Re: The Class of ’82

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nail75

Registriert seit: 16.10.2006

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Schön, dass mein Vorschlag aufgenommen wurde und schon so viele spannende Beiträge verfasst wurden. Danke Euch allen.

Ich als Nachgeborener kann natürlich nicht aus eigener Erfahrung berichten, aber ich wollte, weil es auch mich betrifft, etwas zu Bemerkungen sagen, 1981 oder 1982 seien schwache Jahre gewesen. Es gibt zweifellos Leute, die in ihrem Musikgeschmack 1975 oder 1979 stehengeblieben sind und für die danach kaum noch wertvolle Musik entstanden ist bzw. nur dann, wenn sie sich an bekannten Mustern orientierte. Lustigerweise fabrizierten ja gerade die Helden dieser Generation in den 80ern furchtbare Alben, gerade auch Santana, nur um das Beispiel von Bender aufzugreifen.

Dazu gehöre ich natürlich nicht, weil ich ja sehr viel aktuelle Musik höre. Ebenso bin ich kein Freund von Bands wie Journey, Rush, Foreigner, BJH und Supertramp oder gar von dem Hardrock/Metal der 80er. Allerdings fällt es mir schwer, auch abseits dieser Pfade gerade in diesen Jahren wirklich Musik zu finden, die mich voll und ganz begeistert.

Ein Grund dafür ist sicherlich, dass ein Teil dieser Musik vor allem mit Singles die größte Wirkung erzielte und ich nun einmal in stärkerem Maße ein „Albumhörer“ bin. Die Alben der Zeit überzeugen mich nun einmal nicht wirklich, obwohl ich Bands wie The Cure, O.M.D. oder Echo & the Bunnymen sehr zu schätzen weiß. Die Bemerkung über die „schwachen Alben“ von meiner Seite sollte aus nicht mit „schwacher oder schlechter Musik“ gleichgesetzt werden. Außerdem gibt es ja Compilations und Box Sets, auf der die entsprechende Musik in der Regel leicht zugänglich ist.

Um aber zum eigentlichen Kern zu kommen. Bei meinen Versuchen, mir die Popgeschichte seit – sagen wir mal – 1950 zu erschließen, sind mir diese Jahre irgendwie nie näher gekommen. Am nächsten stehen mir sicherlich die 1960 oder genauer gesagt die Dekade zwischen 1963 und 1973, die Dekade rastloser Experimentation und hoher Individualität im musikalischen Ausdruck. Wenn ich die Musik dieser Zeit höre, ist sie mir emotionell nahe, so nahe wie die aktuelle Musik, die frühen 80er sind es nicht und erregen gelegentlich sogar meinen Argwohn. Bei anderen wie Bender oder Dick Laurent ist es offensichtlich tendenziell umgekehrt.

Woran das liegt, kann ich nur schwer sagen. Interessanterweise ist es in Bezug auf den Jazz der 1980er ähnlich. Viele Künstler haben in dieser Zeit mit Synthesizern und elektronischen Effekten gearbeitet. Das geschah zum Teil in ziemlich kunstvoller Weise, wirkt aber oft sehr steril. Und das ist (vielleicht) mein Problem mit dieser Zeit: die Musik wirkt auf mich steril. Das liegt teilweise sicherlich an der Produktion (Drummachines, gell Bender ;-)), aber auch an etwas anderem, das schwer zu fassen ist.

Wenn ich jetzt einen Anknüpfungspunkt an das von anderen geschriebene suchte, dann würde sich am Ehesten anbieten, mit dem anzufangen, was Bender geschrieben hat. Die Musik dieses Jahres oder dieser Zeit ist subversiv und bedient sich ironischer Mittel um Charterfolg zu erlangen. Es kann sein, dass mir das nicht reicht, weil ich nach mehr suche, nach mehr Emotionen. Ich will der Musik nicht vorwerfen, dass sie „kalt“ sei, da ich sie ja teilweise durchaus schätze, aber es bleibt bei mir häufig eine gewisse emotionale Distanz. Das ist jetzt keine Codesprache für „schlechte Musik“, sondern lediglich ein Ausdruck meiner Distanz gegenüber den 80ern.

Interessanterweise ist dieser Gegensatz bei mir weder auf die Musik, die damals im Radio gespielt wurde (und die die Meisten hier heftig kritisieren) noch auf die – sagen wir mal – NewPop/NewRomantics-Szene begrenzt, sondern stellte ein generelles Problem von mir mit dieser Zeit und ihrer Musik dar.

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.