Die wunderbare Welt der Oper

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  • #8731767  | PERMALINK

    Anonym
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    clasjazIch höre da gar keinen Abfall, im Gegenteil, das spitzt sich in aller Kürze zu, welche Sterne sollten da noch folgen können? Ob nun modern oder nicht. Die Stelle-Arie da überhaupt zu bringen, ist doch hinreichend Dramaturgie.

    Das folgende Sopran-Tenor-Duett ist melodisch unfertig, keine Bindung, kein Bogen, kein inneres Glühen wie im ersten Akt, der zu den herausragenden Ereignissen italienischer und besonders pucciniesker Opernkunst gehört. Kein melodischer und orchestraler Höhepunkt mehr. Als wäre Puccinis Melos verloren gegangen. In der Butterfly war plötzlich wieder alles da!

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    #8731769  | PERMALINK

    Anonym
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    pinchVermutlich. Aber was genau meinst du mit „Leichtfertigkeit“? Wagner geht mit seinen Figuren doch nun wirklich nicht leichtfertig oder gar fahrlässig um. „Parsifal“ und den „Ring“ kann man, ob der mitunter etwas sehr mystisch verklärten Geschichten, merkwürdig finden (den dritten Teil des „Rings“ finde ich stellenweise sehr albern, Libretto wie Musik). Im „Tristan“ ist das doch alles aber sehr down to earth, selbst wenn man mit dem Wesendonck/Wagner-Background nicht vertraut sein mag.

    Das Gesäusel mit dem Trunk empfinde ich als leichtfertig, da kommt ein Bub aus Lummerland übers Meer mit dem Schiff, ein Täubchen sitzt bereit. Und ebenso ein Bub ist auch Parsifal. Dieses Erlösungsspektakel sehe ich als leichtfertig an, ja. Es hat einen Kern, der nicht immer auf diese theatralische Weise ausbuchstabiert werden muss, sehr viel näher ist mir da Puccini, der die Dinge einfach zeigt. Dennoch, den „Tristan“ höre ich ja auch down to earth, aber ich brauche keinen großen Sänger für diese Minirolle. Den Wesendonck-Hintergrund finde ich auch nicht wichtig, die „Wesendonck-Lieder“ sind unglaublich misslungen, langweilig geradezu. Wie soll ich es noch sagen: Wagner hat unglaubliche Musik geschrieben, und anders als in Opernform konnte er es wohl nicht.

    BgigliDas folgende Sopran-Tenor-Duett ist melodisch unfertig, keine Bindung, kein Bogen, kein inneres Glühen wie im ersten Akt, der zu den herausragenden Ereignissen italienischer und besonders pucciniesker Opernkunst gehört. Kein melodischer und orchestraler Höhepunkt mehr. Als wäre Puccinis Melos verloren gegangen. In der Butterfly war plötzlich wieder alles da!

    Ja, aber wie denn anders? Was kann denn danach noch „fertig“ sein, und sei’s melodisch? Es gibt keinen Höhepunkt mehr, nicht wie in der Butterfly, die aber doch von vornherein lyrische Voraussetzungen schafft, die Geschichte meine ich, um so zu enden. Der Kontrapunkt ist dann das Ende in der „Bohème“. Welchen Höhepunkt sollte es in der „Tosca“ denn geben, wie sollte nicht das Melos schwinden? Da hat er es vielleicht einmal zugelassen, das Schwinden. Ich kenne mich nicht gut aus, höre nur die Musik. Aber in der „Tosca“ einen anderen als einen solchen „Höhepunkt“ zu geben, wie er da ist, erschiene mir seltsam.

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    #8731771  | PERMALINK

    Anonym
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    Puccini hat in all seinen Opern Schwierigkeiten mit dem Ende gehabt, nicht nur in der Tosca. Als wäre ihm zum Schluss die Konzentration ausgegangen. Ein berührendes und dramatisch überzeugendes Ende wie Verdis ebenso vernichteter Otello es singt und damit immer noch eine innere Handlung vorantreibt, ist ihm nicht gelungen. Die Butterfly ist da noch am überzeugendsten, aber sie lag ihm auch am meisten am Herzen wie alle mir bekannten Biographien überzeugend darlegen. Symptomatisch finde ich sein Sterben über die für ihn unendlich quälende Arbeit am letzten Akt der Turandot, die er nicht mehr vollenden konnte. Das ändert nichts an seinen Qualitäten, die für mich schon als Kind herausragende Bedeutung hatten, und er ist für mich bis heute mein liebster Komponist. Und ich empfinde es als tragisch, dass ihm nie Schlussakte wie Verdis Aida etc. gelungen sind. O Terra Addio; unglaublich, wenn es denn auch mal pianissimo gesungen wird!

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    #8731773  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Kleine Frage zu Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ … ich habe inzwischen drei tolle Aufnahmen: Beecham 1956, Jochum 1965 und Krips 1966.

    Mein Favorit ist vermutlich mit kleinem Vorsprung Krips – weil er diesen kristallinen, enorm klaren Klang im Orchester hat, weil Popp unschlagbar ist, Rothenberger hervorragend, Frick auch (bei Beecham gefällt er mir allerdings noch besser und Böhme, Jochums Osmin, macht auch keinen schlechten Job, hat aber einfach nicht diese imponierende Wucht) … Jochum hat mit Wunderlich den besten Belmonte, Simoneau bei Beecham hat zwar eine schöne Stimme, aber er ist nicht sonderlich variantenreich. Lois Marshall und Ilse Hollweg (bei Beecham) gefallen mir sehr gut, Erika Köth und Lotte Schädle (bei Jochum) sind auch gut, aber da sind es wohl Rothenberger und Popp, die mir am besten gefallen. Bei Beecham höre ich das beste Gespür für den Augenblick, die Dynamik des Stückes, das Dramatische.

    Jede der drei Aufnahmen ist für sich genommen sehr gut, finde ich.

    Die Frage nun: ich stiess gestern auf die Fricsay-Aufnahme – Streich und Greindl werden da sehr gelobt, ich kenne die meisten Mitwirkenden (neben den genannten noch: Stader, Haefliger, Vantin) nicht. Ist das denn eine weitere Aufnahme, die in eine Reihe mit den drei kommt, die ich habe? (Oder gehören die überhaupt sowieso nicht in eine Reihe und ich bin einfach zu wenig verfeinert, um das zu merken? Ich weiss, dass die Beecham-Aufnahme einige Kritik einstecken muss, aber ich kann das nicht wirklich nachvollziehen, insgesamt finde ich sie toll.)

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #8731775  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Kennt niemand den Serail von Fricsay?

    Zu mir ist übrigens jetzt die Gardiner-Box unterwegs:
    http://www.arkivmusic.com/classical/album.jsp?album_id=565818
    Bin enorm gespannt!

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    #8731777  | PERMALINK

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    #8731779  | PERMALINK

    Anonym
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    McGeadyHeute im Radio:

    Interpretationen im Vergleich: Parsifal

    Danke für den Hinweis, ich hätte das nicht mitbekommen, das Radio ist eingeschaltet und nach Boulez kommt jetzt Knappertsbusch mit Ausschnitten aus dem Vorspiel. Sehr schöne Sendung. Zumal Kundry gerade besonders gewürdigt wird …

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    #8731781  | PERMALINK

    Anonym
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    Die hier kommt im Mai und interessiert mich sehr.

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    #8731783  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
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    Registriert seit: 25.01.2010

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    Wie verhält es sich mit Mozarts frühen Opern? Ich habe gestern zum ersten Mal „La finta giardiniera“ (Harnoncourt) gehört und bei allen Unterschieden zu den „reifen“ Opern ist da doch eine Menge wunderbare Musik, vor allem wunderbarer Gesang zu hören (Gruberowa!). Nachdem ich bei Löbl/Werba die Kommentare zu den – damals wenigen, heute vermutlich noch immer nicht vielen – Einspielungen gelesen habe, scheint mir die Decca-Box, auf der die Jugendopern in den Einspielungen von Hager (eine von Marriner) zu hören sind, wieder etwas interessanter. Die späten Opern sind von Colin Davis (r.i.p.) dirigiert, manche kommen nicht so gut an, aber viele scheinen doch ordentlich zu sein – aber ich würde die Box wirklich primär holen, um die frühen Opern mal zu hören.

    Kann jemand dazu etwas sagen, lohnt sie sich? Es scheint ja heute doch mehr Alternativen zu geben, aber die sagen mir alle nichts: Jed Wentz, Sylvain Cambreling (den Namen hab ich schon gehört, klar, aber keine Aufnahmen von ihm bisher), Max Pommer (die Einspielungen der drei wurden von Brilliant für die komplette Mozart-Box gewählt).

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    #8731785  | PERMALINK

    mod-paul

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    Beiträge: 306

    Wer Mozart und seine Opern mag, kommt zur Zeit in Essen nicht am Figaro vorbei. Gestern gab´s die Wiederaufnahme. Sehr schöne Inszenierung mit einem tollen Orchester und Sänger/innen. Ich hoffe, dass in der nächsten Spielzeit Don Giovanni wieder aufgenommen wird :-)

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    Modism...an aphorism for clean living under difficult circumstances
    #8731787  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Ein Versuch, die Oper in den sechs mir vorliegenden Aufnahmen vergleichend zu hören und dabei einige Gedanken zu notieren … ich komme mir dabei etwas wie ein Hochstapler vor, aber tant pis, man rechne meine ganze Hörerfahrung ein, nicht nur die vergangenen neun oder zehn Monate, in denen ich mich mit Klassik überhaupt erst eingehend befasst habe.

    Nr. 3 Arie „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“ (Tamino)

    Karajan: Anton Dermota, sehr weich (fast zu weich? manchmal klingt es fast, als habe er einen fremden Akzent) – aber sehr gefühlt. Wunderbar, wie er die Stimme öffnet, mit mehr Vibrato zu singen beginnt, die Lautstärke erhöht. Toll! Das Orchester scheint mir zweckdienlich, manchmal etwas zu romantisch – die Verlockung ist wohl da bei dem Text …

    Furtwängler: noch einmal Dermota, live, er singt von Beginn an lauter, die Spannung ist viel grösser (auch oder besonders im Orchester), dünkt mich, die Stimme ebenso fein wie im Jahr davor mit Karajan, wenngleich viel weniger gut eingefangen – gut genug jedoch, als dass man sich ein Bild machen kann.

    Klemperer: Nicolai Gedda baut nichts auf, er ist von Beginn da, mit vielleicht etwas zuviel Härte in der Stimme? Und zuviel Vibrato, das zudem seinen Akzent eher verstärkt. Klemperer ist bewegter als Karajan.

    Böhm: Die verunglückte Zauberflöte mit dem besten Tamino aller Zeiten … der Kontast zu Gedda ist gross – sie sind zwar ähnlich, aber Wunderlich gelingt all das, was Gedda gerne möchte, scheint mir. Auch Wunderlich ist gleich da, aber nie hart, nie übertrieben, sein Vibrato viel organischer, die Stimme an Wohlklang allen überlegen. Wundervoll. Aber das Orchester ist etwas schleppend-träge, dünkt mich. Engagierter als bei Karajan, näher bei Klemperer wohl, aber nicht ganz „on the same page“.

    Gardiner: Michael Schade gibt den Tamino, das Tempo ist vergleichsweise rasch, die Stimme sehr schön – überzeugt mich mehr als Gedda, ist intensiver gesungen als Dermota (oder wenigstens intensiver als Dermotas Einstieg, dessen Steigerung bei Karajan ist wirklich toll gemacht!). An Wunderlich kommt aber einfach keiner ran.

    Christie: Hans-Peter Blochwitz ist wohl wieder einer der eher kleinstimmigen und an sich flexiblen Sänger wie Dermota? „Ich fühl es“ singt er, aber man fühlt nichts, leider. Da brennt nichts wie bei Wunderlich (oder Gedda), da ist kein Glanz wie bei Schade.

    Nr. 4 Recitativo ed Aria: O zittre nicht, mein lieber Sohn! – Zum Leiden bin ich auserkoren (Königin der Nacht)

    Karajan: Die Stimme der Wilma Lipp ist wundervoll, ihr Gesang an ein paar Stellen vielleicht eine Spur zu träge? (Was wiederum mit dem Orchester perfekt passt, das trotz dem sportiven Karajan-Elan jener Zeit etwas behaglich wirkt.) Die Koloraturen sind dann allerdings phantastisch gesungen, der satte Mono-Klang der Aufnahme lässt sie auch schön rüberkommen, ohne dass es jemals scheppert (s.u.)

    Furtwängler: Das Rezitativ entfaltet sich aus dem Donner- und Orchestergrollen – das alles fehlt ja leider bei Karajan, mit den Dialogen weggekürzt. Lipp klingt erneut etwas träge, aber das Orchester bietet Kontrast, es reisst den Schlund auf, in den Tamino zu fallen glaubt … und aus der vermeintlichen Trägheit entwickelt sich gegen Ende der Arie eine perfekt phrasiertes Glanzstück mit noch besser ausgeführten Koloraturen – das Orchester und selbst das Donnergrollen werden vom begeisterten Szeneapplaus fast vollständig verdeckt.

    Klemperer: In der Aufnahme gibt es die mir liebste Königin: die kluge Lucia Popp. Sie singt viel intensiver als Lipp, mehr Vibrato, mehr Volumen – und sie kann das. Ihren Akzent kann sie nicht ganz verleugnen, aber das sind nur Nuancen – und die Stimme ist unfassbar schön. Das Orchester ist hier leider dick und träge, weniger bewegt als in Taminos Arie. Aber das macht nichts, die Stimme macht alles wett, die Koloraturen sind nicht aus dieser Welt!

    Böhm: Wie ist das nun, muss der Gentleman auch dann schweigen, wenn er nicht geniesst? Die Arie liess mir schon beim ersten Hören die Haare zu Berg stehen – die Alarmglocken klingelten zum ersten Mal, und es wurde mir rasch klar, dass das keine gute Aufnahme ist, dass Wunderlich ziemlich allein auf weiter Flur steht, alleingelassen vom Orchester, dem Ensemble und vor allem auch dem Dirigenten. Roberta Peters wirkt im Vergleich mit Lipp nicht bloss schläfrig sondern so, als sei sie bereits eingeschlafen. Ihr eigenwilliger Akzent stört fast durchgehend. Auch bei den Koloraturen (mit falschen Vokalen – echt jetzt?) wächt sie leider nur halbweg auf. Eine schöne, wenngleich kleine Stimme, die hier völlig überfordert ist. Wenn sie dann nach den Koloraturen dieses unglaublich breite Vibrato in „ewig“ singt – das geht gar nicht, fast schon zum Fremdschämen.

    Gardiner: Cyndia Sieden singt mit warmer Stimme, die Aussprache hat sie gut im Griff, die Stimme ist schön, stark und nicht dünn auch in der Höhe. Das Orchester ist phantastisch hier, präzise, mit Schwung und auf den Punkt (auch das Fagott während der Koloraturen). Sehr schön!

    Christie: Die Aufnahme wirkt langsamer, lyrischer. Das passt (siehe dann die zweite Arie der Königin), denn mit Natalie Dessay hat Christie wohl meine neben Popp liebste Königin, die mit einer wundervollen Stimme ausgestattet ist und die Musik mit enormem Lyrismus darbietet – ohne vor der grossen Geste zurückzuscheuen. Die Koloraturen meistert sie so gut wie Sieden, aber mit etwas breiterem Gestus. Französischer wohl, obwohl man im Gesang wenig Akzent hört, den hört man in den Dialogen jedoch manchmal recht deutlich, nicht nur bei ihr (für ein paar Rollen wurden SprecherInnen engagiert, aber nicht für Dessay oder die Pamina der Rosa Mannion). Sehr schön gefällt mir die kleine Verzierung, die sie über dem Wörtchen „ewig“ singt (an dem Peters scheitert). Sieden singt grad durch, Dessay hat noch die Zeit für eine Verzierung, die eine perfekte Verbindung mit den Koloraturen rundherum herstellt.

    Nr. 10 Aria con coro: O Isis und Osiris (Sarastro, Chor)

    Karajan: Sehr gepflegt singt Ludwig Weber diese Arie … insgeheim wünsche ich mir, George London, der den Sprecher gibt, würde einspringen.

    Furtwängler: Joseph Greindl singt etwas bewegter, mehr Vibrato, mehr Sicherheit und Volumen in den Tiefen – ähnlich magistral, aber weniger wohlklingend als Weber.

    Klemperer: Gottlob Frick – der grosse Osmin aus der „Entführung aus dem Serail“. Grossartige Stimme, wenngleich auch ehr weniger wohlklingend als Weber, aber noch eindrücklicher, wohl nahezu ideal für diese Rolle – hätte ich gerne mal live erlebt, aber noch lieber ein Jahrzehnt früher (am liebsten seinen Osmin in Beechams Serail).

    Böhm: Und es folgt die nächste grossartige Stimme: Franz Crass. Hier hält Böhm auch ohne Wunderlich mit den besten mit und Crass übertrifft sie vielleicht alle an Wohlklang – und obgleich er etwas mehr Bewegtheit wagt, klingt er fast noch magistraler und ernster als die anderen.

    Gardiner: Harry Peeters gibt den Sarastro, schöne Stimme, aber er geht im Orchester leider etwas unter.

    Christie: Hier gibt’s wieder einen Bass mit Durchschlagskraft, Reinhard Hagen nämlich. Wie bei Gardiner ist das Orchester ebenfalls ziemlich laut, aber man kriegt von Hagen doch ziemlich viel mit, versteht jedes Wort.

    Nr. 13 Aria: Alles fühlt der Liebe Freuden (Monostatos)

    Karajan: Peter Klein übertreibt arg, singt sehr ruppig und gerade die Zeile „weil ein Schwarzer hässlich ist“ scheint er noch mehr hervorzuheben. Bauerntheater. Energisch und dennoch fein die Streicher.

    Furtwängler: Im öffnenden Dialog hört man die ganzen Artefakte, die bei nicht ganz sachgemässer (die EMI-Doppel-CD stammt zwar immerhin von 1994) Aufbearbeitung solcher Live-Aufnahmen entstehen können. Das Orchester ist hier noch energischer, Peter Klein gibt den Bösewicht fast noch ruppiger … und der Donner am Ende lässt die Boxen erzittern.

    Klemperer: Das Tempo ist eine Spur langsamer, Gerhard Unger singt ebenfalls mit übermässig deutlicher Diktion, aber doch viel nuancierter als Klein. Kommt nicht schlecht, die Emphase des Sängers und das Orchester fügen sich gut zusammen.

    Böhm: Friedrich Lenz gibt den Monostatos – und auch hier finde ich die Aufnahme gut, aber das ist ja wahrlich Hölle Glut … äh, wahrlich ein Nebenschauplatz. (Lenz singt allerdings beinah „eine Waise nahm mich ein“ … aber dafür „weißßßß ißßßt schschschön“). Die Emphase gehört zu der Rolle, Unger gefällt mir darin am besten von den Alten.

    Gardiner: Das Tempo ist heftig, das Orchester (inklusive die wirklich hörbaren Flöten) sehr bewegt. Uwe Peper gibt den Monostatos. Eine runde Sache, wie die ganze Gardiner-Aufnahme. (Und der Donner weckt hier die Nachbarn aus dem Mittagsschlaf.)

    Christie: Leider singt (und spricht) Steven Cole mit üblem Akzent, er kriegt die Artikulation kaum hin, gestaltet die Vokale eigenartig. Für mich einer der wenigen Momente, in denen die Christie-Einspielung unten rausfällt. Die Dialoge drum herum sind mir dann ebenfalls negativ aufgefallen, weil wie gesagt Dessay und Mannion auch nicht gerade akzentfrei Deutsch zu sprechen in der Lage sind.

    Nr. 14 Aria: Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen (Königin der Nacht)

    Karajan: Sehr rasch nimmt Karajan die pièce de résistance, Lipp hat kaum Zeit, die Worte zu gestalten, sie muss einfach singen … das allerdings tut sie, schlank, wohl mit ein paar ganz kleinen Unsauberkeiten auf dem Weg in die Koloraturen. Aber das, was hier einfach so durchgerattert wird, ist eine grosse Sache. Schade, dass Karajan nicht die Musse hatte, dass man sich dessen auch bewusst wird. Der Moment, in dem die Arie bei „alle Bande der Natur“ hängenbleibt, finde ich einen der grössten, die ich kenne, aber auch der wird bei Karajan nicht sehr ausgestaltet.

    Furtwängler: Hier ist der Klang für mich ein Hindernis. Man kann das gut hören, aber die hohen Töne schmerzen zumal auf Kopfhörern. Lipp erhält von Furtwängler viel mehr Zeit, die Musik kann atmen, es gibt Räume zwischen den Noten – so soll das sein! Ich fühle mit Furtwängler, wenn er Legge zürnt, dass dieser Karajan für die Studio-Produktion engagiert hatte – denn hier, im direkten Vergleich, wird klar, wie gross die Unterschiede doch sind, auch wenn Karajans Einspielung gewiss keine schlechte ist. Gerade die schöne Stelle, dieses kantilenenartige Linie über „alle Bande der Natur“: Furtwängler modelliert, gestaltet, lässt der Sängerin Raum – und der tosende Applaus ist natürlich einmal mehr völlig berechtigt.

    Klemperer: Popp, was soll ich sagen … unfassbar einmal mehr, auch wenn es dem Orchester etwas an Schwung und Schmiss mangelt (es ist, wie soll ich das sagen, etwas zu ausgeglichen, etwas zu satt?). Popps Stimme ist aber so unfassbar schön, ihr Gesang von solcher Reinheit (obwohl man den schweren Akzent hier stärker bemerken kann: „Der Hölle Rache cocht“, „Todesschmerrzän“, „meine Dochter“) … die Arie kann ich eine Stunde lang Wiederholen und es wird mir nicht langweilig dabei. Klemperer lässt auch recht viel Raum zur Gestaltung, die kleinen Orchestereinsätze zwischendurch sind sehr fein, der Übergang in „alle Bande der Natur“ ist dann wieder etwas heftig, aber wie Popp da in die Koloraturen einsteigt ist unfassbar.

    Böhm: – Wem das nicht reicht: Da stimmt nichts, das Tempo ist zu rasch und Peters wabert, mal hinterher und eine Silbe weiter ist sie schon wieder voraus, die Stimme klingt quietschig dünn, aber wenn sie dann laut singt („verstossen … verlassen …“) klingt sie zu bauchig, was mit den fiepsigen Höhen einen eigenartigen Effekt ergibt. Und auch die zweite Hälfte wird nicht besser. Man wünscht sich, sie hätte ein Metronom zum Üben gehabt.

    Gardiner: Auch Sieden hat nicht das Volumen der Popp, aber sie weiss mit ihrer Stimme umzugehen, sie einzusetzen. Der Einstieg in die Arie ist etwas rasch, aber Gardiner zieht das durch, das Orchester klingt sehr leicht und das Tempo zieht, Sieden hält locker mit und singt die Koloraturen scheinbar ohne Anstrengung. Beim zweiten Teil schreitet mir Gardiner aber etwas zu gradlinig hindurch.

    Christie: Das Tempo ist merklich langsamer – und dadurch kommt die grosse Schönheit der Musik zum Vorschein. Dessay singt phantastisch, zusammen mit Christie und dem auch im langsameren Tempo nach vorn spielenden Orchester modelliert sie die Arie, gerade der Moment, der mir so gut gefällt, ist hier so schön ausgestaltet wie in keiner der anderen Aufnahmen.

    Nr. 17 Aria: Ach, ich fühl’s, es ist verschwunden (Pamina)

    Karajan: Im Wiener Mozart-Ensemble gab Irmgard Seefried die Pamina. Sie singt mit einer unglaublichen Traurigkeit in der Stimme, Karajan gibt ihr netterweise einigen Raum, so kann sie ihre Klage sehr behutsam gestalten – beeindruckend.

    Furtwängler: Erneut Seefried, fast noch stärker gefühlt, noch langsamer, mit mehr Freiraum zur Gestaltung. Leider macht mir hier die mangelnde klangliche Qualität der Aufnahme halbwegs einen Strich durch die Rechnung.

    Klemperer: Gundula Janowitz … eine weitere phantastische Version – weniger langsam als bei Furtwängler, vielleicht eine Spur weniger tief empfunden als bei Seefried, aber die Stimme ist grossartig – das allein reicht nicht an jedem Tag, aber an manchen schon.

    Böhm: Evelyn Lear macht ihre Sache hier eigentlich ganz gut, aber ich empfinde von ihrer Trauer eher noch weniger als bei Janowitz (wo sie schon da ist). Lears Stimme hat allerdings gerade im Vergleich nicht sehr viel zu bieten, klingt wenig wandelbar, ziemlich dünn und eindimensional.

    zudem, hier dazwischengeschoben, weil’s einfach passt: Lucia Popp mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Bernard Haitink (BR/EMI, rec. 1981, ich höre CD 12 der ICON von Popp, da ist aus der Gesamteinspielung nur dieser eine Auzug drin, Gruberovas Königin würde ich wohl auch mal gerne hören, scheint insgesamt eine durchaus hörenswerte Einspielung zu sein): Kaum erklingt das „Ach“ habe ich Gänsehaut – die Stimme hat bei ihrer unglaublichen Klarheit auch eine grosse Wärme, das Orchester klingt etwas engagierter als in den älteren Einspielungen, aber ohne dass es stören würde.

    Gardiner: Langsam stellen sich Ermüdungserscheinungen beim geneigten Hörer ein … aber Christiane Oelze singt wundervoll – behutsam und tief empfunden. Das Orchester ist leise, zurückhaltend.

    Christie: Rosa Mannion scheint sich leider vor einiger Zeit schon von der Bühne zurückgezogen zu haben, bei Gardiner gab sie 1992 die Dorabella in „Così fan tutte“. Sie singt ebenfalls sehr behutsam, aber mit grösserer Stimme, zupackender, ist mehr Körper als Gedanke. Auch sie überzeugt mich sehr.

    aus Nr. 21 Finale: 29. Auftritt: „Papagena! Papagena! Papagena!“ (Papageno) & „Pa-Pa-Pa“ (Papageno/Papagena)

    Karajan: Der Vogelfänger und sein Weibchen/Täubchen geben bei Karajan Erich Kunz und Emmy Loose. Das Orchester ist klasse in Papagenos Arie, Kunz hat eine wunderbare, warme Stimme. Da passt alles, aber eine Prise mehr Humor hätte der Gestaltung der Rolle gewiss gutgetan. Loose singt im Duett irgendwie komischerweise etwas fiepsig aber dennoch mit kraftvoller runder Stimme.

    Furtwängler: Auch bei Furtwängler gibt Kunz den Papageno – aber er wirkt hier insgesamt sehr anders, lässt da und dort eine Prise oder mehr von seinem Wiener Schmäh einfliessen, stellt den kuriosen Vogel eben mit dem Humor dar, der mir bei Karajan etwas fehlt. Bei Furtwängler wird einem streckenweise vor lauter Walzer beinah schwindlig. Die Szene ist sehr viel stärker gestaltet als bei Karajan, man kriegt, so bildet man sich ein, einiges von der Live-Atmosphäre mit. Edith Oravez gefällt mir besser – auch hier passt alles, auch die Klangqualität ist ganz in Ordnung, man hört die Stimmen jedenfalls und sie fügen sich wunderbar zusammen, auch mit dem Orchester.

    Klemperer: Walter Berry singt mir etwas zu überprononciert, aber seine Stimme passt – man wünscht sich diese lebendige Qualität für die Furtwängler (und auch für die satte aber flache Karajan) Einspielung. Das Orchester ist hier aber weniger beschwingt, jedoch gestaltet auch Klemprerer viel stärker als Karajan und das Duett von Berry und seinem Ebenbild (gesungen von Ruth-Margret Pütz) gelingt sehr schön.

    Böhm: Dietrisch Fischer-Dieskau, der Intellektuelle, der den Waldmenschen mimt … ein weiterer Fehler der Böhm’schen „Zauberflöte“, auch wenn die Stimme schön klingt. Mit dem Humor klappt das dann auch nicht so recht … manches wirkt zu betont, andernorts klingt er wie ein Liedsänger, der sich auf die Bühne verirrt hat (und gerade deshalb gibt es wiederum Passagen, die ganz phantastisch geglückt sind). Lisa Otto gibt die Papagena, und sie überzeugt. Das ist ja vielleicht Teil der Ironie bei Böhm: die Nebenrollen sind zu weiten Teilen hochkarätig, aber Lear kommt halt so durch, Peters passt gar nicht und DFD ist fehlbesetzt. Dagegen ist Wunderlich phantastisch, Crass und Hotter ebenfalls gut, aber mit einem halbschläfrigen Orchester und einem nicht sehr engagierten Dirigenten führt das nicht weit (das ist keine Breitseite gegen Böhm, nur eine gegen diese „Zauberflöte“ – Böhms „Le nozze di Figaro“ gefällt mir, und nachdem ich zum Einstieg wohl die falsche seiner „Cosìs“ gekauft hatte, habe ich inzwischen noch zwei weitere gekauft … ich traue ihm durchaus einiges zu – aber nicht hier).

    Gardiner: Gerald Finley gibt den Papageno, das Orchester spielt beschwingt, die ganze Szene ist sehr schön gestaltet, die Traurigkeit („nun wohlan … gute Nacht, du falsche Welt“) ist so spürbar wie sonst selten – vielleicht ist das ein Fehler, den Narren mit echtem Gefühl auszustatten, statt ihn nur von sich selbst behaupten zu lassen, er sei „der beste Geist der Welt“ und habe, wie Pamina ihm attestiert, „ein gefühlvolles Herz“. Aber mir gefällt’s hier bei Gardiner sehr. Das Duett mit Papagena (Constanze Backes) ist ebenfalls gelungen.

    Christie: Mit Anton Scharinger hat Christie einen grandiosen Papageno, der wieder den ganzen Schmäh mitbringt und die Figur sehr humorvoll gestaltet, wie dies Kunz unter Furtwängler einst tat. Die Arts Florissants spielen hier ebenfalls beschwingt, aber insgesamt wohl mit wärmerem Klangbild und etwas weniger durchsichtiger Klarheit als Gardiners English Baroque Soloists. Die drei Knaben sind leider einer der weiteren kleinen Schwachpunkte bei Christie, da sie mit argem Akzent sprechen (es handelt sich immerhin auch wirklich um Knaben, anderswo werden die Rollen so elaboriert und in der Mehrstimmigkeit so fein austariert dargeboten, dass die Idee, es könnte sich dabei um Knaben handeln, sehr weit entfernt ist). Das Duett mit der Papagena von Linda Kitchen ist dann jedoch wieder gelungen, auch dank Kitchens phantastischer Stimme – sie kriegt das mit dem breitesten Vibrato hin und harmoniert perfekt mit Scharinger. Eindrücklich! Aber das mit den hervorragende besetzten Nebenrollen gilt wohl auch für Christie, es tauchen da Leute auf, die in anderen Programme der Arts Florissants auch solitisch zu hören sind – trotz zugezogenen Sängern scheint mir, merkt man der Aufnahme insgesamt doch einen starken Ensemble-Charakter an, der sich z.B. bei Klemperer so gar nicht einstellen will. Bei den beiden Wiener-Aufnahmen ist das natürlich auch der Fall, und bei Gardiner scheint mir die Besetzung insgesamt am ausgeglichensten zu sein – es gibt keine ganz grossartigen Momente wie Dessays Königin, aber auch keine Ausreisser nach unten.

    Nun, das war’s … also, angefangen habe ich um halb 11 mit Gardiners „Zauberflöte“ – ein sehr spannendes Unterfangen, ich hoffe, dass jemand sich durch all meine Tippfehler lesen mag ;-)

    Die Aufnahmen:

    Herbert von Karajan, Singerverein der Musikfreunde in Wien, Wiener Philharmoniker (EMI, rec. Wien 1950)
    Tam: Anton Dermota, Pam: Irmgard Seefried, Papo: Erich Kunz, Kön: Wilma Lipp, Sar: Ludwig Weber, Spr: George London, Papa: Emmy Loose, Mon: Peter Klein

    Wilhelm Furtwängler, Chor der Wiener Staatsoper, Wiener Philharmoniker (EMI, rec. live, Salzburger Festspiele 1951)
    Tam: Anton Dermota, Pam: Irmgard Seefried, Papo: Erich Kunz, Kön: Wilma Lipp, Sar: Josef Greindl, Spr: Paul Schöffler, Papa: Editz Oravez, Mon: Peter Klein

    Otto Klemperer, Philharmonia Chorus (Wilhelm Pitz), Philharmonia Orchestra (EMI, rec. London 1964)
    Tam: Nicolai Gedda, Pam: Gundula Janowitz, Papo: Walter Berry, Kön: Lucia Popp, Sar: Gottlob Frick; Spr: Franz Crass, Papa: Ruth-Margret Pütz, Mon: Gerhard Unger

    Karl Böhm, RIAS-Kammerchor (Günther Arndt), Berliner Philharmoniker (Deutsche Grammophon, rec. Berlin 1964)
    Tam: Fritz Wunderlich, Pam: Everlyn Lear, Papo: Dietrich Fischer-Dieskau, Kön: Roberta Peters, Sar: Franz Crass, Spr: Hans Hotter, Papa: Lisa Otto, Mon: Friedrich Lenz

    John Eliot Gardiner, The Monteverdi Choir, The English Baroque Soloists (Archiv Produktion, rec. 1995/1996)
    Tam: Michael Schade, Pam: Christiane Oelze, Papo: Gerald Finley, Kön: Cyndia Sieden, Sar: Harry Peeters, Spr/1. Priester: Detlef Roth, Papa: Constanze Backes, Mon: Uwe Peper

    William Christie, Les Arts Florissants (Erato, rec. Paris 1995)
    Tam: Hans Peter Blochwitz, Pam: Rosa Mannion, Papo: Anton Scharinger, Kön: Natalie Dessay, Sar: Reinhard Hagen, Spr: Willard White, Papa: Linda Kitchen, Mon: Steven Cole

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    gruenschnabel

    Registriert seit: 19.01.2013

    Beiträge: 6,129

    gypsy tail windEin Versuch, die Oper in den sechs mir vorliegenden Aufnahmen vergleichend zu hören und dabei einige Gedanken zu notieren … ich komme mir dabei etwas wie ein Hochstapler vor, aber tant pis, man rechne meine ganze Hörerfahrung ein, nicht nur die vergangenen neun oder zehn Monate, in denen ich mich mit Klassik überhaupt erst eingehend befasst habe. (…)

    Wow, was für ein Monsterbeitrag. Nix da mit „Hochstapler“, das Posting verrät ein außerordentlich waches und sensibles Ohr sowie ansteckende Leidenschaft für die Musik. Ich verneige mich begeistert. Danke dafür.

    Schade, dass ich nur so wenig davon nachvollziehen kann, da ich keine sechs „Zauberflöten“ zu Hause rumliegen habe. Aber ausgerechnet der Böhm liegt mehr oder weniger doppelt rum, zudem noch zwei Arien unter Christie.
    Viele Eindrücke zu Böhm teile ich. Fischer-Dieskau schätze ich wirklich sehr, aber Papageno ist wirklich nicht „seine“ Rolle. Trotzdem hat auch diese Figur sängerisch hier ganz feine Stellen. Wunderlich super, die Berliner hingegen etwas träge (gleichwohl: Man hört schon, dass das kein schlechter Klangkörper ist bzw. war.).
    Und auch ich ziehe im Vergleich Dessay als Königin vor, sehe die Relation der Tempi der Rachearien ähnlich. Eine solch harte Kritik an Peters hingegen hätte ich nicht erwartet. Ihre Freiheiten hinsichtlich der Rhythmik z.B. schlucke ich ohne den ganz großen Widerwillen, so extrem finde ich die Abweichungen da nicht. Und ihr Vibrato…finde ich zumindest nicht dilettantisch. Trotzdem: Ja, die Stimme ist zu dünn, zu klein, zu scharf – bei Dessay hingegen ist das klanglich und gestalterisch ein Hochgenuss.

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    #8731791  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Mag sein, dass bei Peters (und weniger bei Lear, mit der kann ich mich inzwischen abfinden) noch immer die erste sehr grosse Enttäuschung über die Böhm-Aufnahme etwas durchscheint. Ich hatte die „Zauberflöte“ in der Furtwängler-Aufnahme von 1951 gehört und begab mich auf die Suche nach weiteren, mit Wunderlich, FD und Böhm schien mir diese ein „safe bet“ und als ich sie mit grösster Vorfreude auflegte, wich die rasch (bei der ersten Arie der Königin) eingetrene Konsternation bald einer grossen Enttäuschung.

    Die grosse Vergesse scheint Rosa Mannion zu sein, bis anhin wohl meine liebste Pamina (Popp kommt bald dazu – ich hätte wohl besser noch ein Weilchen gewartet und weiteres verglichen, aber das war so schon fast ein Tagwerk, weil ja die Repeat-Taste bei einem solchen Unterfangen immer wieder benutzt wird). In einem älteren Artikel über Amanda Roocroft findet sich der Hinweis, dass Mannion sich zurückgezogen habe und unterrichte, der Eintrag auf der Hyperion-Seite ist durchgehend in Vergangenheitsform geschrieben. Das hier ist wohl noch aktuell. In Gardiners „Così fan tutte“ gibt sie an der Seite von Roocrofts Fiordiligi die Dorabella.

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    #8731793  | PERMALINK

    Anonym
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    Beiträge: 0

    Wunderbar, gypsy, vielen Dank für diese feinen Höreindrücke. So viel Auswahl habe ich nicht bei diesem Wunderding der Zauberflöte, die man zurichten kann, wie man will, scheint mir. Von der Kinderei Ingmar Bergmans bis zu Furtwängler, an den Klemperer wohl heranreichen wollte, aber, naja. Es ist eine Oper zum Abarbeiten und das Orchester verdammt wichtig.

    Und da bleibt wohl immer noch an erster Stelle Furtwängler 51 (ich weiß immer noch nicht, was Du da immer mit dem Klang hast, der ist doch völlig in Ordnung). Diese Ouvertüre fasst tatsächlich vieles in eins und die Pausen, die Furtwängler da wählt, sind nicht von ungefähr. Und sie wiederholen sich auch in den Arien, das ist sehr auffällig – gegenüber Christie und anderen späteren – die Wahl der Pausen. Dermota im „Bildnis“ ist etwa heldisch, aber das macht fast nichts, es fügt sich alles so richtig bis hin zu dem Geplapper der Damen. Und das ist auch ein sehr klassischer Zug bei Furtwängler, wie er da das Grollen vor der besänftigenden Verzweiflung der ersten Königin-Arie heraufschraubt, in Aufregung, aber ruhig. Es ist fast gleich, wer dann da singt. Aber Lipp ist nahebei, auch wenn Edda Moser wohl feiner wäre, aber das passt zeitlich weniger. Die verflixten Koloraturen gelingen Lipp allerdings gar nicht – wobei ich mich frage, ob dieses Elend der Verzweiflung nicht gerade misslingen muss? Schön ist das Leben der Königin schließlich nicht. Sarastro ist nicht einfach der Gute, sondern eben auch von oben herab, das ist ein Kern, der herausgespielt werden sollte, aber Mozart gibt dazu wenig Anweisungen. Musikalisch ein bisschen.

    Die Dehnung Furtwänglers gefällt mir also wohl am besten. Da es gesagt wurde, FD sei kein Papageno. Doch, phantastisch, aber in der Fricsay-Einspielung. Ich habe mit FD auch immer wieder Hadereien, aber wohl ebenso viele Überraschungen. Und er kann den Bauern singen.

    Überhaupt nicht mehr komme ich klar mit Christie. Das ist lockeres Orchester. Aber das Sänger-Ensemble so schlimm, Beamtendeutsch, wie abgelesen. Gardiner propft da auf und renkt es ein. Das ist viel feiner. Aber immer noch wie abgespielt, wenn auch sehr viel durchdachter. Schon der Auftakt zur Ouvertüre holt Luft und Raum, den Christie nicht zugesteht.

    Und die Rezitative und das Geplapper wegzulassen, ist ein Unding. Die gehören dazu!

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    #8731795  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
    Moderator
    Biomasse

    Registriert seit: 25.01.2010

    Beiträge: 67,063

    Interessant! Das mit Christie freut mich natürlich nicht, ich finde die Einspielung wohl inzwischen eher noch besser als beim ersten Hören. Gardiner ist mir im Orchester und in der Ausgeglichenheit des Ensembles vermutlich lieber, aber Christie hat mit Dessay, Mannion und Scharinger drei Trümpfe.

    Den Klang bei Furtwängler finde ich ja am Ende doch passabel, man kann das sehr gut hören – aber ich geniesse es eben auch sehr, wenn eine Aufnahme richtig schön klingt, und das ist hier nun wirklich nicht gerade der Fall.

    Ich warte jetzt gespannt auf Haitink … und zu Fricsay muss ich dann wohl doch mal noch greifen, wenigstens mir ein paar Auszüge anhören.

    Und nochmal zu Peters in der zweiten Königin-Arie: da wird eben nicht frei mit dem Tempo umgesprungen, nichts wird geformt oder modelliert – das ist bloss Hilflosigkeit. So kommt es mir wenigstens vor – wenn es denn anders war, hat sich das nicht gut auf Tonkonserve übertragen.

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