Re: Rockisten aller Länder vereinigt Euch

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nail75An erster Stelle sollte die Kunst stehen, die dann durch Rezeption Teil eines Diskurses wird. Erst die Kunst, dann die Interpretation der Kunst.

Genau. Aber von hier aus geht es weiter: Die Erfahrungen, die Du mit einem Kunstwerk durchlebt, die Gefühle, die Du dabei empfunden, die Gedanken, die Du Dir dazu gemacht, die Interpretationen, die Du selber erprobt, mit anderen geteilt und im Diskurs durchgespielt, die Sichtweisen von erfahrenen Kunstgenießern, die Du Dir angehört, reflektiert, aufgegriffen oder meinetwegen auch verworfen hast – all das fließt in die Rezeption des nächsten Kunstwerks ein. Auch diesmal gilt: Erst die Kunst, dann die Interpretation, der Diskurs – dasselbe wie beim ersten Mal, nur diesmal sozusagen auf fortgeschrittenem, erfahrungsangereichertem Niveau. Und so weiter. Immer wieder: erst die Kunst, dann … Aber mit der Zeit läuft dieser Prozess auf einem differenzierteren Erfahrungsfundament ab: Es fällt Dir leichter zu vergleichen, weil Du sowohl Vergleichswerke gelesen/gehört/gesehen als auch im Diskurs Vergleichsmaßstäbe entwickelt hast. Es fällt Dir leichter, Dein eigenes Urteil zu begründen und die abweichenden Urteile und Begründungen anderer nachzuvollziehen und auf Dich wirken zu lassen. Und plötzlich geht eine Tür auf, und dahinter verbirgt sich Free Jazz oder „Die Ästhetik des Widerstands“ – und nachdem Du beides früher abgetan hast als unzugänglich, unverständlich, unsinnig, merkst Du plötzlich, wie viel es da noch zu entdecken gibt, wenn Du über diese Türschwelle trittst.

Nenne diesen Prozess „Bildung“ oder „Training“ oder „sich vertiefendes Interesse“ oder „geschultes Einfühlungsvermögen“ oder wie auch immer.

Ich bitte, „Bildung“ nicht damit zu verwechseln, dass man eine Ausstellung besucht und erstmal den Katalog durchliest, bevor man überhaupt vor die Bilder tritt, um dort nur noch wichtigtuerisch die hochkomplizierten und klugen Worte des Kurators nachzuplappern.

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