant ist, bestreite ich nicht. Aber ob sie der Entstehung von vielfältigem urbanen Leben förderlich ist? Was nützt einem da das schönste Gebäude? Das mag formal noch so elegant sein, in einem übergeordneten Sinn ist es möglicherweise alles andere als elegant. Eine schöne Skulptur ist nicht auch ein gutes Gebäude.

    Mit Brasilia wollte Brasilien sich wohl selbst neu erfinden. Soziale, politische und wirtschaftliche Konflikte hatte man mehr als genug, und die neue Hauptstadt verkörperte wohl die Idealvorstellung einer strahlenden Zukunft. Ein großer Sprung nach vorne, der zumindest in dieser lokal verwirklichten Utopie die Sorgen der Vergangenheit abschüttelt und als gemeinsames Identifikationsobjekt dient. Das ist aus der damaligen Zeit nachvollziehbar und war sicher eine großartige Verheißung.

    Die städtebaulichen / architektonischen Prinzipien von Brasilia stammen ursprünglich aus dem Europa der 20er/30er, setzten sich aber auch da erst in der Nachkriegszeit durch, z.B. als Deluxe-Version im Berliner Hansaviertel, als Economy-Version im Märkischen Viertel und hätte der Volkszorn es nicht verhindert, wäre auch Kreuzberg heute eine Hochhaussiedlung mit Autobahnanschluss. Doch so hübsch, ruhig und grün das Hansaviertel ist (wo auch Niemeyer ein Haus geplant hat), so wenig städtisches Leben gibt es dort, so sozial-reformerisch gut gemeint das Märkische Viertel war, so große soziale Probleme gibt es dort. Und es war der teils militante Widerstand gegen Abriss- und Neubaupläne in Kreuzberg, der die jetzige sozio-kulturelle Mischung dort erst entstehen ließ und ein bunter Mix an Subkulturen kaperte sogar einige der verwirklichten Neubauten.

    Man ist schon lange von den architektonischen / städtebaulichen Idealen der „Moderne“ abgerückt. Anspruch und Wirklichkeit klafften zu weit auseinander und nicht nur das Hansaviertel sondern auch Brasilia wirken aus heutiger Sicht fast museal.

    Das alles schwingt bei mir mit und löst manchmal einen Beißreflex aus.

    Aber wir wollen hier ja nicht über Architektur und Städtebau diskutieren, sondern über Musik und die Bedingungen, unter denen sie entstand. So kamen wir darauf und das ist auch interessant. Kaum war die vom Kommunisten Niemeyer im Nirgendwo geplante Sci-Fi Hauptstadt fertig, putschte das rechtsgerichtete Militär und zog dort ein. Ungefähr zeitgleich dichten und singen in der alten Hauptstadt Rio de Janeiro A. C. Jobim, Joao Gilberto und Astrud Gilberto von einem hübschen Mädchen am Strand von Ipanema und dem Blick auf den Corcovado: „Oh, how lovely!“ Das zusammen finde ich schon wieder gruselig und faszinierend zugleich.

    Nein, ich habe Orfeu Negro nicht gesehen, sondern kenne nur den Soundtrack. Schande über mich. Woher soll ich die Zeit dafür nehmen? :-( Aber ich habe mir jetzt mal die DVD besorgt.

    --

    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #11161191  | PERMALINK

    vorgarten

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    friedrich
    Ich bin manchmal etwas genervt, wenn Architektur / Stadtplanung der „Moderne“ ungetrübt gelobt wird.

    ist hier nirgendwo passiert.

    --

    #11161197  | PERMALINK

    go1
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    friedrichAber wir wollen hier ja nicht über Architektur und Städtebau diskutieren, sondern über Musik und die Bedingungen, unter denen sie entstand. So kamen wir darauf und das ist auch interessant. Kaum war die vom Kommunisten Niemeyer im Nirgendwo geplante Sci-Fi Hauptstadt fertig, putschte das rechtsgerichtete Militär und zog dort ein. Ungefähr zeitgleich dichten und singen in der alten Hauptstadt Rio de Janeiro A. C. Jobim, Joao Gilberto und Astrud Gilberto von einem hübschen Mädchen am Strand von Ipanema und dem Blick auf den Corcovado: „Oh, how lovely!“ Das zusammen finde ich schon wieder gruselig und faszinierend zugleich.

    So ganz haut das zeitlich nicht hin: Der Militärputsch war Ende März 1964, den Song „Garota de Ipanema“ haben Tom Jobim und Vinicius de Moraes schon 1962 geschrieben; die erste Aufnahme davon (von Pery Ribeiro) erschien im Januar 1963 (und „Corcovado“ ist von 1960). In der Zeit nach dem Putsch 1964 und vor Einführung der strikten Zensur 1968 haben sich aber tatsächlich die gängigen Themen der Lieder verändert, es wurde insgesamt weniger über Liebe, Lächeln und Blumen und mehr über soziale Themen geschrieben (also im Vergleich zu den Jahren vorher; natürlich wird überall und zu jeder Zeit über Liebe, Lächeln und Blumen gedichtet).

    --

    To Hell with Poverty
    #11161251  | PERMALINK

    friedrich

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    @vorgarten

    friedrich
    Ich bin manchmal etwas genervt, wenn Architektur / Stadtplanung der „Moderne“ ungetrübt gelobt wird.

    ist hier nirgendwo passiert.

    Ich versuche eigentlich nur, meine ursprüngliche etwas trotzige und polemische Reaktion zu erklären und zu entschuldigen. Ist mir schon klar, dass Du das in dieser Allgemeingültigkeit und Eindeutigkeit nicht gesagt hast. Aber für mich war schon ein kleiner Anlass auslösend. Mein Problem. Ich habe vielleicht schon zu viele einseitig schwärmende Aussagen über „die Moderne“ gehört, so dass ich da eine Überempfindlichkeit habe, auf kleinste Anlässe überreagiere und das Bedürfnis verspüre, einfach mal dagegenzuhalten. Ich benutze dazu auch mal verkürzende Schlagworte wie „Retortenstadt“. Und natürlich ist mir klar, dass und warum Brasilia nicht aussieht wie Hobbingen.

    Ich kenne auch umgekehrt völlig einseitig vernichtende Aussagen zur „Moderne“, da würde ich auch dagegenhalten. Die Wahrheit ist auch hier komplex und die Bewertung sollte dementsprechend ambivalent ausfallen.

    zuletzt geändert von friedrich

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    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #11161275  | PERMALINK

    friedrich

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    @go1So ganz haut das zeitlich nicht hin: Der Militärputsch war Ende März 1964, den Song „Garota de Ipanema“ haben Tom Jobim und Vinicius de Moraes schon 1962 geschrieben; die erste Aufnahme davon (von Pery Ribeiro) erschien im Januar 1963 (und „Corcovado“ ist von 1960). In der Zeit nach dem Putsch 1964 und vor Einführung der strikten Zensur 1968 haben sich aber tatsächlich die gängigen Themen der Lieder verändert, es wurde insgesamt weniger über Liebe, Lächeln und Blumen und mehr über soziale Themen geschrieben (also im Vergleich zu den Jahren vorher; natürlich wird überall und zu jeder Zeit über Liebe, Lächeln und Blumen gedichtet).

     

    Als ich etwas über das Brasilien dieser Zeit recherchierte, stieß ich u.a auf all diese Themen, die sicher nicht genau gleichzeitig einzuordnen sind, aber vielleicht in der gleichen Epoche. Auch wenn sie nicht unmittelbar etwas miteinander zu tun haben – das Girl From Ipanema und die neue Hauptstadt und das Militär – ergab das in meiner Vorstellung ein faszinierendes und gruseliges Bild voller Gegensätze. Ein politisches, soziales und wirtschaftliches Wirrwarr und eine schillernde Musikkultur. Und mir scheint, dass das für Brasilien nicht nur für diese Periode gilt.

    Aber auch das sind alles Schlagworte, die man bitte nicht zu genau sezieren sollte.

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    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
    #11164313  | PERMALINK

    go1
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    Es passt hier gerade in den Kontext: der Bassist und Musikpädagoge Adam Neely analysiert „Garota de Ipanema“ und bringt dabei Aspekte heraus, die mir neu waren, etwa über den Einfluss des Blues auf die Bossa Nova oder die harmonische Ambiguität und Poesie des Stücks. Sein Video enthält einen interessanten Vergleich von verschiedenen Versionen der Bridge des Songs (Getz/Gilberto vs. Pery Ribeiro vs. eine hypothetische Tin-Pan-Alley-Version). Und es ist darin oft genug vom Jazz die Rede, um den Hinweis gerade in diesem Thread unterzubringen.

    Titel: The Girl From Ipanema is a far weirder song than you thought

    --

    To Hell with Poverty
    #11164701  | PERMALINK

    vorgarten

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    go1Es passt hier gerade in den Kontext: der Bassist und Musikpädagoge Adam Neely analysiert „Garota de Ipanema“ und bringt dabei Aspekte heraus, die mir neu waren, etwa über den Einfluss des Blues auf die Bossa Nova oder die harmonische Ambiguität und Poesie des Stücks. Sein Video enthält einen interessanten Vergleich von verschiedenen Versionen der Bridge des Songs (Getz/Gilberto vs. Pery Ribeiro vs. eine hypothetische Tin-Pan-Alley-Version). Und es ist darin oft genug vom Jazz die Rede, um den Hinweis gerade in diesem Thread unterzubringen.
    Titel: The Girl From Ipanema is a far weirder song than you thought

    vielen dank, das ist superinteressant und sehr … äh… erschöpfend ;-) dass die blues-phrasen nicht ins real book kopiert wurden, weshalb seit 50 jahren nur „weiße“ versionen des songs gespielt werden, fand ich auch interessant – und das wunderbare fazit: die akkordfolgen sind so schön, weil sie durch weglassen der zwischenschritte so unlogisch geworden sind.

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    #11348043  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Am 25. Januar 1917 kam Tom Jobim in Rio de Janeiro zur Welt … hab gerade meine Jobim-CDs hervorgerkramt für die öde Tätigkeit im Heimbüro. Das rein instrumentale Debut von 1963 ist vermutlich bei uns in der Verve-Ausgabe (als „The Composer of Desafinado Plays“) bekannter sein dürfte. Ich habe bei der Reissue-Serie von Unviersal/Elenco 2004 etwas zugeschlagen, und da ich das enstprechende Verve-Reissue nicht hatte, auch dieses Album damals endlich gekauft. Es gibt einen Klassiker am anderen, u.a. „Garota de Ipanema“, „Insensatez“, „Chega de Saudade“, „Samba de uma nota so“, „Corcovado“, „Água de beber“, und zum Abschluss „Desafinado“. In der Band spielen u.a. der Jazzbassist George Duvivier, der Flötist Leo Wright und auf vier der zwölf Stücke Jimmy Cleveland. Die Posaune als Solo-Instrument weist auf das Album „Wave“ voraus, das wie das Debut von Claus Ogerman arrangiert wurde. Schlagzeug spielt Edison Machado, Jobim selbst spielt akustische Gitarre und Klavier.

    Weiter geht es danach mit dem Album, das Jobim mit Dorival Caymmi ebenfalls 1963 aufnahm, auch das von Unviersal neu aufgelegt (erst 2009 und etwas anderem Layout, keine Ahnung, ob das noch dieselbe Serie war, die eh keinen Namen trägt). Dorival brachte auch seine Frau Stela (Stella?) und ihre drei gemeinsamen Kinder, Tochter Nana und die Söhne Dori und Danilo mit, im Line-Up werden alle nur mit Vornamen genannt, Edison trommelt, aber auch Doum, Sergio spielt den Kontrabass, Danilo spielt die Flöte, Dori die Gitarre, Tom sitzt am Klavier, gesungen wird neben den beiden Co-Leadern auch von Stela und Nana (Stela hätte sich in letzter Minute entschieden, bei der Sessino teilzunehmen, sie singt „Canção de noiva“ aus der Feder von Dorival). Neben Stücken der Co-Leader erklingt auch Musik von Roberto Menescal, Durval Ferreira, Baden Powell, Vinícius de Moraes etc. – und es gibt Verwirrungen mit den Angaben zur Abfolge der Stücke (Tracklist zur CD, Abfolge der Tracks auf der abgebildeten LP-Rückseite und Angaben im innern des Booklet-Faltblattes).

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #11348103  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ich bin bei Runde zwei mit Jobim angelangt … passenderweise gab es vorhin draussen auch ein paar frühlingshafte Sonnenstrahlen. Beide Alben wurden 1967 aufgenommen (Mai/Juni oben, August unten, glaub ich) und von Claus Ogerman arrangiert. Das Setting ist dasselbe wie beim Debut, aber die Band grösser – es gibt auch eine Streichergruppe und gleich drei Flöten … wobei die ev. auch nicht bei allen vier Sessions dabei waren?). Jobim singt auch hie und da, aber der grose Teil ist instrumental, Urie Green spielt die meisten Posaunensoli, Jimmy Cleveland kriegt auch was ab … unabhängig davon, wie bezaubernd das ist, bleibt bei mir aber auch eine gewisse Unruhe bezüglich der bachelor’s pad-Thematik, die wir neulich drüben im Jazzfaden anrissen ( @redbeansandrice :bye: ), dass Leute aus der Band der „Tonight Show“ hier mit einem Davis-Sideman (Ron Carter, der ewige Creed-Taylor-Bassist) und mit allen Wassern gewaschene Profis (Urbie Green, und auch Jimmy Cleveland oder Jerome Richardson) auf ein paar Brasilianer treffen (Dom Um Romão und Claudio Slon, zwei der drei Drummer, der dritte ist Bobby Rosengarden, bekannter Studio-Musiker und eben: Mitglied der „Tonight Show“-Band) führt zu einem bezaubernden Kuntsprodukt, das zu recht Klassikerstatus erlangt hat, aber Herzensmusik von mir ist das nicht (das Debut schon eher). Auch interessant ist der Kontrast zu „Caymmi visita Tom“, denn dort scheppern die Drums manchmal ganz schön old school – es gibt nicht den zaghaften Bossa-Filter, der alles besänftigt, wie es hier schon recht stark der Fall ist. Erst im Closer drehen die Drummer auf, und Jobim (der davor auch ein paar Male Cembalo spielt – Morricone lässt grüssen @vorgarten :bye: ) spielt eine dreckige und laut nach vorn gemischte (akustische) Gitarre. Bei allen Vorbehalten, das ist schon ein grossartiges Album!

    „Off Key“ – oder eher: „my fillings are of key“ ;-) – hier singt Jobim dann die englischen Lyrics von Gene Lees zu „Desafinado“. In den Liner Notes gibt es zudem die ebenso „off key“-Definition von „heaven on earth“: „Like having a refrigerator always full of icy-cold Heineken’s.“ (Meine Variante wäre eher ein kühler Gewölbekeller voller belgischer Abtei-Biere.) Jobim kam frisch aus Kalifornien, wo er gerade das Album mit Sinatra aufgenommen hatte („The fake Revlon nails and Countess Mara ties that populated the control room during the Sinatra date are absent in New York.“ – die Liner Notes sind von Hal Halverstadt, sagt mir nichts). Natürlich geht das immer weiter weg von Brasilien, aber es wird auch immer besser in seinem ganz eigenen Genre … und Jobims karges Klavierspiel (auch typisches „composer’s piano“ @vorgarten) und natürlich sein schnörkelloser Gesang werden von Ogerman wunderbar eingebettet. Das grenzt wirklich an Perfektion hier!

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    #11348575  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ich mache mit Jobim weiter. „Tide“ war das Nachfolge-Album von „Wave“, im Frühling 1970 für A&M eingespielt, produziert von Creed Taylor, arrangiert diesmal von Eumir Deodate. Mir gefällt es auf seine Art wohl besser, gerade, weil es weniger auf smoothe Perfektion aus ist. Wer was spielt, ist nicht so klar, aber unter den Mitwirkenden finden sich Urbie Green an der Posaune, die Flötisten Joe Farrell, Jerry Dodgion und Hubert Laws, auf einigen Stücke Hermeto Pascoal mit Flötensoli (die wohl via Overdub beigefügt wurden, sieben Sessions gab es für das Album und gemäss den Infos im CD-Booklet findet sich auf den Basistracks jeweils nur eine Flötenspur, vermutlich meist von Farrell), Ron Carter spielt den Bass, Deodato das Klavier, aber auch mal die Gitarre, Jobim selbst eher Gitarre, aber auch mal Klavier. Das Album ist – auch darin Nachfolger von „Wave“ – erneut rein instrumental. Die Solisten sind gemäss der Hülle: Jerry Dogion (Altsax auf „The Girl from Ipanema“, mit dem das Album öffnet), Joe Farrell an der Bassflöte und einmal am Sopransax, Hermeto Pascoal an der Flöte im „Tema Jazz“, von dem es neben dem kurzen Master Take einen ebenso kurzen Alternate Take und am Ende einen langen (fast 6 Minuten) sowie den kompletten Mastertake (über 8 Minuten) gibt. Das ist sicher eins der Highlight, aber hier passiert musikalisch stets sehr viel!

    Mein nächstes Album ist „Matita Perê“, in Brasilien 1973 bei Philips erschienen, in den USA im gleichen Jahr bei MCA als „Jobim“ – und ich habe es tatsächlich auch in beiden Ausgaben (CD von 2000 unten, von 2008 – gleiche Reihe wie meine Tom/Caymmi-Ausgaben – oben). Hier ist wieder Ogerman am Werk, Jobim singt, die Stücke sind länger (acht Stücke, vierzig Minuten, das ist nach Bossa-Rechnung fast ein Doppelalbum). Das ist dann eher die Fortsetzung von „A Certain Mr. Jobim“ – wunderbare Arrangements, grossartiger Gesang – Jobims übliches détachement, das gerade erst recht alles auf den Punkt bringt … die Stimmung ist wieder ruhiger als bei „Tide“, aber zugleich scheint es in der Musik immer wieder unterschwellig zu brodeln, die Streicher sind wirklich bemerkenswert eingesetzt. Urbie Green ist auf zwei Stücken wieder dabei, Jobim spielt Gitarre und Klavier, Ron Carter und Richard Davis sind die Bassisten, Arito und João Palma erneut die Drummer, George Devens (Percussion) kommt dazu, die Flöten und anderen Woodwinds haben Ray Beckenstein, Phil Bodner, Jerry Dodgion, Don Hammond und Romeo Penque beigesteuert, alles bewährte Studiocracks, die auch bei vielen Sessions von Gil Evans mitwirkten (Don Hammond sagt mir allerdings nichts?). Harry Lookofsky leitet die Streicher-Section, und zwei unbekannte Hörner kommen auf dem Titeltrack auch noch dazu.

    Das ist wirklich ganz grossartige Musik – nicht nur, aber besonders „Matita Perê“. Ich glaub, so gepackt wie die Tage hat mich Jobim als Performer noch gar nie (muss am Pandemie-Mood liegen …)

    Was ich aber nicht begreife: weshalb enthält die US-Ausgabe „Aguas de Março“ gleich zweimal, am Anfang und am Ende? Und ist es dieselbe Version (gleich lang sind sie, es stehen nur Master-Nummern und die sind logischerweise nicht identisch, Take/Studio-Nummern fehlen).
    EDIT: ach so, nicht genau geguckt, für die US-Ausgabe wurde noch eine englische Version („Waters of March“) erstellt. Die neuere CD (oben) klingt sehr viel schöner, finde ich (wärmer, voller) – ich kann wohl ohne die englische Version des Openers leben ;-)

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    #11351547  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    (doppelpost, wie zum geier … lasse ich jetzt stehen, sonst geht der Index gleich nochmal kaputt – was für eine jämmerlich arme-leute-software hier!)

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    #11351549  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Grossartig! Hermeto Pascoal in São Paulo, 1978 – und bei ca. 21:45 ruft er Stan Getz auf die Bühne. Der fängt quasi mit nichts an, klingt eher wie ein paar Töne zum Aufwärmen … und daraus wird ein grossartiges Solo, allmählich aufgebaut, die Band schaltet unterwegs ein paar Gänge höher und der unsägliche bunch of guys reitet den Groove, wie nur ein Grossmeister das kann – am Ende fasert es aus, aber ohne dass die Band je den Groove aus den Augen verlieren würde – im Moment, als Getz das Sax aus dem Mund nimmt, bricht der Ausschnitt leider ab.

    Leider ist das Bild sehr dunkel – die ersten zwei Minuten gibt es hier in bessere Bildqualität:

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