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BITCHES BREW
davis, shorter, maupin, corea, zawinul, young, mclaughlin, brooks, holland, dejohnette, white, alias, santos, macero, tonkel (19.-21.8.1969)so richtig angefixt für den jazz hatte mich IN A SILENT WAY, dementsprechend neugierig war ich danach auf BITCHES BREW, das damals als der eigentliche meilenstein des jazzrock-miles galt. ich wünschte mir das album von meinen eltern zu weihnachten, wusste, wo sie es versteckten, nahm mir in der woche davor schon heimlich nachts alle 4 seiten auf tape auf. selbst nach tagen in dauerschleife war ich ratlos. ich bekam mein hören nicht verankert, hing in der luft, kaufte mir jahrzehnte später wegen der unveröffentlichten tracks die COMPLETE BITCHES BREW SESSIONS, und traute meinen ohren kaum, wie ansatzlos mich die tracks aus dem originalalbum plötzlich ansprangen. ich hatte damals, mit 18, ein europäisches reissue aus der nice-prive-serie bekommen, das den detailreichtum der aufnahmen überhaupt nicht abbildete, ein hexengebräu ohne gewürze, auf sparflamme gekocht, und ohne umdrehungen.
was da alles passiert, wundert mich immer noch, aber es wird einem ja auch nicht leichtgemacht, nachzuvollziehen, welche sounds woher kommen. analytisches hören macht bei BITCHES BREW keinen sinn. schon brian eno wunderte sich, wie verrückt der raum ist, der hier konstruiert wird, wo man doch weiß, dass die alle eng beieinander im kreis saßen beim spielen. tonkel hat sie so eng mikrofoniert, dass macero sie später im weltraum – oder im kochtopf – platzieren konnte. instrumente wechseln hier auch mal im gleichen stücke die kanäle (mclaughlin in „pharoah’s dance“); und ich weiß immer noch nicht, wo sich larry young auf den beiden stücken befinden soll, auf denen er angeblich mitspielt, es gibt nämlich kein e-piano im „center“ – es sei denn (was ich glaube), dass macero ihn einfach am gleichen ort über corea drübergemischt hat. genauso wie zawinul und corea auf „sanctuary“ verschmelzen (oder, eben: zawinul spielt hier nur als geist mit). à propos geist: wegen des bass-ostinatos im titelstück dachte ich ja immer, dass BITCHES BREW vor allem bass-musik ist. vielleicht war das auch das einzige, was auf der billigausgabe aus den frühen 90ern übrigblieb. tatsächlich ist der e-bass meistens eher zu fühlen als zu hören, und der akustische von dave holland spielt cello-ähnlich vor allem hyperaktiv in höheren lagen. das album ist pure luft, völlig anders als die tatsächlich bass-dominierten späteren bands mit michael henderson. die ostinati hier kommen von den e-pianos, die geisterhaften basslines werden von der bassklarinette umspielt, darunter liegt der puls. durch das ganze davissche skelett pfeift der wind, es setzt keine muskeln und kein fett an.
directions in music. skizzen und kompetenzvertrauen an die spieler. handzeichen: du setzt ein, du setzt aus. geregelte sessions, von 10 uhr morgens bis zum nachmittag. funk, mit gitarrenschlägen in sekundenbruchteilen und dem leichten kit von dejohnette. white und die e-pianos: wind & gewitter. das grummeln der klarinette. die ätherische luftakrobatik vom sopransaxofon. die substanz kommt von der powertrompete – so dominant, kraftvoll, schattierend, laut hat man miles selten gehört. 2 besondere momente: „spanish key“, die aktualisierung von „sketches of spain“, auch hier: als skelett. die akkordwechsel ergeben sich wie üblich über dem mörderischen puls, aber irgendwie flippen hier alle aus, corea und mclaughlin blitzen sich an und shorter spielt sein tollstes solo, das sich 2x a- und b-teil nimmt. schließlich „sanctuary“: endlos-melodie, zweimal der gleiche dramatische aufbau von der balladenzartheit des früheren miles zum frenetischen unisono-schrei von trompete und sopransax. ich glaube, hier ist tatsächlich nur das „lost quintet“ mit percussionverstärkung zu hören (und zawinul als geist); ein lieblingsstück mittlerweile, das grüßt schon aus den 1970ern, der e-bassist macht mittagsschlaf und das skelett liegt an der copacabana.
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WerbungNach dieser erneut bemerkenswerten Rezension muss ich wohl doch noch einmal einen Versuch wagen und mir das Album anhören. Zwar bleiben meine Zweifel bestehen, ob es zwischen mir und Bitches Brew jemals wirklich passen wird. Aber wer weiß … vielleicht hatte ich bisher einfach nur die falsche Ausgabe.
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Schöner Text zu Bitches Brew. Obwohl ich ein paar Jazz-Alben kannte war das Album bei mir die echte Initialzündung für Jazz und fasziniert mich bis heute. Von dort ging es dann schrittweise in alle Richtungen. Du hast völlig recht: analytisches Hören ist hier sinnlos – man muss sich dem Klangrausch hingeben. Neben ein paar LP-Ausgaben besitze ich auch den Quadrophonie-Mix von 1971 für das SQ-Matrix-System von CBS. Teo Macero arbeitete dafür mit den Mehrspuraufnahmen und arrangierte die Musik so, dass die komplexen Klangschichten räumlich verteilt wurden – eine ziemliche Innovation für die damalige Zeit. Das SQ-Matrix-System erlaubte es, vier Kanäle auf zwei LP-Kanäle zu kodieren und so auf normalen Plattenspielern mit Quadrophonie-Decoder wiederzugeben. Dieser Mix wurde vor einigen Jahren als japanische SACD neu veröffentlicht, sodass man heute den originalen Quad-Mix in seiner ganzen räumlichen Dimension erleben kann. Ich selbst habe meine ursprüngliche LP Anfang der 90er in Köln gekauft, nachdem ich eine begeisterte Rezension in Sounds gelesen hatte. Den SACD-Mix höre ich bisher nur in Stereo, den Quad-Mix konnte ich bisher noch nicht hören, aber er reizt mich sehr.
Pierre Hoffer, Sounds 20 1970
Schon seit vielen Jahren kündigt sich an, daß Miles Davis weiterhin kreativ sein will und die Richtung einer Verschmelzung von Jazz-und Popelementen anstrebt. Doch all seine bisherigen Alben in dieser Richtung sind Flickwerk gewesen im Vergleich zu seinem neuesten Plattenopus BITCHES BREW. Was sich da vor allem in rhythmischer Hinsicht tut, könnte eine ganz neue Entwicklung in der Popmusik einleiten. Die rhythmische Vielschichtigkeit in Stücken wie „Bitches Brew“ oder „Pha-raoh’s Dance“ setzt Maßstäbe für die Musik der nächsten Jahre.
Insgesamt 12 Musiker hat Miles Davis auf den sechs Stücken dieses Doppelalbums (zwei davon nehmen jeweils eine Plattenseite ein) versammelt. Darunter sind vier elektrische Klaviere, vier Drums und zwei Bässe, die alle gleichzeitig spielen.
„Pharaoh’s Dance“, „Spanish Key“ und „Miles Runs The Voodoo Down“ sind Meisterwerke an Zusammenspiel und Solistik. Natürlich ist es in erster Linie Miles‘ Album, er bestreitet auch in erster Linie die Soli, aber neben ihm fühlen sich Wayne Shorter (Sopransaxofon), Benny Maupin (Baßklarinette) und John McLaughlin (Gitarre) zu großartigen solistischen Beiträgen angespornt.--
Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...Vielen Dank für den tollen Text zu „Bitches Brew“! Ich hab da eine ähnliche Geschichte (nicht so cheeky leider): hatte mir im Secondhand-Laden eine alte CD-Ausgabe davon geholt (ich vermute diese), wohl so um 1995 herum, nachdem ich längst in „In a Silent Way“ verliebt war. Der Sound war rätselhaft – und dumpf. Nebenbei hatte ich auch eine alte Ausgabe von „Live-Evil“ (die Ausgabe aus der „Jazz Originals“-Reihe, die Henri Renaud herausgab, „We Want Miles“ hatte ich auch zuerst in so einer Ausgabe), wo mich dieselbe Breiigkeit nicht störte und die Faszination trotzdem sofort übersprang. Bei „Bitches Brew“ war es dann auch bei mir die „Complete BB Sessions“-Box, die mich wirklich umgehauen hat … dab hab ich das Album dann erst so richtig entdeckt … und scheue Versuche, analytisch zu hören, waren dann dank der in der Dokumentationen vorhandenen Aufschlüsselung des Ablaufs der Master der zwei langen Stücke ja auch möglich … aber klar, ich sehe das auch so, dass das nirgendwohin führt in diesem Fall.
Was ich noch weiss, was mich damals auch faszinierte: der erwähnte E-Bassist war derselbe wie auf dem Album „New Morning“ von Bob Dylan (meine erste nachhaltige Musik-Liebe, das ging schon so mit 11 oder 12 los, ein, zwei Jahre bevor ich mich selbst ans Erkunden des Jazz machte – und ich war da schon nerdig genug, um selbst bei Dylan-CDs in den Booklets nach Line-Ups zu suchen
). Von solchen Leuten, die mit allen möglichen Musiker*innen bei Sessions zum Einsatz kamen, hatte ich damals noch keine Ahnung …
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #166: First Visit: Live-Dokumente aus dem Archiv von ezz-thetics/Hat Hut Records - 14.10., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbawow, quadrophonische oder auch nur SACD-erlebnisse hatte ich bisher noch keine. aber wenn der klangraum eh schon artifiziell gebaut wird, kann man damit natürlich immer weiter gehen.
was den e-bassisten harvey brooks angeht, fällt george grella (der ein kleines buch über BITCHES BREW in der 33 1/3-reihe geschrieben hat) ziemlich abfällig über ihn her, als „weak link“ der session, der nicht auf dem niveau der anderen spielt. ich weiß nicht, wie man sowas beurteilen will – aber grella deutet z.b. das fingerschnipsen von miles bei der bassline auf „bitches brew“ so, dass brooks das tempo nicht halten kann. jedenfalls sei er deswegen im mix so versteckt, was tatsächlich, vom titelstück abgesehen, stimmt. er war vorher bei den aufnahmen von betty davis dabei, irgendetwas muss miles an ihm überzeugt haben. allerdings hatte er bei columbia auch einen offiziellen job (staff manager?), wie grella gerne immer wieder mal erwähnt…
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Danke, interessant – die Reihe kannte ich noch gar nicht, mal gucken, ob man das Büchlein nicht kriegt.
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davon würde ich abraten, man erfährt überhaupt nichts neues, aber es hat ein paar steile thesen (wie die zu brooks), die viel mit persönlichem geschmack zu tun haben (shorters soli mag er z.b. auch nicht). ich habs aus einer bibliothek mal mitgenommen und kurz durchgeblättert.
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Danke!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #166: First Visit: Live-Dokumente aus dem Archiv von ezz-thetics/Hat Hut Records - 14.10., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaHallo @vorgarten
Danke für diesen tollen Thread. Da werde ich noch einiges nachzulesen haben, wobei mich natürlich deine Bemerkungen zu den Alben , welche ich auch kenne, am meisten interessieren.
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"Meine Rolle in der Gesellschaft besteht wie die eines jeden Künstlers oder Dichters darin, das auszuleben und auszudrücken, was wir alle fühlen, und nicht etwa darin, den Leuten vorzuschreiben, was sie zu fühlen haben - nicht als Prediger, nicht als Führer, sondern als Spiegelbild von uns allen. John Lennonverständlich, @was
dass ich mich an so einer liste abarbeitet, hat ja auch seinen grund darin, dass mehr leute ein paar alben davon kennen könnten.--
Ich hör mir Bitches Brew gerade mal wieder an, einfach der Spotify Stream auf Kopfhörern – keine Ahnung wo das klanglich jetzt steht, aber es funktioniert sicher besser als meine alten CDs aus dem 90ern… Ich kann eigentlich ganz gut folgen… Und ja, die Sounds, das Klangbild der Band mit Orgel, EPiano, Bassklarinette mag ich sehr, und ich erkenne an, dass das andere Sachen, die ich sehr schätze, stark beeinflusst hat… Wo ich auch heute wieder ein Problem hab, sind die Spannungsbögen, die sind für mich einfach oft zu lang, also: so lang, dass ich sie nicht wahrnehme…
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.Vermutlich eine von denen hier:
1999: https://www.discogs.com/de/release/54170-Miles-Davis-Bitches-Brew (Mark Wilder)
2010: https://www.discogs.com/release/2517718-Miles-Davis-Bitches-Brew bzw. https://www.discogs.com/release/2906082-Miles-Davis-Bitches-Brew (Mark Wilder, Maria Triana)
2015: https://www.discogs.com/release/7080006-Miles-Davis-Bitches-Brew (Mark Wilder, Maria Triana; gab’s 2019 nochmal)Denke, seit der Ausgabe von 1999 sind die digitalen Veröffentlichungen davon sehr in Ordnung.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #166: First Visit: Live-Dokumente aus dem Archiv von ezz-thetics/Hat Hut Records - 14.10., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tbaredbeansandriceWo ich auch heute wieder ein Problem hab, sind die Spannungsbögen, die sind für mich einfach oft zu lang, also: so lang, dass ich sie nicht wahrnehme…
interessanter punkt. außer auf „sanctuary“ gibt es kaum spannungsbögen, außer, dass das miles-solo immer den höhepunkt bildet
eigentlich gibt es klare solo-abfolgen, aber das funktioniert anders als im bop: nicht so, dass das einzelne instrument oder der einzelne spieler einen spotlight bekommt, sondern eher, dass geschaut wird, was sich im sound verändert, wenn z.b. die e-pianos übernehmen. das wäre zumindest meine idee dazu.
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MY FAVORITE THINGS
coltrane, tyner, davis, jones, ertegün, dowd, iehle (21./24./26.10.1960)ich habe „my favorite things“ lange nicht als besonders wahrgenommen, heute ist es mein lieblingsstück aus dem coltrane-universum. es brauchte eine kontextverschiebung. in einem späten, ziemlich problematischen, aber auch ziemlich tollen film von bernardo bertolucci (BESIEGED) geht es um einen merkwürdigen pianisten klassischer musik, der in einem römischen palazzo direkt an der spanischen treppe wohnt. in einer szene liegt er auf dem sofa und hört das tyner-solo aus „my favorite things“ von diesem album. ich hatte das nicht erwartet und war völlig elektrisiert, brauchte einen längeren moment, um stück und pianisten zu identifizieren. was mich so überschwemmte, war einer dieser wechsel von moll nach dur, beim dem die quartalakkorde von tyner (und er spielt ja fast ausschließlich akkorde in diesem solo) plötzlich in etwas ekstatisch-jubilierendes umkippten, ganz einfach, ganz leicht, aber sehr entschieden. im film wird damit ein moment konturiert, in dem der pianist sich zur welt hin öffnet, ich glaube sogar, dass ein fenster im palazzo dabei offensteht (aber das kann ich mir auch einbilden). genau da habe ich mich anschließend hineingearbeitet, immer wieder, wollte manchmal fast nach dem tyner-solo abbrechen, tue es aber doch nie.
gestern fiel mir plötzlich auf, dass steve davis, der bassist, in dem ganzen stück nur einen ton spielt (mit oktavsprung, rhythmisch unterschiedlich konturiert). ah, ja klar, das ist raga-coltrane, eine erste von vielen drones, die natürlich bald zum standard werden in seiner musik. aber wie verrückt, da wechselt alles von dur nach moll und wieder zurück, da kommt ein showtune-thema, die ganzen extasen des klaviers und des schlangenbeschwörer-sopransaxes, und der bass spielt dabei die ganze zeit: „e“. aber irgendwie stimmt das auch nicht, es ist ein gefühlter einzelton. und der rhythmus ist ein walzer, der gefühlt die ganze zeit morpht – man sagt heute, dass das eher 6/8 statt 3/4 sind, aber es gibt auch (je nachdem, ob der bass 2 mal „e“ oder 3 mal „e“ spielt) einen geraderen vorwärtsdrang, der vom walzer wegführt. und all das immer im pendel, bis – erlösend – ganz zum schluss mal der b-teil der komposition kommt. so viele feinheiten der trance-produktion, die natürlich auf keinen fall auffallen dürfen. man wird beim hören nur leicht verschoben.
gestern habe ich MY FAVORITE THINGS auch erstmals als album gehört, glaube ich, mit den alten kamellen, die – ganz unterschiedlich behandelt – noch hinterher kommen. „ev’ry time we say goodbye“ (porter, 1944), auf dem coltrane nur das thema spielt, danach darf tyner in double time ausholen. „summertime“ (gershwin, 1935), die stunde des schlangenbeschwörenden tenorsaxofons mit den vielen „falschen“ griffen, der treibenden intensität, die weit weg vom text führt, und den sich überschlagenden tyner-linien. schließlich der medium-swinger aus dem handgelenk, „but not for me“ (wieder gershwin, 1930), der fast aus den marathonsessions von miles für prestige stammen könnte, mit einer großen eleganz und ganz im dienst der komposition. was das alles in gänze und im zusammenhang leistet, ist ein ausweis der beweglichkeit: so vital ist das ganze zeug, wenn man solche dinge damit anstellen kann – wenn man die ganze geschichte der auseinandersetzung damit inkorporiert hat. aber am ende reicht mir nur ein kurzer ausschnitt aus einem klaviersolo und ich begreife plötzlich, wie radikal anders musik hier funktioniert.
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Warum taucht denn der Begriff Schlangenbeschwörer oft auf, die spielen doch in der Regel nicht Saxofone von Selmer, oder? Wie sehr orientierte sich Coltrane eigentlich noch an den Lyrics bei den beiden längeren Stücken? Da findet man doch bestimmt die größten Verschiebungen.
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