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Hotblack DesiatoDu wirfst Pop-Musik das Populär-sein vor?
?!?!
Wo soll ich das denn gesagt haben?--
FAVOURITESHighlights von Rolling-Stone.deWerbungotis?!?!
Wo soll ich das denn gesagt haben?Du schriebst von ‚hochgradigen Vereinahmungsqualitäten‘. Das kann man Pop doch nicht vorwerfen.
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~ Mut ist, zu wissen, dass es weh tun kann und es trotzdem zu tun. Dummheit ist dasselbe. Und deswegen ist das Leben so schwer. ~wernerIch kann dir schon sagen, warum mich dein „Argument“ nicht überzeugt: Weil sowohl du als auch Go1 vom größtmöglichen Dummkopf ausgeht, der nur in der Lage ist, gut oder scheisse zu sagen. Und das ist nicht mein Menschenbild. Und Leute, die von der Prämisse ausgehen, halte ich in der Tat für überheblich.
Das ist nur eine böswillige Unterstellung. Ich habe gar kein „Menschenbild“. Ich begegne ab und zu Leuten, die sich so aufführen wie Du in diesem Thread, und deren Gehabe geht mir auf die Nerven. Das ist alles.
nail75Ich störe mich auch an Go1s Aussage, so wie sie da steht und finde auch Deine Variation nur marginal besser. Sie suggeriert doch die Existenz einer Grundvoraussetzung von Kunstgenuss, nämlich die (bürgerliche) Bildung. Ich verstehe, was Go1 aussagen will, empfinde die Formulierung aber als mehr als unglücklich. Auch wenn der Widerspruch von werner gerne zehn Stufen weniger aggressiv und polemisch ausfallen dürfte, im Grunde trifft er den Kern des Problems von Go1s Aussage: Wenn ich von einem bürgerlichen Kunstverständnis rede, dann erwecke ich automatisch den Eindruck der Exklusivität, auch wenn das gar nicht beabsichtigt ist. Ich würde daher anders an die Sache herangehen: Erst war das Interesse, der Wille zur Beschäftigung mit Kunst, dann die Bildung und Erfahrung.
Ich denke, der Dissens ist nur scheinbar und hängt am Wörtchen „Bildung“. Voraussetzung des Kunstgenusses ist die Fähigkeit dazu, die eigene Wahrnehmungsfähigkeit und Sensibilität, das eigene Beurteilungs- und Genussvermögen. Diese Fähigkeiten muss man erst entwickeln, und sie entwickeln sich weiter, je mehr man sich mit Kunst beschäftigt – das ist die Bildung, von der ich rede. Die ist an sich nicht „bürgerlich“. Bürgerlich (im Sinne von: aus dem 18. und 19. Jahrhundert überkommen) ist mein Verständnis davon, was Kunst ist (und was Bildung ist). Ich habe ja nichts Originelles oder Besonderes geschrieben – das kann man daran merken, dass bullschuetz exakt dasselbe geschrieben hat, was ich auch gesagt hätte (ich hätte es nicht besser ausdrücken können). Das Fussball-Beispiel ist hilfreich, um klarzustellen, worum es wirklich geht.
„Wenn Du die Kunst genießen willst, musst Du ein künstlerisch gebildeter Mensch sein“ – das versteht sich eigentlich von selbst. Missverständlich ist es nur, weil so viele beim Stichwort „Bildung“ gleich an Schule und Hochschule denken (obwohl es an den Unis immer weniger Raum für Bildung gibt). Dass Bildung mit Exklusivität (also dem Ausschluss von vielen) assoziiert wird, dafür kann ich nichts; das liegt an der Organisation des sogenannten „Bildungswesens“.
Ein Problem gibt es aber noch: Wenn man an die Bildungsvoraussetzungen des Kunstgenusses (im umfassenden Sinne verstanden) erinnert, wird einem gleich unterstellt, man würde die „Ungebildeten“ verachten. Auch das ist nicht meine Schuld. Wir leben in einer Gesellschaft, in der ein Kampf aller gegen alle tobt, die Konkurrenz, in der Dünkel und Verachtung zum Alltag gehören. Dadurch wird das Wort „Bildung“ auch moralisch aufgeladen. Aber wenn man feststellt, dass viele Leute ihre Urteils- und Genussfähigkeiten nicht entwickelt haben und kaum entwickeln können – weil sie z.B. in einem geisttötenden Fabrikjob oder Bürojob gefangen sind, der ihnen die Lebenskraft raubt, und ihre Freizeit sich darauf beschränkt, ihre Arbeitskraft zu reproduzieren, damit sie am nächsten Tag wieder antanzen können (wofür die Berieselung durch den Fernseher ein passendes Mittel ist); wenn man das feststellt, dann ist das doch kein Vorwurf an die Leute. Es ist eine Kritik an der Gesellschaft, die einem Teil ihrer Mitglieder nur solche Jobs anbietet. Man verachtet nicht diejenigen, die sich nicht bilden, sondern kritisiert, dass die Gesellschaft es nicht allen gleichermaßen ermöglicht, ihre Fähigkeiten und Potenziale zu entwickeln, ihre produktiven ebenso wie ihre Genussfähigkeiten. Man kritisiert, dass die freie Entfaltung der einen, ihre Reichtümer und Genüsse, auf Kosten anderer gehen – derjenigen, die ihre Lebenskraft im Dienst an fremdem Reichtum, in entfremdeter Arbeit verbrauchen; und Verachtung empfindet man nur für diejenigen, die solche Verhältnisse rechtfertigen.
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To Hell with PovertyMikkoUm die Sache mit der Bildung (die hier einigen irgendwie unangenehm zu sein scheint) anders zu formulieren, man kann Musik hören und dazu spontan ein Gefühl äußern, positiv oder negativ. Man kann sagen, das mag ich und das mag ich nicht. Das ist dann aber auch schon alles. Wenn man sein spontanes Urteil begründen will, muss man sich zwangsläufig ein bisschen mehr mit der gehörten Musik beschäftigen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass auch Leute, die nicht über eine exzellente musikalische Bildung vermögen, doch in der Lage sind, ihre Meinung mit Begründung mitzuteilen, auch jenseits von „gut“ oder „schlecht“. Ob man die dann als stichhaltig oder sinnvoll empfindet, ist wieder eine andere Frage. Natürlich hilft musikalische Bildung in jeder Hinsicht bei der Beurteilung von Musik, manche Musik ohne solche Bildung zu beurteilen, ist extrem schwer (Free Jazz!).
Aber wie gesagt: Erst die Kunst, dann die Kritik. Man tut als kritischer Musikfan gut daran, das nicht zu vergessen, da hat dani ganz Recht.Ich wehre mich nicht gegen Bildung oder den Begriff der Bildung, sondern gegen die Idee, die Bildung zur Voraussetzung für Kunstgenuss zu machen. Gerade die Popmusik funktioniert ja offensichtlich nicht so.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.Geht’s grundsätzlich, auch bei den Spezialisten von eigenen Gnaden, nicht eine Nummer kleiner?
Ausdrücke wie „Sünden“, „Verbrechen“ oder, ganz arm, „Behinderung“ im Kontext Musik und deren Bewertung sind meist ziemlich daneben, allenfalls auf Veranstaltungen wie Musikantenstadel o.ä. anwendbar.--
Hotblack DesiatoDu schriebst von ‚hochgradigen Vereinahmungsqualitäten‘. Das kann man Pop doch nicht vorwerfen.
Vereinnahmung und Popularität sind keinesfalls das Gleiche.
Champions bringt musikalisch alles mit, damit es zu genau dem Zweck eingesetzt werden kann, wofür es eingesetzt wird. Es ist absolut perfekt gemacht.
Völlig unabhängig davon, ob es populär war vorher oder nicht, hätte sich diese „Hymne“ auch auf Anhieb beim ersten Hören durchgesetzt.Haitec
Ausdrücke wie „Sünden“, „Verbrechen“ oder, ganz arm, „Behinderung“ im Kontext Musik und deren Bewertung sind meist ziemlich daneben, allenfalls auf Veranstaltungen wie Musikantenstadel o.ä. anwendbar.Da dann aber wohl oder wie?
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FAVOURITESGo1…Aber wenn man feststellt, dass viele Leute ihre Urteils- und Genussfähigkeiten nicht entwickelt haben und kaum entwickeln können – weil sie z.B. in einem geisttötenden Fabrikjob oder Bürojob gefangen sind, der ihnen die Lebenskraft raubt, und ihre Freizeit sich darauf beschränkt, ihre Arbeitskraft zu reproduzieren, damit sie am nächsten Tag wieder antanzen können (wofür die Berieselung durch den Fernseher ein passendes Mittel ist); wenn man das feststellt, dann ist das doch kein Vorwurf an die Leute. Es ist eine Kritik an der Gesellschaft, die einem Teil ihrer Mitglieder nur solche Jobs anbietet. Man verachtet nicht diejenigen, die sich nicht bilden, sondern kritisiert, dass die Gesellschaft es nicht allen gleichermaßen ermöglicht, ihre Fähigkeiten und Potenziale zu entwickeln, ihre produktiven ebenso wie ihre Genussfähigkeiten. Man kritisiert, dass die freie Entfaltung der einen, ihre Reichtümer und Genüsse, auf Kosten anderer gehen – derjenigen, die ihre Lebenskraft im Dienst an fremdem Reichtum, in entfremdeter Arbeit verbrauchen; und Verachtung empfindet man nur für diejenigen, die solche Verhältnisse rechtfertigen. Es gab einmal eine Zeit, in der das für jeden Sozialdemokraten selbstverständlich war.
Bei aller Kritik an den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen, die ich durchaus teile, kann man den Menschen aber eine gewisse Eigenverantwortung dennoch nicht abnehmen. Oder anders gesagt, es gibt den Malocher, der Thomas Mann liest, der anspruchsvolle Pop- und Rockmusik hört und zu Konzerten von James Blake oder Wilco geht. Es gib die Frisöse, die sich mit feministischer Literatur beschäftigt und Platten oder CDs von Cat Power zuhause hat. Solche Menschen sind zwar leider heute eher die Ausnahme, aber ich würde nicht unterstellen, dass die Verhältnisse eine Beschäftigung mit Kunst und Literatur grundsätzlich nur denen ermöglichen, die privilegiert sind.
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Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!nail75Ich wehre mich nicht gegen Bildung oder den Begriff der Bildung, sondern gegen die Idee, die Bildung zur Voraussetzung für Kunstgenuss zu machen. Gerade die Popmusik funktioniert ja offensichtlich nicht so.
Ersetze Bildung durch „Beschäftigung mit“, dann passt’s.
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Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!Go1Ich denke, der Dissens ist nur scheinbar und hängt am Wörtchen „Bildung“.
Ich bin mir da nicht mehr so sicher.
Voraussetzung des Kunstgenusses ist die Fähigkeit dazu, die eigene Wahrnehmungsfähigkeit und Sensibilität, das eigene Beurteilungs- und Genussvermögen. Diese Fähigkeiten muss man erst entwickeln, und sie entwickeln sich weiter, je mehr man sich mit Kunst beschäftigt – das ist die Bildung, von der ich rede.
Wie in dem an Mikko geschriebenen Beitrag würde ich hier widersprechen, da ich der Auffassung bin, dass Du hier gewisse Eigenschaften dem Kunstgenuss vorschaltest – und ich bin mir schlichtweg nicht sicher, dass das wirklich so ist. Natürlich kann und sollte man diese Fähigkeiten entwickeln, aber ich würde sie nicht als „Voraussetzung“ bezeichnen. Ob sich der Widerspruch bei einer genaueren Diskussion auflösen würde, weiß ich nicht.
Ein Problem gibt es aber noch: Wenn man an die Bildungsvoraussetzungen des Kunstgenusses (im umfassenden Sinne verstanden) erinnert, wird einem gleich unterstellt, man würde die „Ungebildeten“ verachten. Auch das ist nicht meine Schuld. Wir leben in einer Gesellschaft, in der ein Kampf aller gegen alle tobt, die Konkurrenz, in der Dünkel und Verachtung zum Alltag gehören. Dadurch wird das Wort „Bildung“ auch moralisch aufgeladen. Aber wenn man feststellt, dass viele Leute ihre Urteils- und Genussfähigkeiten nicht entwickelt haben und kaum entwickeln können – weil sie z.B. in einem geisttötenden Fabrikjob oder Bürojob gefangen sind, der ihnen die Lebenskraft raubt, und ihre Freizeit sich darauf beschränkt, ihre Arbeitskraft zu reproduzieren, damit sie am nächsten Tag wieder antanzen können (wofür die Berieselung durch den Fernseher ein passendes Mittel ist); wenn man das feststellt, dann ist das doch kein Vorwurf an die Leute. Es ist eine Kritik an der Gesellschaft, die einem Teil ihrer Mitglieder nur solche Jobs anbietet. Man verachtet nicht diejenigen, die sich nicht bilden, sondern kritisiert, dass die Gesellschaft es nicht allen gleichermaßen ermöglicht, ihre Fähigkeiten und Potenziale zu entwickeln, ihre produktiven ebenso wie ihre Genussfähigkeiten. Man kritisiert, dass die freie Entfaltung der einen, ihre Reichtümer und Genüsse, auf Kosten anderer gehen – derjenigen, die ihre Lebenskraft im Dienst an fremdem Reichtum, in entfremdeter Arbeit verbrauchen; und Verachtung empfindet man nur für diejenigen, die solche Verhältnisse rechtfertigen.
Nur um das klarzustellen: Ich habe Dir in keinem Wort unterstellt, Du würdest Ungebildete verachten.
Ich sehe die Gesellschaft nicht als Kampf aller gegen aller, der Mensch ist ebenso zu Kooperation fähig wie zur Konfrontation. Letztlich ist der Mensch ein soziales und kein asoziales Wesen, wobei die destruktiven Eigenschaften nie verschwinden und ggf. die Überhand gewinnen können. Ist alles etwas komplizierter als: „Die Gesellschaft unterteilt sich in Ausgebeutete und Ausbeuter“.
Es gibt nämlich auch viele Menschen, die gar nicht in der Lage oder nicht interessiert sind, ihre Bildung auszubauen. Es gibt Leute, die haben einen sie unterfordernden Job, kommen aber abends heim und lesen die anspruchsvollsten Bücher. Und andere kommen nach Hause und schauen RTL2. Und manchmal ist das dieselbe Person.
Nicht alle Menschen möchten gerne Dylan-Experten werden oder Sartre im Original lesen oder Picassos interpretieren. Manche spielen eben gerne Fußball (oder prügeln sich beim Fußball ;-)), züchten Tauben (früher bei Arbeitern sehr beliebt), basteln an ihren Autos oder gehen in die Kneipe.
Man kann nicht alle Menschen emanzipieren und sie zu besseren Menschen machen, wenn man nur das Bildungswesen offener gestaltet, mehr Menschen Zugang zu Bildung eröffnet usw. Man kann die Chancen verbessern, die Wahrscheinlichkeit erhöhen usw., aber man wird nie jeden oder die Mehrheit damit erreichen, weil Menschen unterschiedlich sind. Ja, man kann Menschen emanzipieren, das geht durchaus, wie wir immer wieder erleben. Aber die Menschen müssen es wollen!MikkoErsetze Bildung durch „Beschäftigung mit“, dann passt’s.
Mein Widerspruch, dass ich die Vorschaltung von „Beschäftigung“ vor den Kunstgenuss ablehne, bleibt dann aber auch bestehen.
Zustimmung zu Deinem Beitrag #577.Das war es von mir zu dem Thema heute, morgen wieder.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.MikkoErsetze Bildung durch „Beschäftigung mit“, dann passt’s.
Und dann kann man sogar Go1 Absatz über den Tretmühlencharakter mancher Berufe wieder aufnehmen: auch eine Beschäftigung mit Kultur kann zwischen den Arbeitszeiten zur Entspannung verhelfen.
Die Frage ist auch, wie hoch ist mein aktiver Anteil (z.B. Recherche, Neugier) wenn ich mich mit Popkultur beschäftige. Beim Fernsehen ist der aktive Anteil in der Regel nicht so hoch, beim Musikhören kann er vom berieseln bis zum recherchieren ganz unterschiedlich hoch sein. Beim lesen von einem Roman eher nierdrig, von Fachliteratur wieder eher hoch u.s.w.
Ansonsten kann ich die Beiträge von Go1 und Bullschuetz absolut nachvollziehen.
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“It's much harder to be a liberal than a conservative. Why? Because it is easier to give someone the finger than a helping hand.” — Mike Royko
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
nail75An erster Stelle sollte die Kunst stehen, die dann durch Rezeption Teil eines Diskurses wird. Erst die Kunst, dann die Interpretation der Kunst.
Genau. Aber von hier aus geht es weiter: Die Erfahrungen, die Du mit einem Kunstwerk durchlebt, die Gefühle, die Du dabei empfunden, die Gedanken, die Du Dir dazu gemacht, die Interpretationen, die Du selber erprobt, mit anderen geteilt und im Diskurs durchgespielt, die Sichtweisen von erfahrenen Kunstgenießern, die Du Dir angehört, reflektiert, aufgegriffen oder meinetwegen auch verworfen hast – all das fließt in die Rezeption des nächsten Kunstwerks ein. Auch diesmal gilt: Erst die Kunst, dann die Interpretation, der Diskurs – dasselbe wie beim ersten Mal, nur diesmal sozusagen auf fortgeschrittenem, erfahrungsangereichertem Niveau. Und so weiter. Immer wieder: erst die Kunst, dann … Aber mit der Zeit läuft dieser Prozess auf einem differenzierteren Erfahrungsfundament ab: Es fällt Dir leichter zu vergleichen, weil Du sowohl Vergleichswerke gelesen/gehört/gesehen als auch im Diskurs Vergleichsmaßstäbe entwickelt hast. Es fällt Dir leichter, Dein eigenes Urteil zu begründen und die abweichenden Urteile und Begründungen anderer nachzuvollziehen und auf Dich wirken zu lassen. Und plötzlich geht eine Tür auf, und dahinter verbirgt sich Free Jazz oder „Die Ästhetik des Widerstands“ – und nachdem Du beides früher abgetan hast als unzugänglich, unverständlich, unsinnig, merkst Du plötzlich, wie viel es da noch zu entdecken gibt, wenn Du über diese Türschwelle trittst.
Nenne diesen Prozess „Bildung“ oder „Training“ oder „sich vertiefendes Interesse“ oder „geschultes Einfühlungsvermögen“ oder wie auch immer.
Ich bitte, „Bildung“ nicht damit zu verwechseln, dass man eine Ausstellung besucht und erstmal den Katalog durchliest, bevor man überhaupt vor die Bilder tritt, um dort nur noch wichtigtuerisch die hochkomplizierten und klugen Worte des Kurators nachzuplappern.
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MikkoDu musst hier gar nichts ernst nehmen. Aber Du musst Dich auch nicht wundern, wenn man Dich nicht ernst nimmt.
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Offensichtlich doch, denn sonst gäbe es die Diskussion nicht. Und was deine Anfeindung hier soll, verstehe ich nicht, du kommst hier in den Thread, und das erste ist ein blöder Spruch.
Aber ich steige hier aus, jetzt wird eh bloß noch paraphrasiert. Dennoch: Der Dünkel (Fabrikarbeiter sind zu kaputt, um sich zu bilden – als wenn ein Top-Manager mit 7-Tage Woche nicht kaputt wäre, aber dem wird ja immanent unterstellt, trotzdem noch Zeit für Theaterbesuche, Hintergrundrecherche, usw. zu haben) ist ausstehlich. Das ist mein Fazit hier.PS: Dass wir OT sind, ist schon allen klar, oder?
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Include me out!nail75
Das ist nicht nur schade, das ist entsetzlich.Wolltest Du sagen, dass Du Musik insgesamt weniger emotional wahrnimmst oder nur neue unbekannte Musik? Das eine ist nicht besser als das andere, aber ich begeistere mich trotz meiner Lust an der Analyse immer noch sehr für tolle Alben und wenn das anders wäre, dann würde ich das großen Verlust empfinden.
Emotional abgewertet wird bei mir keine Musik, egal wie lange bekannt. Ich schrieb ja auch „weniger“ nicht „gar nicht mehr“. Ging eher von Extremsituationen aus, 2007 hatte ich eine ziemlich schwere persönliche persönliche Krise, unter anderem half mir Townes Van Zandt darüber hinweg. Natürlich trifft mich Musik immer noch auf nicht analystischer Weise – James Brown lässt mich immer noch das Tanzbein schwingen, die Lieder von Townes verursachen bei mir immer noch eine Gänsehaut, Marleys „Redemption Song“ oder Reisers „Der Traum ist aus“ lassen mich immer noch von einer besseren Zukunft träumen etc. und solche Momente habe ich mehrmals die Woche! Vielleicht lag es einfach daran das es mir zur Zeit einfach besser geht als damals, aber ich denke schon dass ich immer mehr zum Kopf-Hörer werde, mir macht das Aneignen von Wissen/das einbringen in Diskussionen ja auch immer Spaß, und es geht beim Schreiben über Musik ja auch um das Begründen von Emotionen.
Eine gewisse Naivität ist sicher weg, aber auch die kann man sich ja wieder Erarbeiten.
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Man hatte uns als Kindern das Ende der Welt versprochen, und dann bekamen wir es nicht.Das Hauptproblem liegt meines Erachtens an der Diskrepanz zwischen der persönlichen, emotionalen Herangehensweise an Kunst, welche den Einzelfall betrachtet, und deren Übertragung auf weite, rational definierte Felder der Kunst, ohne sich näher mit der Materie auseinandergesetzt zu haben.
Es ist niemandem ein Vorwurf zu machen, wenn er sowohl auf eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit, sowie auf eine Haltung zu bestimmten Feldern innerhalb der Kunst verzichtet. Wird eine Haltung aber aus stereotypen, irgendwo aufgeschnappten Ansichten, welch man ohne eine ernstzunehmende Auseinandersetzung gewonnen hat, auf ein Feld welches man zu überblicken gar nicht in der Lage ist induziert, dann ist das nicht Ok, sondern schlichtweg ignorant.
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nail75Mein Widerspruch, dass ich die Vorschaltung von „Beschäftigung“ vor den Kunstgenuss ablehne, bleibt dann aber auch bestehen.
Das ist ein Widerspruch in sich, nail. Wenn ich Kunst genieße, dann ist das doch bereits eine Form der Beschäftigung mit der Kunst. Natürlich kann ich ohne jegliche Vorbildung Kunst genießen. Ich kann sie auch ohne jede Vorbildung ablehnen.
Wenn ich mich aber in irgendeiner Form zu Kunst sinnvoll äußern will, dann muss ich mich etwas mehr mit ihr beschäftigt haben. Das kann bedeuten, dass ich mehrere einander ähnliche Kunstwerke gehört habe und so eine Vergleichsmöglichkeit habe. Das kann bedeuten, dass ich überhaupt viel Musik höre, ohne sie einfach nur als Hintergrund oder Berieselung wahrzunehmen. Beschäftigung mit Kunst muss nicht zwangsläufig ein bewusster, zielgerichteter Vorgang sein. Aber wenn es mehr als eben nur Klangtapete sein soll, dann gehört schon eine gewisse Aufmerksamkeit dazu. Und die Fähigkeit zur Kognition, d.h. das Gehörte zu verarbeiten, in Beziehung zu setzen zu anderen gemachten Erfahrungen.
Viel mehr ist eigentlich nicht nötig, um zu einem eigenen Urteil zu kommen, das mehr ist, als spontane Gefühlsregung.--
Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties! -
Schlagwörter: Rock = Weltbildverlag, Songwriter-Slam, vergeigt, We Are the Champignons
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