Re: The Class of ’82

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daniel_belsazar

Registriert seit: 19.04.2006

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MikkoIch glaube das habe ich dem New Pop damals auch insgeheim übel genommen. Für mich gehörte eine gewisse Outlaw oder Outsider Attitüde zu guter Rock und Pop Musik dazu. Die meisten Bands und Musiker, die ich seit Mitte der 70er Jahre schätzte, entsprachen diesem Bild auf die eine oder andere Weise. Selbst wenn sie nicht gegen das Establishment oder den Kommerz waren, dann waren sie wenigstens nicht erfolgreich. ;-)

Ich sag’s frei heraus: Ich hab das nicht nur „insgeheim“ übel genommen, sondern ganz offen.

Sicher stellt 82 einen gewissen Wendepunkt auch in der Musik dar. Das gab es aber auch noch andere Wenden, vor allem in Deutschland, der ein oder andere mag sich erinnern. Alte Werte spielten in dieser „geistig-moralischen Wende“ plötzlich wieder eine große Rolle, eine Birne wurde Kanzler, die „Fammillje“ wurde angeblich in den Mittelpunkt gerückt.

In Wahrheit begann in aller dreisten und feisten Offenheit die Operation „skrupellose Abzocke“, das weltweit durch Thatcher und vor allem den Neoliberalen um Reagan eingeläutete große „Enrichez-vous“ der 80er hatte endlich auch das verschlafene Provinz-D erreicht. Und zugleich begannen plötzlich alte Leute in Mülltonnen zu wühlen, um mit Pfandflaschen und Essbarem das Leben zu verbessern … jedenfalls war das in Berlin spürbar.

Exkurs: Ein besonderer Ekelhöhepunkt sicher der Rücktritt des Postministers Schwarz-Schilling ausgerechnet wegen moralischer (!) Bedenken bzgl. Jugoslawien, nachdem jahrelang keine Rolle spielte, dass das Unternehmen seiner Frau sehr große Aufträge zur Kupferverkabelung der Bundesrepublik erhielt. „Ich weiß gar nicht was Sie wollen – Sonnenschein gehört doch meiner Frau, da habe ich doch nichts mit zu tun.“- Breitester Grins im Gesicht.

Weltweit trat das Role-Model des „Yuppies“ (Young Urban Professional) den Siegeszug an, der Börsenhai war das gefürchtet-geliebte Vorbild. Und das auch ganz besonders in London, das als Hauptstadt des ehemaligen Empires ohnehin bevorzugter Finanzplatz war (heute weltweit die Nummer zwei nach NYC). Dazu kam, dass Thatchers Reinigung den Weg für den massiven Ausbau des Dienstleistungsektors Banken öffnete – als „Animal“ am Brokertisch blendend verdienen, den Verdienst auch zeigen, geile Klamotten tragen, scharfe, aufgebrezelte Weiber v…., abends die Sau rauslassen, ohne jede Gewissensbisse und etwaige moralische Hemmnisse, ab ins Fitness-Studio zum Work-out, blenden, wo es geht … das war das neue Ding.

Und genau dazu passte die neue „offizielle“ Pop-Musik. Sicher gab es da den ein oder anderen „subversiven“ Ansatz, der jedoch allzubald vom Mainstream locker aufgeschlabbert wurde. Mich erinnerten und erinnern diese Ansätze im Prinzip stark an die ganze unselige, ebenfalls damals von „links“ losgetretene „Heimat“-Debatte in Deutschland. Allein der Gedanke, man könne solche ausgelutschten Bedeutungsfelder subversiv „besetzen“ und neu definieren … im Gegenteil wurde der Weg für den eigentlichen Gegner bereitet, sein Geschäft vorbereitet. Beziehungsweise man lief selber über. „Unterwandern, unterwandern, von einer Single zur andern“, sozusagen der „Marsch durch die Institutionen“ in den 80ern.

Dass auch musikalisch Ende der 70er/Anfang der 80er eine Wegscheide kam, ist offensichtlich. Ob aber nun gerade die affirmative Hitparadenmusik da das neue Überdauernde darstellen sollte? Die Pop-„Class of 82“ als Wegweisung? … Ich weiß nicht. :krank:

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