The Class of ’82

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  • #5869335  | PERMALINK

    herr-rossi
    Moderator
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    Registriert seit: 15.05.2005

    Beiträge: 87,237

    Bender RodriguezWer sich lange genug angehört hatte, daß er „ja eh nur billige und dumme Scheissmusik“ (O-ton eines mit einer Santana-Platte herumwedelnden Tonträgerfachverkäufers) hören würde, kam sich nicht etwa besonders „cool“ vor (leider kann ich das nicht bestätigen, Herr Rossi…)

    Die Kommentare kenne ich natürlich auch, aber wir als bekennende ABBA-Fans waren sowas eh gewohnt, uns konnte das nicht schocken … ;-)

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    #5869337  | PERMALINK

    bender-rodriguez

    Registriert seit: 07.09.2005

    Beiträge: 4,310

    Ohne jetzt ABBA herabsetzen zu wollen (ich persönlich würde ABBA niemals als „Scheissmusik“ bezeichnen), aber sich diesen dämlichen Kommentar von einem mit der Materie Wave/Underground kaum auskennenden Typen anhören zu müssen, dürfte man schon als einen etwas schwerwiegenderen Fauxpas werten. ;-) (Ob der Knilch in seiner Santana-Seligkeit jemals etwas von Cabaret Voltaire, Dadaismus, Russolo und der Cut-up-Technik von Burroughs gehört hatte? Nun, ich hab’s nicht erfahren – und werde es niemals erfahren, da ich diesen Laden nachher niemals wieder betrat und dieser irgendwann mal dicht machte. Wollte wohl keiner mehr Santana-Platten kaufen – oder so…
    ;-) )

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    #5869339  | PERMALINK

    bender-rodriguez

    Registriert seit: 07.09.2005

    Beiträge: 4,310

    MikkoDer modische Aspekt hat bei mir eigentlich nie eine Rolle gespielt.

    Nun, bei mir heute auch nicht mehr. Wäre ja auch ziemlich befremdlich, heutzutags mit Ü40 noch in „szenischen“ Klamotten herumzustolzieren…
    Irgendwann sollte man einsehen, daß man ein anachronistisches Bild der Lächerlichkeit abgibt, z.B. als Altpunk, Altgrufti oder Althippie herumzulaufen (ich kenne allerdings in meinem Bekanntenkreis Leute über 40, die sehr wohl noch eine längst verlorene Szenezugehörigkeit mittels ihres Outfits vermitteln möchten – meine Kommentare diesen Leuten gegenüber fallen nicht immer sehr wohlwollend aus…). Sehr wohl sollte man allerdings auch einsehen und verstehen, daß die selbstverständlich zueinander passende Kombination aus Mode und Musik für Teenager/Heranwachsende eminent wichtig ist (bzw. war). Und besonders die verschiedensten blühenden Szenen der Achtziger verlangten auch nach optischem Ausdruck. Kleidung und Frisuren mit Signalwirkung gehörten bald zu unserem Alltag wie Nahrungsaufnahme und Schlaf – es wurde zu einer Selbstverständlichkeit. Es fiel einem selber bald gar nicht mehr auf, daß man auf Passanten ein wenig „seltsam“ wirkte.
    Kurz, ich gebe unumwunden zu – auch ich kümmerte mich eine Zeitlang recht ausgeprägt um (m)eine Mode zu „meiner“ Musik…

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    #5869341  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    Bender Rodriguez(Ob der Knilch in seiner Santana-Seligkeit jemals etwas von Cabaret Voltaire, Dadaismus, Russolo und der Cut-up-Technik von Burroughs gehört hatte? Nun, ich hab’s nicht erfahren – und werde es niemals erfahren, da ich diesen Laden nachher niemals wieder betrat und dieser irgendwann mal dicht machte. Wollte wohl keiner mehr Santana-Platten kaufen – oder so…
    ;-) )

    Du scheinst ein Feindbild erlebt zu haben, das es nach meiner Erfahrung längst nicht mehr gab. Das Radio war in Teilen so wie heute, mainstream. Gute Sendungen suchte man keinesfalls vergebens (genauso wie 10 Jahre zuvor und auch heute noch, es gibt und gab sie) und der Dealer mit Santana-Seligkeit war kein guter. Das hat sich aber alles bis heute nicht geändert („Vinyl? Wer hört denn huete noch Vinyl!“) und war vorher auch schon so. 20 Jahre früher allerdings noch um einiges schlimmer.
    Nie zuvor gab es so viele und so gute Plattenläden wie zu jener Zeit, welche nach meiner Erfahrung in erster Linie von Leuten lebten, die du reichlich geringschätzig attributierst mit heute „Ü40 … und 1979 abrupt damit aufhörte, jung zu sein…“. Es waren in D weniger die Ü18, die diese Läden am Leben hielten, die kauften vielleicht mal ein zwei Platten, als eher die Ü25, die mittlerweile zu etwas Geld gekommen waren.
    Ich selber habe nie zuvor eine so radikale Offenheit erlebt bei Hörern und Machern. Ich weiß nicht, wie alt du warst, aus jugendlicher Sicht sieht manches extremer aus, als es war.
    Und wenn jemand 1982 zu einem schlechten Jahrgang macht, dann ist das eine recht ignorante Einzelmeinung, doch keineswegs für irgendetwas repräsentativ. Es deckt sich allerdings auch mit meinen Erfahrungen, dass gerade viele der Ende60/Anfang70 Musiksozialisierten die härtesten Verfechter der „alten“ Schule waren (manche bis heute!!).

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    FAVOURITES
    #5869343  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    Schön, dass mein Vorschlag aufgenommen wurde und schon so viele spannende Beiträge verfasst wurden. Danke Euch allen.

    Ich als Nachgeborener kann natürlich nicht aus eigener Erfahrung berichten, aber ich wollte, weil es auch mich betrifft, etwas zu Bemerkungen sagen, 1981 oder 1982 seien schwache Jahre gewesen. Es gibt zweifellos Leute, die in ihrem Musikgeschmack 1975 oder 1979 stehengeblieben sind und für die danach kaum noch wertvolle Musik entstanden ist bzw. nur dann, wenn sie sich an bekannten Mustern orientierte. Lustigerweise fabrizierten ja gerade die Helden dieser Generation in den 80ern furchtbare Alben, gerade auch Santana, nur um das Beispiel von Bender aufzugreifen.

    Dazu gehöre ich natürlich nicht, weil ich ja sehr viel aktuelle Musik höre. Ebenso bin ich kein Freund von Bands wie Journey, Rush, Foreigner, BJH und Supertramp oder gar von dem Hardrock/Metal der 80er. Allerdings fällt es mir schwer, auch abseits dieser Pfade gerade in diesen Jahren wirklich Musik zu finden, die mich voll und ganz begeistert.

    Ein Grund dafür ist sicherlich, dass ein Teil dieser Musik vor allem mit Singles die größte Wirkung erzielte und ich nun einmal in stärkerem Maße ein „Albumhörer“ bin. Die Alben der Zeit überzeugen mich nun einmal nicht wirklich, obwohl ich Bands wie The Cure, O.M.D. oder Echo & the Bunnymen sehr zu schätzen weiß. Die Bemerkung über die „schwachen Alben“ von meiner Seite sollte aus nicht mit „schwacher oder schlechter Musik“ gleichgesetzt werden. Außerdem gibt es ja Compilations und Box Sets, auf der die entsprechende Musik in der Regel leicht zugänglich ist.

    Um aber zum eigentlichen Kern zu kommen. Bei meinen Versuchen, mir die Popgeschichte seit – sagen wir mal – 1950 zu erschließen, sind mir diese Jahre irgendwie nie näher gekommen. Am nächsten stehen mir sicherlich die 1960 oder genauer gesagt die Dekade zwischen 1963 und 1973, die Dekade rastloser Experimentation und hoher Individualität im musikalischen Ausdruck. Wenn ich die Musik dieser Zeit höre, ist sie mir emotionell nahe, so nahe wie die aktuelle Musik, die frühen 80er sind es nicht und erregen gelegentlich sogar meinen Argwohn. Bei anderen wie Bender oder Dick Laurent ist es offensichtlich tendenziell umgekehrt.

    Woran das liegt, kann ich nur schwer sagen. Interessanterweise ist es in Bezug auf den Jazz der 1980er ähnlich. Viele Künstler haben in dieser Zeit mit Synthesizern und elektronischen Effekten gearbeitet. Das geschah zum Teil in ziemlich kunstvoller Weise, wirkt aber oft sehr steril. Und das ist (vielleicht) mein Problem mit dieser Zeit: die Musik wirkt auf mich steril. Das liegt teilweise sicherlich an der Produktion (Drummachines, gell Bender ;-)), aber auch an etwas anderem, das schwer zu fassen ist.

    Wenn ich jetzt einen Anknüpfungspunkt an das von anderen geschriebene suchte, dann würde sich am Ehesten anbieten, mit dem anzufangen, was Bender geschrieben hat. Die Musik dieses Jahres oder dieser Zeit ist subversiv und bedient sich ironischer Mittel um Charterfolg zu erlangen. Es kann sein, dass mir das nicht reicht, weil ich nach mehr suche, nach mehr Emotionen. Ich will der Musik nicht vorwerfen, dass sie „kalt“ sei, da ich sie ja teilweise durchaus schätze, aber es bleibt bei mir häufig eine gewisse emotionale Distanz. Das ist jetzt keine Codesprache für „schlechte Musik“, sondern lediglich ein Ausdruck meiner Distanz gegenüber den 80ern.

    Interessanterweise ist dieser Gegensatz bei mir weder auf die Musik, die damals im Radio gespielt wurde (und die die Meisten hier heftig kritisieren) noch auf die – sagen wir mal – NewPop/NewRomantics-Szene begrenzt, sondern stellte ein generelles Problem von mir mit dieser Zeit und ihrer Musik dar.

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #5869345  | PERMALINK

    Anonym
    Inaktiv

    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    nail75Viele Künstler haben in dieser Zeit mit Synthesizern und elektronischen Effekten gearbeitet. Das geschah zum Teil in ziemlich kunstvoller Weise, wirkt aber oft sehr steril. Und das ist (vielleicht) mein Problem mit dieser Zeit: die Musik wirkt auf mich steril. Das liegt teilweise sicherlich an der Produktion (Drummachines, gell Bender ;-)), aber auch an etwas anderem, das schwer zu fassen ist.

    irgendwo hatte ich zu diesem technischen Aspekt schonmal etwas geschrieben, finde es aber nicht wieder. Kurz gesagt: dadurch, dass ich in den 80er meine Technikbegeisterung entdeckt habe und sich das auch in der Musik (Drumcomputer, wie geil!) wiederspiegelte, fand ich gerade das reizvoll. Denn sind wir doch mal ehrlich: „Unsteril“ im Sinne von Live kann doch jede Drecksband spielen.

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    #5869347  | PERMALINK

    mistadobalina

    Registriert seit: 29.08.2004

    Beiträge: 20,833

    Joachim Hentschels zentrale Aussage, dass das Jahr 1982 der „Zungenkussmoment“ war, in dem die Avantgarde und das Banale im Gleichgewicht waren, bringt es auf den Punkt, worum es damals ging. Natürlich hatte alles schon früher begonnen, nämlich 1980 mit „Ashes To Ashes“ Bowies Abgesang auf die 70er Jahre, sein „kaltes Goodbye“ wie Hentschel schreibt. Genauso habe ich das auch empfunden.

    Ich zog Ende 1980 mit ein paar Möbeln, einem Berg LPs und einem Haufen Mixtapes von Göttingen nach München, um meinen ersten Job in der Musikbranche anzutreten. Eins dieser Tapes war in den ersten Münchner Tagen mein engster Begleiter, darauf enthalten „Ashes To Ashes“, OMD, Talking Heads, XTC, Ultravox, Magazine, The Feelies, Echo & the Bunnymen, The Cure, Simple Minds, The Associates. Das waren die Bands, die mich damals interessierten, die neu und aufregend klangen. (Punk war fand ich als Phänomen interessant, habe an der Uni ein längeres Referat dazu verfasst, aber ich war einfach schon zu alt – emotional hat mich Punk nie erreicht).

    Die nächsten Jahre verbrachte ich im Musikbusiness, wo man Bands und ihre Werke „Produkt“ nennt. Ich hatte mich als A&R-Manager zwangsläufig für alles zu interessieren, – weil das mein Job erforderte, aber es entsprach auch meinem Naturell. 1982 war ich mal wieder auf Geschäftsreise in London und brachte „The Lexicon Of Love“ mit nach München, die ich in einem Plattenladen am Piccadilly Circus gekauft hatte. Ich habe mich in die Platte regelrecht verliebt: was für eine großartige Produktion, welche Eleganz, welch betörenden Klänge!

    Die 80er Jahre verbrachte ich komplett in der Musikbranche, zwischen aufregenden neuen Tönen und Marketingstrategien, in Kunst und Kommerz. Es war genauso wie Hentschel Dave Rimmer zitiert: „New Pop ist nicht rebellisch. Er hat sich dem mit dem alten Star-System arrangiert. Er verwischt die Grenze zwischen Kunst, Geschäft und Unterhaltung. Er interessiert sich vor allem für Verkäufe, Umsätze und Dollarkurs, und um die Sache noch schlimmer zu machen: Er hat nicht mal ein schlechtes Gewissen dabei“. Es war eine tolle Zeit, aber dann war es auch gut, dass ich meinen Hut nahm und ab 1990 etwas anderes machte. Manchmal denke ich, dass ich mir nur so meine Liebe zur Pop-Musik habe erhalten können.

    --

    When I hear music, I fear no danger. I am invulnerable. I see no foe. I am related to the earliest time, and to the latest. Henry David Thoreau, Journals (1857)
    #5869349  | PERMALINK

    ragged-glory

    Registriert seit: 22.03.2007

    Beiträge: 11,762

    1982 war ich stubenrein, das muss genügen. Ansonsten fällt mir zu 1982 nur nachträglich „Chronic Town“ ein. Aufregende Scheibe. Kühl, kantig, verschroben.

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    #5869351  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    Dave Rimmer“New Pop ist nicht rebellisch. Er hat sich dem mit dem alten Star-System arrangiert. Er verwischt die Grenze zwischen Kunst, Geschäft und Unterhaltung. Er interessiert sich vor allem für Verkäufe, Umsätze und Dollarkurs, und um die Sache noch schlimmer zu machen: Er hat nicht mal ein schlechtes Gewissen dabei“.

    Ich glaube das habe ich dem New Pop damals auch insgeheim übel genommen. Für mich gehörte eine gewisse Outlaw oder Outsider Attitüde zu guter Rock und Pop Musik dazu. Die meisten Bands und Musiker, die ich seit Mitte der 70er Jahre schätzte, entsprachen diesem Bild auf die eine oder andere Weise. Selbst wenn sie nicht gegen das Establishment oder den Kommerz waren, dann waren sie wenigstens nicht erfolgreich. ;-)

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    Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!
    #5869353  | PERMALINK

    zappa1
    Yellow Shark

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 87,195

    Ich muss hier auch erst mal etwas weiter ausholen.
    Ich muss otis hier zustimmen, die Grabenkämpfe, wie sie hier von Bender und z.T. auch von Roland beschrieben wurden, habe ich so auch nicht erlebt. Obwohl ich auch ein Ende60/Anfang70-Sozialisierter bin.
    Vermutlich war es zu Beginn der 70er auch einfacher, da es diese verschiedenen Kategorien ja noch nicht in dem Ausmaß gab. Dazu habe ich immer zu denen gehört, die sich grundsätzlich für alles, was es „Neues“ gab interessierten. Selbst bei uns in der Schule gab es diese Gruppierungen nicht. In meiner Schulclique waren von den Jesuslatschenträgern über den kleinen Möchtegern-Punk und Tony Maneros alle vertreten. Und auf Parties wurden am Abend nach „Echoes“ ganz friedlich „Anarchy“ und danach „Santa Esmeralda“ aufgelegt. Und selbst in meinem Plattenregal haben sich „Soft Cell“ neben „Santana“ noch nie größere Kämpfe geliefert.
    In meiner ausserschulischen Clique waren wir sowieso musikalisch ziemlich auf einer Wellenlänge und eben auch an allem interessiert.
    Leute, die grundsätzlich die eine oder andere Musikrichtung ablehnen, ohne dass sie sich überhaupt damit beschäftigt haben, konnte ich noch nie verstehen. (Okay, ich gestehe, bei Country hatte ich diese Scheuklappen auch)
    Genauso Leute, für die alles immer „echt“ und „handgemacht“ sein muss.
    Dieser Quatsch hat mich damals schon geärgert.
    Aber die gab es nicht erst Ende der 70er, die gab’s schon vorher. Ich musste mir auch die eine oder andere dumme Bemerkung anhören, als ich von „Kraftwerk“ oder „Neu!“ begeistert war.
    Wo ich anfangs auch eher skeptisch war, das war die aufkeimende „Disco-Welle“, was aber weniger mit der Musik zu tun hatte. Die fand ich größtenteils recht ansprechend. Was ich damals sehr ärgerlich fand, war der Verfall der Münchner Disco-Szene hin zur Schicki-Micki Szene. Was wohl der Hauptgrund war, dass ich damals mit einem „Folter für Travolta“-Aufnäher auf meinem Parka rumlief. Sehr originell, ich weiß…
    Was den Sommer 1982 anbelangte, war ich von der Musik sehr angetan.
    Wobei ich anfangs nicht viel mitbekam. Das lag daran, dass ich im
    April 1982 zur Bundeswehr kam und zumindest die ersten drei Monate dort mit viel schlimmer Musik malträtiert wurde. Ausserdem war ich zu dieser Zeit unglücklich verliebt (unbegründet, wie sich später herausstellte…) und mich Depeche Modes „See You“ durch diese Zeit begleitete und „lebensrettend“ für mich war.
    Das änderte sich dann schlagartig, als ich Ende Juni nach Feldafing am Starnberger See versetzt wurde und dort mit vier Typen auf meiner Bude zusammenkam, wo wir sofort merkten, dass zwischen uns die Chemie absolut stimmt, vor allem auch auf Musik bezogen. Und so machten wir damals die Discos in Starnberg und Tutzing unsicher. Schon deshalb wurde dieses Jahr sowohl musikalisch aber auch insgesamt für mich ein gewisser Neuanfang. Raus aus den runtergekommenen Haschisch-Buden rein in die Neonwelt der 80er. Dazu lernten wir einen netten DJ kennen, der uns immer über alle Neuigkeiten informierte und uns, nachdem er ja wusste, dass wir armen Vaterlandsverteidiger wenig Kohle hatten, auch Mixtapes und neue Platten aufnahm.
    Ich fand diese Zeit sehr aufregend, vor allem, weil meine sowieso schon vorhandene Liebe zum „Pop“ noch größer wurde. Dazu begann ich in der Zeit auch die Discos der Münchner Gay-Szene aufzusuchen, womit ich dann auch endlich mit „Disco“ meinen Frieden geschlossen hatte.

    --

    „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“ (Goethe) "Allerhand Durcheinand #100, 04.06.2024, 22:00 Uhr https://www.radiostonefm.de/naechste-sendungen/8993-240606-allerhand-durcheinand-102  
    #5869355  | PERMALINK

    zappa1
    Yellow Shark

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 87,195

    Noch zu den Grabenkämpfen bzw. irgendwelchen Gruppierung bzw. Aufkommen von neuen Genres.
    Ich verstand nie, dass die Leute immer Rettung suchten.
    Warum eigentlich?
    Punk rettete uns angeblich vom Prog, New Romantic rettete uns dann irgendwie von allem, später retteten uns dann Nirvana auch vor irgendwas, ich weiß heute noch nicht vor was. Irgendwie wollen die Leute immer vor etwas gerettet werden. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich irgendeine Rettung vor irgendwas brauchte.
    Die Pop-Historie ist eine einzige Retterei…:-)

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    „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“ (Goethe) "Allerhand Durcheinand #100, 04.06.2024, 22:00 Uhr https://www.radiostonefm.de/naechste-sendungen/8993-240606-allerhand-durcheinand-102  
    #5869357  | PERMALINK

    daniel_belsazar

    Registriert seit: 19.04.2006

    Beiträge: 1,253

    MikkoIch glaube das habe ich dem New Pop damals auch insgeheim übel genommen. Für mich gehörte eine gewisse Outlaw oder Outsider Attitüde zu guter Rock und Pop Musik dazu. Die meisten Bands und Musiker, die ich seit Mitte der 70er Jahre schätzte, entsprachen diesem Bild auf die eine oder andere Weise. Selbst wenn sie nicht gegen das Establishment oder den Kommerz waren, dann waren sie wenigstens nicht erfolgreich. ;-)

    Ich sag’s frei heraus: Ich hab das nicht nur „insgeheim“ übel genommen, sondern ganz offen.

    Sicher stellt 82 einen gewissen Wendepunkt auch in der Musik dar. Das gab es aber auch noch andere Wenden, vor allem in Deutschland, der ein oder andere mag sich erinnern. Alte Werte spielten in dieser „geistig-moralischen Wende“ plötzlich wieder eine große Rolle, eine Birne wurde Kanzler, die „Fammillje“ wurde angeblich in den Mittelpunkt gerückt.

    In Wahrheit begann in aller dreisten und feisten Offenheit die Operation „skrupellose Abzocke“, das weltweit durch Thatcher und vor allem den Neoliberalen um Reagan eingeläutete große „Enrichez-vous“ der 80er hatte endlich auch das verschlafene Provinz-D erreicht. Und zugleich begannen plötzlich alte Leute in Mülltonnen zu wühlen, um mit Pfandflaschen und Essbarem das Leben zu verbessern … jedenfalls war das in Berlin spürbar.

    Exkurs: Ein besonderer Ekelhöhepunkt sicher der Rücktritt des Postministers Schwarz-Schilling ausgerechnet wegen moralischer (!) Bedenken bzgl. Jugoslawien, nachdem jahrelang keine Rolle spielte, dass das Unternehmen seiner Frau sehr große Aufträge zur Kupferverkabelung der Bundesrepublik erhielt. „Ich weiß gar nicht was Sie wollen – Sonnenschein gehört doch meiner Frau, da habe ich doch nichts mit zu tun.“- Breitester Grins im Gesicht.

    Weltweit trat das Role-Model des „Yuppies“ (Young Urban Professional) den Siegeszug an, der Börsenhai war das gefürchtet-geliebte Vorbild. Und das auch ganz besonders in London, das als Hauptstadt des ehemaligen Empires ohnehin bevorzugter Finanzplatz war (heute weltweit die Nummer zwei nach NYC). Dazu kam, dass Thatchers Reinigung den Weg für den massiven Ausbau des Dienstleistungsektors Banken öffnete – als „Animal“ am Brokertisch blendend verdienen, den Verdienst auch zeigen, geile Klamotten tragen, scharfe, aufgebrezelte Weiber v…., abends die Sau rauslassen, ohne jede Gewissensbisse und etwaige moralische Hemmnisse, ab ins Fitness-Studio zum Work-out, blenden, wo es geht … das war das neue Ding.

    Und genau dazu passte die neue „offizielle“ Pop-Musik. Sicher gab es da den ein oder anderen „subversiven“ Ansatz, der jedoch allzubald vom Mainstream locker aufgeschlabbert wurde. Mich erinnerten und erinnern diese Ansätze im Prinzip stark an die ganze unselige, ebenfalls damals von „links“ losgetretene „Heimat“-Debatte in Deutschland. Allein der Gedanke, man könne solche ausgelutschten Bedeutungsfelder subversiv „besetzen“ und neu definieren … im Gegenteil wurde der Weg für den eigentlichen Gegner bereitet, sein Geschäft vorbereitet. Beziehungsweise man lief selber über. „Unterwandern, unterwandern, von einer Single zur andern“, sozusagen der „Marsch durch die Institutionen“ in den 80ern.

    Dass auch musikalisch Ende der 70er/Anfang der 80er eine Wegscheide kam, ist offensichtlich. Ob aber nun gerade die affirmative Hitparadenmusik da das neue Überdauernde darstellen sollte? Die Pop-„Class of 82“ als Wegweisung? … Ich weiß nicht. :krank:

    --

    The only truth is music.
    #5869359  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    @Zappa: Es ist ja nicht überraschend, das ein Teil bei der Entstehung neuer Trends wesentlich die Abgrenzung von Bestehendem ist. Das kann man natürlich bis ins Extrem fortführen.

    @DB: Interessant an der Popmusik dieses Sommers ist ja, dass sie offensichtlich nicht überdauerte, sondern ähnlich wie die NDW eine Übergangserscheinung war. Wenn sie wirklich den Versuch darstellte, mit ironischen Mitteln, zum Erfolg zu kommen, dann läge darin auch eine Erklärung für ihr Scheitern, denn das System der Musikindustrie ist frei von jeder Ironie.

    --

    Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
    #5869361  | PERMALINK

    bender-rodriguez

    Registriert seit: 07.09.2005

    Beiträge: 4,310

    nail75

    aber ich wollte, weil es auch mich betrifft, etwas zu Bemerkungen sagen, 1981 oder 1982 seien schwache Jahre gewesen. Es gibt zweifellos Leute, die in ihrem Musikgeschmack 1975 oder 1979 stehengeblieben sind und für die danach kaum noch wertvolle Musik entstanden ist bzw. nur dann, wenn sie sich an bekannten Mustern orientierte. Lustigerweise fabrizierten ja gerade die Helden dieser Generation in den 80ern furchtbare Alben,

    Das ist exakt der Punkt. Hatte ich übrigens auch immer mal wieder angesprochen und war zentrales Ziel meiner Kritik an den sog. „Stehengebliebenen“: Nur weil z.B. Pink Floyd in den Achtzigern nichts mehr auf die Reihe bekamen waren gleich die ganzen Achtziger Scheisse. In Bausch und Bogen! Diese Denkweise ist mir hier (und nicht nur hier) schon öfters begegnet. Spricht man die Betreffenden direkt darauf an, kommt nichts weiter mehr als heisse Luft, verschämtes Schweigen – oder der abdroschene „früherwarallesbesser“-Mief… Schade! Denn diese Denkweise hätte ich von Fall zu Fall immer mal wieder gerne mit näheren Angaben (wie diese auch immer ausgefallen wären) belegt und erläutert bekommen… Anyway, wir befinden uns aber im „Class of 82“-Thread, es kamen nach meinem letzten Beitrag (danach hatte ich keine Zeit mehr, hier vorbeizuschauen…) einige sehr interessante Posts von nail75, Zappa1 und Daniel_Belsazar, auf die ich bei Gelegenheit gerne nochmals eingehen möchte. Und auch zu otis‘ Post kommt nach was von mir. Habe allerdings im Moment jobbedingt wenig Zeit und bitte um ein wenig Geduld (über’s WE sollte ich es aber geschafft haben, meinen Gedanken hier Platz geschaffen zu haben…
    ;-) ). Danke für das Verständnis im voraus!

    --

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    #5869363  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    nail75
    Wenn sie wirklich den Versuch darstellte, mit ironischen Mitteln, zum Erfolg zu kommen, dann läge darin auch eine Erklärung für ihr Scheitern, denn das System der Musikindustrie ist frei von jeder Ironie.

    Gleiches gilt auch für den Massengeschmack.

    @bender: Ich freue mich schon! :-)

    Mein zentraler Punkt ist ja, dass man auch als „nicht-Stehengebliebener“ Probleme mit der Musik der frühen 1980er haben kann. Außerdem gibt es auch hier im Forum Musikliebhaber, die zwar älter sind, aber in ihrem Musikgeschmack nicht stehengeblieben sind (d.h. sie hören aktuelle Musik, die nicht nur Retro-Mustern folgt). Diese Umstände empfinde ich als diskussionswürdig, wie auch Rossis Einschätzung, dass irgendetwas in den frühen 80ern geschah, dass tiefe Gräben aufriss.

    @Dick: Das gilt übrigens auch umgekehrt. Schlechte Synthesizer sind ja auch qualvoll. Vielleicht hat Zuneigung oder Abneigung zur Musik dieser Jahre wirklich hauptsächlich mit der Produktion bzw. dem Einsatz von Synthesizern zu tun.

    --

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