Enja Records

Ansicht von 15 Beiträgen - 316 bis 330 (von insgesamt 759)
  • Autor
    Beiträge
  • #12298631  | PERMALINK

    atom
    Moderator

    Registriert seit: 10.09.2003

    Beiträge: 21,878

    Zum 50. Geburtstag hat Gerd Filtgen in der JAZZthing 50 exemplarische Alben vorgestellt. Hier die Liste:

    MAL WALDRON – Black Glory (1971)
    ALEXANDER VON SCHLIPPENBACH – Payan (1972)
    DOLLAR BRAND – African Space Program (1974)
    WALTER NORRIS & GEORGE MRAZ – Drifting (1974)
    BOBBY JONES – Hill Country Suite (1974)
    CECIL TAYLOR UNIT – Dark to Themselves (1976)
    DOUBLE IMAGE – Double Image (1977)
    JOHN SCOFIELD – Rough House (1979)
    CHARLES MINGUS – Mingus in Europe Volume I (1979)
    HANNIBAL – The Angels of Atlanta (1981)
    HAMPTON HAWES, CECIL MCBEE, ROY HAYNES – Live at the Jazz Showcase, Chicago Vol.1 (1981)
    TOMMY FLANAGAN – Thelonica (1983)
    SLICKAPHONICS – Modern Life (1984)
    MAX ROACH – Long as You’re Living (1984)
    KENNY BARRON – Scratch (1985)
    BENNIE WALLACE TRIO AND CHICK COREA – Mystic Bridge (1987)
    FRANCO AMBROSETTI AND FRIENDS – Movies (1987)
    CHET BAKER – My Favourite Songs – The Last Great Concert (1988)
    JERRY GONZÁLEZ & FORT APACHE BAND – Obatalá (1989)
    JOE LOVANO – Sounds of Joy (1991)
    DEWEY REDMAN – Choices (1992)
    AKI TAKASE AND DAVID MURRAY – Blue Monk (1993)
    EDDIE HARRIS FUNK PROJECT – Listen Here! (1993)
    KEVIN MAHOGANY – Double Rainbow (1993)
    RENAUD GARCIA-FONS – Alboreá (1995)
    ROMAN BUNKA – Color Me Cairo (1995)
    GLENN FERRIS TRIO – Refugees (1997)
    LEE KONITZ, STEVE SWALLOW AND PAUL MOTIAN – Three Guys (1999)
    CHARLIE MARIANO AND QUIQUE SINESI – Tango Para Charlie (2000)
    GIANLUIGI TROVESI – Round About a Midsummer’s Dream (2000)
    ARCHIE SHEPP AND MAL WALDRON – Left Alone Revisited (2002)
    AKI TAKASE – Aki Takase Plays Fats Waller (2003)
    MARKUS STOCKHAUSEN, FERENC SNÉTBERGER, ARILD ANDERSEN AND PATRICE HERAL – Joyosa (2004)
    SUSI HYLDGAARD – Blush (2005)
    DUSKO GOYKOVICH – Samba Tzigane (2006)
    MYRIAM ALTER – Where Is There (2007)
    JUN MIYAKE – Stolen From Strangers (2008)
    PASCAL SCHUMACHER QUARTET – Here We Gong (2009)
    THE JAZZ PASSENGERS – Reunited (2010)
    JOHANNES ENDERS – Billy Rubin (2011)
    RON MILES, BILL FRISELL, BRIAN BLADE – Quiver (2012)
    CERAMIC DOG – Your Turn (2013)
    ROY NATHANSON’S SOTTO VOCE – Complicated Day (2014)
    MYRA MELFORD – Snowy Egret (2015)
    LUCIA CADOTSCH WITH OTIS SANDSJÖ AND PETTER ELDH – SPEAK LOW – Speak Low (2016)
    ODED TZUR, SHAI MAESTRO, PETROS KLAMPANIS, ZIV RAVITZ – Translator’s Note (2017)
    MAKIKO HIRABAYASHI TRIO – Where The Sea Breaks (2018)
    ABDULLAH IBRAHIM – Dream Time (2019)
    JACQUES SCHWARZ-BART – Soné Ka-La 2-Odyssey (2020)
    ULI KEMPENDORFF’S FIELD – Someone Talked (2021)

    --

    Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...
    Highlights von Rolling-Stone.de
    Werbung
    #12299079  | PERMALINK

    vorgarten

    Registriert seit: 07.10.2007

    Beiträge: 12,714

    franco ambrosetti, after the rain (2015)

    MOVIES ist das ambrosetti-album, das filtgen vorstellt, AFTER THE RAIN ging wohl eher unter, aber ambrosetti bleibt so oder so für mich ein rätsel – die all star bands, die feuilletonistischen konzepte (hier geht es um den einfluss von john coltrane auf musiker seiner generation – es gibt auch zwei coltrane-kompositionen, die originalkompositionen aber könnte von ihm kaum weiter weg sein), die relativ glanzlose eigene stimme… ich hab das hier blind gehört, wusste nur, dass es ein ambrosetti-album ist. osby hab ich erkannt, bei carrington hatte ich eine leise vermutung, der pianist gefiel mir ausgesprochen gut (überhaupt das pianotrio im kern ist hier das, was spaß macht), aber ambrosetti selbst kam mir fast schludrig vor, und noch schlimmer fand ich das sopransax, der permanent den höhepunkt sucht, aber es weder technisch noch emotional hinbekommt – das ist dann wohl ein sohn? einen teil davon kann man wohl „charmant“ nennen, einen anderen wirklich hochklassig – aber die ressourcen muss man erstmal haben, um das zusammenzubringen…

    --

    #12299089  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,341

    Gunther Klatt & Elephantrombones – Live at Jazztage Leverkusen | Bevor ich die fünf mir verbleibenden Alben der 5000-Katalognummern abschliesse, ein kleiner Abstecher: es gibt auch das: ein ENJA-Album, das eigentlich ein TUTU-Album ist. Das zeigt sich darin, dass Peter Wiessmüller produziert hat (Weber tritt als „supervisor“ auf) und seine Pasparamas Music auch als Verlag der Klatt-Kompositionen auftritt. Das Album mit den vier Posaunen (Jörg Drewing, der auch Sopranposaune spielt, Daniel Casimir, Roberto Mandruzzato und Leo Gmelch an der Basssposaune) hat einen gewissen Krawallfaktor, aber die Rhythmusgruppe (Jürgen Wuchner/Andreas Krieger) ist gut und der Leader am Tenorsax in Form. Es gibt kurze und lange Stücke, „Jazz & Roll & Art & Soul“ macht den Abschluss, eine Art Novelty-Stück, „Benniethelonious“ könnte durchaus Wallace gewidmet sein, der ja auch ein Monk-Album herausgebracht hat? (Liner Notes Fehlanzeige), es gibt das „Radioaktive Kinderlied ‚Tschernobuppi'“, die Suite „That’s the Monk I See Now“ und weitere Stücke Titeln wie „Sex on Zebra“. Aufgenommen wurde das Album bei den 8. Jazztagen Leverkusen am 24. Oktober 1987 (vom WDR wohl, die Namen der Toningenieure sind Ansgar Ballhorn und Brigitte Esser).

    Als Bonus finden sich auf der CD (1989, die LP kam 1988 – ganz simultan war man wohl nie bei Enja) noch drei Stücke, 21 Minuten vom 12. Juni 1988 beim Festival in Münster, wo eigentlich Tomasz Stanko hätte auftreten sollen. Diesem wurde die Ausreise verweigert und als Stand-In-Band war Klatt mit Quartett zur Stelle (dieselben wie oben, aber nur Drewing von den Posaunen) – und das ist dann der Teil der Musik, den ich wirklich stark finde hier. Nicht zuletzt „Takino Off from Body and Soul“, mit dem Klatt sich in die Reihe der Tenorsaxophonisten einschreibt, die grosse Aufnahmen von „Body and Soul“ machten. Er ist dabei Wallace eben tatsächlich nicht unähnlich, wenn auch mit anderem Ton: kantig, rau, emotional, direkt. Die Musik des Quartetts hat einen offenen Geist und sein Spiel geht auch mal an den Rand des Tonalen oder zumindest der konventionellen Spielweisen.

    Die Infos (Stanko, Stand-in) und auch die Einschätzung, dass der ausharrende Teil des Publikums Teil „of the pleasure of a rare happening, that is, the way a stan-in bandd elevated itself to a special attraction of the festival“ geworden sei, gibt es im Booklet der fünften Veröffentlichung (CD-only gemäss Discogs) von TUTU, Int. Jazzfestival Münster, auf der noch zwei Stücke vom Auftritt des Klatt-Quartetts in Münster zu hören sind:

    Die tolle Cover-Art stammt von Inge Prokot, „softsculptures made of steams, lampskin & objets trouvés; created at Cologne 1975 – 1978“ steht dazu. Das auf dem Frontcover heisst „Elephantenenvironment“, das auf dem Rückcover, das ich nur für die Kunst auch noch einbinde, „One Phase of Elephant-Stele“ (das Foto der Band ist reinmontiert auf den Sockel der Installation). Ich nehme an die Titel waren mal Deutsch, vielleicht ist das hinten nur eine Vorstufe („Phase One“ könnte beim manchmal etwas linkischen Englisch damals durchaus „Erste Phase“ heissen?) zu tollen mehrteiligen Installation auf dem Frontcover. Viele Infos finde ich über Prokot (1933-2012) leider nicht, kannte sie auch gar nicht.

    Das ist ein TUTU-Album, das hier mitspielen darf: Das Jahr ist 1990 und „TUTU RECORDS is a division of Enja“, gefolgt von der gemeinsamen Adresse, steht ganz unten auf der Rückseite. Zweimal ist hier wieder „Art of the Duo“ zu lesen: zum Einstieg gibt es drei lange Stücke, fast eine halbe Stunde, von Albert Mangelsdorff mit John Scofield, zum Ausklang ein knapp neunminütiges Stück mit Aki Takase und Alexander von Schlippenbach. Dazwischen sind die Marty Cook Group mit Jim Pepper (ein zehnminütiges „Comin‘ to Get You – A Homage to Mr. D.C.“ und ein kurzes „Face the Nation“) und das Gunther Klatt Quartet (nochmal eine über Viertelstunde Musik, zusammen fast 37 Minuten, im LP-Zeitalter hätte das direkt für ein Album gereicht) zu hören.

    Das erste Duo funktioniert längst nicht so gut wie das von Lee Konitz mit Albert Mangelsdorff – aber ich finde es interessant, John Scofields Gitarre in so einem relativ kargen Rahmen zu hören, weil man sie quasi komplett hört, auch Aspekte, die in Band-Aufnahmen eher verschluckt werden. „Relativ“ schreibe ich dazu, weil Mangelsdorff ja bekanntlich mit einer vokalisierten Multiphonics-Posaune manchmal schon ganz allein wie eine halbe Elefantenherde klingt. Dennoch fange ich mich hier recht schnell etwas zu langweilen an, egal wie attraktiv das klanglich immer wieder ist. Nach je einem Original ist wohl der Set-Closer zu hören, „Alfie’s Theme“ von Sonny Rollins – und es ist schon recht toll, wie Scofield hier das Thema präsentiert, von Mangelsdorff nur walking-mässig begleitet, dabei selbst auch Basstöne und dann einen tiefen Basslauf wohl am untersten Ende der Gitarre beisteuernd.

    Marty Cook ist als Posaunist sicher nicht annähernd so gut wie Mangelsdorff – aber die Musik ist sofort ein paar Stufen lebendiger, wenn die Don Cherry-Hommage von Jim Pepper beginnt. Schuller/Betsch sorgen für einen pulsierenden, dunklen Beat und nach dem Leader übernimmt Pepper mit seinem kantig singenden Ton (wie toll Betsch ihm den Teppich ausrollt … schnelle Beckenschläge hier, eine angedeutete press roll da, ein paar „bombs“ von der Bass-Drum, und immer wieder patterns oder einzelne heftige Schläge auf der Snare). Und dann Teil 2, ein neues arrangiertes Riff und dann singt Pepper: „There comes an Indian comin‘ through the pass (past?) / Just to kick you in the ass / There comes an Indian, comin‘ real fast / Just to kick you in the ass.“ – und dann kriegt John Betsch das verdiente Solo. Was für eine tolle Performance! „Face the Nation“ von Cook, dem langen Applaus und der kurzen Ansage nach zu schliessen wohl die Zugabe des Sets, ist dann mit 2:46 Minuten ein kleiner Nachgedanke – natürlich Jim Pepper gewidmet.

    Das Album könnte auch hier enden … tut es aber zum Glück nicht, denn weiter geht es mit einer weiteren grossen Balladenperformance von Gunther Klatt, „Chelsea Bridge“ mit einem langen Solo-Intro (was hattest Du schon wieder im BFT von ihm @redbeansandrice? War’s das hier?). „Kuriosita“ ist das zweite Stücke der Klatt-Band, ein Romp mit Tailgate-Posaune über eine Art Two-Beat-Groove. Posaunist Jörg Drewing kriegt das erste Solo und braucht sich nach Cook nicht zu verstecken. Dann ist Klatt dran, hinter ihm bald wieder Tailgate-Posaune … ich stelle mir das live etwas fesselnder vor, auf CD bin ich für die Balladenperformances da (oder höre mein anderes Klatt-Album, das aus der Post-Enja-Zeit bei Tutu stammt, „Gunther Klatt & New York Razzmatazz Vol. 1“ – aufgenommen zwar schon 1991 (Frank Lacy, Ed Schuller, Ronnie Burrage), aber erst 1995 erschienen (und wo bleibt Vol. 2? Her damit!).

    Das Duo der Stand-Up-Comedians, die sich aus der Stummfilmzeit ins Nachkriegsdeutschland verirrt haben und letztes Jahr beim Jazzfest Berlin wieder mal zu erleben waren, ist zunächst eher introspektiv, irgendwann fangen sich Linien in denselben Lagen zu überlagern an – es gibt eine gewisse Verdichtung, der aber mit Entzerrung des Tempos begegnet wird, bis dann aus der Ruhe hinaus wieder Beschleunigungen und Verdichtungen gesucht werden. „Fictitious Paragon“ nennen Aki Takase und Alexander von (hier Alex v.) Schlippenbach ihr schönes Stück, mit dem das Album schliesst.

    Was man manchen CDs aus der Zeit vielleicht wirklich vorwerfen kann: sie sind zu lang. Die Münster-Compilation mit ihren 70 Minuten kann man ja sehr gut gestückelt hören (die vier „Art of the Duo“-Tracks sind um die 40 Minuten lang und auch grad eine gute LP, 17 von Klatt un 13 von Cook/Pepper sind da fast eine Art Bonus, der halt in die Mitte geschoben wurde), bei Klatt kann man Münster weglassen, verpasst dann aber das, was die CD von „hörenswert“ zu „ziemlich toll“ macht.

    Und noch dies: ENJA bietet ein einziges Blatt von 12 x 12 Centimetern als Cover, bei TUTU gibt es ein Booklet von 8 Seiten, darin s/w-Fotos von ScoMa, Cook/Pepper und Takase (mit gekreuzten Beinen am Klavierspielen – sie war schon immer auch eine Poserin) sowie ein Foto von Ed Schuller vor einem grossen Poster, auf dem ein anderer Bassist zu sehen ist (wer?), daneben eine (bei Takase und Mangelsdorff unvollständige) Enja/Tutu-Diskographie der Künstler, die auf der CD zu hören sind.

    PS: Eigentlich hiess er schön Günther, der Klatt? Hier ist er überall mit „u“ geschrieben … vermutlich bestand die Hoffnung, es ennet dem Atlantik zu schaffen und da sind Umlaute halt im Weg.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12299095  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,341

    vorgarten
    franco ambrosetti, after the rain (2015)
    MOVIES ist das ambrosetti-album, das filtgen vorstellt, AFTER THE RAIN ging wohl eher unter, aber ambrosetti bleibt so oder so für mich ein rätsel – die all star bands, die feuilletonistischen konzepte (hier geht es um den einfluss von john coltrane auf musiker seiner generation – es gibt auch zwei coltrane-kompositionen, die originalkompositionen aber könnte von ihm kaum weiter weg sein), die relativ glanzlose eigene stimme… ich hab das hier blind gehört, wusste nur, dass es ein ambrosetti-album ist. osby hab ich erkannt, bei carrington hatte ich eine leise vermutung, der pianist gefiel mir ausgesprochen gut (überhaupt das pianotrio im kern ist hier das, was spaß macht), aber ambrosetti selbst kam mir fast schludrig vor, und noch schlimmer fand ich das sopransax, der permanent den höhepunkt sucht, aber es weder technisch noch emotional hinbekommt – das ist dann wohl ein sohn? einen teil davon kann man wohl „charmant“ nennen, einen anderen wirklich hochklassig – aber die ressourcen muss man erstmal haben, um das zusammenzubringen…

    Das Album liegt hier auch noch … kenne es noch gar nicht, irgendwann von 2-3 Jahren mal bei irgendwas anderem mitgekauft.

    Flavio (1919-2012) war der Vater, der leider nur wenig aufgenommen hat. Er war einer der ersten in der Schweiz, die Bebop konnten und auch einer der ersten, der zum Hard Bop weiter ging. Flavio Ambrosetti ist auf „Franco Cerri and His European Jazz Stars“ dabei (1959 mit Flavio Ambrosetti, Lars Gullin, George Gruntz, Michael [eigentlich: K.T.] Geier, Pierre Favre..

    Franco, der Sohn (*1941), machte früh Musik, studierte Wirtschaft, übernahm dann die Familienfirma (CH/IT): „Ambrosetti Industrial Group produced steel wheels for vehicles and landing gears for airplanes, counting 600 employees. Franco joined the family company in 1973 as Vice President, then became CEO and later Chairman. In 2000 he sold the business in order to concentrate on his musical career“, wie in der ausführlichen Biographie von Franco hier zu lesen ist:
    https://www.francoambrosetti.com/biography/

    Die 1972 unter dem Namen The Band von George Gruntz, Flavio Ambrosetti, Franco Ambrosetti und Daniel Humair als Co-Leader gegründete, ab 1978 als The George Gruntz Concert Jazz Band unter alleiniger Leitung Gruntz‘ erfolgreich gewordene Big Band hatten wir bei ECM schon kurz, bei Enja taucht sie (bei mir ziemlich bald, Katalognummer 6004) auch wieder auf. Aber damit hatten die Ambrosettis bald nichts mehr zu tun, Aufnahmen aus der Frühzeit kenne ich nicht wirklich, da gibt es auf MPS was, aber ob und wie lang die Ambrosettis da wirklich dabei sind (oder Humair) weiss ich nicht.

    Eine von Enjas richtig schönen Compilations ist jedenfalls „Anniversary“, ein Karriererückblick von Flavio Ambrosetti, zwei CDs und gutes Booklet:

    Gianluca (*1974) ist dann der Enkel (Sohn von Franco) – für den ich mich allerdings nie interessiert habe … manchen Aufnahmen von Franco und auch seiner wie ich finde durchaus eleganten Trompete kann ich einiges abgewinnen, aber man könnte die Familiengeschichte vielleicht auch als eine Art Niedergang über Generationen sehen (also: Franco ist vielleicht der interessanteste Musiker, Flavio – das passt dann ganz gut ins „Buddenbrooks“-Schema – noch recht gut und vor allem erfolgreich …)

    EDIT: hier noch Ambrosetti im O-Ton (Englisch) über seine berufliche Laufbahn:
    https://www.ticinowelcome.ch/en/canton-ticino-e-oltre/personaggi-canton-ticino-e-oltre/franco-ambrosetti-una-duplice-esistenza/

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12299109  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    danke einmal mehr für die schönen Posts zu Klatt und Ambrosetti! Ich hatte in meinem bft damals das einzige, was ich von Klatt hatte, Chelsea Bridge aus Leverkusen… und ja, Günther ist es

    --

    .
    #12299129  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067


    Gunther Klatt & Aki Takase Play Ballads Of Duke Ellington

    Klatt hat schon auch gerne selber die Pünktchen weggelassen wie es scheint… aber auf seinem selbstproduzierten Album (hier) hat er sie stehengelassen, war wohl mal so mal so… (das selbstproduzierte ist ja auch das Album, das wohl eigentlich auf Enja hätte erscheinen sollen, aufgenommen in Ludwigsburg, hinten steht dann „Producer: Günther Klatt. Reason: Don’t know“) Das Konzept, Klatt und Takase so Ellington/Strayhorn Balladen spielen zu lassen, ist jedenfalls so einfach wie idiotensicher, ich sag jetzt mal, dass Archie Shepp das auch nicht besser gemacht hätte, aber wahrscheinlich irgendwie ähnlich… der Nachruf auf Klatt hier liest sich fast ein wenig, als wär er von @friedrich

    --

    .
    #12299147  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,341

    Danke für die Gedächtnishilfe zum BFT und den Post zum Klatt/Takase-Album, das mir leider noch fehlt (ebenso wie das andere Duo).

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12299149  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    mit dem anderen Duo meinst du das mit Tizian Jost? Das ist auch schön, aber ähnlich… Wiessmüller macht sich in dieser Dokumentation über Klatt etwas entnervt drüber lustig wie Klatt drauf bestand, dass die Digipacks nicht rechteckig sondern trapezförmig werden sollten, und dass er alle Exemplare mit einem kleinen Kunstwerk illustriert… (Draussen steht: This is a LIMITED EDITION. Inside each cover you will find an original and unique artwork, signed by Gunther Klatt. Be clever!)

    --

    .
    #12299159  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    nachtrag, hier ist immer noch der Klatt Film online, Marty Cook bei Minute 27, Wiessmüller bei Minute 42 und vor allem bei Minute 60 wo er unter anderem erzählt, dass er von dem Elephantrombones Projekt so begeistert war, dass Weber ihn das für Enja produzieren liess… aber ist auch einfach spannend, diese ganzen Leute in ihren Wohnungen zu sehen, das macht Enja auf irgendeine Art eine Spur lebendiger – auch wenn Weber und Winkelmann fehlen…

    --

    .
    #12299163  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,341

    Danke für die Erinnerung an den Film – und ja, das Album mit Jost meinte ich.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12299165  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,341

    Michele Rosewoman – Quintessence | Leaderinnen sind bei Enja bis dahin rar – aber die 1953 in Oakland geborene Pianistin Michele Rosewoman scheint ordentlich Eindruck gemacht zu haben, und das ist leicht nachzuvollziehen bei diesem Label-Debut (es gab 1984 schon ein Album auf Soul Note, das Enja-Album ist ihr zweites). Steve Coleman (as) und Greg Osby (ss – nur auf „Lyons“ auch as) sind dabei, als Rhythmusgruppe fungieren Anthony Cox und Terri Lyne Carrington. Winckelmann hat produziert, A & R Studio in New York, 26. und 28. Januar 1987. Die CD kam gemäss Discogs erst 1993 (unklar, auf meiner steht nur 1987) und enthält einen zusätzlichen Track, „The Dream (#3)“. Rosewoman hat alles Material selbst komponiert. In den Liner Notes schreibt Thulani Davis, dass Rosewoman schon seit 1973 als Bandleaderin unterwegs sei, als Leaderin von Bands zwischen Trios und einer 14-köpfigen Formation. Davis wertet „Quintessence“ als „a real coming of age“.

    Ich möchte den zweite Absatz der Liner Notes von Thulani Davis gleich ganz zitieren, denn ich finde das folgende eine hervorragende Beschreibung von Michele Rosewomans Musik:

    Like others of the younger generation Rosewoman pays homage to tradition, spiritedly drawing on the legacies of Be-Bop, ’60s and ’70s Miles, and the infinite variety of Cecil Taylor and Ornette Coleman. She can move freely in dense dissonant landscapes, and when she goes for the funk, she can always find the pocket. Rosewoman has carved out a unique sound by also studying other world music traditions, particularly Cuban folkloric music. Years of playing Latin has made Rosewoman a driving, percussive player with a mean left hand, and she has consistently been praised by critiss for her inventive solo wkr and the rich textures of her compositions. Michele Rosewoman’s music is lushly colored, open-ended music, propelled by a variety of rhythmic possibilities.

    ~ Thulani Davis

    Die Musik bietet boppige Linien, Vamps, Clusters, harte Beats, kantige Bass-Licks, Formen und ihre Dekonstruktion, wilde Sprünge, üppige Harmonien, funky Romps … das geht ständig in alle Richtungen, klingt aber zugleich völlig kompakt und in sich total stimmig. Vielleicht bietet sich in mancher Hinsicht das Dave Holland Quintet als Vergleich an, mit dem sich das Quintessence-Quintett den einen Saxophonisten teilt? Die Schattierung ist vor allem dank Anthony Cox‘ tiefschwarzem Bass recht dunkel – was das helle, tatsächlich perkussive Klavier der Leaderin hervortreten lässt (hör ich da etwas mehr Chick Corea als bei den meisten anderen? Jedenfalls weiss sie das Haltepedal wohltuend dosiert einzusetzen und klingt stets knackig frisch), das gibt manchmal – auch mit Coleman – eine Art Chiaroscuro-Effekt, den ich sehr schön finde. Die ganze Band überzeugt mich hier, alle fünf klingen sie frisch, wenig, aufmerksam, schnell – alle haben Chops bis zum Abwinken, wissen aber auch, wann sie Druck machen und wann nicht.

    Ein hervorragendes Album, das ich erst im Kielwasser unserer 90er-Strecke entdeckt habe, als ich meine Rosewoman-Bestände von null auf sechs ausbaute (viermal Enja, aber „Harvest – Quintessence III“ ist leider gerade verschollen).

    Und damit bin ich in der Ecke angekommen, in der Enja und M-Base sich berühren – das wäre ja von der Katalognummernchronologie her längst fällig gewesen (Klatt ist 5069, Rosewoman 5039), aber ich wollte einen Tag mit genügend Zeit dafür abwarten und den habe ich heute. Und irgendwie bin ich froh darum, denn hier weht ein frischer Wind herein – und es drängt sich mir ein wenig der Gedanke auf, dass bei aller Qualität, die die Produktionen von Enja auch Mitte der Achtziger boten, ein wenig von der Experimmentierfreude, von der Frische, der Überraschung der ersten Jahre verschwunden ist im Lauf der Achtziger? (Und vielleicht als Folgefrage, die unbeantwortet bleiben muss: ob mein Eindruck gleich wäre, wenn ich auch hier den Katalog noch fast vollständig kennen würde? Ob mein Fazit dann eher positiver oder negativer ausfallen würde? Meine Vermutung ist natürlich letzteres, denn sonst hätte ich zu diesem Zeitpunkt auch weniger Lücken … wobei diese ja schon auch dadurch zustande gekommen sind, was in den letzten 30 Jahren halt [nicht] erhältlich war.)

    Gary Thomas – Seventh Quadrant | Das Album läuft gerade zum erten Mal, ich habe es vor ein paar Wochen bei einer Enja/Tutu-Bestellung auf Discogs gekauft, nachdem @vorgarten es hier beschrieben hat:

    ich fange mal hier an, obwohl ich eher lust habe, bei den frühen enjas lücken zu schließen. aber interessant ist das schon, dass thomas sein debüt für enja aufnahm, nachdem die chefs drei jahre füher die historische chance verpasst hatten, das debüt von steve coleman zu produzieren, dessen musik ihnen zu wenig akustisch war (ihr volontär und damalige „mann in new york“ stefan winter übernahm den job dann und gründete dafür JMT). tatsächlich hat das hier einen eher akustischen ansatz, wenn man von bollenback und seinem sporadisch eingesetzten gitarrensynth absieht. gefällt mir sehr gut, thomas spielt halt wie kein anderer tenorsaxofonist (und flötist), und eine band aus rosnes, anthony cox und jeff ‚tain‘ watts schadet auch nicht. erstaunlich reif für ein debüt, eine dunkel anrollende materie, wenn sich thomas erstmal warmspielt, bollenback gefällt mir auch ziemlich gut, der gehört zu den jazzinformierten freigeistern und spielt akzentuiert, nicht dominant. habe ich alles noch nie gehört. hatte „m-base auf enja“ erwartet, aber das ist was anderes, eigenes.

    Das ist tatsächlich nochmal ein gutes Stück dunkler als das Rosewoman-Album – oder: es fehlt der helle Gegenpol, weil Rosnes anders klingt (nicht so knackig und akzentuiert, das ist der Unterschied, der mich zur „mehr Corea“-Vermutung bringt, hier höre ich im Anschlag vielleicht eher Tyner) und das Tenorsax vs. Alt/Sopran natürlich auch zu einer Akzentverschiebung führt. Das hat einen tollen Flow, zieht mich schnell rein (auch wenn ich den Gitarrensynthesizer meist nicht gebraucht hätte). Jeff „Tain“ Watts ist super, druckvoller als Carrington, unberechenbarer – und das passt hier sehr gut. Wenn im langen „No“ nach starken Soli von Rosnes und Bollenback eine lange Duo-Passage von Thomas/Watts erklingt, liegt es nicht fern, an John Coltrane und Elvin Jones zu denken. Im folgenden „First Sketches“ verläuft die Achse dann zwischen Querflöte und Gitarre und Rosnes pausiert zunächst, spielt dann aber ein feines Solo, das in seiner Linearität zunächst etwas an Tristano erinnert – auch ein interessanter Gedanke, sich das Album ohne Klavier vorzustellen (kein Rosnes-Diss, ich mag sie … hab ich eigentlich als Folge der 90er-Strecke auch mal noch wiederhören und etwas vertiefen wollen). Im Titelstück finde ich dann den Gitarrensynthesizer für einmal ganz gut eingesetzt, das funktioniert mit seinem stapfenden Beat und dem Zusammenspiel von Bollenback und dem Tenorsax des Leaders super. Wie zum Ausgleich – und auch für gute Abwechslung sorgend – ist dann im kurzen „Labyrinth“ wieder Rosnes an der Reihe, im Duo mit dem Leader (ts), der hier als grossen Balladenkünstler glänzt. In „Chiaroscuro“ klingt die Band wieder so integriert und eng verzahnt wie im Opener, Thomas greift nochmal zur Flöte, Rosnes und Bollenback sind stark, Cox/Watts spielen eine Art Latin-Backbeat, den ich nicht wirklich einordnen kann – ein echt tolles Stück, das aber mit seinen acht Minuten zu viel für die zweite LP-Seite gewesen wäre (die LP-Seiten dauern schon ca. 26 Minuten). Wie die erste endet auch die zweite Hälfte mit einem zehnminütigen Stück – dem schon erwähnten Closer von Terri Lyne Carrington, „The Eternal Present“, in dem Watts nochmal richtig aufdreht, während Cox eine bewegliche Begleitung spielt, die wie im Funk immer wieder satt auf der Eins landet, sich dazwischen aber immer mehr Freiheiten herausnimmt. Das ist aller erneut total ineinander verzahnt, das irre Solo des Leaders wirkt fast nicht wie eins, weil die Begleitung so dicht ist (kein Klavier, aber Gitarre mit Synthesizer-Effekten). Nach sieben Minuten ist dann das Bass/Drums-Gespann dran. Cox rifft weiter, während Watts irres Zeug mit dem Beat anzustellen beginnt.

    Unterm Strich wirkt das Album lässiger, entspannter als das von Rosewoman. Wenn Kevin Whitehead es in seinen Liner Notes „a blowing date“ nennt, finde ich das spätestens im zweiten Stück („Tablet of Destinies“, hier sitzt zum einzigen Mal Billy Murphy am Schlagzeug und Bollenback pausiert) total plausibel, ohne dass diese Aussage die Kompaktheit und Geschlossenheit des Gebotenen mindern würde. Dennoch finde ich das unterm Strich etwas weniger aufregend und packend als „Quintessence“. Zugleich ist es aber ein Album, das ich mir regelmässiger zu hören vorstellen kann.

    Von wann die Aufnahme ist, muss ich im Netz suchen, denn bei meiner CD (1987 steht drauf, aber sie gehört zur 25th Anniversary Series, erschien also ca. 10 Jahre später – never mind the details, wie so oft bei Enja) gingen sie vergessen (null Infos zu Produktion, Studio, Ort, Komponist*innen, Coverdesign, Foto… – eben: never mind the details): A & R Studios, New York City, 3. und 4. April 1987. Das Material stammt bis auf zwei Ausnahmen vom Leader. „First Sketches“ stammt von einem Anthony Perkins, der auch auf Thomas‘ „The Kold Kage“ nochmal auftaucht, sonst bei Discogs nicht nochmal), der Closer „The Eternal Present“ dann von Terri Lyne Carrington – und das ist nicht die einzige Verbindung zum Album von Rosewoman, denn auf CD (in diesem Fall ist beides, LP und CD, bei Discogs von 1987 verbürgt) gibt es an zweitletzter Stelle noch einen Zusatztrack eingestreut und der heisst passend zu meinen Zeilen oben (hatte ich da noch gar nicht gesehen): „Chiaroscuro“. Das Coverfoto stammt von Jennifer Bishop.

    Michele Rosewoman & Quintessence – Contrast High | Aus dem Albumtitel ist ein Bandname geworden, als in den ACME Studios in Mamaroneck, NY im Juli 1988 dieses zweite Rosewoman-Album für Enja entsteht (produziert von Rosewoman selbst, aufgenommen von Peter Dennenberg, mit dem Rosewoman dann den Mix machte). Osby spielt hauptsäcchlich Altsax, Gary Thomas (ts/fl) ist anstelle von Coleman dabei, Lonnie Plaxico (auch am E-Bass) und Cecil Brooks III sind die neue Rhythmugruppe und auf „The Dream #1“ (#3 gab’s auf dem Vorgänger-Album) ist noch Eddie Bobé (bgo/guiro) dabei. Der Klang ist dunkler als beim ersten Album, was nicht nur am Tausch des Sopran- gegen das Tenorsax liegt sondern auch an Plaxico, der im Opener „Commit to It“ gleich die Bassgitarre spielt, die recht dominant wirkt, während Brooks leichter aufspielt als Carrington, mehr einen klöppelnden Flow sucht als die grossen Eruptionen (wie Watts sie als kleinere und grössere Erschütterungen ständig durch die Musik wabern lässt). Im zweiten Stück, „Panambula“, im Trio gespielt, packt Rosewoman ihre Latin-Jazz-Chops aus, bevor Plaxico ein Solo spielt – jetzt am Kontrabass, der mir etwas zu hallig (schmierig, was auch immer, er klingt zu leicht zu lang nach) aufgenommen ist, aber an sich super klingt. Wir sind in den Achtzigern – also packt jetzt auch Rosewoman den Synthesizer aus, wenn sie in „Of All“ auch singt (nicht immer intonationssicher und mit ziemlich dünner Stimme – nicht die beste Idee, finde ich). Danach sind Osby und Thomas zu hören, die richtig gut zusammen klingen. Ich finde diese zweite Runde zwar nach wie vor super und vieles, was Thulani Davis (und ich) oben sagen, stimmt auch hier noch – aber ich höre eine Gewichtsverlagerung hin zu mehr Klavier und insgesamt eine weniger druckvolle (hat mit dem Schlagzeug viel zu tun, wobei Brooks mir an sich hier gut gefällt) und weniger tighte Band. Auch die Latin-Schiene ist etwas deutlicher präsent, auch im zweiten Stück mit Gesang, „Akomado“, das nach Yoruba klingt (ich habe keine Ahnung)? Hier ist Osby am Sopran zu hören und verschmilzt da ebenso gut mit Thomas – und Brooks ist stark. Rosewoman glänzt jedenfalls, ich finde sie auf dem ganzen Album hervorragend. Auch Plaxico spielt stark auf und die Bläser haben ebenfalls immer wieder tolle Momente.

    Der Credit für das Gemälde auf dem Cover: Estera. Da kann ich nichts weiter finden, finde das Bild aber gut – und noch besser ist es in der US-Ausgabe, die eine schöner (aber weniger „contrast high“) Farbe zur Einbettung bietet:

    EDIT: weil ich das unterschlagen habe, obwohl es in den Liner Notes erwähnt wird – der Nachtrag von @vorgarten, danke:

    vorgarten
    schön, was hier los ist, die rosewoman-ecke muss ich auch noch auffrischen, zur vö-zeit hatte ich nur CONTRAST HIGH von ihr. osby, thomas & plaxico waren übrigens zu der zeit auch 3/5 der special edition von jack dejohnette, also sehr gut aufeinander eingespielt.

    Das Überlängen-Problem haben diese Enja-Alben übrigens alle nicht (auch nit „Seventh Quadrant“, das mit einer Stunde Spieldauer das längste der drei ist) – das scheint eher ein Wiessmüller-Ding gewesen zu sein.

    Das Album von Tony Reedus, das @vorgarten auf der letzten Seite vorstellt, kenne ich übrigens noch nicht – hatte noch nicht mal das Cover zur Kenntnis genommen. Es würde hier wohl auch ganz gut dazu passen – aber bei mir geht es jetzt wieder eher traditionalistischer zu und her … noch zwei 5000er-Alben, dann bloss etwas über ein Dutzend 6000er bei denen nur einmal ein paar M-Base-nahe Namen auftauchen (Cox, Graham Haynes).

    Da ich nochmal was übersprungen habe, um das zweite Rosewoman-Album auch hier unterzubringen, nochmal die Lücken und Auslassungen* des letzten Teils der 5000er-Nummern:

    5075 – Maria João and Aki Takase – Looking for Love
    5077 – Barbara Dennerlein – Straight Ahead
    5079 – Franco Ambrosetti – Movies Too*
    5081 – Ray Anderson – Blues Bred in the Bone
    5083 – Heinz Sauer – Cherry Bat
    5087 – Jim Pepper – The Path* (lief bereits)
    5089 – Stanton Davis – Manhattan Melody
    5093 – Leni Stern – Secrets
    5095 – Jerry González & Fort Apache Band – Obatalá
    5097 – Chet Baker – My Favourite Songs
    5099 – Mitch Watkins – Underneath It All

    (5085 und 5091 sind „Seventh Quadrant“ und „Contrast Hight“)

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12299179  | PERMALINK

    redbeansandrice

    Registriert seit: 14.08.2009

    Beiträge: 14,067

    Estera Rosewoman war die Mutter von Michele Rosewoman, eine bildende Künstlerin… hier sind scheinbar noch ein paar mehr ihrer Bilder zu sehen

    --

    .
    #12299185  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,341

    Ah, super – sowas ähnliches hatte ich zwar erwartet, aber auf die Idee, so nah zu suchen, kam ich dann doch nicht :-)

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12299195  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 68,341

    Kenny Barron – Live at Fat Tuesday’s | Die beiden Alben hier folgen im Katalog direkt auf „Red White Black and Blue“ von Marty Cook und „Live at Leverkusen“ von Gunther Klatt & Elephantrombones. Wenn Du ein Album im Quintett (t/ts) mit „There Is No Greater Love“ öffnest, dann ist die Referenz klar: Miles Davis. Und so ist das erst recht, wenn Eddie Henderson das mit Dämpfer tut – am 15. und 16. Januar 1988 im New Yorker Fat Tuesday’s (Jim Anderson und David Baker haben die Aufnahme gemacht). Fünf längere Stücke sind zu hören, auf der 70minütigen CD noch zwei Bonustracks. Die Atmosphäre ist schon im Opener toll, das stellt für meine Ohren „What If?“ schon in den ersten paar Minuten in den Schatten – kommt dazu, dass die Aufnahme schöner ist, klarer als bei RVG. Es folgt eine tolle Solo-Version von „Misterioso“ von Monk, bevor es zu den Originals geht. Barrons Klavier klingt sehr toll – den Kontrast zu Rosewoman und ihrem perkussiv spitzen Latin-Piano finde ich gerade frappant: Barron klingt sehr viel farbiger, obertonreicher, wärmer. Dann ein Set-Closer, wie der Ansage zu entnehmen ist, „Lunacy“, das erste von drei Barron-Originals, mit dem die A-Seite der LP endet. John Stubblefield und Eddie Henderson brennen, Victor Lewis treibt sie an – das hat einen Drang, wirkt so druckvoll und zwingend, wie es fast nur im Live-Rahmen möglich ist.

    Auf der B-Seite der LP gibt es zwei weitere Barron-Originals. „Sand Dune“ im mittelschnellen 3/4 klingt so, als hätte es ganz gut auf „Empyrean Isles“ gepasst. Ein Thema aus langen Haltetönen, untermalt von einem gegenläufigen Bass, feinen Schlagzeug-Akzenten und natürlich vom Klavier des Komponisten und Bandleaders. Stubblefield spielt ein tolles Solo, sein Ton etwas weniger voluminös als üblich, gradlinig, sehr konsequent. Henderson übernimmt für ein kürzeres Solo an der gestopften Trompete, singend – mit kleinen Ausrufen zwischen den Phrasen (oder ist das wer anders, der sein Spiel kommentiert?). Und immer wieder höre ich Victor Lewis zu, der auf diesem Album wirklich ausserordentlich toll spielt. Nach dem Leader am Klavier ist auch McBee mit einem flirrenden Arco-Solo zu hören. Dieses längste Stück des Albums ist vielleicht auch mein liebstes. Ich kriege hier den Eindruck, dass die neugewonnene Offenheit von „Scratch“ mit dem, was Barron mit seinen Working Bands (bzw. dieser Working Band hier) macht, zusammenfindet. Mit *518″ endet dann die LP wieder mit einem schnellen Latin-Beat. Stubblefield setzt gleich wieder zu einem tollen Solo an, sehr stringent zunächst, dann bricht er in wildere Gefilde aus, greift die Inputs der Rhythmusgruppe auf. Nach Henderson folgt Barron mit einem rauschenden Klaviersolo.

    Das CD-only letzte Drittel (70 Minuten, aber bei so einem tollen Live-Dokument finde ich hier Bonusmaterial sehr willkommen) besteht aus zwei weiteren langen Originals: „Something for Ramone“ von Stubblefield ist das erste, ein Bass-Vamp setzt den Ton, Barron setzt sich rein, dann stellen die Bläser – die hervorragend harmonieren – das Thema vor. Henderson glänzt nach dem Leader am offenen Horn und einem weiteren tollen Barron-Solo ist auch McBee an der Reihe. Der Closer „Dreams“ stammt dann von Henderson und öffnet mit einem langen unbegleiteten Intro von McBee, der so nach zweieinhalb Minuten zu riffen anfängt, worauf die anderen vier einsteigen und eine ähnliche Stimmung wie in „Sand Dune“ schaffen. Rubato, kein durchlaufender Beat, aufsteigende Melodie-Riffs – auch da, wo die Musik sich kurz zu verfestigen scheint, bricht sofort wieder was auf, die Stimmung bleibt offen – und für einmal ist Henderson als erster dran und ist in seiner vielleicht besten Form hier. Nach einem Klaviersolo von Barron, das so halb auch eine Trio-Passage ist, ist gleich nochmal McBee an der Reihe. Ein wunderbarer Closer, den ich echt nicht missen möchte.

    Abdullah Ibrahim – Mindif | Das nächste Album, direkt nach Baron im Katalog, ist „Mindif“ von Abdullah Ibrahim, benannt nach einem freistehenden Berg im Norden Kameruns, wo Claire Denis ihren Film „Chocolat“ drehte, der 1988 in Cannes lief. Das Album von Ibrahim ist der Soundtrack zum Film, den ich leider noch nicht kenne. „I expect from my musicians the same things that I demand from myself […]. They must love the music an be totally honest in their playing. The main point is to find your own voice and translate it into music.“ Dieses Zitat steht am Anfang der anonymen Liner Notes zu meiner CD – in diesem Fall das Reissue von 2000, weil das Album lange eine Lücke war. Ich habe es vermutlich erst so vor 15-20 Jahren gekauft und noch nicht oft gehört – weil ich halt doch die meiste Zeit zu den alten Favoriten greife, wenn ich Ibrahim hören möchte (wenn es ein Ekaya-Album ist, dann meist „No Fear, No Die“, das eine Zeit lang sehr häufig lief, oder „African River“ – also die beiden nächsten for Enja). Die Band ist eine neue. Benny Powell (tb) teilt sie sich mit der des ähnlich panafrikanisch tätigen Randy Weston, Craig Handy (ts/fl) und Ricky Ford (ts/ss) sind die Saxophonisten, David Williams und Billy Higgins die Rhythmusgruppe, die am 7. und 8. März 1988 im Van Gelder Studio dabei waren. Das ist natürlich Lieblingsmusik, wie alles von Ekaya aus der Zeit (die späteren Besetzung der Nuller- und Zehnerjahre fand ich nicht mehr so super, drum die Eingrenzung).

    Besonders schön die neue Version von „African Marketplace“ (am Sopran ist Ford sehr anders als am Tenor, weicher, runder Ton, nicht so in alle Richtungen überbordend), das zweite und längste Stück hier. Die Ellington-Anklänge sind präsent, die typischen Dollar-Brand-Melodien, die Rhythmen, die singenden Drums. Billy Higgins scheint sich im Titelstück – im Trio aufgenommen – buchstäblich in einen Ibrahim-Drummer zu verwandeln … und David Williams, den ich bisher irgendwie nie so wirklich zur Kenntnis genommen habe, ist auf dem ganzen Album hervorragend, auch wenn er – im Solo im Titelstück z hören – wieder beinah grenzwertig aufgenommen ist. Wenn Ibrahim da nach dem Bass-Solo wieder einsteigt, stockt mir kurz der Atem.

    Es folgen fünf eher kürzere Stücke (3-5 Minuten, wie der Opener „Earth Bird“). In „Protée“ greift Higgin sich eine Guimbri (? auf der Hülle steht „Gambray“) und der Leader chantet, sonst ist nur noch Williams am Bass dabei – es entsteht eine Stimmung, die er auf „Africa – Tears and Laughter“ nicht unähnlich ist. Anderswo greift Ibrahim auch mal zur Bambusflöte (das Sopransax ist inzwischen leider weg, glaube ich). Das wunderbare Tenorsolo in „Star Dance“, das direkt der Shakespeare-Suite von Ellington entspringen könnte, kommt von Ricky Ford – einfach zu bestimmen, weil Craig Handy hier an der Flöte zu hören ist. „Theme for Mark“ gehört ganz dem Leader. Bedauerlich – der Gedanke geht mir schon ein paar Stücke früher durch den Kopf – dass Benny Powell ausserhalb der Ensembles kaum zu hören ist.

    Ein kleines Rätsel gibt es am Ende: das Album dauert weniger als 40 Minuten, aber beim Haupteintrag (deutsche LP von 1988) fehlt das kurze „Serenity (The Daybreak Song)“. Bei der US-LP ist es als viertes Stück auf der A-Seite zu finden, bei den CDs steht es als #8 am Schluss. Hier ist Handy nochmal an der Flöte zu hören, nur mit Williams und Higgins, der einen tollen Trommelbeat spielt, punktiert vom Hi-Hat und seltenen Beckenschlägen. Das könnte ebensogut 30 statt 3 Minuten dauern und wäre jeden Augenblick fesselnd.

    Falls sich wer wundert, wo „Water from an Ancient Well“ (1985 aufgenommen) abgeblieben ist: das Album erschien 1986 bei BlackHawk, gemäss Discogs sind erst die Ausgaben ab 1992 bei Enja/TipToe herausgekommen. Es läuft also auch bei der Umfrage nicht mit.

    --

    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #12299205  | PERMALINK

    friedrich

    Registriert seit: 28.06.2008

    Beiträge: 5,160

    @redbeansandrice
    Gunther Klatt & Aki Takase Play Ballads Of Duke Ellington
    Klatt hat schon auch gerne selber die Pünktchen weggelassen wie es scheint… aber auf seinem selbstproduzierten Album (hier) hat er sie stehengelassen, war wohl mal so mal so… (das selbstproduzierte ist ja auch das Album, das wohl eigentlich auf Enja hätte erscheinen sollen, aufgenommen in Ludwigsburg, hinten steht dann „Producer: Günther Klatt. Reason: Don’t know“) Das Konzept, Klatt und Takase so Ellington/Strayhorn Balladen spielen zu lassen, ist jedenfalls so einfach wie idiotensicher, ich sag jetzt mal, dass Archie Shepp das auch nicht besser gemacht hätte, aber wahrscheinlich irgendwie ähnlich… der Nachruf auf Klatt hier liest sich fast ein wenig, als wär er von friedrich

    Oh, das fasse ich als Kompliment auf. Vielen Dank!

    So plastisch und farbig wie Marcus A. Woelfle könnte ich mich aber leider bei weitem nicht ausdrücken. Er beschreibt in wunderbarer und treffender Weise etwas, dass ich an Musikern wie Don Byas, Ben Webster oder Johnny Hodges liebe: „unverhohlen dargereichte Emotionalität und sinnliche Klanglust (…) Der Aufschrei der Wut, das Wehklagen des Schmerzes waren ebenso ehrlich wie Freudentaumel oder Zärtlichkeit“. Und Ellington hat das alles dann toll zusammengeführt und arrangiert. Insofern passt das Ellington-Album dann wohl.

    Günther Klatt war mir bisher völlig unbekannt. Die Biografie liest sich sehr interessant und seine Neigung zur Synästhesie ist faszinierend. Das Ellington-Album mit Aki Takase kann man leider nirgendwo im Netz finden, würde mich aber reizen.

    --

    „Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)
Ansicht von 15 Beiträgen - 316 bis 330 (von insgesamt 759)

Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.